Flak-Turm

Flak-Turm
Der Gefechtsturm im Wiener Augarten

Ein Flakturm ist ein Hochbunker, der neben seiner Schutzfunktion gleichzeitig auch als Waffenplattform für Flugabwehrkanonen (Flak) und deren Feuerleitanlage genutzt werden konnte.

Acht Flakturmpaare wurden während des Zweiten Weltkriegs in Berlin, Hamburg und Wien errichtet, um den Überflug oder Angriff gegnerischer Bomberverbände zu erschweren. Entworfen wurden die Türme vom Schweriner Stadtplaner und Brückenbauer Friedrich Tamms.

Neben der Funktion als Flakstellung befanden sich in ihnen große Schutzräume für bis zu 30.000 Personen. Außerdem beherbergten sie viele Kunst- und Kulturschätze, wie z. B. der Zoobunker einige Teile des Pergamonaltars, um sie vor der Zerstörung zu bewahren.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Der Feuerleitturm im Wiener Augarten

Die Flaktürme wurden aus vielen Gründen gebaut. Ihr Hauptzweck war der, eine hoch gelegene Plattform für die doppelrohrige Version der großen 12,8-cm-Flak 40 (sog. "Zwölfacht-Zwilling") zu schaffen, die sonst aufgrund des Gasdruckes beim Abfeuern in dicht bebautem Gebiet nicht eingesetzt werden konnten. Die Feuerkraft der Hauptgeschütze (10-12 Schuss pro Minute und Rohr, Gewicht einer Granatpatrone: 46 kg; Geschoss: 26,2 kg) war zwar durch die Platzierung auf einem Turm nicht größer als bei Aufstellung zu ebener Erde, aber die Waffen konnten dank der hohen Aufstellung ihre maximale horizontale Einsatzreichweite von 20,9 km und die maximale Steighöhe der Granaten (im Schrägschuss 14,8 km) voll ausnutzen und dank des für konventionelle Waffen praktisch unverwundbaren Turms (Decken und Wände aus 3,5 m starken Stahlbeton) auch im schlimmsten Bombenhagel weiterkämpfen.

Der größte Nutzen der Türme war der einer nahezu unzerstörbaren Festung, die der Zivilbevölkerung Schutz vor den Bombenangriffen bot, und die sichere Aufbewahrung wertvoller Kunst- und Kulturschätze. Die Türme besaßen jeder ein eigenes Kraftwerk sowie autonome Wasserversorgung durch Tiefbrunnen und waren gemäß einer nach 1945 geäußerten Auffassung imstande, sich ein Jahr lang auf sich allein gestellt zu verteidigen, egal was um sie herum geschah.

Berliner Zoo-Bunker 1942

Das NS-Regime nutzte die Türme auch geschickt für ihre Propaganda. So dienten sie als Zeichen dafür, wie die deutsche Regierung das Volk vor den Bombenangriffen feindlicher Mächte beschützt, aber, zumindest bei den ersten Türmen, auch als Symbol für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Konstrukteure waren sich sehr wohl bewusst, dass die Flaktürme nach dem Krieg nicht mehr so einfach entfernt werden könnten, weshalb eine Verkleidung der Türme im klassischen Stil geplant war, welche sich in das Stadtbild wie antike Festungen integrieren sollten.

Während der Bodenkämpfe in Berlin im April/Mai 1945 erwiesen sich die Flaktürme als unüberwindliche Hindernisse für die sowjetischen Truppen. Die Türme kämpften mit ihren "Zwölfacht-Zwillingen" jede sowjetische Batterie nieder und schossen sogar Panzer ab. Seit dem 26. April 1945 blieb die 3. (sowjetische) Stoßarmee vor dem Flakturm Humboldthain, die 5. Stoßarmee vor dem Flakturm Friedrichshain und die 28. Armee mit der 2. Gardepanzerarmee vor dem Flakturm Zoo liegen. (Nur die 8. Gardearmee mit der 3. Gardepanzerarmee vermochte zwischen den Türmen am Zoo und im Friedrichshain ins Stadtzentrum Berlins einzudringen). Erst mit der Kapitulation am 2. Mai 1945 stellten die Türme ihr Feuer ein.

Die Türme und deren Überreste sind heute fester Bestandteil des Stadtbildes von Wien, Hamburg und Berlin.

Bauarten

Gefechtsturm auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg

Flaktürme wurden immer in Paaren gebaut, einem G(eschütz)-Turm und einem L(eit)-Turm, wobei der G-Turm die vier Hauptgeschütze beherbergte und der L-Turm in einiger Entfernung die Feuerleitung übernahm. Die Türme waren untereinander verkabelt, die Türme im Berliner Humboldthain z. B. verband ein Kabelkanal, der 1,5 m im Durchmesser maß und am Kriegsende als Fluchttunnel genutzt wurde.

Die vier Primärwaffen waren 12,8 cm Zwillingsflak-Geschütze („Zwölfacht-Zwilling“), auf den Schwalbennestern waren zeitweise 3,7cm-Flak, ab 1944 2cm-Flak im Einsatz. Auch eine Stationierung des Radarsystems Würzburg-Riese war möglich. Bei der 3. Bauart waren die Hauptgeschütze derart nahe beieinander angeordnet, dass diese mittels Panzerkuppeln geschützt wurden.

Gefechtsturm

Klasse Bauart 1 Bauart 2 Bauart 3
Länge [m] 75 57 43
Breite [m] 75 57 43
Höhe1 [m] 39 42 55
Wandstärke [m] 3,5 2 2,5
Deckenstärke [m] 5 3,5 3,5
Vergleich der drei Gefechtsturm-Typen

1 Die tatsächliche Bauhöhe der Türme ist sehr unterschiedlich. Für eine einfachere Feuerleitung wurden die Plattformen der Türme auf gleicher Seehöhe gebaut.

Die Gefechtstürme waren die Träger der vier 12,8 cm Flak-Zwillingskanonen. Bei Türmen der Bauart I bestand noch die Möglichkeit, im Zentrum der Geschütze einen Feuerleitstand zu errichten, für den Fall, dass der Feuerleitturm ausfallen sollte. Die Gefechtstürme sind größer und massiver als die Leittürme, bei Bauart III unterscheiden sie sich am gravierendsten. Schwalbennester auf einer niederen Plattform wurden mit der kleineren 2cm-Flak bestückt, um den Turm gegen besonders nahe und tief fliegende Maschinen zu verteidigen.

Leitturm

Die Feuerleittürme waren mit den Gefechtstürmen mittels massiver Kabelkanäle verbunden, welche bis zu 1,5 m im Durchmesser hatten und teils auch begehbar waren. Sie enthielten sowohl die notwendige Ausrüstung zur Feuerleitung, als auch die Möglichkeit zur Anbringung des großen Radars Würzburg-Riese. Ihre Bauform ist von Bauart 1 bis 3 etwa gleich, sind jedoch um ein vielfaches schmaler als ihre entsprechenden Gefechtstürme. Anders als die Gefechtstürme waren die Leittürme auch meist nur mit einigen 2cm Flugabwehrkanonen in den Schwalbennestern bewaffnet.

Hochbunker des Zweiten Weltkriegs

Hauptartikel: Berliner Flaktürme, Hamburger Flaktürme, Wiener Flaktürme

Die Berliner Flaktürme wurden nach dem Krieg zum Großteil gesprengt, die Hamburger Flaktürme wurden umgestaltet, nur die Wiener Flaktürme sind praktisch unverändert vorhanden, da ein Abriss bzw. Sprengung aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Wohnhäusern praktisch nicht möglich ist.

Name Standort Bauart Fertigstellung jetziger Zustand / Nutzung
Flakturm I Berlin-Tiergarten, Großer Tiergarten Bauart I April 1941 30. August 1947, 4. September 1947, Juni 1948 gesprengt und rückgebaut
Flakturm II Berlin-Friedrichshain, Volkspark Friedrichshain Bauart I Oktober 1941 20. April, 2. Mai 1946 gesprengt und überdeckt
Flakturm III Berlin-Gesundbrunnen, Volkspark Humboldthain Bauart I April 1942 28. Februar 1948 teilweise gesprengt, heute Aussichtsplattform, Kletterwand, Museum
Flakturm IV Hamburg-Sankt Pauli, Heiligengeistfeld Bauart I Oktober 1942 Nutzung als Medienzentrum. Beinhaltet z.Zt die Tonstudios der SAE und das Musikfachgeschäft Amptown/Just Music, welches den Bunker in den ersten Etagen ausbauen möchte.
Flakturm V Wien, Stiftskaserne / Esterházypark Bauart III Juli 1944 L-Turm: Haus des Meeres, Kletterwand, Foltermuseum, G-Turm: Bundesheer
Flakturm VI Hamburg-Wilhelmsburg Bauart II Oktober 1943 17. Oktober 1947 innen beschädigt, ungenutzt
Flakturm VII Wien, Augarten Bauart III Januar 1945 G-Turm bei unbeabsichtigter Munitionsexplosion 1946 im Inneren zerstört, beide ungenutzt
Flakturm VIII Wien, Arenbergpark Bauart II Oktober 1943 G-Turm: Depot des Museum für angewandte Kunst (MAK), L-Turm: gelegentliche Ausstellungen und Führungen, sonst ungenutzt

Andere, meist im Volksmund, als Flakturm bekannte Bauwerke:

Siehe auch

Literatur

  • Henning Angerer: Flakbunker, Ergebnisse-Verlag, ISBN 3-87916-057-0
  • Michael Foedrowitz:
    • Luftschutztürme, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 3-7909-0656-5
    • Die Flaktürme in Berlin, Hamburg und Wien 1940-1950, Podzun-Pallas Verlag, Sonderheft 44
  • Andreas Hoffmann: Verschwundene Orte, Transit Buchverlag, Berlin 1997
  • Ute Bauer: Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur, Phoibos Verlag, Wien 2003, ISBN 3-901232-42-7
  • Valentin E. Wille: Die Flaktürme in Wien, Berlin und Hamburg. Geschichte, Bedeutung und Neunutzung, VDM-Verlag, Saarbrücken 2008, ISBN 3-8364-6518-3

Weblinks


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