DHfP

DHfP

Die Deutsche Hochschule für Politik (DHfP) ist im Oktober 1920 als private Hochschule in Berlin gegründet worden.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Sie sollte aus einem liberalen Geist heraus die elementaren Grundsätze eines demokratischen Gemeinwesens in Deutschland etablieren und die noch junge Weimarer Republik in diesem Sinne gegen antidemokratische Tendenzen festigen helfen. Politikwissenschaft wurde zu dieser Zeit noch als Demokratiewissenschaft verstanden und bezeichnet. Vorgängereinrichtung der Hochschule für Politik war die 1918 gegründete Staatsbürgerschule in Berlin.

Förderer bzw. Mitglieder des Gründungskuratoriums waren u.a. Walter Simons, Ernst Jaeckh, Friedrich Naumann, Friedrich Meinecke, Max Weber, Hugo Preuß, Gertrud Bäumer und Otto Heinrich von der Gablentz. Einen wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Gründung der neuen Hochschule hatte der preußische Bildungsreformer (und Islamwissenschaftler) Carl Heinrich Becker.

Vorlesungen und Seminare für die ersten 120 Studenten fanden anfangs lediglich am Abend mit überwiegend nebenamtlichen Honorardozenten statt. Schwerpunktbereiche waren zunächst (1) Allgemeine Politik, Politische Geschichte und Politische Soziologie, (2) Außenpolitik und Auslandskunde, (3) Innenpolitik, einschließlich Kulturpolitik und Pressewesen, sowie (4) Rechtsgrundlagen bzw. (5) Wirtschaftsgrundlagen der Politik. Mit steigenden Studentenzahlen erhöhte sich in den Folgejahren der Anteil der hauptamtlichen Dozenten sowie der Lehrstühle. Ein Abschlussdiplom der Hochschule für Politik konnte aufgrund der Schwierigkeiten, die Ausbildung zu akademisieren, erst ab Mitte der Zwanziger Jahre erworben werden.

Zu den Lehrenden gehörten u.a. die Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer, Carl Heinrich Becker, Rudolf Breitscheid, der Staatsrechtler Hermann Heller, der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, Rudolf Hilferding, Wilhelm Heile, Hermann Luther, der Politiker und spätere Soziologie-Professor (DDR) Ernst Niekisch, der deutsch-jüdische Soziologe Albert Salomon, die Historiker Hans Delbrück, Hajo Holborn, Eckart Kehr, und Veit Valentin, Ernst Jaeckh, die Juristen Hermann Pünder, und Arnold Brecht, der Wirtschaftswissenschaftler Hans Staudinger sowie die Reichsminister Walther Rathenau, Bill Drews und Walter Simons. Dessen Sohn Hans leitete die Hochschule und nahm ebenfalls Lehraufgaben war. Ein Großteil dieser Dozenten emigrierte 1933. Zum Geschäftsführer wurde in der Folgezeit der promovierte politischer Schriftsteller Peter Kleist.[1]

Während des Nationalsozialismus wurde die gleichgeschaltete Hochschule im Jahr 1937 zunächst unmittelbare Reichsanstalt. Dem Nationalsozialismus am nächsten standen die „national-revisionistischen“ und die „völkisch-konservativen“ Lehrkräfte, die aus dem Politischen Kolleg stammten. Dieses hatte 1927 eine Arbeitsgemeinschaft mit der DHfP begründet. Von da an war der Lehrkörper zerrissen, es wurde kein einheitliches Konzept entwickelt. Die politische Wissenschaft wurde dann auf Außenpolitik und die sogenannte Auslandswissenschaft begrenzt und damit Teil des ideologischen Apparats der nationalsozialistischen Außenpolitik.

Auslandswissenschaftliche Fakultät

1940 wurde die Deutsche Hochschule für Politik zusammen mit dem Seminar für Orientalische Sprachen, das schon 1935 zur Auslandshochschule der Universität Berlin geworden war, verschmolzen und in die Universität als Auslandswissenschaftliche Fakultät eingefügt. Dekan wurde der 30-jährige Franz Alfred Six. Six war ein SS-Intellektueller, der zur Funktionselite der NSDAP gehörte; er arbeitete zugleich als Vorgesetzter Adolf Eichmanns im Reichssicherheitshauptamt an der Judenvernichtung. Ein anderer führender Nationalsozialist der Hochschule für Politik war der Soziologe und Geopolitiker Karl Heinz Pfeffer, der Six als Dekan ablöste. Auch antikolonialistische (meist indische und arabische) Studenten aus der 'Dritten Welt' studierten hier bis 1945.

Eine vollständige Liste aller Dozenten der DHfP enthält Botsch: Politische Wissenschaft im Zweiten Weltkrieg. Zu den Dozenten der Auslandswissenschaftlichen Fakultät gehörten auch Albrecht Haushofer, Harro Schulze-Boysen und Mildred Harnack. Studenten an dieser Fakultät waren u.a.: Eva-Maria Buch, Ursula Goetze, Horst Heilmann und Rainer Hildebrandt.

nach 1945

1948 erfolgte die Wiederbegründung der Deutschen Hochschule für Politik unter dem Sozialdemokraten Otto Suhr. Mit der Umwandlung der Hochschule in das 1959 neu gegründete Otto-Suhr-Institut vollzog sich die Integration in die Freie Universität Berlin und der Umzug nach Dahlem. In das repräsentative ehemalige Gebäude in Schöneberg zog 1971 die Fachhochschule für Wirtschaft Berlin.

Erinnerung

Eine Ausstellung von Siegfried Mielke und seinen Mitarbeitern über Studenten und Dozenten der DHfP, „die in der Zeit der NS-Diktatur in Widerstandsgruppen aktiv waren“, wurde am 14. Juni 2008 im Foyer des OSI von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse eröffnet.[2] Inzwischen wird die Schau auch an anderen Orten gezeigt. Ausstellung und Begleitbuch geben einen Überblick über die Entwicklung der Hochschule. Im Mittelpunkt stehen mehrere Dutzend Biografien von Dozenten und Studenten, die im Widerstand oder in der Emigration in verschiedensten Gruppierungen gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben. Die Biografien belegen einen Zusammenhang zwischen der demokratischen Orientierung der Hochschule und dem politischen Engagement vieler ihrer Dozenten und Studierenden gegen den NS-Staat. Während bereits zur Jahreswende 1932/33 an den deutschen Universitäten Dozenten und Studierende in großen Scharen zu den Nationalsozialisten überliefen, blieb an der DHfP die Mehrheit der Dozenten und Studierenden den demokratischen Gründungsintentionen treu. Nach Angaben der Autoren sei dies "einzigartig" in der Hochschullandschaft. Einzigartig sei auch die große Anzahl an Dozenten und Studierenden, die sich Widerstandsgruppen anschloss oder aus der Emigration das NS-System bekämpfte.

Literatur

  • Rainer Eisfeld: Ausgebürgert und doch angebräunt. Deutsche Politikwissenschaft 1920-1945. Nomos, Baden-Baden 1991, ISBN 3-7890-2393-0. 
  • Ernst Haiger: Politikwissenschaft und Auslandswissenschaft im "Dritten Reich" - (Deutsche) Hochschule für Politik und Auslandswissenschaftliche Fakultät der Berliner Universität 1940-1945. - In: Göhler, Gerhard/Zeuner, Bodo (Hrsg.): Kontinuitäten und Brüche in der deutschen Politikwissenschaft. Nomos, Baden-Baden 1991, S. 94-136. 
  • Antonio Missiroli: Die Deutsche Hochschule für Politik. Comdok, St. Augustin 1988, ISBN 3-8935-1017-6 (Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung: Liberale Texte - über die Weimarer Zeit). 
  • Erich Nickel: Politik und Politikwissenschaft in der Weimarer Republik. Rotschild, Berlin 2004, ISBN 3-9809-8390-0 (Rez.: [1]). 
  • Ernestine Schlant: Die Sprache des Schweigens. Die deutsche Literatur und der Holocaust. C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-4064-7188-9. 
  • Gideon Botsch: Politische Wissenschaft im Zweiten Weltkrieg. Die deutschen Auslandswissenschaften im Einsatz 1940-1945. Schöningh, Paderborn 2006, ISBN 3-5067-1358-2. 
  • Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig - Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920-1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 74.
  2. Der Tagesspiegel, 14. Juni 2008, Seite B3

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