Nasenfahrrad

Nasenfahrrad
Dieser Artikel behandelt die Brille als Sehhilfe; zu der gleichnamigen Augenschuppe der Schlangen und anderer Reptilien siehe Oculare.
Brille
Zwei Brillenfassungen, links mit und rechts ohne Scharnier als Bügelgelenk

Eine Brille, abgeleitet von dem Kristall Beryll, ist eine vor dem Auge getragene Brillenfassung mit Bügeln (oder Hinter-Kopf-Halteband) und zwei geschliffenen oder gegossenen Brillengläsern, die als Sehhilfe oder dem Augenschutz dienen. Brillen heißen umgangssprachlich und in Österreich auch Augengläser. Die Brille wurde Ende des 13. Jh. in Italien erfunden.

Bei den Brillengläsern, die der Sehhilfe dienen, handelt es sich um Linsen. Die augenoptische Industrie stellt sie aus Mineralglas und in zunehmendem Umfang aus Kunststoff (Celluloseacetat) her. Der Vorteil von Kunststofflinsen ist das weit geringere Gewicht (vor allem bei größeren Dioptrienzahlen macht sich dieses aufgrund der dickeren Gläser bemerkbar) und für Sportler das Nichtsplittern, Nachteil ist die höhere Kratzempfindlichkeit. Vom Augenoptiker werden diese gerandet und in die Brillenfassungen unter Berücksichtigung individueller Zentrieranforderungen aufgrund verschiedener Augenabstände u.ä. eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Brillen des 16. Jahrhunderts

Der Name „Brille“ leitet sich vom spätmittelhochdeutschem Wort berille ab. Dieses stammte wiederum von Beryll. Man bediente sich um 1300 der Linsen geschliffener Halbedelsteine, meist Berylle genannte Bergkristalle.

Albrecht von Scharfenberg verlieh dem „berillus“ im „Jüngeren Titurel“ eine erhöhte symbolische Bedeutung. In der um 1270 entstandenen ausgedehnten Gralsdichtung ist „Parille“ der Name für einen der Söhne von Senabor. Bei der Aufzählung der „kinde und kindes kint“ vom Stamm „Kapadoze“ wird der Name erwähnt: „Ein sin sun Parille hiez er nach dem steine, / durch daz der ougen wille da mit erget. er machet groz uz kleine. / uz cleinen tugenden machte er di grozen.“ (Vers 99) „Einen seiner Söhne nannte er Parille nach dem Steine. Damit das Verlangen der Augen da hindurchgehe. Er macht groß aus klein. Aus kleinen Tugenden machte er die großen.“ Durch die Wahl des Namens wird der Lebensweg des „Parille“ verdeutlicht und seine Entwicklung aufgezeigt. Diese Strophe stellt das älteste Denkmal im deutschen Sprachraum dar, in dem die Brille (hier noch als Lesestein aus Bergkristall) genannt wird. Viele Strophen später greift Albrecht den Vergleich erneut auf: „Sam der berillus grozet di schrift in im ze lesene, din herze dem genozet, dar inne alle tugende mit wesene wahsent hoch, breit, wit und ouch di lenge.“ „So wie der Beril die in ihm zu lesende Schrift vergrößert, gleicht ihm dein Herz, darin alle Tugenden in ihrem Wesen hoch, breit, weit und auch in die Länge wachsen.“ Das Herz ist also klar und rein wie ein „berillus“ und hat die Eigenschaft, die Tugenden wachsen zu lassen.

Geschichte

Der „Brillenapostel“ von Conrad von Soest (1403)
Apostel mit Nietbrille (1439)
Lesender Petrus von Friedrich Herlin (1466)

Die als Sehhilfe für beide Augen auf die Nase gesetzte Lesebrille wurde im letzten Viertel des 13. Jh. in der Toskana erfunden. Die Datierung konnte nach zeitgenössischen Berichten vorgenommen werden, die aus dem beginnenden 14. Jh. stammen.[1] Der tatsächliche Erfinder ist zwar unbekannt, aber als mögliche Erfinder gelten Salvino degli Armati und Roger Bacon.

Vorgeschichte

Laut Chrysippos soll bereits Archimedes († 212 v. Chr.) die Brechungsgesetze von Linsen untersucht und einen am Kopf befestigten Kristall zur Sehkorrektur getragen haben. Seine Entdeckung fand in der Antike aber offenbar keine praktische Nachahmung. Als das aus dem 11. Jahrhundert stammende Buch „Schatz der Optik“ des arabischen Mathematikers, Astronoms und Optikers Alhazen († ca. 1040) um 1240 ins Lateinische übersetzt und in Klosterbibliotheken verfügbar wurde, schlug eine Sternstunde der Optik. Alhazen beschrieb unter anderem in seiner Schrift die vergrößernde Wirkung eines Glaskugelsegments, des späteren „Lesesteins“, ohne jedoch seine Erkenntnis praktisch zu nutzen. Die Theorie des Arabers, die Schwierigkeiten alterssichtiger Mönche und deren handwerkliche Fähigkeiten kamen zusammen. Damals wurde wohl in einem Kloster der erste Lesestein aus Bergkristall geschliffen. Um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts folgten Leseglas und Brille. Neben dem o. a. Text gibt es noch eine weitere, etwa zeitgleiche Quelle. In seinem Werk „Die goldene Schmiede“ schrieb der mittelhochdeutsche Dichter Konrad von Würzburg (geb. 1220/1230 in Würzburg, gest. 1287 in Basel): „Er [der Kristall] hat in sich die große und gewaltige Art, […] sofern ihn jemand dünn schliffe und auf die Schrift halten wollte, der sähe durch ihn die kleinen Buchstaben größer scheinen.“

Erfindung der Brille

Die älteste Darstellung einer Brille findet sich auf den Fresken des italienischen Malers Tomaso da Modena im Kapitelsaal von San Niccolo in Treviso. Sie sind um das Jahr 1352 entstanden. Mit viel Sinn für das Gegenständliche und für physiognomische Besonderheiten hat Tomaso da Modena auf vierzig Fresken die Hauptvertreter des Dominikanerordens dargestellt. Bei dem Porträt des Kardinals von Rouen wird ein Einglas gezeigt, das der Dargestellte dicht an sein Auge geführt hat. Er liest damit in einem Buch, das er aufgeschlagen in seinen Händen hält. Auf dem Portrait des Kardinals Hugo von Provence ist eine Nietbrille dargestellt, die diesem fest auf der Nase sitzt. Auch er wird als Lesender gezeigt.

Der sogenannte „Brillenapostel“ des weltberühmten Altars der Stadtkirche von Bad Wildungen, der 1403 von Conrad von Soest gemalt wurde, stellt die früheste Darstellung einer Brille nördlich der Alpen dar. Der Brillenapostel ist zu einem Symbol der Ev. Kirchengemeinde Wildungens geworden und findet sich heute in ihrem Siegel wieder.

Die ersten Brillen, die in Europa um 1280 aufkamen, hatten noch keine Bügel und besaßen konvex geschliffene Linsen, die sie nur für weitsichtige Menschen geeignet machten. Der englische Optiker Edward Scarlett baute 1727 die erste Brillenfassung. Zuvor waren auch andere Formen, wie die Befestigung von Linsen an einer Perücke ausprobiert worden. 1877 erfand Adolf Fick die erste Kontaktlinse.

Sonstiges

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Es ist üblich, dass ein Optiker zu jeder gefertigten Brille einen Brillenpass erstellt. In diesem sind Glasstärke, Achsen und Glasart der Brille in Kürzeln festgehalten.

Sonnenbrille

Eine Sonderform der Brillen stellen die 3D-Brillen dar, die bei einigen stereoskopischen Verfahren (räumliches Sehen) benötigt werden. Diese sind primär keine Sehhilfe, sondern sorgen dafür, dass für jedes Auge das entsprechende stereoskopische Halbbild herausgefiltert wird.

Mit der Bildschirmarbeitsverordnung von 1996 hat die „Spezielle Sehhilfe für die Arbeit an Bildschirmarbeitsgeräten“ Bedeutung erlangt. In § 6 wird jeder Arbeitgeber verpflichtet, vor der Aufnahme der Tätigkeit am Bildschirm und anschließend in regelmäßigen Abständen den Beschäftigten eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens durch eine fachkundige Person anzubieten. Der Arbeitgeber hat dabei die Kosten zu übernehmen.

Ein Sozialhilfeempfänger musste eine Brille bisher selbst zahlen. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Kassel besagt jedoch, dass bei „Gebrauchsgut von längerer Benutzungsdauer“, welches bei medizinischer Notwendigkeit zum Lebensbedarf gehört – dazu zählt auch die Brille – das Sozialamt einmalig Beihilfe gewähren muss (Az: 10 TG 3128/04, VGH Kassel).

Schutzbrillen sollen das Auge vor schädlichen Einflüssen, wie Chemikalien, Strahlung oder dem Funkenflug vom Schweißen, Löten und Schleifen schützen.

Bertolt Brecht unterschrieb gerne mit einer Ligatur aus zwei kleinen bs, die einer Brille ähnelt.

Kulturelle Bedeutung

Brillen gelten generell als äußeres Zeichen von Intelligenz, Intellektualität im positiven wie im negativen Sinne. Diese Vorurteile entstammen vermutlich einer Zeit, in der sich nur finanziell Bessergestellte eine Brille leisten konnten. Diese hatten dann auch die finanziellen Möglichkeiten zu höherer Bildung.

Dies u.a. führte dazu, dass in Kambodscha unter der Herrschaft der Roten Khmer Brillenträger als vermeintliche Intellektuelle und damit als potentielle Feinde eines kommunistischen Bauernstaates verfolgt wurden.

Statistik

Nach einer Studie des Allensbach-Institutes tragen oder brauchen in Deutschland (Stand 2005) 64 % der Erwachsenen (über 16 Jahre) eine Korrektionsbrille. Die Zahl der Brillenträger ist seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen kontinuierlich gestiegen. Besonders in der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ein Zuwachs von 13 % auf 31 % zu verzeichnen. Bemerkenswert ist hier auch, dass gerade in dieser Gruppe 29 % mittlerweile ständig eine Brille tragen. Die Zahl der Brille tragenden Kinder wird mit aktuell 15% bei steigender Tendenz angegeben. In den siebziger Jahren lag sie noch bei 8% und Anfang der neunziger Jahre bei 11%. Auch bei Kindern und Jugendlichen ist neben der Zunahme an Brillenträgern ein Trend zum früheren Beginn des Brilletragens erkennbar. Durch veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen ist besonders die Kurzsichtigkeit in dieser Altersgruppe stark angestiegen, aber auch durch verbesserte Diagnoseverfahren und eine weiter verbreitete Untersuchungsdichte ist der Trend der Zunahme und des immer früheren Brilletragens zu erklären. Auch ist die Akzeptanz der Brille gestiegen, so dass nach dieser Studie 89 % der Brillenträger und 81 % der Nicht-Brillenträger der Meinung sind, dass eine Brille die Attraktivität des Trägers nicht negativ beeinflusst.

Brillengröße

Die Brillengröße steht meistens auf der Innenseite am Bügel bzw. am Steg. z. B.: 52-17-135 52 mm Brillenglasgröße, 17 mm Stegweite, 135 mm Bügellänge

Brillenarten

Bifokalbrille

Siehe auch

Fußnoten

  1. Karl-Heinz Ludwig, Volker Schmidtchen: Propyläen Technikgeschichte. Metalle und Macht 1000–1600, unveränderte Neuausgabe, Berlin 1997, S.23 ISBN 3-549-05633-8

Literatur

Etymologie

  • Heinz Herbert Mann: Augenglas und Perspektiv. Studien zur Ikonographie zweier Bildmotive. Berlin: Gebr. Mann, 1992. (= Studien zur Profanen Ikonographie, Bd. 1), ISBN 3-7861-1570-2

Geschichte

  • Susanne Buck: „Der geschärfte Blick. Eine Kulturgeschichte der Brille seit 1850“. Frankfurt am Main, Anabas Verlag 2006, 262 S., 80 Abb., ISBN 3-87038-347-X

Weblinks

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