Niels Henrik David Bohr

Niels Henrik David Bohr
Niels Bohr (1922)

Niels Henrik David Bohr (* 7. Oktober 1885 in Kopenhagen; † 18. November 1962 in Kopenhagen) war ein dänischer Physiker. Er erhielt den Nobelpreis für Physik im Jahr 1922 „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre und Ausbildungen

Der Vater von Niels Bohr, Christian Bohr, war Professor für Physiologie, seine Mutter Ellen (geb. Adler) entstammte einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Harald Bohr führte er regelmäßig Gespräche und Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, die bei beiden Brüdern das Interesse für die Naturwissenschaften stärkten und das spätere Leben prägten. "Ich wuchs in einem Haus mit einem reichen intellektuellen Leben auf, in dem wissenschaftliche Diskussionen alltäglich waren. In der Tat machte mein Vater kaum eine Unterscheidung zwischen seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit und seinem lebhaften Interesse an allen Problemen des menschlichen Lebens" urteilt Niels Bohr später rückblickend über sein Elternhaus. Harald Bohr wurde später Professor für Mathematik, während sich Niels Bohr der Physik zuwendete. Sein Bruder war außerdem ein populärer dänischer Fußballspieler und spielte in der dänischen Nationalmannschaft.

Nach Abitur an der Schule in Nordbögge 1903 studierte Niels Bohr Physik, Mathematik, Chemie, Astronomie und Philosophie an der Universität Kopenhagen. 1906 erhielt er die Goldmedaille der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften für seine Arbeit über die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten. Sein Magisterabschluss erfolgte 1909 und im Jahr 1911 schloss er sein Studium mit seiner Doktorarbeit über die magnetischen Eigenschaften von Metallen ab. Im selben Jahr wechselte er nach Cambridge an das Cavendish Laboratory unter der Leitung des Physik-Nobelpreisträgers von 1906 Sir Joseph John Thomson, und ein Jahr später nach Manchester in das Labor von Ernest Rutherford, der 1908 den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte. Hier lernte Niels Bohr auch Margarethe Nørlund kennen, die er später heiratete. Gemeinsam mit ihr hatte er sechs Söhne, von denen zwei schon in jungen Jahren starben.

Entwicklung des Bohrschen Atommodells

Während des Ersten Weltkrieges nahm Niels Bohr 1914 eine Dozentenstelle in Manchester und kurz danach in Kopenhagen an. Zwei Jahre später wurde er Professor für Physik an der Universität in Kopenhagen. Bei einem Aufenthalt und Vortrag in Berlin 1920 machte er die Bekanntschaft mit Max Planck und Albert Einstein. Mit Hilfe der von ihnen aufgestellten Theorien zur Quantenphysik, die er mit den Gesetzen der klassischen Physik verband, gelang es Bohr bereits 1913, das Bohrsche Atommodell zu erstellen. Mit dem Modell konnten die Linienspektren des Wasserstoffs erklärt werden. Dennoch gilt es aus heutiger Sicht als überholt und durch die Quantenmechanik ersetzt, da es lediglich für Wasserstoff befriedigende Aussagen macht. Trotzdem wird sein Modell als ein Meilenstein der theoretischen Physik angesehen, da hier zum ersten Mal erfolgreich auf Atom-Niveau die Quantisierung in ein Atommodell integriert wurde.

Von 1916 bis 1919 war Niels Bohr Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft und ab 1917 auch Mitglied der dänischen Akademie der Wissenschaften. 1918 formulierte er das Bohrsche Korrespondenzprinzip, welches den Zusammenhang zwischen der Quantentheorie und der klassischen Physik erklärte und darstellte, dass sich mit steigender Quantenzahl die Gesetze des Planckschen Wirkungsquantums vernachlässigen lassen. Während dieser Zeit arbeitete er daran, ein eigenes Institut an der Universität in Kopenhagen aufzubauen, das am 3. März 1921 als Institut für theoretische Physik eröffnet wurde. Seine Göttinger Vorträge, die er im Sommer 1921 hielt, wurden international bekannt und gingen als „Bohr-Festspiele“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. 1922 gelang ihm auf der Basis des von Arnold Sommerfeld erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des Periodensystems der Elemente, bei der er ein Schalenmodell annahm. Am 10. Dezember 1922 erhielt er für seine Forschungen über die Atomstruktur sowie die von den Atomen ausgehende Strahlung den Nobelpreis für Physik. Im gleichen Jahr kam auch sein Sohn Aage Niels Bohr zur Welt, der 1975 ebenfalls den Nobelpreis für Physik erhielt.

Weiteres Wirken nach dem Nobelpreis

Niels Bohr (links) 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

In den folgenden Jahren wurden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie Arnold Sommerfelds weiter ausgebaut, bis in der Zeit von 1925 bis 1927 die Betrachtung der Atomphysik durch die Formulierung der nichtrelativistischen Quantenmechanik revolutioniert wurde. 1924 veröffentlichte Bohr zusammen mit Hendrik Anthony Kramers und John C. Slater die philosophisch bedeutsame Arbeit «The quantum theory of radiation»[1] in der erstmals die strenge Einhaltung des Energieerhaltungssatzes in Frage gestellt und durch statistische Energieerhaltung ersetzt wurde. 1926/27 dozierte Werner Heisenberg am Institut von Niels Bohr und durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs Unschärferelation sowie das Komplementaritätsprinzip Bohrs als „Kopenhagener Deutungen“ der Quantentheorie, die beide 1927 publiziert wurden. Das Komplementaritätsprinzip sollte die Widerspruchsfreiheit zwischen formulierten Theorien und der Abwägung tatsächlicher Beobachtungen gewährleisten und er wendete es später auch auf Prinzipien außerhalb der Physik an.

In den Folgejahren konzentrierte sich Bohr weiterhin auf die Fragen der Quantenmechanik, während sein Atommodell den Pionieren der Kernforschung beim Verständnis elementarer Eigenschaften der chemischen Elemente half. Das Modell bot Erklärungen für die Valenzen, den Metall- und Nichtmetallcharakter der Stoffe sowie für die Ioneneigenschaften. Er selbst versuchte die durch den Beschuss mit Partikeln ausgelösten Reaktionen der Atomkerne zu erklären und führte zu diesem Zweck den Begriff des „Compound-Kernes“ ein. 1936 entwickelte er zwei neue Atommodelle, die er als Sandsack- und Tröpfchenmodell bezeichnete. Gemeinsam mit John Archibald Wheeler erarbeitete er die Möglichkeit der Energiegewinnung, nachdem Otto Hahn und Friedrich Wilhelm Straßmann die erste Kernspaltung durchführten.

Während der deutschen Besatzung Dänemarks engagierte sich Niels Bohr im Widerstand. Als das für ihn zu gefährlich wurde, gelang ihm 1943 die Flucht nach Schweden. Dort bat er beim schwedischen König und beim Außenminister erfolgreich um Asyl für seine jüdischen Landsleute. Nach dem Krieg kehrte er nach Dänemark zurück und setzte seine Forschung zur Atomenergie auf seiner alten Position fort. Gleichzeitig warnte er jedoch vor deren missbräuchlicher Nutzung, vor allem durch einen offenen Brief an die Vereinten Nationen 1950, und wurde deshalb 1957 Preisträger des „Atoms for Peace Award“. 1962 starb er in Kopenhagen und wurde auf dem Assistens Friedhof beigesetzt.

Lebenswerk

Niels Bohr 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

Sein wichtigster Beitrag zur Physik war das Bohrsche Atommodell, das er 1913 erstmals öffentlich vorstellte. Es stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Quantenmechanik dar. Weitere auf ihn zurück gehende Konzepte sind das Korrespondenzprinzip, das den Übergang der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik beschreibt, und das Prinzip der Komplementarität, das besagt, dass die Kenntnis bestimmter Messgrößen notwendigerweise eine totale Unkenntnis bestimmter anderer Größen bedingt. In seinen wissenschaftskritischen Arbeiten vertrat Bohr die Auffassung, dass es von den jeweiligen Beobachtungspraktiken abhängig ist, was eine Apparatur überhaupt ausmacht.[2]

Ehrungen und Mitgliedschaften

Neben dem Nobelpreis für Physik 1922 erhielt Niels Bohr eine Reihe weiterer Preise und Auszeichnungen u.a.1961 den Sonning-Preis der Universität Kopenhagen. Er war Präsident der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission. Außerdem war er ausländisches Mitglied der Royal Society in London, der Accademia dei Lincei in Rom und weiterer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen. Daneben erhielt er die Ehrendoktorwürde an zahlreichen Universitäten der Welt. Er war Träger des höchsten dänischen, des Elefantenordens.

Niels Bohr ist zudem auf der Vorderseite der 500-Kronen-Banknote der dänischen Reichsbank.

Benennungen nach Bohr

Das chemische Element mit der Ordnungszahl 107 wurde Bohrium benannt. Außerdem tragen zahlreiche physikalische Phänomene und Konzepte seinen Namen, allen voran das Bohrsche Atommodell (1913), sowie das Bohrsche Korrespondenzprinzip, der Bohr-Radius, die Bohrschen Bahnen und das Bohrsche Magneton.

Anmerkung: Der Bohr-Effekt bei Hämoglobin ist nach seinem Vater, dem Physiologen Christian Bohr benannt

Anekdoten

  • Im Internet kursieren seit 1999 verschiedene Versionen der Geschichte über eine mündliche Prüfung mit der Barometer-Frage mit Niels Bohr in der Hauptrolle. Dies ist jedoch lediglich eine moderne Sage.[3]
  • 1930 wurde Niels Bohr von Albert Einstein mit dem Gedankenexperiment der Photonenwaage konfrontiert, um die Unvollständigkeit der Quantentheorie nachzuweisen. Niels Bohr konterte nur einen Tag später, indem er den Fehler dieses Gedankenexperiments mit Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie erklären konnte.
  • Niels Bohr war in seiner Jugend begeisterter Fußballer und Torwart der Universitätsmannschaft.
  • Von Niels Bohr stammt auch folgendes Zitat: „Wer über die Quantentheorie nicht entsetzt ist, der hat sie nicht verstanden.“

Werke (Auswahl)

Während seines Lebens publizierte Niels Bohr eine Reihe von wissenschaftlichen Werken. Insgesamt 115 sind bekannt, darunter

  • The Theory of Spectra and Atomic Constitution, University Press, Cambridge, 1922 und 1924
  • Atomic Theory and the Description of Nature, University Press, Cambridge, 1934
  • Neutron capture and nuclear constitution, Nature, 137 (1936) 344
  • The Unity of Knowledge, Doubleday & Co., New York, 1955.
  • Essays 1958-1962 on Atomic Physics and Human Knowledge, herausgegeben von John Wiley and Sons, New York and London 1963
  • Light and Life revisited, ICSU Rev., 5 ( 1963) 194

Einzelnachweise

  1. Bohr, Niels, H.A. Kramers, and J.C. Slater. Philosophical Magazine 47(1924): 785-802
  2. Karen Barad: "Getting Real. Technoscientific Practices and the Materialization of Reality," in: differences. A Journal of Feminist Cultural Studies 10 (2), 1998: 87-128.
  3. Artikel auf snopes.com

Literatur

  • Ruth Moore Niels Bohr, List Verlag 1970
  • Abraham Pais Niels Bohr´s times, Oxford University Press 1991
  • Ulrich Röseberg: Niels Bohr - Leben und Werk eines Atomphysikers. Spektrum Akademischer Verlag 1992, ISBN 3-86025-017-5
  • Bernhard Kupfer: Lexikon der Nobelpreisträger, Patmos Verlag Düsseldorf 2001 (ISBN 3-491-72451-1)
  • Brockhaus Nobelpreise - Chronik herausragender Leistungen, Brockhaus, Mannheim 2004 (ISBN 3-7653-0492-1)
  • Pascual Jordan: Begegnungen - Albert Einstein, Karl Heim, Hermann Oberth, Wolfgang Pauli, Walter Heitler, Max Born, Werner Heisenberg, Max von Laue, Niels Bohr. Stalling, Oldenburg 1971, ISBN 3-7979-1934-4

Weblinks


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