Dionysios von Halikarnassos

Dionysios von Halikarnassos

Dionysios von Halikarnassos (griech. Διονύσιος/Dionýsios, lat. Dionysius; * ca. 54 v. Chr. in Halikarnassos; † ca. 8 n. Chr. ebenda) war ein griechisch-sprachiger römischer Rhetor, Schriftsteller und Geschichtsschreiber des 1. Jahrhunderts v. Chr.

Als Zeitgenosse von Augustus kommt er im Jahr 29 v. Chr. nach Rom und verfasst dort mehrere Schriften, darunter sein Hauptwerk, eine Geschichte Roms (griech. Ῥωμαϊκὴ Ἀρχαιολογία, Rômaïkề Archaiología, lat. Antiquitates Romanae = "Römische Altertümer", also sinngemäß etwa "Römische Frühgeschichte") von den Anfängen bis zum Beginn des Ersten Punischen Krieges in zwanzig Büchern, von denen die ersten 10 Bücher komplett erhalten sind, das elfte Buch uns in Teilen überliefert ist und außerdem Fragmente bei Konstantinos Porphyrogennetos und vielen anderen Autoren existieren. Darin versucht er, die römischen und griechischen Ursprünge als stark miteinander verbunden darzustellen; außerdem wird die Geschichte der Stadt Rom (vorgestellt als ideale Polis) teleologisch interpretiert, das heißt, es werden im Sinne der imperialen augusteischen Politikauffassung rückblickend Gründe für den (idealisierten) Aufstieg Roms zum "Zentrum der Welt" geliefert - nicht zuletzt deswegen wird das Werk auch von vielen späteren, kaiserzeitlichen Autoren benutzt, unter anderem etwa von Plutarch, Appian und Cassius Dio Cocceianus.

Trotz dieser bedenklichen Begleitumstände ist das Werk etwa für die Zeit von der gallischen Invasion Italiens bis zum ersten Punischen Krieg (Bücher XIV bis XX) als eine der wichtigsten Quellen für die Geschichtswissenschaft anzusehen, nicht zuletzt, weil uns für weite Bereiche andere Quellen fehlen.

Neben seinem Wirken als Geschichtsschreiber ist Dionysios aber vor allem als Rhetor zu betrachten, als welcher er auch wegen seiner Thesen zum griechischen Ursprung Roms von modernen Historikern oft ausschließlich eingeordnet wird. Er verfasst unter anderem eine Abhandlung "Über die Anordnung der Wörter" (griech. Περὶ Συνθέσεως Ὀνομάτων, Perì synthéseôs onomátôn), außerdem einen Aufsatz über antike (vor allem attische) Redner, deren Stil und dessen Nachahmung (griech. Τῶν Ἀρχαίων Κρίσις, Tỗn archaíôn krísis) eine "Rhetorik" (griech. Τέχνη Ρητορική, Téchnê Rhêtorikế) sowie einige kurze Beurteilungen über frühere griechische Autoren. Über ihn ist uns auch eine Abhandlung über die Eloquenz von Demosthenes überliefert. In seinen späten Werken beschäftigt er sich stärker mit formalen Aspekten der Rede und ist im führenden Streit der Rhetoriker seiner Zeit generell als ein starker Befürworter des Attizismus im Gegensatz zum Asianismus zu bezeichnen.

Literatur

  • W. Roberts, The Literary Circle of Dionysius of Halicarnassus, CR 14, 1900, 439–442.
  • M. Egger, Denys d’Halicarnasse. Essai sur la critique littéraire et la rhétorique chez les Grecs au siècle d’Auguste, Paris 1902.
  • E. Schwartz, s.v. Dionysios (113) von Halikarnassos, RE V 1, 1905, 934–961.
  • R.J.H. Shutt, Dionysius of Halicarnassus, G&R 4, 1935, 139-150.
  • E. Gabba, Studi su Dionigi da Alicarnasso, 1, La costituzione di Romolo, Athenaeum 38, 1960, 625–642.
  • E. Gabba, Studi su Dionigi da Alicarnasso, 2, Il regno di Servio Tullio, Athenaeum 39, 1961, 98–121.
  • H. Hill, Dionysius of Halicarnassus and the Origins of Rome, JHS 51, 1961, 88–93.
  • E. Gabba, La Storia di Roma arcaica di Dionigi d’Alicarnasso, ANRW II 1, 1982, 799–816.
  • A. Hurst, Un critique grec dans la Rome d’Auguste: Denys d’Halicarnasse, ANRW II 1, 1982, 839–865.
  • E. Gabba, Dionysios and the History of Archaic Rome, Berkeley 1991.
  • V. Fromentin, Denys d’Halicarnasse, historien grec de Rome, in: Histoire et historiographie dans l’antiquité. Actes du XIème colloque de la Villa Kerylos à Beaulieu-sur-Mer, Paris 2001, 123–142.
  • A. Delcourt, Lecture des Antiquités romaines de Denys d’Halicarnasse. Un historien entre deux mondes, Bruxelles 2005.
  • D. Engels, Zur Bedeutung der Inschriften im Geschichtswerk des Dionysios von Halikarnassos, in: C. Deroux (Hg.), Corolla Epigraphica. Hommages au professeur Yves Burnand, Bd. 2, Bruxelles 2011, 470-489.

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