Heilsspiegel

Heilsspiegel
Kremsmünster Codex aus dem Klosterschatz der ehemaligen Prämostratenserabtei Rüti

Heilsspiegel waren eine seit dem Spätmittelalter verbreitete Art christlicher Erbauungsbücher. Sie entstanden nach dem Vorbild des Speculum humanae salvationis (lat. „Spiegel des menschlichen Heils“), einer in lateinischer Reimprosa von einem deutschen Dominikaner am Anfang des 14. Jahrhunderts geschaffenen illustrierten Heilsgeschichte für Laien.

Im Gegensatz zur typologischen Darstellung in Armenbibeln sind Heilsspiegel nach dem Muster der Präfiguration aufgebaut, d. h. sie weiten die Erklärung über das Alte und Neue Testament hinaus auf – meist bekannte und anschauliche – Beispiele aus griechischer und römischer Mythologie und Geschichte aus. In jedem Kapitel der lateinischen Vorlage treten zu einer neutestamentlichen Szene (dem 'Antitypus'), meist aus dem Leben Marias und Jesu, drei alttestamentliche Szenen (die 'Typen'). Jedes Kapitel besteht aus 100 Versen, so dass die Bild-Text-Folge mit einem festen Layout verbunden werden konnte. Der älteste erhaltene volkssprachliche Heilsspiegel war die frühneuhochdeutsche Speculum-Übersetzung Eyn Spiegel der menschlichen selikeit (Mitte des 14. Jahrhunderts), die die lateinische Reimprosa nachbildete. In der Folge entstanden Vers- und Prosaübersetzungen auf Mittelhochdeutsch und Mittelniederdeutsch sowie auf Mittelfranzösisch von Jean Miélot. Eigenständige Versbearbeitungen in mittelhochdeutscher Sprache schufen Konrad von Helmsdorf (Der Spiegel des menschlichen Heils), Andreas Kurzmann und Heinrich Laufenberg. Daneben erschienen ab 1473 mehrere gedruckte Heilsspiegel, die für die Popularität der Hausbücher und ihrer Wort-Bild-Kombination sprachen. Die Bildreihen der Handschriften gingen teilweise auch in die bildenden Künste ein, u. a. in die Heilsdarstellung von Fastentüchern oder in den spätgotischen Bildteppich des Klosters Wienhausen.

Inhaltsverzeichnis

Literatur

Historische Werke

  • Paul Perdrizet/Jules Lutz (Hrsgg.): Speculum humanae Salvationis. Paris 1907
  • Axel Lindqvist (Hrsg.): Konrad von Helmsdorf: Der Spiegel des menschlichen Heils. Berlin 1924
  • Margit Krenn (Hrsg.): Speculum humanae salvationis. Darmstadt 2006. ISBN 3-534-19126-9

Sekundärliteratur

  • Edgar Breitenbach: Speculum Humanae Salvationis. Eine typengeschichtliche Untersuchung. Straßburg 1930
  • Horst Appuhn: Heilsspiegel. Die Bilder des mittelalterlichen Erbauungsbuches Speculum humanae salvationis. Dortmund 1981. ISBN 3-88379-267-5
  • Adrian Wilson/Joyce Lancaster Wilson: A medieval mirror. ‘Speculum humanae salvationis’ 1324–1500. Berkeley 1984. ISBN 0-520-05194-7
  • Peter Wiesinger: Einige Bemerkungen zu Andreas Kurzmanns Reimübersetzung des „Speculum humanae salvationis“ anlässlich des Editionsvorhabens. In: Alfred Ebenbauer et. al. (Hrsgg.): Die mittelalterliche Literatur in der Steiermark. Akten des Internationalen Symposiums Schloß Seggau bei Leibnitz 1984. Bern/Frankfurt am Main 1988. S. 299–315.
  • Hans-Walter Stork/B[urghart] Wachinger: Art. 'Speculum humanae salvationis'. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 9, Sp. 52-65.
  • G. Roth/M. Markus/M. Grams-Thieme: Art. "Speculum humanae salvationis". In: Lexikon des Mittelalters 7, Sp. 2088f.

Weblinks


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