Der Zauberlehrling (Ballade)

Der Zauberlehrling (Ballade)
Abbildung ca. 1882, S. Barth

Der Zauberlehrling ist eine Ballade von Johann Wolfgang von Goethe (im Druck veröffentlicht in der Ausgabe letzter Hand, 1827), die zu seinen populärsten Werken gehört. Entstanden ist sie in der Weimarer Zeit Goethes, im Jahre 1797, dem sogenannten Balladenjahr der Klassik, das in die literarische Geschichte einging.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

In diesem Balladenjahr 1797 machten Friedrich Schiller und Goethe die poetische Form Ballade zum Thema eines bewußten Kunstwillens und ästhetischen Experiments. Beide Dichter, die einen engen und freundschaftlich verbundenen Kontakt pflegten, gingen zum Vergnügen einen „Dichterwettstreit“ ein, dem neben dem „Zauberlehrling“ eine Reihe von weiteren Balladen, u. a. auch „Der Gott und die Bajadere“, „Die Braut von Korinth“ und „Der Schatzgräber“ entsprangen, die alle im von Friedrich Schiller herausgegebenen Musen-Almanach für das Jahr 1798 erschienen sind.

Motiv

Das Motiv der Ballade des Zauberlehrlings taucht ursprünglich in der Geschichte „Der Lügenfreund oder der Ungläubige“ von Lukian von Samosata auf. Als mögliche Vorlage oder Anregung kommt auch eine Episode in Betracht, die vom Prager Golem des Rabbi Löw überliefert ist.

Die Stelle, die Goethe in der Übersetzung Wielands benutzte, lautet:

Endlich fand ich doch einmal Gelegenheit, mich in einem dunkeln Winkel verborgen zu halten und die Zauberformel, die er dazu gebrauchte, aufzuschnappen, indem sie nur aus drei Silben bestand. Er ging darauf, ohne mich gewahr zu werden, auf den Marktplatz, nachdem er dem Stößel befohlen hatte, was zu tun sei. Den folgenden Tag, da er geschäftehalber ausgegangen war, nehm' ich den Stößel, kleide ihn an, spreche die besagten drei Silben und befehle ihm, Wasser zu holen. Sogleich bringt er mir einen großen Krug voll. Gut, sprach ich, ich brauche kein Wasser mehr, werde wieder zum Stößel! Aber er kehrte sich nicht an meine Reden, sondern fuhr fort, Wasser zu tragen, und trug so lange, daß endlich das ganze Haus damit angefüllt war. Mir fing an, bange zu werden, Pankrates, wenn er zurückkäme, möcht' es übelnehmen — wie es dann auch geschah —, und weil ich mir nicht anders zu helfen wußte, nahm ich eine Axt und hieb den Stößel mitten entzwei. Aber da hatte ich es übel getroffen; denn nun packte jede Hälfte einen Krug an und holte Wasser, so daß ich für einen Wasserträger nun ihrer zwei hatte. Inmittelst kommt mein Pankrates zurück, und wie er sieht, was passiert war, gibt er ihnen ihre vorige Gestalt wieder; er selbst aber machte sich heimlich aus dem Staube, und ich habe ihn nie wieder gesehen". [1]

Inhalt

Der Zauberlehrling ist alleine zu Hause und probiert einen Zauberspruch seines Meisters aus. Er verwandelt mittels Zauberspruch einen Besen in einen Knecht, der Wasser schleppen muss. Das Gedicht beginnt mit den folgenden berühmten Versen:

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.

Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch!

Anfänglich ist er stolz auf sein Können, doch bald merkt er, wie er der Situation nicht mehr gewachsen ist, und er sagt die geflügelten Worte: „Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nun nicht los.“ Da kommt im letzten Augenblick der Meister zurück und bereinigt die Situation mit einem knappen Befehl:

»In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid’s gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.«

Aufbau
  1. Überheblichkeit und Wichtigtuerei
  2. Umsetzung des Vorhabens
  3. Machtrausch
  4. Angst und Verzweiflung
  5. Hilfloses Schimpfen
  6. Verzweiflungstat
  7. Hilferuf

Struktur / Sprachgestalt / Versmaß

Die Ballade besteht aus sieben Strophen, die durch Einrückung auftgeteilt sind in die eigentliche Strophe und einer Art Refrain. Jede Strophe besitzt 14 Verse. Der erste Teil jeder Strophe setzt sich aus vier Versen mit vierhebigen Trochäen zusammen, der Refrainteil weist sechs Verse mit vier zweihebigen und zwei vierhebigen Trochäen mit Kreuzreim auf.

- 7 Strophen mit je 8 Versen
- 7 Nachstrophen mit je 6 Versen

Reimschema (Strophe): a b a b - c d c d
Reimschema (Nachstrophe): e f f g e g
Reimschema im Refrainteil der Strophen ist: a b b c a c

Reimschema und Versmaß in der Form waren bis dahin unbekannt und wurden von Goethe für den Zauberlehrling neu geschaffen.[2]

Wirkung

Die Ballade vom „Zauberlehrling“ inspirierte den französischen Komponisten Paul Dukas 1897 zu einer Vertonung des Werks (siehe Der Zauberlehrling (Dukas)).

Das wiederum bewog Walt Disney, die vertonte Darstellung der Geschichte in seinem 1940 entstandenen ZeichentrickfilmFantasia“ szenisch umzusetzen. Darin spielt Micky Maus den mit Besen und Wasser kämpfenden Zauberlehrling.

Eines der erfolgreichsten Kinderbücher des Grafikers und Illustratoren Tomi Ungerer erzählt die Geschichte vom Zauberlehrling (1971).

Das Gedicht wurde auch von Achim Reichel auf seinem Album Regenballade vertont. Eine Vertonung speziell für Kinder findet sich auf der CD Balladen für Kinder von Lutz Görner.

Der Zauberlehrling ist eines der bekanntesten Gedichte Goethes. Noch heute ist er beliebter Unterrichtsstoff der Grundschulen; viele Schüler mussten und müssen ihn im Laufe ihres Schullebens einmal auswendig lernen.

Literatur

  • Karl Moritz: Deutsche Balladen. Analyse für den Deutschunterricht. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1972. ISBN 3-506-72814-8

Einzelnachweise

  1. Karl Moritz: Deutsche Balladen
  2. Seminararbeit an der Christian-Albrechts-Universität Kiel 2003, Zugriff am 19. März 2009

Weblinks


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