Kreuzbandanriss

Kreuzbandanriss
Vorderes Kreuzband im arthroskopischen Bild

Die Kreuzbänder (lat.: Ligamenta cruciata genus) gehören, neben dem Außenband (Ligamentum collaterale fibulare) und dem Innenband (Ligamentum collaterale tibiale) zum Bandapparat des Kniegelenks der Säugetiere. Sie kreuzen sich im Zentrum des Kniegelenks, wodurch sie ihren Namen haben. Ihre Aufgabe ist, zusammen mit den anderen Strukturen des Knie-Bandapparates, die Stabilisierung des Gelenks bei jeder Bewegung.

Inhaltsverzeichnis

Anatomie

Strenggenommen und rein anatomisch liegen die Kreuzbänder nicht im Kniegelenk, sondern außerhalb der Gelenkflächen (extraartikulär). Dies begründet sich dadurch, dass sie durch den Gelenkschleimhautsack (Synovialsack) zu den Gelenkflächen hin abgegrenzt werden. Dieser Synovialsack umschließt mit seiner Außenseite lediglich die vorderen und seitlichen Anteile der Kreuzbänder, daher spricht man von retrosynovialer Lage.[1] Entwicklungsgeschichtlich hat man festgestellt, dass die Kreuzbänder von hinten in den Gelenkbereich einstrahlen und nicht umgekehrt, was ihre Lage außerhalb der Synovialmembran erklärt.[2][3]

Struktur

Die Kreuzbänder bestehen, wie andere gelenkbegleitende Bänder auch, aus straffen, kollagenen Faserzügen. Sie liegen parallel zueinander in sogenannten Faserbündeln, die locker durch Bindegewebe miteinander verbunden sind. Dort, wo sie an Knochen ansetzen (Insertion), verändert sich ihre Faserstruktur und -anordnung in Richtung der Knochenhaut (Periost), welche ebenfalls aus sehr straffen kollagenen Fasern besteht, die jedoch stark vernetzt sind.[4] Ihre Blutversorgung erhalten sie vor allem aus der A. genus media.

Lage und Verlauf

Vorderes Kreuzband

Eröffnet man ein Kniegelenk von vorne, so sieht man, dass die Kreuzbänder zentral im Gelenk untergebracht sind. Man erkennt sofort das vordere Kreuzband (Ligamentum cruciatum anterius, VKB oder LCA bzw. ACL), welches im vorderen–mittleren Areal des Kniegelenks (Area intercondylaris anterior) an den beiden knorpelfreien Kreuzbandhöckern (Tuberculum intercondylare mediale/laterale tibiae) des Schienbeinkopfes (Caput tibiae) fixiert ist. Dieser erhöhte Bereich zwischen den beiden Gelenkflächen des Schienbeinkopfes wird Eminentia intercondylaris genannt. Hier setzt nicht nur das vordere Kreuzband, sondern auch Faserzüge der beiden Menisken an. Das Band zieht von vorne-unten-innen (anterio-caudal-medial) in die Grube zwischen den Gelenkknorren (Fossa intercondylaris femoris) nach hinten-oben-außen (dorso-cranial-lateral). Dort inseriert (Insertion = knöcherner Einwuchs von Sehnen und Bändern) es im hinteren Bereich der zur Mitte zeigenden Fläche des äußeren femoralen Gelenkknorrens (Condylus lateralis femoris) an der Knorpel-Knochengrenze. Dieser Verlauf wird umgangssprachlich auch als „hosentaschenförmig“ bezeichnet.

Es können drei Bandpartien unterschieden werden:

  • Ein vorderes-inneres (anteromediales) Bündel. Dieses weist die längsten Fasern des gesamten vorderen Kreuzbandes auf. Bei Einblick in das Kniegelenk von vorne wird es als Erstes sichtbar. Es spannt sich vor allem bei Kniebeugung (Flexion) stark an. Bei einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes ist es der Anteil der am ehesten reißt.[5]
  • Ein hinteres-äußeres (posterolaterales) Bündel. Dieses wird vom anteromedialen Bündel überdeckt und hat sein Spannungsmaximum bei Kniestreckung (Extension). Bei partiellen Bandrissen bleibt es meist intakt.
  • Ein dazwischenliegendes (intermediäres) Bündel.

Die Fasern haben unterschiedliche Längen zwischen 18,5 und 33,5 mm. Zur jeweiligen Insertion an Femur und Tibia fächern sich die Bündel auf, womit sich die Fläche der Fixierung vergrößert. Insgesamt ist das Band in sich gedehnt und die einzelnen Bündel leicht spiralförmig verschlungen, weshalb das Band zur Mitte hin als fast runde, dicke Struktur zu sehen ist. Einige Faserzüge inserieren nicht am Knochen, sondern ziehen zum vorderen Innenmeniskusband, mit dem sie dann zusammen in den Knochen einwachsen.

Hinteres Kreuzband

Hinter dem vorderen Kreuzband erscheint das hintere Kreuzband (Ligamentum cruciatum posterius, HKB oder LCP, im klinischen Alltag oft auch PCL, engl. posterior cruciate ligament). Es kreuzt das vordere Kreuzband in einem Winkel von ca. 90° bei gebeugtem Knie. Es ist kräftiger und stellt insgesamt die kräftigste Bänder (ligamentäre) -Struktur des Kniegelenks dar. Es ist im hinteren (dorsalen) Bereich des Areals zwischen den Gelenkknorren des Oberschenkelknochens (Area intercondylaris posterior) am Schienbeinkopf, jedoch nicht wie das vordere Kreuzband auf dem tibialen Plateau, sondern an der Hinterkante (ca. 10 mm unterhalb der Gelenkflächen beginnend) fixiert. Der Fixpunkt des Schienbeins liegt somit weit hinter den Hinterhörnern des Innen- und Außenmeniskus. Das Band zieht von hinten-unten-außen (dorso-caudal-lateral) nach vorne-oben-innen (antero-cranial-medial) in die ganze Tiefe der Grube zwischen den Gelenkknorren (Condylen) des Oberschenkelknochens. Es inseriert dort am inneren Bereich der Knorpel-Knochen-Grenze des äußeren Gelenkknorrens. Bei einem 90° gebeugten Knie könnte man, von innen schauend, die fächerförmige Insertion von 12 Uhr bis 4 oder 5 Uhr sehen.[4][3]

Es können zwei Bandpartien unterschieden werden:

  • Ein hinteres-inneres (posteromediales) Bündel (PM-Bündel), welches am Schienbein hinten den innersten, und am Oberschenkelknorren den tiefsten und somit hintersten (bei gestrecktem Knie) Ansatzpunkt hat.
  • Ein vorderes-äußeres (anterolaterales) Bündel (AL-Bündel), welches vom Schienbein zum höchsten und somit vordersten Ansatzpunkt am Oberschenkelknochen zieht.[4][3]

Nicht selten wird das hintere Kreuzband von einem oder zwei, unregelmäßig auftretenden Bändern begleitet, die lange Zeit für einen festen Bestandteil des hinteren Kreuzbandes gehalten wurden: Das häufiger vorkommende hintere meniskofemorale Band (Ligamentum meniscofemorale posterior, Wrisberg-Ligament), welches zusammen mit dem Band des Außenmeniskushinterhorns am Schienbein inseriert, und das etwas seltenere vordere meniskofemorale Band (Ligamentum meniscofemorale anterior, Humphrey-Ligament). Tatsächlich sind beide nicht physiologisch mit den Faserzügen des Kreuzbandes verwachsen und ändern auch nichts an der Gesamtstruktur des eigentlichen hinteren Kreuzbandes, weshalb sie nicht als Kreuzbandbestandteil, sondern als anatomisch unregelmäßig vorhandene zusätzliche Stabilisierung gesehen werden müssen.[6][3]

Orientierung der Kreuzbänder

Die Bänder des Kniegelenkes (Ansicht von vorne, leicht seitlich, schematisch)

Bei perspektivischer Betrachtung überkreuzen sich die Kreuzbänder tatsächlich. Auch in der Sagittalebene sind sie gekreuzt, das vordere Kreuzband läuft schräg nach oben und hinten, während das hintere Kreuzband schräg nach oben und vorne ausgerichtet ist (das vordere Kreuzband läuft seitlich am hinteren Kreuzband vorbei). Auch in der Frontalebene ist ihr Verlauf gekreuzt: Ihre Befestigungen an dem Schienbein liegen auf einer sagittalen Achse, während die Fixpunkte am Oberschenkelknochen um ca. 17 mm auseinander liegen. Das hintere Kreuzband läuft folglich schräg nach oben-mittig (cranial-medial), das vordere Kreuzband schräg nach oben-seitlich (cranial-lateral). In der Transversalebene hingegen liegen sie parallel zueinander, ihre axialen Seiten berühren sich. Die Kreuzbänder überkreuzen nicht nur sich selbst, sondern auch das jeweilige gegenüberliegende ipsilaterale Seitenband (Kollateralband). So überkreuzt das vordere Kreuzband das Seitenband des Wadenbeines und das hintere Kreuzband das des Schienbeines. Bei Betrachtung der vier Bänder von der Mitte zur Seite oder umgekehrt stellt man fest, dass sie alternierend schräg zueinander orientiert sind. Die Seiten- und Kreuzbänder schneiden sich in jeder Stellung des Gelenkes in einem Punkt; der Schnittpunkt entspricht jeweils dem momentanen Drehzentrum.

Die beiden Kreuzbänder haben einen unterschiedlich geneigten Verlauf. Bei gestrecktem Knie ist das vordere Kreuzband mehr vertikal, das hintere Kreuzband mehr horizontal orientiert, was mit der Ausrichtung der Insertionsfelder übereinstimmt. Das Feld des hinteren Kreuzbands liegt horizontal, das des vorderen Kreuzbands steht vertikal.

Wird das Knie gebeugt, so stellt sich das in Streckstellung horizontal liegende hintere Kreuzband vertikal auf. Es beschreibt in Relation zum Schienbein einen Kreisbogen von mehr als 60°, während sich die Stellung des vorderen Kreuzbands nur wenig verändert.

Das Längenverhältnis zwischen den Kreuzbändern ist individuell unterschiedlich. Die Distanz zwischen den Fixpunkten des Schienbeines und Oberschenkelknochens ist für jedes Knie charakteristisch, da diese u. a. das Profil der Rollhügel bestimmen.

Funktion

Die Kreuzbänder halten gemeinsam mit den Seitenbändern das Kniegelenk zusammen. Sie begrenzen die Streckung des Schienbeines, führen das Gelenk während der Bewegung und verleihen ihm somit die nötige Stabilität. Die seitliche Stabilität der beiden Seitenbänder verhindert ein O-Bein (genu varum) bzw. ein X-Bein (genu valgum). Somit stellen sie die zentrale Komponente im propriozeptiven Regelkreis des Kniegelenkes dar.

Die Kreuzbänder bilden die zentralen passiven Führungselemente des Kniegelenks. Bedingt durch ihre Lage zueinander und ihre Art der Fixation an Oberschenkelknochen und Schienbein bilden sie eine Viergelenkkette und zwingen so den Oberschenkelknochenkopf bei der Beugung in einen Roll-Gleit-Mechanismus (Athrokinematik bzw. Osteokinematik), welcher es - neben anderen Mechanismen - erlaubt, einen großen Gelenkkopf auf einer viel kleineren Gelenkpfanne physiologisch zu bewegen. Bei einer Schädigung des vorderen Kreuzbands wird diese empfindlich gestört und führt zu Knorpel- und Meniskusschäden. Die Kreuzbänder sorgen neben dem Anpressdruck der beiden Gelenkpartner unter anderem für eine verschiebliche Stabilisierung nach vorne und hinten. Sie liegen so, dass in fast allen Stellungen des Kniegelenkes Teile von ihnen gespannt sind; sie verhindern vor allem in der gefährdeten labilen Beugestellung, in der die Seitenbänder erschlaffen, eine vordere und hintere Verschiebung der miteinander in Verbindung stehenden (artikulierenden) Flächen. Die Seitenbänder werden durch die Spiralform der Rollhügel des Oberschenkelknochens in Streckung gestrafft, weil die Distanz zwischen Ursprung und Ansatz länger wird. In Beugung sind sie locker, analog zur stabilen bzw. instabilen Gelenkflächenform in Streckung und Beugung. Wären die Rollhügel des Oberschenkelknochens rund, so wäre der Radius in jedem Beugungswinkel gleich lang und die Bänder würden mit konstanter Spannung ziehen. So ist das gestreckte Knie stabil, gebeugt ist es mobil und entlastet. Das vordere Kreuzband begrenzt die Streckung (Extension) des Kniegelenks. In Streckrichtung sind dabei das hintere-seitliche und dazwischenliegende Bündel am meisten gespannt, während in Beugerichtung (Flexion) das vorne-mittige Bündel mehr gespannt ist. Das hintere Kreuzband verhindert eine gerade hintere Verschiebung (Translation) des Schienbeinkopfes. Zudem schränken sie durch die Stabilität und Verlaufsrichtung ihrer kräftigen Fasern die Drehbewegung (Rotationsbewegung) des Unterschenkels, insbesondere die Drehbewegung nach innen ein.

Dreidimensionale Bewegungsführung

Dreht der Oberschenkelknochen nach außen und der Unterschenkel nach innen (also eine Drehbewegung des Schienbeines nach innen), werden die Kreuzbänder gespannt. Sie schlingen sich verstärkt umeinander und ziehen sich so an, während sie sich bei der Drehbewegung nach außen wieder abrollen und lockern.

Die Drehachse muss durch den Innenmeniskus laufen, weil dieser mit dem inneren Seitenband verwachsen ist und somit nicht gleiten kann. Gespannte Bänder sind die Voraussetzung für eine gute Gelenkstabilisierung. Durch den alternierenden Wechsel von Beugung und Streckung, von Ver- und Entschraubung werden die Bänder abwechselnd unter Zug gesetzt und wieder entlastet. Zug und Entlastung optimieren die strukturelle Organisation innerhalb der Bänder und fördern den Stoffwechsel. Kräfte, die auf gespannte Bänder einwirken, sind geringer als solche, die auf lockere Bänder stoßen. (Beispiel: Beim Fußballspielen bekommt das Kniegelenk einen Schlag von der Seite. Die einwirkende Kraft wird vor allem auf die Bänder übertragen. Sind diese straff, nehmen sie die Kraft auf und leiten sie weiter. Sind sie aber locker, bewirkt die Kraft des Schlags erst einmal ein ruckartiges Spannen der Bänder: Kraft = Masse mal Beschleunigung - zweites Newton'sches Gesetz, Gesetz der Beschleunigung -, so lautet die physikalische Formel. Die Kraft, die an dem Band zieht, ist stärker.)

Kreuzbandriss

Kreuzbandverletzungen entstehen meist aufgrund indirekter Gewalteinwirkung. Von einem Riss (Ruptur) des Kreuzbandes spricht man bei einem teilweisen oder vollständigen Riss eines oder beider Kreuzbänder. Im Extremfall handelt es sich um einen vollständigen Ab- oder Ausriss, bei dem auch Teile des Knochens betroffen sein können. Der knöcherne Ab- oder Ausriss ist wesentlich seltener als der reine Bandriss ohne knöcherne Beteiligung (intraligamentäre Ruptur).

Es können zwei Arten von Bandrissen unterschieden werden:

  • vorderer oder hinterer Kreuzbandriss mit sagitaler Instabilität und positivem Schubladenphänomen.
  • Kombinationsverletzung mit Schubladenphänomen in Drehstellung des Fußes nach innen oder außen.
    • v. a. zur Mitte zeigender Seitenbandriss, vorderer Kreuzbandriss und Innenmeniskusriss (so genannte Unhappy Triad) bei vorne-mittiger Drehbewegungsinstabilität.
    • seitlicher Seitenbandriss, Außenmeniskusriss und vorderer Kreuzbandriss bei vorne-seitlicher Drehbewegungsinstabilität.
    • selten, Riss der seitlichen Bandstrukturen und des hinteren Kreuzbands bei hinterer-mittiger bzw.  hinterer-seitlicher Drehbewegungsinstabilität.

Verletzungsmechanismen

Die Verletzung des vorderen Kreuzbands entsteht typischerweise durch einen Richtungswechsel. Häufig liegt eine Drehbewegungsstellung des Unterschenkels nach außen mit Valgusbeugungsstress oder eine Drehbewegungsstellung nach innen mit Varusbeugungsstress vor. Auch zu starke Streck- (Hyperextensions-) oder zu starke Beuge- (Hyperflexions-) bewegungen können Auslöser sein. Sportverletzungen überwiegen. Ein Riss kann auch durch eine Auskugelung der Kniescheibe (Patellaluxation) mit plötzlichem Stabilitätsverlust des Kniegelenks bedingt sein. Besonders häufig treten solche Verletzungen (Traumata) unter so genannten „Stop-and-Go“-Sportarten (z. B. Tennis oder Squash) und bei Mannschaftssportarten (z. B. Fußball, Football, Handball oder Basketball) unter Fremdeinwirkung auf, aber auch beim Skifahren (der Tal-Ski dreht nach außen, der Körper bleibt aber über dem Berg-Ski fixiert).

Durch den Ausfall (Insuffizienz) des vorderen Kreuzbands ist die Funktion der sekundären Stabilisatoren gestört, es resultiert eine pathologische Bewegungsfreiheit des Schienbeinkopfes nach vorne (ventral), der so genannte „Tibiavorschub“. Gelenkkapsel, Seitenbänder, hinteres Kreuzband und Menisken werden vermehrt beansprucht, um den Schienbeinvorschub zu bremsen. Es kommt zu einer Überdehnung der Bandstrukturen. Bei Zunahme des Schienbeinvorschubs kommt es zu Knorpelschäden, u. a. dadurch bedingt, dass der Knorpel einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt ist. Eine höhere Belastung bedeutet in so einem Fall eine frühzeitige Abnutzung mit Ausbildung einer Arthrose. Begleitende Verletzungen der Menisken und des Knorpels potenzieren das Risiko einer Arthrose.

Risse des hinteren Kreuzbands sind seltener. Sie entstehen aufgrund des Überschreitens der maximalen Dehnungsmöglichkeit des hinteren Kreuzbands, in der Regel durch äußere Gewalteinwirkung. Von einem hinteren Kreuzbandriss ist in den meisten Fällen nicht nur das hintere Kreuzband betroffen. Die Verletzungen sind meist weitaus komplexer und betreffen in der Regel das gesamte Kniegelenk.

Häufig sind für hintere Kreuzbandrisse Verkehrsunfälle verantwortlich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch das Sitzen im PKW das Knie gebeugt ist. Durch ein Anprallen des Unterschenkels an das Armaturenbrett reißt das hintere Kreuzband. Dieser Mechanismus wird auch „dashboard injury“ genannt. Am häufigsten entstehen Verletzungen des hinteren Kreuzbands heute bei Motorradunfällen mit Sturz auf das Knie.

Bei körperkontakt-betonten Sportarten (z. B. American football) kann eine von vorne-mittig einwirkende Gewalt durch eine zu starke Streckung zu einer Verletzung des hinteren Kreuzbands führen. Häufig kommt es hierbei zu Mitverletzungen des vorderen Kreuzbands sowie der hinteren Gelenkkapsel.

Häufigkeit

Das vordere Kreuzband reißt zehnmal so häufig wie das hintere Kreuzband. Der Riss des vorderen Kreuzbands ist die häufigste Bandverletzung des Knies. Die Häufigkeit liegt bei etwa 0,5–1 vorderen Kreuzbandrissen pro tausend Einwohner (USA, Mitteleuropa).

Symptomatik

Wenn ein Kreuzband gerissen ist, führt dies meist zu einer deutlichen Schwellung des Kniegelenks und in Folge zu Schmerzhaftigkeit aufgrund der Kapseldehnung des Gelenkes. Meist besteht ein blutiger Gelenkerguss (Hämarthros), der auch sehr schnell die Beweglichkeit des Kniegelenks einschränkt. Bei bestehendem Hämarthros besteht nach Punktion bereits eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für eine Kreuzbandverletzung in der ärztlichen Diagnostik. Diese Symptomatik wurde bereits im Jahre 1879 von dem Franzosen Segond beschrieben: Heftiger Schmerz im Knie-Inneren und rasches Einbluten mit entsprechender Schwellung des Gelenkes (Grund: das Kreuzband hat Nerven, die beim Zerreißen Schmerz auslösen und Blutgefäße, die dabei kräftig bluten). Oft ist das Zerreißen mit einem hörbaren Knall verbunden. In der Regel muss der ausgeübte Sport abgebrochen werden (Ausnahme: ein Skifahrer kann oft noch die Abfahrt bewerkstelligen, wenn auch mit Schmerzen). Treffen all diese Symptome zu, so handelt es sich mit 90%iger Sicherheit um einen Riss des vorderen Kreuzbands (oder beider). Das Knie lässt sich meist nicht mehr ganz strecken und wird in leichter Beugestellung gehalten (Schonhaltung). In dieser Beugestellung kann man den Unterschenkel- mit der Hand gegen den Oberschenkelknochen um etwa 5–10 mm nach vorne ziehen, ohne einen Anschlag zu spüren, während beim gesunden Knie nur wenige Millimeter (2–3 mm) möglich sind und man dann einen Anschlag verspürt (positiver Lachman-Test).

Isolierte vordere Kreuzbandrisse sind häufig. Manchmal kommt es auch zu gleichzeitigen Verletzungen der Knieseitenbänder und/oder Menisken, wobei der Außenmeniskus häufiger betroffen ist. Seltener, dafür meistens übersehen, ist der Riss der hinteren, äußeren Kapselschale, vor allem der Sehne des Popliteusmuskels (tiefer Wadenmuskel). Unbehandelt führt diese Verletzung zu einer erheblichen Kniegelenksinstabilität mit sichtbar gestörtem Gang.

Diagnostik

  • Bei einem Riss des vorderen Kreuzbands kommt es zum so genannten vorderen Schubladenphänomen: Bei gebeugtem Knie kann der Unterschenkel von hinten nach vorne geschoben werden.
  • Bei einem Riss des hinteren Kreuzbands kommt es zum so genannten hinteren Schubladenphänomen: Bei gebeugtem Knie kann der Unterschenkel von vorne nach hinten geschoben werden.
Darstellung der Kreuzbänder in der MRT

Die initiale Diagnose wird mittels Schubladen- und Lachman-Test (seltener Pivot-shift-Test) durchgeführt und kann mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigt werden. Es gilt hier anzumerken, dass die MRT in der Diagnostik eines Kreuzbandrisses 20 % falsche Diagnosen erstellt. Hier kommt es auf die so genannten Schnittbilder und geeignete Positionierung des Kniegelenkes (Gentry) in der MRT-Untersuchung an. Der Radiologe sollte die genaue Vorgeschichte kennen, die zur Verletzung führte und auch Erfahrung in der Untersuchung eines verletzten Gelenkes haben, um Fehlbeurteilungen zu vermeiden.

Aufgrund der Anatomie des vorderen Kreuzbands (2 Bandanteile=Faszikelbündel) ist eine klinische Diagnose oft erschwert, wenn nur ein Bündel gerissen ist. Hier ergibt sich dann ein z. B. negatives Schubladenphänomen in 90° Beugung des Kniegelenkes, aber z. B. ein positiver Lachman-Test in 15° Beugung.

Die Instabilität, die durch einen Kreuzbandriss entsteht, sorgt für eine Überbelastung von Knorpel, Innen- und Außenmeniskus. Wird die Instabilität nicht durch die Muskulatur kompensiert oder durch eine Operation beseitigt, kommt es häufig zu einem Meniskusriss und/oder Knorpelschädigung mit Arthrose.

Ein Ausfall (Insuffizienz) des hinteren Kreuzbands kann in einigen Fällen durch eine Beobachtung (Inspektion) des in 90° gebeugten Kniegelenks von der Seite beim liegenden Patienten beurteilt werden. Bei zurückgesunkenem Schienbeinkopf sollte an eine Verletzung des Bandes gedacht werden. Durch zusätzliches Anspannen der so genannten ischiocruralen Muskulatur (hintere Oberschenkelmuskulatur) kann dieses Phänomen verstärkt werden. Durch nachfolgende Quadrizepsmuskel-Anspannung (Kontraktion) wird die hintere Schublade aufgehoben.

Der Stabilitätsverlust tritt mit zunehmender Beugung im Kniegelenk ein und ist bei Streckung nicht vorhanden. Dadurch erklären sich die erstaunlich geringen Beschwerden bei isolierten Rissen. Beschwerden werden vor allem beim Treppensteigen oder beim Heben von Gewichten hinter der Kniescheibe (retropatellar) angegeben (erhöhter Druck des Oberschenkelknochens auf die Kniescheibe). Auf Dauer ist eine Arthrose unumgänglich.

Späte Zeichen eines nicht diagnostizierten vorderen Kreuzbandrisses

Es kann zum so genannten „giving way“ kommen. Dies bedeutet, dass das Kniegelenk instabil ist. Der Patient hat den Eindruck, dass z. B. unter Treppen-abwärts-Gehen der Unterschenkel nicht unter Kontrolle steht. Sportliche Belastungen mit Drehbewegungen des Kniegelenkes sind nicht möglich oder werden vermieden. Rezidivierende Schwellneigungen durch Gelenkergüsse können auftreten.

Therapiemöglichkeiten

Operative Behandlung

Kreuzbandnaht

In den 1970er bis 1980er Jahren lag die Operationsgrenze bei etwa 35 Jahren. Dies lag an den noch eingeschränkten operativen Möglichkeiten in Zusammenhang mit der mäßigen Blutversorgung und schlechten Heilungstendenz der Kreuzbänder. Heute gibt es keine Altersgrenze mehr. Entscheidend sind immer der Zustand des Knies, die Ansprüche des Patienten und seine Motivation.

In den 1980er Jahren wurde die Primärnaht bevorzugt (beispielsweise bei intraligamentären Rissen) oder die PDS-Augmentation inklusive der Primärnaht durchgeführt. In den späten 1980er Jahren wurde mit Goretex und Kennedy-Lad-Implantaten (Bändern) gearbeitet. Diese zunächst viel versprechenden Verfahren konnten sich nicht durchsetzen. Grund dafür sind schlechte Einheilung oder biomechanisches Versagen. Trotzdem finden diese Verfahren teilweise heute noch modifiziert Anwendung.

Kreuzbandplastik

Während noch in den 1980er Jahren meist sofort oder zumindest kurzfristig nach der Verletzung eine Operation durchgeführt wurde, wird seit den 1990er Jahren das „zweizeitige“ Vorgehen bevorzugt. Nach klinischer Untersuchung, oft gestützt durch den Befund einer Magnetresonanztomographie (MRT), wird die Arthroskopie mit (Teil-)Resektion des gerissenen Kreuzbandes und Versorgung von allfälligen Meniskusverletzungen als Vorbereitung für die zweite Operation (Kreuzbandplastik) vorgenommen. Im Anschluss daran folgte eine physiotherapeutische Behandlung zur Abschwellung des Knies und Kräftigung der Muskulatur. Nach Abklingen der Symptomatik wird zirka sechs Wochen nach Erstarthroskopie die eigentliche Kreuzband-Operation durchgeführt.

Diese zweizeitige Methode wird bis heute von vielen Operateuren bevorzugt, da man bei den „Sofortoperationen“ eine höhere Rate an Kapselfibrosen und damit massive Bewegungseinschränkungen nach der Operation beobachtete.

In den letzten Jahren wird allerdings - dank besser standardisierter Methoden, aber auch zwecks möglicher Abkürzung des Behandlungsverfahrens, wieder vermehrt „einzeitig“ operiert.

Absolute Indikation für eine Operation ist die Instabilität. Diese führt ohne Stabilisationsoperation zu Meniskusschäden und letztendlich zu einer sekundären Arthrose des Gelenkes. Es sind vorwiegend sportlich aktive Menschen in jüngeren Altersstufen betroffen, wobei auch in den letzten Jahren die Generation der über 50-jährigen einen Anstieg an Kreuzband-Sportverletzungen in Deutschland zu verzeichnen hatte. Besteht ferner für die Betroffenen eine berufliche Einschränkung (z. B. Handwerksberufe), so ist auch hier die Operation notwendig.

In Anlehnung an die Brücknerplastik (1966) werden heute folgende Techniken angewandt:

Kniescheibensehne

Bei der Kniescheibensehne (fachsprachlich: Patella(r)sehne, Ligamentum patellae) handelt es sich um eine sehr große und starke Sehne, sie stellt daher in vielen Fällen das Mittel der Wahl dar, ist aber nur halb so elastisch wie das natürliche eigene Kreuzband. Bei der Rekonstruktion des Kreuzbandes mittels autologer Kniescheibensehne wird diese mit anhängenden Knochenteilen (engl.: bone tendon bone=Knochen-Sehne-Knochen) entnommen und durch verbreiterte Kanäle (8-10 mm  Durchmesser) in Schienbein bzw. Oberschenkelknochen gezogen. Die stabilste Verankerung der Knochenenden des autologen Transplantats (auch engl.: Graft=Transplantate ohne Blutversorgung, weshalb sowohl hier als auch bei der im folgenden Abschnitt näher erläuterten Semitendinosustechnik von Autograft gesprochen wird, mit griechisch αὐτός = selbst) wird durch die Fixation mit so genannten Interferenzschrauben erreicht. Diese ist besonders wichtig im Hinblick auf eine frühe funktionelle Mobilisierung. Die Rekonstruktion kann hierbei offen oder - meist - arthroskopiegestützt erfolgen.

Die Unterstützung nach der Operation mittels einer orthopädietechnischen Schiene (Orthese) ist häufig nicht nötig, so dass die Gefahr der Muskelatrophie geringer ist als bei anderen Verfahren. Dieser Vorteil ist insbesondere für Sportler interessant, die eine frühzeitige Rückkehr zu alter Leistung wünschen.

Nachteil dieser Technik ist, dass sie häufig schmerzhafter ist als die Alternativen. Insbesondere die unterhalb der Kniescheibe verlaufende Naht von der Entnahme des Transplantates mit den bestehenden „Knochenlücken“ durch die Knochenblöcke kann zu mittelfristigen Problemen führen. Weiterhin dauert die Verheilung der Kniescheibensehne bis zu einem Jahr, was zu einer erhöhten Gefahr der Entzündung (Tendinitis) führen kann. Da die Kniescheibensehne nur halb so dehnbar ist, wie das eigentliche Kreuzband, kann es bis zu 1,5 Jahren dauern, bis wieder an so genannten „Stop-and-go“-Sportarten teilgenommen werden kann. In Einzelfällen sind Fissuren der Kniescheibe beobachtet worden, die unter hoher Belastung zum Knochenbruch (Fraktur) derselben führen können. Diese ist jedoch eine äußerst seltene Komplikation und wird vorwiegend in Lehrbüchern beschrieben.

Quadrizepssehne

Dem o. g. Prinzip folgend wird oberhalb der Kniescheibe ein Teil der Sehne des vierbäuchigen Oberschenkelmuskels einschließlich eines Kniescheiben-Knochenzylinders entnommen und in o. g. Weise als Kreuzband implantiert. Als sog. press fit Methode wird sie ohne zusätzliche Verschraubung angewandt. Vorteil sind die im Vergleich zur Gracilissehne stärkeren Sehnen. Im Vergleich zur Patellasehne bestehen deutlich geringere Schmerzen beim Knien, da der Druck nicht auf der Narbe lastet. Nachteilig ist, dass postoperativ häufig ein Muskelschwund des M. quadriceps auftritt.

Semitendinosussehne

Der halbsehnige Muskel (Musculus semitendinosus) zieht an der zur Mitte zeigenden Seite vom Kniegelenk zum Oberschenkelknochen und ist Bestandteil des so genannten „Gänsefußes“ Pes anserinus superficialis, der zusätzlich aus den Sehnen des Musculus gracilis und Musculus sartorius gebildet wird.

Die Sehne (Transplantat) wird durch einen mittleren Schnitt auf dem Schienbein, knapp unterhalb des Knies, mittels eines so genannten tendon stripper oder ring stripper (engl.: Sehnenschneider, auch harvester, to harvest=ernten) entnommen, je nach Länge drei- oder vierfach mit einer bestimmten Fadentechnik zusammengelegt, verdrillt, fixiert und durch eine Bohrung durch den Unterschenkel zum Oberschenkel geführt und dort ebenfalls befestigt. Neuerdings ist eine minimal-invasive Technik zur leichteren und schnelleren Entnahme der Sehne aus der Kniekehle, bei besseren kosmetischen Resultaten, vorhanden [7].

Die Semitendinosussehne ist vierfach gelegt stärker als die Kniescheibensehne. Diese Technik war der Kniescheibensehnentechnik bis etwa zum Jahre 2003 ebenbürtig. Seitdem etabliert sich diese Technik als so genannter „Goldstandard“, da vor allem die Entnahmestelle weniger schmerzhaft verheilt. Wenn die Semitendinosussehne zu kurz oder zu dünn ist, wird zusätzlich die Gracilissehne entnommen. Das Transplantat wird dadurch aber nicht belastbarer. Manche Operateure entnehmen immer beide Sehnen.

Die modernste OP-Technik ist die Doppel-Bündel-Technik. Dabei werden mittels vier Knochenkanälen zwei Bündel (anteriomedial und posterolateral) in das Knie eingesetzt. Durch die bessere Nachahmung der Anatomie ergeben sich stabilere Ergebnisse. Dieses Verfahren ist allerdings technisch anspruchsvoll und wird derzeit nur in spezialisierten Zentren durchgeführt.

Allograft

Bei einem so genannten Allograft handelt es sich um ein Leichen-Transplantat. Hierfür in Frage kommen die vorgenannten Sehnen, wie auch eine präparierte Achillessehne. Vorteil ist die vollständige Schmerzvermeidung an einer Entnahmestelle, da dem Patienten kein Transplantat entnommen wird. Es gibt weiterhin keine große Naht auf dem Knie oder Schienbein. Nachteil dieser Technik ist das Risiko einer Abstoßungsreaktion durch den Körper, welche zur Entfernung des Transplantats führen würde. Diese Verwendung von so genanntem „lyophilisiertem“ (gefriergetrocknetem) Leichentransplantat wird bei mehrfachen (multiplen) Kreuzbandrissen verwendet, wenn kein Autograft mehr Verwendung finden kann.

Befestigung des Transplantats

Zunächst wurden die Implantate in den frühen 1990er Jahren mit so genannten Titan-Interferenzschrauben als Fixation an beiden Enden des Implantates, teilweise auch nur einseitig verschraubt und am Oberschenkelknochen mit einem so genannten Endo-Button (ca. 10 mm  langer Titanstift, der durch das das Implantat „gefädelt“ wird) befestigt.

Später wurden sie durch so genannte Bio-Screws (autobioresorbierbare Schrauben auf Zuckermolekülbasis) ersetzt, die einen erneuten Eingriff zur Materialentfernung unnötig machten, anfänglich aber unter hoher Belastung zum Ausriss der Kreuzbandplastik neigten oder bei Einbringen in den Bohrkanal öfter auseinanderbrachen.

Um das Jahr 1995 wurde dann ebenfalls auf die „Schraubenfixation“ gänzlich verzichtet und von der so genannten „Press-Fit-Technik-Fixation“ abgelöst (bei B-T-B Operation). Hierbei wurden die Knochenenden konisch zugerichtet, welches ein festes Verkanten in den Bohrkanälen garantierte.

Ab dem Jahre 1996 kamen operative Verfahren mittels robotergesteuerten Bohrkanaldiamantfräsen auf, welche sich in letzter Zeit aufgrund hoher Kosten (personal- und apparateintensiv) nicht durchsetzen konnten und keine eindeutig besseren operativen Ergebnisse hervorbrachten.

Bei Semitendinosus- und Gracilistransplantaten (STG) werden nach wie vor Bio-Screws für die Befestigung genommen.

Zur Verstärkung der Naht von frischen Kreuzbandverletzungen und als Prothese bei Hochleistungssportlern bzw. als Prothese nach mehrmals fehlgeschlagenen Bandoperationen wurden früher Kunstbänder mit eingenäht.

Die Operationsdauer beträgt je nach Transplantat 0,75-1,5 Stunden und kann unter Vollnarkose oder Spinalanästhesie durchgeführt werden.

Konservative Behandlung

Nicht jedes gerissene Kreuzband muss operiert werden. In jedem Fall wird individuell, in Abhängigkeit von Lebensalter, Aktivität, Sportfähigkeit, Bereitschaft und Alltagsfähigkeit (Morbidität) des Patienten entschieden. Daher bedarf die Therapieentscheidung eines eingehenden Gespräches mit dem Patienten. Auch ist bis heute nicht geklärt, ob durch eine Operation das Entstehen einer Arthrose verhindert werden kann.

In der konservativen Therapie sollte über eine frühfunktionelle Bewegungsbehandlung versucht werden, die Kniegelenksinstabilität durch ein konsequentes Muskelaufbautraining zu kompensieren und so die fehlende Stabilität wieder herzustellen. Häufig wird durch eine Schienung des Kniegelenks in einer Orthese (Knie-Brace) für sechs Wochen und begleitende Physiotherapie eine ausreichende Stabilität erreicht.

Bei komplexen Kniebandverletzungen (z. B. „Unhappy triad“), knöchernen Ausrissen des vorderen Kreuzbands, zusätzlichen Meniskusläsionen, fehlender muskulärer Kompensation nach intensiver Physiotherapie sowie bei jüngeren leistungsorientierten Sportlern sollte eine operative Behandlung durchgeführt werden.

Rehabilitation

Physiotherapie

Ziel der Therapie sollte nicht die alleinige Wiederherstellung der Stabilität sein, sondern vielmehr die Erhaltung der gesamten Gelenkfunktion, d. h. Stabilität, inklusive des Gefühls eines stabilen Kniegelenks, freie Gelenkbewegung und Beschwerdefreiheit.

Nach der Operation wird frühfunktionell beübt (teilweise passiv mittels Motorbewegungsschiene) und die Mobilität des Patienten mit Unterarmgehstützen und unter Umständen mit einer Kniegelenksorthese hergestellt. Im Anschluss erfolgt eine physiotherapeutische Behandlung, die je nach Operationstyp und Schule nach etwa zwei Wochen zur Vollbelastung des operierten Knies führen soll. Nach etwa sechs Wochen können Übungen auf dem Therapiekreisel oder Minitrampolin unter Anleitung durchgeführt werden. Sportfähigkeit für leichtes Lauftraining besteht ab zirka dem 3. Monat nach der OP. Insgesamt dauert die Rehabilitationsphase im Durchschnitt sechs bis neun Monate, bevor die volle Sportfähigkeit erreicht ist. Die vollständige Einheilung (Remodellisierungsphase) des vorderen Kreuzbands ist erst nach einem Jahr abgeschlossen.

Die Nachbehandlung nach der OP unterscheidet sich im Wesentlichen nur marginal. Es existieren feste Standards in der physiotherapeutischen Behandlung, die nur unwesentlich differenzieren. Hier sollten auch klare Nachbehandlungsschemata je nach Operationsmethode ihren Niederschlag in der Behandlung finden. Die Erfahrung und Arbeit des Physiotherapeuten ist somit in der Folge für den Heilungsprozess von entscheidender Bedeutung.

Tiermedizin

In der Tiermedizin werden größtenteils humanmedizinische Techniken angewandt, die jedoch den Besonderheiten der Biomechanik des Kniegelenks bei Tieren häufig nicht gerecht werden. Zu Korrektur von Kreuzbandrissen wurden in jüngerer Zeit daher aufwändige Osteosynthese-Verfahren wie die Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO) und die Tibial Tuberosity Advancement (TTA) entwickelt.

Literatur

  • Antje Hüter-Becker: Lehrbuch zum neuen Denkmodell der Physiotherapie - Band 1 Bewegungssystem, Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
  • Jörg Jerosch/Jürgen Heisel: Das Kniegelenk - Rehabilitation nach Verletzungen und operativen Eingriffen, Pflaum Verlag, München, Bad Kissingen, Berlin, Düsseldorf, Heidelberg 2004
  • Volker Schumperlick/Niels Bleese/Ulrich Mommsen: Kurzlehrbuch Chirurgie, 6. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2004
  • Kurt Tittel: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen, 12., völlig neu überarbeitete Auflage, Fischer Verlag, Jena, Stuttgart 1994
  • Kessler MA et al.: Function, osteoarthritis and activity after ACL-rupture: 11 years follow-up results of conservative versus reconstructive treatment. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2008
  • Michael J. Strobel: Arthroskopische Chirurgie, 1. Auflage, Springer Verlag, 1998, ISBN 978-3-540-63571-0
  • Michael J. Strobel, Andreas Weiler: Hinteres Kreuzband, 1. Auflage, Endo Press (mit freundlicher Empfehlung Karl Storz - Endoskope), 2008, ISBN 978-3-89756-719-1

Weblinks

Einzelnachweise
  1. Herbert Lippert: Lehrbuch Anatomie, 6. Auflage, Urban und Fischer, München/Jena 2003, ISBN 3-437-42361-4.
  2. B. Tillmann: Zur funktionellen Morphologie der Gelenkentwicklung, In: Orthopädische Praxis, Nr. 12, 1974, S. 328-342.
  3. a b c d Michael J. Strobel, Andreas Weiler: Hinteres Kreuzband, 1. Auflage, Endo Press (mit freundlicher Empfehlung Karl Storz - Endoskope), 2008, ISBN 978-3-89756-719-1.
  4. a b c Hans-Joachim Appell, Christiane Stang-Voss: Funktionelle Anatomie, 4. Auflage, Springer Verlag, 2008, ISBN 978-3-540-74862-5
  5. H.E. Cabaud: Die Biomechanik des vorderen Kreuzbandes, In: Zeitschrift für Orthopädie., 1984 Ausg. 2, S. 105ff.
  6. C.M. Gupte et al.: A review of the functions and biomechanics of the meniscofemoral ligaments, In: Arthroscopie, Ausgabe 19, 2003, S. 161-171
  7. Franz W, J. Ulbrich (2004) Eine neue Technik zur Entnahme der Semitendinosussehne für den Kreuzbandersatz. Arthroskopie 17 : 104–107
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