Konrad Maurer

Konrad Maurer
Ölportrait Konrad Maurers, gemalt 1876 von Knud Bergslien, im Besitz der Universität Oslo.

Konrad Heinrich Maurer, ab 1876 von Maurer (* 29. April 1823 in Frankenthal (Pfalz); † 16. September 1902 in München) war ein bayerischer Rechtshistoriker, Philologe und Skandinavist. Maurer gilt als einer der bedeutendsten Erforscher der altnordischen Rechts- und Verfassungsgeschichte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Konrad Maurer wurde 1823 als einziger Sohn von Georg Ludwig von Maurer und Friederike Maurer geb. Heydweiller geboren. Er hatte noch eine ältere Schwester, Charlotte (1821-1874). Im Jahr 1826 zog die Familie von der Pfalz nach München um, da der Vater an die Ludwig-Maximilians-Universität München zum Professor der deutschen Rechtsgeschichte berufen worden war. Hier verlor Konrad Maurer seine Mutter im Alter von sieben Jahren. Zwei Jahre seiner Kindheit lebte er in Griechenland, wo sein Vater, der seit 1831 Bayerischer Reichsrat war, in den Regentschaftsrat Königs Otto berufen war. Anschließend zog die Familie zurück nach München.

Konrad Maurer wurde von Hauslehrern unterrichtet und schloss seine Schulausbildung 1839 am Alten Gymnasium (heute Wilhelmsgymnasium München) ab. Er verspürte als Jugendlicher, animiert durch seinen Onkel, den Heidelberger Chemiker Leopold Gmelin[1], eine große Neigung zu den Naturwissenschaften, insbesondere der Mineralogie. Er beugte sich jedoch dem Willen seines Vaters und studierte Rechtswissenschaft in München, Leipzig und Berlin. Prägend auf Maurer in seiner Schul- und Studienzeit waren der Philologe Leonhard Spengel, der Rechtswissenschaftler Wilhelm Eduard Albrecht sowie der Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft Jacob Grimm.

1846-1857

Konrad Maurer in mittleren Jahren

Maurer promovierte 1846 im Alter von 23 Jahren und folgte ab 1847, gegen seinen eigentlichen Willen, einer Berufung zum außerordentlichen Professor der Rechte an der Universität München. 1855 wurde er zum ordentlichen Professor des Deutschen Privatrechts und des Deutschen Staatsrechts befördert.

Maurer entwickelte ein besonderes Interesse an den nordischen Völkern und ihrer Kultur, Literatur und Geschichte, insbesondere an Island und Norwegen. Indem er sich die skandinavischen Sprachen, einschließlich des Isländischen, aneignete, konnte er die skandinavischen mittelalterlichen Rechtsquellen erschließen. 1852 veröffentlichte er sein erstes Hauptwerk zur Rechtsgeschichte Islands, Die Entstehung des isländischen Staates und seiner Verfassung. Darin betonte er die Funktion des Althings als erstem europäischen Parlament und die Rolle des auf drei Jahre gewählten Gesetzessprechers. Da dieser keinen Einfluss auf die Exekutive hatte (diese Lag in der Hand der Goden), sah Maurer hierin ein frühes Modell der Gewaltenteilung.[2]

Maurer brachte Island, das seit dem 13. Jahrhundert von Norwegen und im 19. Jahrhundert von Dänemark regiert wurde und damals in einem andauernden Verfassungskampf mit Dänemark um seine Eigenständigkeit lag, nicht nur Forschungsinteresse, sondern auch großen Respekt und Sympathie entgegen. Er schrieb von 1848 bis 1874 mehrere Aufsätze, in denen er sich kompromisslos für die isländische Seite einsetzte. Damit unterstützte Maurer den Vorkämpfer Jón Sigurðsson, mit dem er persönlich befreundet war. Maurer gilt in Island heute noch als einer der wichtigsten ausländischen Förderer des Landes.

1855/56 veröffentlichte Maurer sein zweites Hauptwerk, Die Bekehrung des Norwegischen Stammes zum Christenthume in zwei Bänden, eines der wichtigsten religionsgeschichtlichen Werke des 19. Jahrhunderts, in dem er ein umfassendes Bild der heidnischen Religion der Germanen gibt. "Bis heute kann seine Schilderung der Bekehrung der Norweger als das wichtigste Werk gelten, das jemals von einem deutschen Historiker über die mittelalterliche Geschichte Norwegens verfasst wurde."[3]

Islandreise 1858

1858 reiste Maurer im Alter von 35 Jahren nach Island und verbrachte das Sommerhalbjahr dort. Von Kopenhagen aus erreichte er per Dampfschiff die Bucht von Reykjavík. Zu Pferd, begleitet von zwei Isländern und einem anderen deutschen Wissenschaftler, dem Mineralogen Georg Winkler, durchquerte er anschließend auf einer abenteuerlichen Expedition die wenig erschlossene Insel und besuchte dabei Pfarrer, Bauern, alte Thingstätten, Schauplätze der Sagas und Naturdenkmäler wie Þingvellir, Geysir, den Goðafoss oder Surtshellir. Sein ihm vorauseilender Ruf als Gelehrter und Freund Islands und seine fließende Sprachkenntnis erwiesen sich dabei als große Hilfe.

Inspiriert von den Brüdern Grimm verwendete Konrad Maurer diese Reise, um isländische Volkssagen zu sammeln, die er nach seiner Rückkehr in Buchform veröffentlichte. Dies war die erste größere Veröffentlichung isländischer Sagen in deutscher Sprache. Maurer schrieb außerdem auch einen detaillierten Reisebericht über diese Islandreise, brachte diesen jedoch Zeit seines Lebens nicht heraus. Das Manuskript dieses Buches, das als verschollen galt und von dessen Existenz man nur aus Briefen Maurers wusste, wurde 1972 von Kurt Schier im Besitz der Nachkommen Maurers wiederentdeckt. 1997 erschien der Reisebericht in isländischer Übersetzung. Der deutsche Originaltext ist bis heute unveröffentlicht.

1859-1888

Büste Konrad Maurers von Joseph Echteler, 1888, heute im Besitz der National- und Universitätsbibliothek Islands

Als Experte in der nordischen Rechtsgeschichte hielt Maurer Vorlesungen in München, Oslo und Kopenhagen. Damit legte er einen Grundstein für das Fach der Nordischen Philologie bzw. Skandinavistik. 1865 wurde Maurer aufgrund seiner wegweisenden Forschungsarbeiten in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Ab 1867 konnte er sich ganz auf die nordische Rechtsgeschichte konzentrieren. Maurer gilt als „der eigentliche Bahnbrecher der nordisch-germanischen Rechtsforschung in Deutschland, als Begründer einer kontinentalen, deutschen Rechtsschule für nordgermanisches Recht, die mit Karl von Amira ihren Höhepunkt erreichen sollte“.[4] Amira war Maurers wohl bedeutendster Schüler; weitere seiner Schüler waren Philipp Zorn, Karl Lehmann und Ernst Mayer.

1875 folgte Maurer einem Ruf der Universität Christiania (heute Universität Oslo) als Gastprofessor. 1876 wollte ihn die norwegische Universität auf Dauer gewinnen und bot Maurer hierfür einen eigenen Lehrstuhl an, was dieser jedoch ablehnte. Er wurde aber zum Ehrendoktor der Universität Christiania ernannt. Im gleichen Jahr wurde Maurer mit dem Verdienstorden der Bayerischen Krone ausgezeichnet und aufgrund der Ordensstatuten in den persönlichen Adelsstand erhoben. Er lehnte es aber zeitlebens ab, das Adelsprädikat zu führen.

Konrad Maurer ließ sich 1888 aus gesundheitlichen Gründen emeritieren. Seine Vorlesungen, die er stets im freien Redefluss gehalten, aber zuhause genau schriftlich ausgearbeitet hatte, wurden nach Maurers Tod von seinem norwegischen Schüler Ebbe Hertzberg gesammelt als ein weiteres, posthumes, Hauptwerk in fünf Bänden mit insgesamt 3300 Seiten veröffentlicht.

Familienleben und Gesellschaft

Maurer im Alter

Wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Island heiratete Konrad Maurer Valerie von Faulhaber. Aus der Ehe gingen zwischen 1859 und 1869 acht Kinder hervor, von denen zwei schon in der Kindheit starben. Sein ältester Sohn Ludwig Maurer (1859-1927) wurde Professor der Mathematik in Tübingen. Markus Maurer (1861-1891) unterrichtete als Privatdozent für Geschichte in Würzburg. Der jüngste Sohn Friedrich Maurer (1866-1914) wurde Major des 14. Bayerischen Infanterieregiments.

Konrad Maurer war eng befreundet mit Alois von Brinz. Zu seinen skandinavischen Freunden, mit denen er in engem Briefkontakt stand, gehörten Peter Christen Asbjørnsen, Henrik Ibsen und Bjørnstjerne Bjørnson. In den 1870er Jahren wurde Maurers Wohnung zum regelmäßigen wöchentlichen Treffpunkt skandinavischer Künstler, Literaten und Gelehrter in München (darunter Henrik Ibsen, Marcus Grønvold, Eilif Peterssen, Christian Meyer Ross, Oscar Wergeland und Sophus Bugge).

Obwohl Maurer als Rechtshistoriker hohes Ansehen genoss und seine Vorlesungen gerühmt waren, bedauerte er selbst, dass er durch sein Lehramt gebunden seinen eigentlichen Interessen und Forschungsneigungen nicht genügend nachgehen konnte. Im Alter wurde Maurer zunehmend schwermütig und zog sich von der Gesellschaft zurück. Er verstarb 1902 in München, wo er auf dem Neuen Teil (in Sektion 30) des Alten Südfriedhofs bestattet wurde.[5]

Nachlass

Grab Maurers mit drei Steinen aus Isländischem Säulenbasalt, die der Ferðafélag Íslands 1998 im Namen des isländischen Volkes stiftete.

Maurers bedeutende Bibliothek, die er von seinem Vater geerbt und auf über 9000 Werke erweitert hatte, wurde 1904 zum größten Teil an die Harvard University und der Rest an die Bar Association (Rechtsanwaltskammer) von New York verkauft. Ein Teil davon befindet sich heute in der Bibliothek der Yale Law School[6] und ein anderer Teil in der Bibliothek der George Washington University Law School.

Maurers Korrespondenz befindet sich zum großen Teil in der National- und Universitätsbibliothek Islands und ist noch kaum ausgewertet.

Ehrungen[7]

Wichtige Werke

  • Ueber das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme in seinem Verhältniß zur gemeinen Freiheit. München: Verlag der literarisch-artistischen Anstalt, 1846. (Dissertation) Digitalisat
  • Die Entstehung des isländischen Staates und seiner Verfassung, 1852.
  • Die Bekehrung des Norwegischen Stammes zum Christenthume, in ihrem geschichtlichen Verlaufe quellenmäßig geschildert. Bd. I + II. München: Christian Kaiser, 1855/56. Digitalisat Bd. I, Bd. II
  • Die Gull-Þóris Saga oder Þorskfirðínga Saga. Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, 1858. Digitalisat
  • Isländische Volkssagen der Gegenwart. Vorwiegend nach mündlicher Überlieferung gesammelt und verdeutscht. Leipzig: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, 1860. Digitalisat
  • Island, von seiner ersten Entdeckung bis zum Untergange des Freistaats. München: Christian Kaiser, 1874. Digitalisat
  • Zur politischen Geschichte Islands. Gesammelte Aufsätze. Leipzig: Schlicke, 1880. Digitalisat
  • Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte. 5 Bde. 1907-1910. (postum)
  • Íslandsferð 1858. Reykjavík: Ferðafélag Íslands, 1997. (Reisebericht, bislang nur in dieser isländischen Übersetzung erschienen. Übersetzer: Baldur Hafstað)

Sekundärliteratur

  • Harmen Biró: Konrad Maurers Islandreise im Jahre 1858 - Landnahme und Aufgabe (Dissertation, Universität Tübingen, 2011. Online-Version als PDF)
  • Peter Landau: Konrad Maurer (1823-1902), der Lehrer Amiras. In: Karl von Amira zum Gedächtnis, Frankfurt/M, 1999.
  • Ernst Mayer: Konrad Maurer. In: Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 24, 1903, V-XXVII. Digitalisat
  • Kurt Schier: Maurer, Konrad. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 19 (2001), S. 453-464.

Weblinks

 Commons: Konrad von Maurer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Konrad von Maurer – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Ernst Mayer: Konrad Maurer. In: Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 24, 1903, V-XXVII. Digitalisat
  2. Landau, Peter: Konrad Maurer (1823-1902) In: Denker, Forscher und Entdecker. Eine Geschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (2009).
  3. Landau, Peter: Konrad Maurer (1823-1902) In: Denker, Forscher und Entdecker. Eine Geschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (2009).
  4. Feine, Hans: Die Rechtshistoriker. In: Geist und Gestalt (Biographische Beiträge zur Geschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vornehmlich im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens), Erster Band, Geisteswissenschaften, S. 228, München 1959.
  5. Schier, Kurt: Konrad Maurer und der Beginn nordischer Studien an der Universität München. In: Böldl, Klaus; Kauko, Miriam (Hg.): Kontinuität in der Kritik. Zum 50jährigen Bestehen des Münchner Nordistikinstituts: Historische und aktuelle Perspektiven der Skandinavistik. Freiburg i. Br.: Rombach, 2005. Rombach Wissenschaften; Reihe Nordica, Bd. 8. S. 19ff.
  6. Reports of the President and the Treasurer of Harvard College 1903-04. Cambridge, Mass.: Harvard University, 1905. (The University Publication Vol. II. No. 4), S. 214ff.
  7. Chronik der LMU, S. 5, zitiert in Biró, Harmen: Konrad Maurers Islandreise im Jahre 1858 - Landnahme und Aufgabe, S. 24f

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