Georgenkirche (Wismar)

Georgenkirche (Wismar)
St. Georgen
Inneres nach Osten (Mai 2010)
St. Georgen: Fassade des Querschiffes
Grundriss (1896)

Die Kirche St. Georgen gehört neben St. Marien und St. Nikolai zu den drei monumentalen gotischen Sakralbauten der Wismarer Altstadt. Ausgehend von der Baumasse und dem umbauten Raum ist die um 1295 begonnene Georgenkirche das größte dieser Bauwerke. Zugleich ist es auch das jüngste. Sie war das Gotteshaus der Landesherren und der Handwerker von Wismar. Das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte und zu DDR-Zeiten weiter verfallene Bauwerk ist in wesentlichen Teilen bis 2010 wiederhergestellt worden. Die Georgenkirche ist als Teil der Wismarer Altstadt seit 2002 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes verzeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Architektur

Wie die anderen größeren Wismarer Kirchen wurde St. Georgen im Stil der norddeutschen Backsteingotik errichtet, orientiert sich jedoch nicht so stark am Urvorbild der Lübecker Marienkirche wie jene anderen Bauwerke.

Das anfangs als Hallenkirche geplante Gotteshaus ist eine dreischiffige Basilika mit Einsatzkapellen, großem Querhaus, niedrigerem Chor und flachem Chorabschluss. Die Westfassade bildet ein aus Kostengründen unvollendeter Turm, von dem nur der Turmschaft erbaut wurde. Nicht zuletzt der niedrige Turmstumpf sorgt neben der ungewöhnlichen Raumaufteilung und dem gewaltigen Querhaus für das eigenwillige, aber unverkennbare Erscheinungsbild des Bauwerks, das sich hoch und weithin sichtbar über den Altstadtdächern erhebt.

Kurz vor Kriegsende, am 14./15. April 1945 wurde das Bauwerk bei einem Bombenangriff durch zwei britische Luftminen schwer beschädigt. Das Turmmassiv brannte völlig, der Kirchenraum teilweise aus. Gewölbe und Dachkonstruktionen von Langhaus, Querschiff und Turm stürzten ein. Die Umfassungsmauern blieben erhalten. In der Folgezeit traten Verfallserscheinungen am Gesamtbauwerk, auch am erhaltenen Chorbereich auf.[1] Seit seiner Gründung 1987 hat sich der Förderkreis St. Georgen mit verschiedenen Aktionen zunächst für eine Rettung und dann den Wiederaufbau der Kirche eingesetzt.[2] Am 25. Januar 1990 wurde durch einen Orkan der Giebel des Nordquerhauses heruntergerissen und zerstörte zwei benachbarte Häuser. Handlungsdruck entstand, es war zur Zeit der Friedlichen Revolution und der Runde Tisch Wismar sandte Hilferufe aus. Von westdeutscher Seite kam rasche Unterstützung, örtliche Betriebe nahmen sich der Aufgabe an, und in der Folge wurde der Wiederaufbau der Georgenkirche umgesetzt.

Der forcierte Wiederaufbau der Georgenkirche seit 1990, kostete allein bis Anfang 2010 40 Millionen Euro. Engagierte Unterstützung und Geld kamen aus verschiedenen Quellen, allein 15 Millionen von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Für diese war die Kirche St. Georgen das erste und größte Hilfsprojekt in den östlichen Bundesländern.[3]

Die zukünftige Nutzung der Georgenkirche soll in einer Kombination von Gotteshaus und Kulturkirche liegen. Die Arbeiten gehen aber weiter. So ist noch eine Aussichtsplattform auf dem Turm geplant. Die jährlichen Unterhaltungskosten werden auf 400.000 Euro geschätzt.[4] Am 8. Mai 2010 wurde in der Kirche ein Festakt zum vorläufigen Abschluss der Arbeiten abgehalten.

Ausstattung

Detail des Hochaltarretabels

Die bedeutendsten Ausstattungsstücke waren im Krieg wegen der Luftangriffe ausgelagert und dadurch zunächst gerettet worden, gingen jedoch teilweise nach Kriegsende verloren. Dazu gehörte eine lebensgroße Reiterfigur des Heiligen Georg, die mutwillig zerstört wurde.[5] In der Kirche befand sich auch ein um 1430 entstandenes gotisches Hochaltarretabel. Es ist mit vier Metern Höhe und zehn Metern Breite bei geöffneten Flügeln das größte seiner Art im gesamten Ostseeraum. Es weist 42 Heiligenfiguren auf der Vorder- und 16 Maltafeln auf der Rückseite auf. Das im Krieg ausgelagerte Retabel ist nach Restaurierung im Jahr 2008 in der Südkapelle der St. Nikolaikirche aufgestellt worden. Seitdem finden jeden Donnerstag um 18:05 Uhr Andachten vor dem Hochaltar statt, in denen die einzelnen Heiligen vorgestellt werden. Die Wiederherstellung des Hochaltars wurde vom Förderkreis St. Georgen zu Wismar e.V. durch Spendengelder von über 760.000 Euro bewerkstelligt. Es gibt eine Kontroverse darüber, ob der Altar nach seiner Rückkehr in die Georgenkirche an seinen alten Standort im Chor (Ostteil) des Gotteshauses (Landeskirche, Kultusministerium, Förderkreis, Denkmalpflege, Restauratoren) oder in eine Seitennische kommt (Bürgermeisterin).[6] Für die Aufstellung am historischen Standort haben sich zudem in einer Unterschriftenaktion des Förderkreises bereits ca. 11.000 Bürger ausgesprochen. Neben dem Hauptaltar werden auch die restlichen erhaltenen Ausstattungsstücke (u.a. das mittelalterliche Gestühl und das Triumphkreuz) wieder zurückkehren. Im November 2010 wurde die Orgelstiftung St. Georgen zu Wismar gegründet. Ihr Ziel ist es, die im Krieg komplett zerstörte Orgel durch einen Neubau zu ersetzen und nach dem Einbau deren Wartung und Nutzung zu begleiten.

Glocken

Die Georgenkirche besaß im Westturm ein Geläut aus vier Glocken; die beiden größeren waren 1859 vom Glockengießer Peter Martin Hausbrandt in Wismar gegossen worden, die dritte Glocke 1591 von Gerdt Bincke und die vierte Glocke 1670 von Abraham Grot. Die beiden Glocken aus dem 19. Jahrhundert wurden schon zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen; die vierte Glocke musste später ebenfalls abgeliefert werden und überstand den Krieg auf dem Hamburger Glockenfriedhof, wurde aber 1963 für den Guss einer Glocke für die Nikolaikirche eingeschmolzen. Die dritte Glocke war als einzige in Wismar verblieben, stürzte 1945 bei der Zerstörung der Kirche im Turm ab und zerschellte.[7]

Erhalten haben sich hingegen die 1581 von Gerdt Bincke gegossene Uhrschlagglocke im Dachreiter sowie die kleine Viertelschlagglocke von 1489, ursprüngliche ebenfalls aus dem Dachreiter und zur Zeit in der Kirche von Zurow.

Maße

  • Höhe des Turmstumpfes: 59 m
  • Länge: 78 m
  • Breite: 44 m
  • Querschiffbreite: 57 m
  • Gewölbehöhe des Quer- und Hauptschiffes: 35 m

Pastoren

Einzelnachweise

  1. Arno Krause: "Wismar". In: "Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg". Hrsg. Götz Eckardt, Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 1, S. 88-89
  2. Website des Förderkreises St. Georgen zu Wismar e.V.
  3. Dorothee Reimann:Das Wunder von Wismar. monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland. Hrsg. Deutsche Stiftung Denkmalschutz. 20. Jg. Nr. 3/4. April 2010. S. 8-17
  4. Gottfried Kiesow:Vollendet ist das große Werk. monumente 3/4-2010, S.3
  5. Arno Krause: "Wismar". In: "Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg". Hrsg. Götz Eckardt, Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 1, S. 88-89
  6. Joachim Grehn: "Der Altar gehört mitten in die Georgenkirche". Frankfurter Allgemeine Zeitung (Leserbrief), 19. Februar 2009
  7. Nach Claus Peter: Die Glocken der Wismarer Hauptkirchen. Bestand und Quellen. In: Jahrbuch für Glockenkunde 5/6 (1993/94), S. 69-94.

Literatur

  • Ludwig, Steve: St. Georgen zu Wismar. Kiel 1998, ISBN 3-9805480-7-4
  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992, S. 69 ff. ISBN 3910179061

Weblinks

 Commons: Georgenkirche (Wismar) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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