Negation (Philosophie)

Negation (Philosophie)

Eine Negation (v. lat.: negare = verneinen) bezeichnet die Ablehnung oder Verneinung. (Gegenteil: Affirmation).

Inhaltsverzeichnis

Linguistik

In der Allgemeinen Linguistik bedeutet Negation die Verneinung; sowie das Wort, das eine Verneinung ausdrückt, siehe auch: Doppelte Verneinung. Für die Negation kommt es auf den Inhalt der Aussage an. Sprachlich kann der Inhalt unterschiedlich realisiert werden (siehe auch Sprechakt.) Eine Negation wird nicht notwendigerweise durch das Wort „Nein“ bezeichnet. Die Oberflächenstruktur und die Tiefenstruktur der Negation können sich dabei unterscheiden. Die gleiche Aussage „Nein!“ kann sprachlich unterschiedlich ausgedrückt werden und hängt dabei von äußeren Bedingungen und vom Dialekt ab. So bedeutet „nein“ als Antwort auf die Frage „Du kommst heute wohl nicht mit?“ eine Bestätigung des Nichtmitkommens, also logisches Ja. Um ein logisches Nein auszudrücken, muss die Antwort „Doch!“ lauten. Im guten Stil wird grundsätzlich in einem ganzen Satz geantwortet: „Nein, ich komme nicht mit!“ oder „Doch, ich komme mit!“. „Ja, ich komme nicht mit!“ wird nur selten angewendet. Das Gegenteil einer Negation, also eine bejahende Aussage, bezeichnet man als Affirmation.

Logik

Technische Notation: Nicht-Gatter

In der formalen Logik bezeichnet „Negation“ (Verneinung, Nicht-Verknüpfung) eine Operation, durch die der Wahrheitswert einer Aussage (eines Satzes) durch die Verwendung eines Operators (Junktors) (dem Negator, „Negations-Operator“) verändert wird, so dass ein Satz in der Form entsteht „Es ist nicht der Fall, dass p“ oder kurz: „nicht p“ oder symbolisiert: (non-p). In anderer Perspektive [1] wird die Negation als „ein Satz der Gestalt `nicht A´“[2] definiert. Der Begriff der Negation gilt neben dem der Gleichheit als „Zentralbegriff“[3] der Logik.

Die Bedeutung der Negation ist in der zweiwertigen Logik eine andere als in der mehrstelligen Logik. Für gewöhnlich spricht man von der Negation im Sinne der zweiwertigen Logik.

Negation in der zweiwertigen Logik

Die Satznegation

In der klassischen Logik gibt es nur die Wahrheitswerte der Wahrheit und der Falschheit. Die Ausführung der Negation zu einer Aussage p führt zu einer Aussage mit entgegengesetztem Wahrheitswert, so dass dort Folgendes gilt:

Wenn die Aussage p wahr ist, so ist ihre Verneinung ¬p falsch; ist die Aussage p hingegen falsch, dann ist ihre Verneinung ¬p wahr.

Die Schreibweise ist dabei eine Frage der Konvention:
Statt des Zeichens "¬" kann auch das Zeichen „\sim“ verwendet werden. In der polnischen Notation wird die Negation durch den vorangestellten Großbuchstaben N ausgedrückt (z. B. Np), in den Existential Graphs von Charles S. Peirce wird eine Aussage verneint, indem sie von einem geschlossenen Linienzug umgeben wird. Die Negation wird auch durch ein Überstreichen ausgedrückt. In den Programmiersprachen C, C++, Java, JavaScript, PHP und Perl: !a. In den Programmiersprachen Algol 60, BASIC, Pascal, ELAN, Ada, Eiffel, Haskell, Perl: not a

Die Sprechweise variiert:
„¬p“ spricht man „non p“, „nicht p“, „p quer“, „Es ist nicht der Fall, dass p“, „Es ist nicht wahr, dass p“, „Es ist nicht so, dass p“.

Die Negation lässt sich durch andere Junktoren ausdrücken:

  • durch die materiale Implikation: Der Ausdruck p \rightarrow (q \wedge \neg q) („Wenn p wahr ist, dann ist ein beliebiger Widerspruch wahr“) ist genau dann wahr, wenn p falsch ist, und genau dann falsch, wenn p wahr ist;
  • durch die Sheffer-Operatoren, NAND und NOR: Die Ausdrücke p NOR p sowie p NAND p kehren den Wahrheitswert von p um.
  • Man kann die Negation als Spezialfall der Subjunktion ansehen: Sei \bot (lies: falsch oder falsum) per definitionem nicht herleitbar. Dann ist A \rightarrow \bot nichts anders als die Herleitbarkeit von  \neg A.

Zwei Aussagen p und q sind kontradiktorisch (stehen im kontradiktorischen Gegensatz) (logischen Gegensatz) genau dann, wenn die eine Aussage logisch äquivalent mit der Negation der anderen Aussage ist: p = ¬ q bzw. q = ¬ p[4]. Zwei Aussagen stehen hingegen nur in einem konträren Gegensatz, wenn beide nicht zugleich gelten können[5]

Werden beide Aussagen konjunktiv miteinander verknüpft (in üblicher Formelschreibweise p \wedge \sim p), so ergibt sich der Wahrheitswert falsch, bei der Disjunktion (in Formelschreibweise p \vee{\sim{p}}) der Wahrheitswert wahr.

In der klassischen Logik gelten als Prinzipien der Negation:

In der modernen Logik (nach Frege, Wittgenstein) bildet die Verneinung keine eigene Klasse von Sätzen (Aussagen, Urteilen), die parallel zu den bejahenden Sätzen stehen. „Das nicht gehört also zum propositionalen Gehalt und nicht zur illokutiven Kraft.“[6] Jede Verwendung eines assertorischen Satzes, sei dieser affirmativ oder negativ, ist eine Behauptung.[7] „Die Sätze p und non p haben entgegengesetzten Sinn, aber es entspricht ihnen eine und dieselbe Wirklichkeit.“[8]

Die Negation von Prädikaten und die Negation durch Prädikate

Die Negation von Prädikaten ist zu unterscheiden von der Prädikation als Negation.

Die Negation kann man auch für Prädikate verwenden. So kann man den Ausdruck „¬ Fx“ definieren als „¬ Fx“ trifft auf a zu, wenn „¬ Fa“ wahr ist.[9]

Die Prädikation, d.h. die Bestimmung eines Arguments durch ein Prädikat, ist eine Negation von anderen Prädikaten.[10] „Grundsätzlich teilt jeder Prädikator die Gesamtheit der möglichen Gegenstände in zwei Bereiche: denen er zu- und abgesprochen werden kann. Denn entweder trifft er zu, oder er trifft nicht zu.“[11]

Die Negation in der nichtklassischen Logik

In einer dialogischen, intuitionistischen und in der mehrwertigen Logik hat die Negation „Effekte“.

Beispiel: Mehrwertige Logik mit den Wahrheitswerten: sicher, möglich, unmöglich

  • Ist a sicher, so ist die Negation von a möglich oder unmöglich.
  • Ist a unmöglich, so ist die Negation von a möglich oder sicher.
  • Ist a möglich, so ist die Negation von a unmöglich.

Negation und Umgangssprache

Ob das logische „nicht“ mit dem umgangssprachlichen „nicht“ identisch ist, wird unterschiedlich beurteilt[12].

In der deutschen Sprache wird die Negation eines Satzes z.B. mit den Wörtern „nicht“, „kein“, „niemand“, „niemals“, „nirgends“, mit Hilfe bestimmter Vor- oder Nachsilben („un-„, „-los“) oder mit Hilfe von Wendungen „Es ist nicht der Fall, dass ...“ oder „Es ist nicht wahr, dass ...“ gebildet.“[13].

Bei der Negation umgangssprachlicher Ausdrücken ist Vorsicht geboten. Die Negation von „immer“ ist logisch nicht „niemals“, sondern „manchmal nicht“[14]. Die Negation von „jeder“ ist nicht „keiner“, sondern „nicht jeder“, „mancher nicht“[15]

Beispiel[16]: p Olga verließ schweigend die Bar.

(a) Nicht Olga verließ schweigend die Bar.

(b) Olga verließ nicht die Bar schweigend.

(c) Olga verließ die Bar nicht schweigend.

¬ p Es ist nicht der Fall, dass Olga schweigend die Bar verließ.,

Ein Satz der Gestalt „Weder A noch B“ hat die logische Form einer Konjunktion von Negationen, nämlich „¬ A \wedge ¬ B“[17]

Die natürlichsprachliche doppelte Negation ist von der logischen doppelten Negation zu unterscheiden. Dies kann von Sprache zu Sprache unterschiedlich sein. Im Spanischen ist die doppelte Verneinung eine betonte Verneinung. Im Deutschen gilt i.d.R. eine doppelte Verneinung als Bejahung. In verneinender Funktion nur in älterer Sprache (Beispiel: „Er nimmt an nichts keinen Anteil!“[18]

Negation im Sinne der philosophischen Dialektik (Hegels)

In der Philosophie bedeutet Negation die Aufhebung von etwas durch etwas Entgegengesetztes. (Beispiel: der Tod als Negation des Lebens.) Durch die Negation entsteht eine andere Qualität. Durch die Negation der Negation entsteht wieder eine neue Qualität, die sich möglicherweise stark vom Ausgangszustand unterscheidet. Bei dieser Art der Negation spielt die Zeit eine große Rolle. Sie ist eine Darstellung jeder Entwicklung. Bei der Empfängnis wird der Tod negiert, Leben entsteht. Das Lebewesen entwickelt sich, wird geboren und stirbt endlich. Dabei ist aber nicht der Ausgangszustand wieder erreicht. In der Zwischenzeit hat das Lebewesen sich bewegt, gehandelt, eventuell Nachwuchs erzeugt, die Umwelt verändert und gegebenenfalls seine Gene weitergegeben.

In Hegels Dialektik ist die Negation ein Aspekt der kritischen Antithese. Dabei stellt sie auch eine der drei Bedeutungsaspekte des Begriffs Aufhebung dar. Negation ist die kritische Ablehnung eines positiven philosophischen Systems. Auf Hegel aufbauend postulierte Engels das Gesetz von der Negation der Negation.

Goethe lässt im Faust Mephisto sagen: „[Ich bin] ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. [...] Ich bin der Geist, der stets verneint - und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist wert, daß es zu Grunde geht.“ (Faust I. Erster Teil, Studierzimmer.)

Ethik

In der Ethik bedeutet Negation die Ablehnung eines moralischen Wertes.

Kunst

In der Kunst gibt es verschiedene Aspekte der Negation: So wird eine Kunstrichtung durch eine andere abgelöst und damit negiert. Neue Methoden treten an die Stelle der alten. „L'art pour l'art“ verneinte die Zweckgebundenheit von Kunst.

Während vor der Erfindung der Fotografie lange Zeit eine detailgetreue realistische Darstellung das Ziel in der Malerei war, verlegte sich die Malerei danach auf abstrakte, impressionistische, expressionistische, kubistische und andere Darstellungen einer Wirklichkeit, die nicht von der Kamera gesehen wurde. Oftmals hatten diese Kunstrichtungen auch Programme, die vieles bisherige, dagewesene zurückwiesen.

Der Dadaismus verneinte die gesamte bis dahin gültige Kunst und verspottete sie. Im Dadaistischen Manifest heißt es: „Das Wort Dada symbolisiert das primitivste Verhältnis zur umgebenden Wirklichkeit, mit dem Dadaismus tritt eine neue Realität in ihre Rechte. Das Leben erscheint als ein simultanes Gewirr von Geräuschen, Farben und geistigen Rhythmen, das in die dadaistische Kunst unbeirrt mit allen sensationellen Schreien und Fiebern seiner verwegenen Alltagspsyche und in seiner gesamten brutalen Realität übernommen wird.“

Kunst versucht die Wirklichkeit zu beschreiben oder versucht, sie zu negieren, wie die situationistische Künstlerbewegung der 60er, die die Arbeit, den Kapitalismus und schließlich die Kunst selbst durch Überführung in den Alltag negieren, also aufheben wollte.

In Form der virtuellen Realität versucht sie, die Wirklichkeit zu ersetzen oder sich ihr anzunähern, Raum und Zeit zu überwinden. Auch Negativmaterial und Falschfarben negieren die gewohnte Welt im visuellen Bereich.

In der Musik spielen die Pause und die Stille - die Negation des Tones - eine große Rolle. Negation als Zerstörung: Jimi Hendrix zerfetzte musikalisch die amerikanische Nationalhymne und zündete seine Gitarre an. Die Punk-Bewegung negierte mit ihrer Rebellion alle Sitten und Werte der gutbürgerlichen Gesellschaft.

Ethnologie

Im Fest und im Ritual ist der Alltag aufgehoben (negiert).

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. unten zur Negation als Behauptung
  2. Essler, Einführung in die Logik, 2. Aufl. (1969), S. 19
  3. Seiffert, Logik (1973), S. 43
  4. Wunderlich, Arbeitsbuch Semantik, 2. Aufl. (1991), S.190
  5. Schülerduden, Philosophie, 2. Aufl. (2002), Gegensatz
  6. Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 214
  7. Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 212 f.
  8. Wittgenstein, Tractatus 4.0621, zitiert nach zitiert nach Brandt/Dietrich/Schön, Sprachwissenschaft, 2. Aufl. (2006), S. 81 Fn. 10
  9. So E. von Savigny, Grundkurs im logischen Schließen, 2. Aufl. (1984), S. 127
  10. Seiffert, Logik (1973), S. 107
  11. Seiffert, Wissenschaftstheorie IV (1997), Negation, Verneinung
  12. Tugendhat/Wolf, Logisch-semantische Propädeutik (1983), S. 116 („ziemlich genau“ identisch); zurückhaltender Patzig, Sprache und Logik, 2. Aufl. [1981], S. 18 f.: nicht immer identisch)
  13. Czayka, Logik (1991), S. 7
  14. Patzig, Sprache und Logik, 2. Aufl. [1981], S. 19 f.
  15. Patzig, Sprache und Logik, 2. Aufl. [1981], S. 20.
  16. Hoyningen-Huene, Logik (1998), S. 46
  17. Rosenkranz, Einführung in die Logik (2006), S. 58
  18. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Negation

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