- Kreuzband
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Die Kreuzbänder (lat.: Ligamenta cruciata genus) gehören, neben dem Außenband (Ligamentum collaterale fibulare) und dem Innenband (Ligamentum collaterale tibiale) zum Bandapparat des Kniegelenks der Säugetiere. Sie kreuzen sich im Zentrum des Kniegelenks, wodurch sie ihren Namen haben. Ihre Aufgabe ist, zusammen mit den anderen Strukturen des Knie-Bandapparates, die Stabilisierung des Gelenks bei jeder Bewegung.
Inhaltsverzeichnis
Anatomie
Strenggenommen und rein anatomisch liegen die Kreuzbänder nicht im Kniegelenk, sondern außerhalb der Gelenkflächen (extraartikulär). Dies begründet sich dadurch, dass sie durch den Gelenkschleimhautsack (Synovialsack) zu den Gelenkflächen hin abgegrenzt werden. Dieser Synovialsack umschließt mit seiner Außenseite lediglich die vorderen und seitlichen Anteile der Kreuzbänder, daher spricht man von retrosynovialer Lage.[1] Entwicklungsgeschichtlich hat man festgestellt, dass die Kreuzbänder von hinten in den Gelenkbereich einstrahlen und nicht umgekehrt, was ihre Lage außerhalb der Synovialmembran erklärt.[2][3]
Struktur
Die Kreuzbänder bestehen, wie andere gelenkbegleitende Bänder auch, aus straffen, kollagenen Faserzügen. Sie liegen parallel zueinander in sogenannten Faserbündeln, die locker durch Bindegewebe miteinander verbunden sind. Dort, wo sie an Knochen ansetzen (Insertion), verändert sich ihre Faserstruktur und -anordnung in Richtung der Knochenhaut (Periost), welche ebenfalls aus sehr straffen kollagenen Fasern besteht, die jedoch stark vernetzt sind.[4] Ihre Blutversorgung erhalten sie vor allem aus der A. genus media.
Lage und Verlauf
Vorderes Kreuzband
Eröffnet man ein Kniegelenk von vorne, so sieht man, dass die Kreuzbänder zentral im Gelenk untergebracht sind. Das vordere Kreuzband (Ligamentum cruciatum anterius, VKB oder LCA bzw. ACL) ist im vorderen–mittleren Areal des Kniegelenks (Area intercondylaris anterior) an den beiden knorpelfreien Kreuzbandhöckern (Tuberculum intercondylare mediale/laterale tibiae) des Schienbeinkopfes (Caput tibiae) fixiert. Dieser erhöhte Bereich zwischen den beiden Gelenkflächen des Schienbeinkopfes wird Eminentia intercondylaris genannt. Hier setzt nicht nur das vordere Kreuzband, sondern auch Faserzüge der beiden Menisken an. Das Band zieht von vorne-unten-innen (anterio-caudal-medial) in die Grube zwischen den Gelenkknorren (Fossa intercondylaris femoris) nach hinten-oben-außen (dorso-cranial-lateral). Dort inseriert (Insertion = knöcherner Einwuchs von Sehnen und Bändern) es im hinteren Bereich der zur Mitte zeigenden Fläche des äußeren femoralen Gelenkknorrens (Condylus lateralis femoris) an der Knorpel-Knochengrenze. Dieser Verlauf wird umgangssprachlich auch als „hosentaschenförmig“ bezeichnet.
Es können drei Bandpartien unterschieden werden:
- Ein vorderes-inneres (anteromediales) Bündel. Dieses weist die längsten Fasern des gesamten vorderen Kreuzbandes auf. Bei Einblick in das Kniegelenk von vorne wird es als Erstes sichtbar. Es spannt sich vor allem bei Kniebeugung (Flexion) stark an. Bei einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes ist es der Anteil der am ehesten reißt.[5]
- Ein hinteres-äußeres (posterolaterales) Bündel. Dieses wird vom anteromedialen Bündel überdeckt und hat sein Spannungsmaximum bei Kniestreckung (Extension). Bei partiellen Bandrissen bleibt es meist intakt.
- Ein dazwischenliegendes (intermediäres) Bündel.
Die Fasern haben unterschiedliche Längen zwischen 18,5 und 33,5 mm. Zur jeweiligen Insertion an Femur und Tibia fächern sich die Bündel auf, womit sich die Fläche der Fixierung vergrößert. Insgesamt ist das Band in sich gedehnt und die einzelnen Bündel leicht spiralförmig verschlungen, weshalb das Band zur Mitte hin als fast runde, dicke Struktur zu sehen ist. Einige Faserzüge inserieren nicht am Knochen, sondern ziehen zum vorderen Innenmeniskusband, mit dem sie dann zusammen in den Knochen einwachsen.
Hinteres Kreuzband
Hinter dem vorderen Kreuzband erscheint das hintere Kreuzband (Ligamentum cruciatum posterius, HKB oder LCP, im klinischen Alltag oft auch PCL, engl. posterior cruciate ligament). Es kreuzt das vordere Kreuzband in einem Winkel von ca. 90° bei gebeugtem Knie. Es ist kräftiger und stellt insgesamt die kräftigste Bänder (ligamentäre) -Struktur des Kniegelenks dar. Es ist im hinteren (dorsalen) Bereich des Areals zwischen den Gelenkknorren des Schienbeinknochens (Area intercondylaris posterior) am Schienbeinkopf, jedoch nicht wie das vordere Kreuzband auf dem tibialen Plateau, sondern an der Hinterkante (etwa 10 mm unterhalb der Gelenkflächen beginnend) fixiert. Der Fixpunkt des Schienbeins liegt somit weit hinter den Hinterhörnern des Innen- und Außenmeniskus. Das Band zieht von hinten-unten-außen (dorso-caudal-lateral) nach vorne-oben-innen (antero-cranial-medial) in die ganze Tiefe der Grube zwischen den Gelenkknorren (Condylen) des Oberschenkelknochens. Es inseriert dort am inneren Bereich der Knorpel-Knochen-Grenze des inneren Gelenkknorrens (Condylus medialis femoris). Bei einem 90° gebeugten Knie könnte man, von innen schauend, die fächerförmige Insertion von 12 Uhr bis 4 oder 5 Uhr sehen.[4][3]
Es können zwei Bandpartien unterschieden werden:
- Ein hinteres-inneres (posteromediales) Bündel (PM-Bündel), welches am Schienbein hinten den innersten, und am Oberschenkelknorren den tiefsten und somit hintersten (bei gestrecktem Knie) Ansatzpunkt hat.
- Ein vorderes-äußeres (anterolaterales) Bündel (AL-Bündel), welches vom Schienbein zum höchsten und somit vordersten Ansatzpunkt am Oberschenkelknochen zieht.[4][3]
Nicht selten wird das hintere Kreuzband von einem oder zwei, unregelmäßig auftretenden Bändern begleitet, die lange Zeit für einen festen Bestandteil des hinteren Kreuzbandes gehalten wurden: Das häufiger vorkommende hintere meniskofemorale Band (Ligamentum meniscofemorale posterior, Wrisberg-Ligament), welches zusammen mit dem Band des Außenmeniskushinterhorns am Schienbein inseriert, und das etwas seltenere vordere meniskofemorale Band (Ligamentum meniscofemorale anterior, Humphry-Ligament). Tatsächlich sind beide nicht physiologisch mit den Faserzügen des Kreuzbandes verwachsen und ändern auch nichts an der Gesamtstruktur des eigentlichen hinteren Kreuzbandes, weshalb sie nicht als Kreuzbandbestandteil, sondern als anatomisch unregelmäßig vorhandene zusätzliche Stabilisierung gesehen werden müssen.[6][3]
Orientierung der Kreuzbänder
Bei perspektivischer Betrachtung überkreuzen sich die Kreuzbänder tatsächlich. Auch in der Sagittalebene sind sie gekreuzt, das vordere Kreuzband läuft schräg nach oben und hinten, während das hintere Kreuzband schräg nach oben und vorne ausgerichtet ist (das vordere Kreuzband läuft seitlich am hinteren Kreuzband vorbei). Auch in der Frontalebene ist ihr Verlauf gekreuzt: Ihre Befestigungen an dem Schienbein liegen auf einer sagittalen Achse, während die Fixpunkte am Oberschenkelknochen um ca. 17 mm auseinander liegen. Das hintere Kreuzband läuft folglich schräg nach oben-mittig (cranial-medial), das vordere Kreuzband schräg nach oben-seitlich (cranial-lateral). In der Transversalebene hingegen liegen sie parallel zueinander, ihre axialen Seiten berühren sich. Die Kreuzbänder überkreuzen nicht nur sich selbst, sondern auch das jeweilige gegenüberliegende ipsilaterale Seitenband (Kollateralband). So überkreuzt das vordere Kreuzband das Seitenband des Wadenbeines und das hintere Kreuzband das des Schienbeines. Bei Betrachtung der vier Bänder von der Mitte zur Seite oder umgekehrt stellt man fest, dass sie alternierend schräg zueinander orientiert sind. Die Seiten- und Kreuzbänder schneiden sich in jeder Stellung des Gelenkes in einem Punkt; der Schnittpunkt entspricht jeweils dem momentanen Drehzentrum.
Die beiden Kreuzbänder haben einen unterschiedlich geneigten Verlauf. Bei gestrecktem Knie ist das vordere Kreuzband mehr vertikal, das hintere Kreuzband mehr horizontal orientiert, was mit der Ausrichtung der Insertionsfelder übereinstimmt. Das Feld des hinteren Kreuzbands liegt horizontal, das des vorderen Kreuzbands steht vertikal.
Wird das Knie gebeugt, so stellt sich das in Streckstellung horizontal liegende hintere Kreuzband vertikal auf. Es beschreibt in Relation zum Schienbein einen Kreisbogen von mehr als 60°, während sich die Stellung des vorderen Kreuzbands nur wenig verändert.
Das Längenverhältnis zwischen den Kreuzbändern ist individuell unterschiedlich. Die Distanz zwischen den Fixpunkten des Schienbeines und Oberschenkelknochens ist für jedes Knie charakteristisch, da diese u. a. das Profil der Rollhügel bestimmen.
Funktion
Die Kreuzbänder halten gemeinsam mit den Seitenbändern das Kniegelenk zusammen. Sie begrenzen die Streckung des Schienbeines, führen das Gelenk während der Bewegung und verleihen ihm somit die nötige Stabilität. Die seitliche Stabilität der beiden Seitenbänder verhindert ein O-Bein (Genu varum) bzw. ein X-Bein (Genu valgum). Somit stellen sie die zentrale Komponente im propriozeptiven Regelkreis des Kniegelenkes dar.
Die Kreuzbänder bilden die zentralen passiven Führungselemente des Kniegelenks. Bedingt durch ihre Lage zueinander und ihre Art der Fixation an Oberschenkelknochen und Schienbein bilden sie eine Viergelenkkette und zwingen so den Oberschenkelknochenkopf bei der Beugung in einen Roll-Gleit-Mechanismus (Athrokinematik bzw. Osteokinematik), welcher es – neben anderen Mechanismen – erlaubt, einen großen Gelenkkopf auf einer viel kleineren Gelenkpfanne physiologisch zu bewegen. Bei einer Schädigung des vorderen Kreuzbands wird diese empfindlich gestört und führt zu Knorpel- und Meniskusschäden. Die Kreuzbänder sorgen neben dem Anpressdruck der beiden Gelenkpartner unter anderem für eine verschiebliche Stabilisierung nach vorne und hinten. Sie liegen so, dass in fast allen Stellungen des Kniegelenkes Teile von ihnen gespannt sind; sie verhindern vor allem in der gefährdeten labilen Beugestellung, in der die Seitenbänder erschlaffen, eine vordere und hintere Verschiebung der miteinander in Verbindung stehenden (artikulierenden) Flächen. Die Seitenbänder werden durch die Spiralform der Rollhügel des Oberschenkelknochens in Streckung gestrafft, weil die Distanz zwischen Ursprung und Ansatz länger wird. In Beugung sind sie locker, analog zur stabilen bzw. instabilen Gelenkflächenform in Streckung und Beugung. Wären die Rollhügel des Oberschenkelknochens rund, so wäre der Radius in jedem Beugungswinkel gleich lang und die Bänder würden mit konstanter Spannung ziehen. So ist das gestreckte Knie stabil, gebeugt ist es mobil und entlastet. Das vordere Kreuzband begrenzt die Streckung (Extension) des Kniegelenks. In Streckrichtung sind dabei das hintere-seitliche und dazwischenliegende Bündel am meisten gespannt, während in Beugerichtung (Flexion) das vorne-mittige Bündel mehr gespannt ist. Das hintere Kreuzband verhindert eine gerade hintere Verschiebung (Translation) des Schienbeinkopfes. Zudem schränken sie durch die Stabilität und Verlaufsrichtung ihrer kräftigen Fasern die Drehbewegung (Rotationsbewegung) des Unterschenkels, insbesondere die Drehbewegung nach innen ein.
Dreht der Oberschenkelknochen nach außen und der Unterschenkel nach innen (also eine Drehbewegung des Schienbeines nach innen), werden die Kreuzbänder gespannt. Sie schlingen sich verstärkt umeinander und ziehen sich so an, während sie sich bei der Drehbewegung nach außen wieder abrollen und lockern.
Die Drehachse muss durch den Innenmeniskus laufen, weil dieser mit dem inneren Seitenband verwachsen ist und somit nicht gleiten kann. Gespannte Bänder sind die Voraussetzung für eine gute Gelenkstabilisierung. Durch den alternierenden Wechsel von Beugung und Streckung, von Ver- und Entschraubung werden die Bänder abwechselnd unter Zug gesetzt und wieder entlastet. Zug und Entlastung optimieren die strukturelle Organisation innerhalb der Bänder und fördern den Stoffwechsel. Kräfte, die auf gespannte Bänder einwirken, sind geringer als solche, die auf lockere Bänder stoßen. (Beispiel: Beim Fußballspielen bekommt das Kniegelenk einen Schlag von der Seite. Die einwirkende Kraft wird vor allem auf die Bänder übertragen. Sind diese straff, nehmen sie die Kraft auf und leiten sie weiter. Sind sie aber locker, bewirkt die Kraft des Schlags erst einmal ein ruckartiges Spannen der Bänder: Kraft = Masse mal Beschleunigung – zweites Newtonsches Gesetz, Gesetz der Beschleunigung -, so lautet die physikalische Formel. Die Kraft, die an dem Band zieht, ist stärker.)
Kreuzbandriss
- → Hauptartikel: Kreuzbandriss
Kreuzbandverletzungen entstehen meist aufgrund indirekter Gewalteinwirkung. Von einem Riss (Ruptur) des Kreuzbandes spricht man bei einem teilweisen oder vollständigen Riss eines oder beider Kreuzbänder. Im Extremfall handelt es sich um einen vollständigen Ab- oder Ausriss, bei dem auch Teile des Knochens betroffen sein können. Der knöcherne Ab- oder Ausriss ist wesentlich seltener als der reine Bandriss ohne knöcherne Beteiligung (intraligamentäre Ruptur).
Literatur
- Antje Hüter-Becker: Lehrbuch zum neuen Denkmodell der Physiotherapie – Band 1 Bewegungssystem, Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2002
- Kurt Tittel: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen, 12., völlig neu überarbeitete Auflage, Fischer Verlag, Jena, Stuttgart 1994
- Michael J. Strobel, Andreas Weiler: Hinteres Kreuzband, 1. Auflage, Endo Press (mit freundlicher Empfehlung Karl Storz Endoskope), 2008, ISBN 978-3-89756-719-1
Einzelnachweise
- ↑ Herbert Lippert: Lehrbuch Anatomie, 6. Auflage, Urban und Fischer, München/Jena 2003, ISBN 3-437-42361-4.
- ↑ B. Tillmann: Zur funktionellen Morphologie der Gelenkentwicklung, In: Orthopädische Praxis, Nr. 12, 1974, S. 328–342.
- ↑ a b c d Michael J. Strobel, Andreas Weiler: Hinteres Kreuzband, 1. Auflage, Endo Press (mit freundlicher Empfehlung Karl Storz - Endoskope), 2008, ISBN 978-3-89756-719-1.
- ↑ a b c Hans-Joachim Appell, Christiane Stang-Voss: Funktionelle Anatomie, 4. Auflage, Springer Verlag, 2008, ISBN 978-3-540-74862-5
- ↑ H. E. Cabaud: Die Biomechanik des vorderen Kreuzbandes, In: Zeitschrift für Orthopädie., 1984 Ausg. 2, S. 105ff.
- ↑ C. M. Gupte et al.: A review of the functions and biomechanics of the meniscofemoral ligaments, In: Arthroscopie, Ausgabe 19, 2003, S. 161–171
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