Neulatein

Neulatein

Neulateinische Literatur ist die in Latein verfasste Literatur vom Beginn der Neuzeit im 14.Jh. bis in die Gegenwart.

Im Unterschied zur mittellateinischen Literatur zeichnet sich die neulateinische Literatur in der Regel durch den bewussten Rückgriff auf klassische antike Vorbilder der römischen Literatur aus und verwendet meist eine an die sogenannte „Goldene Latinität“ des 1. Jahrhunderts v. Chr. angelehnte Sprachform.

Inhaltsverzeichnis

Lateinische Literatur der Renaissance

Die Renaissance ist zunächst eine Wiedergeburt der Lateinischen Sprache. In bewusster Abkehr von dem als unelegant empfundenen Universitätslatein des Spätmittelalters orientieren sich die ersten Humanisten, Petrarca und Boccaccio wieder an den Klassikern der römischen Literatur, allen voran Cicero. Auch nördlich der Alpen wurden bald wieder die Klassiker als Vorbild im Gebrauch des Lateinischen nachgeahmt. Vor allem Erasmus von Rotterdam reichte mit seinem eleganten Latein an das Vorbild Cicero heran. Reformation und Gegenreformation förderten das Lateinische. Luthers Freund Philipp Melanchton verfasste Lehrbücher und Lehrpläne für die neu errichteten protestantischen Gymnasien, deren wichtigstes Ziel eine aktive Beherrschung des Lateinischen war.

Lateinische Literatur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert

Gleiches galt später für die Schulen der Jesuiten, die mit ihren lateinischen Schultheatern auch das einfache Volk begeisterten. Ein Jesuit gilt auch als größter unter den deutschen Barockdichtern, Jakob Balde (1604-1668). Generationen von Kindern lernten seit 1658 Latein mit dem Orbis sensualium pictus, dem berühmten deutsch-lateinischen Bildderbuch des großen Pädagogen Comenius.

Mit dem Erstarken der Nationalsprachen seit dem 17. Jahrhundert verlor Latein mehr und mehr an Boden. In Deutschland erschienen im Jahre 1681 zum ersten Mal mehr Bücher auf Deutsch als in Latein. Lateinische Belletristik wie der 1741 erschienene Roman Nikolai Klimii iter subterraneum des Dänen Ludvig Holberg war nunmehr die Ausnahme. Weiterhin wichtig blieb Latein aber als internationales Verständigungsmittel in den Wissenschaften: Nicolaus Copernicus, Johannes Kepler und Galileo Galilei veröffentlichten ihre bahnbrechenden astronomischen Erkenntnisse in lateinischer Sprache, auch die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton erschien noch 1687 auf Latein. Der Philosoph René Descartes ist mit seinem Satz Cogito ergo sum aus seinen principia philosophiae berühmt geworden, und Arthur Schopenhauer verfasste noch 1830 seine Theoria colorum physiologica auf Latein. Die von dem Schweden Carl von Linne in seinem Systema naturae 1735 entwickelte Methode, Lebewesen lateinisch zu klassifizieren, ist bis heute in Gebrauch.

Zeitgenössische Lateinische Literatur

Auch in jüngster Zeit entsteht lateinische Literatur. Josef Eberle, der langjährige Herausgeber der Stuttgarter Zeitung, verfasste v.a. für die Sonntagsbeilage seines Blatts bemerkenswerte lateinische Gedichte. Eberle wurde 1962 von der Universität Tübingen in Anlehnung an die Tradition der Frühen Neuzeit mit dem Lorbeer gekrönt. Nicht weniger geistreich sind die Satiren und Epigramme des Amerikaners Harry C. Schnur (C. Arrius Nurus). In Göttingen verfasst Fidel Rädle lateinische Gedichte, und von dem Heidelberger Latinist Michael von Albrecht ist erst vor kurzem ein satirischer Roman auf Latein erschienen. Wegen ihrer gefühlvollen Gedichte als "Sappho von Marburg" bekannt ist Anna Elissa Radke. Eine kleine neuere Anthologie nennt lateinische Dichter aus acht Nationen.

Nach wie vor erscheinen zahlreiche lateinische Zeitschriften. Die Societas Latina mit Sitz in Saarbrücken gibt fünfmal im Jahr eine lateinische Zeitschrift Vox Latina heraus. Ihr bekanntester Vertreter war Caelestis Eichenseer,[1] der sich sehr um die Pflege des Lateinischen verdient gemacht hat. Ferner existieren die neulateinischen Zeitschriften Rumor Varius sowie Tiro – Zeitschrift für Latein (Bad Dürkheim). Seit etwa 1976 gibt der Vatikan die Zeitschrift Latinitas heraus, unter anderem mit aktuellen Nachrichten. In diesem Zusammenhang sind auch die über Rundfunk und Internet verbreiteten Nachrichten von Radio Bremen zu nennen. Inwieweit das in den lateinischen chatrooms Verfasste unter die Rubrik Literatur fällt, sei dahingestellt.

Quellen

  1. la:Caelestis Eichenseer

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