- Norddeutsche Orgeltabulatur
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Unter Tabulatur versteht man in der Musik Griffschriften für jeweils ein spezielles Musikinstrument im Gegensatz zur üblichen, Tonhöhe und -dauer darstellenden Notenschrift.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden Tabulaturen dazu erfunden, mehrere Stimmen polyphoner Vokalmusik für ein Instrument zusammenzuschreiben, zu tabulieren. In der Musik Westeuropas wurden im späten Mittelalter, der Renaissance und im Barock verschiedene Formen von Tabulaturen für Saiteninstrumente wie Laute, Vihuela, Gambe und Harfe sowie für Tasteninstrumente wie Orgel, Cembalo und Virginal verwendet.
Tabulaturen sind instrumentenspezifisch, d. h. jeweils nur auf dem Instrument zu verwenden, für das sie geschrieben sind: eine Orgeltabulatur kann man nicht einfach auf der Laute abspielen (und umgekehrt). Das gilt besonders für Tabulaturen für Lauteninstrumente untereinander, die sich durch ihre verschiedene Saitenzahl und Stimmung voneinander unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
Tasteninstrumente
Tabulaturen für Tasteninstrumente (Orgel, Cembalo, Virginal) verwenden Tonbuchstaben (deutsch), Ziffern (spanisch) oder Notensymbole auf Linien (italienisch). Tabulaturen für Harmonikainstrumente siehe Akkordeonschule. Tabulaturen für Saiteninstrumente verwenden Buchstaben oder Ziffern auf Linien oder freie Buchstaben (siehe Historische Lauten- und Gitarrentabulaturen).
Neue deutsche Orgeltabulatur
Die neue deutsche Orgeltabulatur (oft auch norddeutsche Orgeltabulatur genannt) grenzt sich wesentlich von anderen Tabulatur-Notationssystemen ab, denn es handelt sich hierbei nicht um eine instrumentenspezifische Notationsweise, sondern vielmehr um eine universelle, ungleich platzsparendere Art, Musik graphisch darzustellen. Sie entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus der sogenannten alten deutschen Orgeltabulatur, die ihrerseits eine Kombination aus Linien- (für die obere Stimme) und Buchstabennotation (für die unteren Stimmen) darstellt. Die neue deutsche Orgeltabulatur wurde im 17. Jahrhundert zunehmend für Partiturniederschriften jeglicher Art von instrumentaler und vokaler Musik genutzt. So sind die meisten der geistlichen Vokalkonzerte Dietrich Buxtehudes beispielsweise ausschließlich in Tabulatur überliefert.
Die neue deutsche Orgeltabulatur ist eine Notenschrift, die sich ausschließlich aus Buchstaben und Zeichen zusammensetzt. Jede Stimme besteht aus drei Ebenen:
- der Angabe des Notenwertes
- der Angabe der jeweiligen Oktave
- der Angabe des Notennamens durch einen Buchstaben (Alterationen werden durch leichte Modifikationen des Buchstabens deutlich gemacht)
Die einzelnen Stimmen werden entsprechend der „modernen“ Partiturschrift untereinander angeordnet.
Die Grafik rechts verdeutlicht den Aufbau der neuen deutschen Orgeltabulatur am Beispiel des ersten Taktes des weiter unten angeführten Geistlichen Konzertes „Wachet auf ruft uns die Stimme“ von Franz Tunder. Eine Alteration findet sich gleich zu Beginn des ersten Taktes in Stimme 3. Sie wird durch einen starken Niederstrich, der an den Buchstaben (in diesem Falle ‚f‘) angehängt wird, deutlich gemacht. Durch diese sehr ökonomische Notationsweise werden Notenschlüssel und Tonartvorzeichnungen überflüssig.
Die einzelnen Stimmen werden mitunter, wie auch in diesem Beispiel, aus Gründen der Platzersparnis relativ dicht untereinander geschrieben, sodass sich Buchstaben und Zeichen oft überschneiden. Der große Abstand zwischen 3. und 4. Stimme ist mit der später einsetzenden Gesangsstimme zu begründen.
Die Übertragung einer in neuer deutscher Orgeltabulatur geschriebenen Partitur in „moderne“ Notenschrift sieht folgendermaßen aus (links das Original, rechts die Übertragung), hier durchgeführt an dem Beginn des Geistlichen Konzertes Wachet auf ruft uns die Stimme für Sopran, 3 Violinen und Basso Continuo des Lübecker Organisten und Werkmeisters Franz Tunder (1614–1667):
Spanische Orgeltabulatur
Juan Bermudo erwähnt 1555 zwei numerische Tabulatursysteme für die Notation von Musik für Tasteninstrumente. Gebräuchlich wurde jedoch in Spanien ein anderer Tabulaturtyp, der zum ersten Mal durch Luis Venegas de Henestrosa als cifra nueva überliefert ist.
In dieser Tabulatur bekommt jede Stimme eine Linie. Die Tonhöhen werden als Ziffern notiert, und zwar von f = 1 bis e1 = 7. Als Oktavzeichen dienen entweder Punkte oben hinter der Note (Erhöhung um eine Oktave pro Punkt) oder Striche unten an der Note (Erniedrigung um eine Oktave pro Strich). Vorzeichen werden als b (Erniedrigung) und x bzw. * (Erhöhung) hinter die Note gesetzt.
Der Rhythmus wird über dem Notensystem notiert, indem die Dauer als kleine Note angezeigt wird, nach der die nächste zu spielende Note eintritt. Sich wiederholende Dauern werden nicht erneut notiert. Soll eine Stimme pausieren, wird dies in der Stimme durch einen Schrägstrich angezeigt. Außerdem gibt es ein Zeichen für die Überbindung, das die Form eines Kommas hat.
Taktart und Grundvorzeichen werden vor dem ersten System notiert, dort werden Kreuze jedoch mit dem heutigen Auflösungszeichen dargestellt.
Diese Art der Tabulatur war bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts gebräuchlich. Sie eignet sich besonders für den Druck mit Typen und war daher leichter zu vervielfältigen als die Notenschrift.
Moderne Gitarrentabulatur
Bei der modernen Gitarrentabulatur bildet man mit sechs Linien einfach die Saiten des Griffbretts nach. Die Zahlen geben an, welcher Bund der jeweiligen Saite gegriffen werden muss. 0 steht für einen freien Anschlag. Die Länge des Tons kann mit über den Zahlen stehenden üblichen Notenzeichen angegeben werden. Im Internet findet sich häufig aber eine einfache ASCII-Gitarrentabulatur ohne diese Hinweise.
Beispiel für eine ASCII-Gitarrentabulatur
e|--------------------------------------------------------------------- h|--------------------------------------------------------------------- G|--------------------------------------------------------------------- D|-----------5-----------------------5-----------------------5--------- A|-------7---------------7-------7---------------7-------7------------- E|---0-----------6---5-------0-----------6---5-------0-----------6---5- ...
Obiges ist eine Tabulatur für das Intro des Songs Enter Sandman von Metallica. Im Beispiel wird also zuerst die tiefe E-Saite frei angeschlagen. Dann greift man die A-Saite im siebten Bund und schlägt sie an. Danach die D-Saite im 5. Bund usw.
Beispiel für eine professionelle Gitarrentabulatur
Bei gedruckten Tabulaturen finden sich detailliertere Hinweise auf die Spieltechnik. Hier ist eine Übersicht über die gängigsten Spielweisen:
Historische Lauten- und Gitarrentabulaturen
Seit dem Aufkommen des polyphonen Spiels auf der Laute um 1500 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde Musik für Laute und Lauteninstrumente wie Orpharion, Theorbe, Angelique, Cister, Mandora und Gitarre in Form der Tabulatur notiert. Man kann unterscheiden zwischen Tabulaturtypen, die auf Linien notiert werden, so genannten romanischen Lautentabulaturen (italienische, französische, spanische, neapolitanische), und einem Typus, der ohne Linien auskommt (deutsche Tabulatur).
Ein spezieller Fall ist die im 17. Jahrhundert erfundene Bezeichnung der häufig wiederkehrenden Akkordgriffe in der Gitarrentabulatur. In Italien verwendete man dazu lateinische Großbuchstaben und Symbole, das so genannte Alfabeto, in Spanien auch Abecedario genannt. In Spanien dagegen benutzte man zur Bezeichnung der Akkordgriffe arabische Ziffern und Symbole. Weder die Buchstaben noch die Ziffern oder Symbole stehen dort in inhaltlicher Beziehung zu den Akkorden (z. B. bedeutet A einen bestimmten Griff, aber nicht A-Dur oder a-Moll). Das Alfabeto war bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch (Antoine Bailleux, 1773)
Romanische Lautentabulaturen
Bei den romanischen Lautentabulaturen (ab ca. 1500) werden sechs horizontale Linien verwendet, welche die sechs Spielchöre der Laute über dem Griffbrett darstellen (Chor = Saitenpaar).
Bei der italienischen Lautentabulatur steht die unterste Linie für den höchsten Chor. Für die Bundpositionen werden Zahlzeichen verwendet, wobei 0 den nicht gegriffenen Chor bedeutet, 1 den ersten Bund, 2 den zweiten Bund usw. Für den siebten Chor wird von einigen Autoren eine 0 über dem Liniensystem verwendet, andere Autoren verwenden eine waagrecht durchgestrichene 0 über dem Liniensystem. Für den achten und neunten Chor werden die arabischen Zahlzeichen 8 und 9 benutzt, für den zehnten Chor dagegen das römische Zahlzeichen X (über dem Liniensystem). Für den elften Chor verwenden manche Autoren die 11, andere dagegen ein V, das wohl aus der 11 hervorgegangen sein dürfte. Für den zwölften bis 14. Chor werden meist die Zahlzeichen 12 bis 14 verwendet.
Bei der französischen und spanischen Lautentabulatur dagegen (letztere nur bei Luis de Milán, 1536) stellt die oberste Linie den höchsten Chor dar. Bei der spanischen Lautentabulatur werden wie bei der italienischen Zahlzeichen verwendet. Die französische Lautentabulatur dagegen verwendet Buchstaben, wobei a den nicht gegriffenen Chor bedeutet, b den ersten Bund, c den zweiten Bund usw. Der Buchstabe c wird in der übergroßen Mehrheit der erhaltenen französischen Lautentabulaturen durch r ersetzt. In Frankreich wird in den französischen Lautentabulaturen ab ca. 1630 der Buchstabe e in der Form eines griechischen φ geschrieben. Zur Bezeichnung der nicht gegriffenen Basschöre (Bordunsaiten) wird der Buchstabe a unter dem Liniensystem verwendet. Dabei ist a der siebte Chor, /a der achte, //a der neunte, ///a der zehnte Chor (statt /a, //a, ///a schreiben manche englische Autoren 1, 2, 3). Für den elften bis 14. Chor werden allgemein die Zahlzeichen 4, 5, 6 und 7 verwendet.
Deutsche Lautentabulatur
Die Herkunft der deutschen Lautentabulatur lässt sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Der blinde Organist Conrad Paumann gilt als ihr Erfinder. Sie wurde im deutschen Sprachgebiet bis zum Ende des 16. Jahrhunderts verwendet.
Als die deutsche Lautentabulatur erfunden wurde, hatte die Laute offenbar erst fünf Chöre, die in der Tabulatur mit 1–5 durchnummeriert sind (1 ist der tiefste, 5 der höchste Chor). Jede Schnittstelle eines Chores mit einem Bund wird durch einen Buchstaben des Alphabetes bezeichnet, d. h. der erste Chor im ersten Bund ist der Buchstabe a, der zweite Chor im ersten Bund der Buchstabe b, der dritte Chor im ersten Bund der Buchstabe c, der vierte Chor im ersten Bund der Buchstabe d, der fünfte Chor im ersten Bund der Buchstabe e; der erste Chor im zweiten Bund ist der Buchstabe f, der zweite Chor im zweiten Bund der Buchstabe g usw.
Die Buchstaben j, u, w werden nicht benutzt. Darum werden ersatzweise zwei weitere Zeichen benutzt, nämlich et (ähnlich dem Zahlzeichen 7) für die Position vierter Chor / fünfter Bund sowie con (ähnlich dem Zahlzeichen 9) für den fünften Chor im fünften Bund. Ab dem sechsten Bund aufwärts, werden die Buchstaben des Alphabetes wiederholt, wobei entweder ein Apostroph hinzugefügt wird (a', b', …), Beistriche über den Buchstaben, oder die Buchstaben verdoppelt werden (aa, bb, …).
Um 1500 wurde der europäischen Laute in der Tiefe ein sechster Chor hinzugefügt. Die Symbole für den sechsten Chor und seine Bundpositionen variierten je nach Autor (Hans Judenkönig, Hans Neusidler, Hans Gerle).
Akkordtöne werden senkrecht übereinander geschrieben. Melodische Bewegungen werden ungeachtet der jeweiligen Stimmlage in der obersten Linie notiert.
Rhythmuszeichen werden über den betreffenden Buchstaben notiert. Es gibt den senkrechten Strich (ganze Note), den Strich mit einem Fähnchen oder Haken (halbe Note), Strich mit zwei Fähnchen (Viertelnote), Strich mit drei Fähnchen (Achtelnote), Strich mit vier Fähnchen (Sechzehntel). Striche mit zwei und mehr Haken können zu Gruppen von zwei oder vier verbunden werden („Leiterlein“).
Beispiel:
Französisch Italienisch Deutsch -r- --- k -d- --- o -d- = -0- = n -a- -3- 2 --- -3- --- -2-
Außereuropäisch
Auch in vielen außereuropäischen Musikkulturen sind Tabulaturnotationen verbreitet. In Japan beispielsweise wird Musik für Saiteninstrumente fast ausschließlich in Tabulatur niedergeschrieben, wobei nicht nur jedes Instrument, sondern auch jede Schule ihre eigene Notationsweise besitzt.
Tabulaturprogramme
Ein Tabulaturprogramm ist Software zur Erstellung von Tabulatur am Computer. Am weitesten verbreitet dürften Tabulaturprogramme für Gitarre und E-Bass sein. Bei Tabulaturprogrammen für Laute versuchen die Programmierer, die historischen Vorbilder grafisch nachzuahmen. Die meisten Tabulaturprogramme erlauben neben dem Schreiben von Tabulatur auch das Schreiben von Noten sowie das Anhören von MIDI-Dateen.
- TuxGuitar ist plattformübergreifendes, freies Programm (LGPL), welches unter anderem die Guitar-Pro- und Power-Tab-Dateiformate verarbeiten kann.
- abctab2ps ist ein plattformübergreifendes, freies Programm (GPL), welches eine Erweiterung des abc-Notationsformats zur Notation von Tabulaturen verwendet und Tabulaturen als PostScript ausgibt
- kguitar ist ein freies Programm (GPL) zum Betrieb unter unixoiden Systemen (wie z. B. GNU/Linux), das neben dem Bearbeiten von klassischen Tabulaturen auch deren Konversion von und nach MIDI erlaubt, die Fremdformate Guitar Pro, TablEdit und ASCII-Tabulatur unterstützt sowie Instrumente mit anderen Saitenanzahlen; es enthält einen anschaulichen Gitarrenakkordeditor und -analysierer mit Akkordbibliothek und eingeblendetem bespielbarem Griffbrett.
- Power Tab ist ein Closed-Source-Freeware-Programm zum Betrieb unter Windows
- SongWrite ist ein freies Programm (GPL) zum Betrieb unter unixoiden Systemen (z. B. wie GNU/Linux), welches das Dateiformat von Guitar Pro verarbeiten kann.
- TEFview ist eine Freeware, mit der TablEdit-Tabulaturen gedruckt und angeschaut werden können.
Weblinks
- Tabulatur-Wiki für Gitarre, Bass und Schlagzeug (englisch)
- Wie man Gitarren-Tabulaturen liest
- Viele Gitarren-Tabulaturen aller Stilrichtungen (Folk bis Rock) (englisch)
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