Hans Winkelsee

Hans Winkelsee

Hans Winkelsee ist eine Sagengestalt aus Frankfurt am Main, von der man nicht genau weiß, ob sie jemals bzw. unter diesem Namen gelebt hat. Jedes Frankfurter Kind hat die von ihm handelnde Sage Der Neuner in der Wetterfahne in der Grundschule gelernt.

In jedem Fall sei Hans ein legendärer Wilddieb gewesen. Seinerzeit lebten im städtischen Forst noch viele Rehe, Hirsche und Wildschweine, die jedoch nur von Privilegierten (z. B. Adligen) gejagt werden durften. Dem einfachen Volk war die Jagd gesetzlich verboten. Wer dagegen verstieß, und sei es aus existenzieller Not, galt als Wilddieb. Hans Winkelsee soll 1550 gefasst, zum Tode verurteilt und für neun Tage in Frankfurts Eschenheimer Turm (erbaut 1400-1428) festgesetzt worden sein. Danach soll er durch einen Handel mit dem Rat der Stadt neun Meisterschüsse durch die eiserne Wetterfahne auf der höchsten Spitze des Turms abgefeuert haben. Dazu soll er mit dem Gewehr die Ziffer 9 in die Fahne geschossen haben, um die Dauer seiner Einkerkerung zu dokumentieren. Dem Rat der Stadt erschien dies zuvor als unmöglich, zum Gaudium erschienen jedoch eine Vielzahl von Ratsherren und anderem Volk. Hans Winkelsee soll das erfolgreiche Kunststück vor dem sicheren Ende am Galgen bewahrt und seine Begnadigung erwirkt haben.

Noch 1859 hatte der Maler Carl Theodor Reiffenstein in der Wetterfahne neun Löcher gezählt, die nach seiner Meinung eindeutig hineingeschossen worden waren. Nach Blitzeinschlag am 9. Juni 1874 war die Fahne vom Turm gefallen und wurde 1885 im Rahmen einer Turmrenovierung durch eine neue ersetzt, in die man lediglich sechs Löcher einstanzte. Dies wurde auch anlässlich der Turmrestaurierungen in den Jahren 1911, 1932, 1959 und 1963 nicht korrigiert. Seit 1976 verfügt die neu vergoldete Fahne jedoch wieder über neun Löcher.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das nach dem Wilddieb benannte Haus Hans Winkelsee an der Ecke Schiller-/Taubenstraße zerstört. Im Kaminzimmer des Eschenheimer Turmes soll jedoch eine erhalten gebliebene restaurierte Figur von der Fassade des Hauses Hans Winkelsee aufgestellt werden.

In Büchern wird Hans Winkelsee nach heutigem Wissensstand erstmals im Jahr 1853 erwähnt (Ludwig Bechstein: "Deutsches Sagenbuch"), dann 1861 (Friedrich Enslin: "Frankfurter Sagen- und Märchenbuch"), 1868/71 (Johann Georg Theodor Grässe: "Sagenbuch des Preußischen Staates" und 1911 (Friedrich Bothe: "Aus Frankfurts Sage und Geschichte"). Von Professor Dr.-Ing. Helmut Bode wird die Sage im Buch "Frankfurter Sagenschatz" 1986 neu erzählt und ausgeschmückt. Professor Karl Joseph Simrock hat ein Gedicht über den Wilddieb verfasst. Auf ihn bezieht sich selbst Karl May im populärsten Fortsetzungsroman des 19. Jahrhunderts "Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde" von 1882/84: "So schießen Sie nach der Wetterfahne, wie Hans Winkelsee, im Eschenheimer Thurm, wie uns Simrock erzählt." Simrock soll den Namen Winkelsee erfunden haben. In der überlieferten Sage habe der Mann nur Hans geheißen. Wann sie entstanden ist und über wie viele Jahrhunderte hinweg sie von Generation zu Generation weitererzählt wurde, weiß man nicht.

Literatur

  • Helmut Bode: Frankfurter Sagenschatz, Frankfurt am Main 1986, Kramer, ISBN 3-7829-0209-2
  • Friedrich Bothe: Aus Frankfurts Sage und Geschichte, 1911
  • Friedrich Enslin: Frankfurter Sagen- und Märchenbuch, 1861
  • Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch, 1853
  • Kristina Hammann, Katharina Hammann: Frankfurter Sagen und Legenden (Hörbuch), John Media 2008, ISBN 3-9811250-6-1

Quellen

  • Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 685-686

Weblinks


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