Normativität

Normativität

Normativ (lat. eigentlich Winkelmaß, Richtschnur, Regel) bedeutet allgemein normgebend, also Normen und Regeln aufstellend oder ein Sollen vorschreibend. Der Begriff ist in vielen Bereichen üblich, besonders in der Philosophie, im Rechtswesen und in den Sozialwissenschaften. In der Wissenschaftstheorie werden auch einige Forschungsansätze so bezeichnet (z. B. normativ-ontologische Ansätze).

Inhaltsverzeichnis

Philosophie

Normativ ist in der Philosophie eines der Gegenstücke zu positiv oder deskriptiv (beschreibend) als Beschreibung für Theorien und Begriffe. Deskriptive Aussagen sind Sätze über die Realität und können somit überprüft und gegebenenfalls auch widerlegt werden (Falsifikation). Kausal erklärende Sätze machen Aussagen darüber, welche Ursachen man für diese beschriebene Realität annimmt. Normative Sätze geben vor, wie etwas sein soll, also wie etwas zu bewerten ist, ob es gut oder böse ist oder welche Handlungen moralisch geboten sind.

Erst im 18. Jahrhundert wies David Hume darauf hin, dass es diesen logischen Unterschied zwischen wertenden und beschreibenden Sätzen gibt (Humes Gesetz). Verschiedene philosophische Schulen beschäftigen sich mit der Frage nach der Rationalität und objektiven Begründbarkeit normativer Sätze. Während Ansätze wie die von Platon, Aristoteles über Kant bis Habermas von dieser Möglichkeit ausgehen, bestreiten dies neben anderen die empirisch-analytisch arbeitenden Schulen (z. B. logischer Empirismus).

Unterschieden werden muss, besonders wenn der Begriff "normativ" im Zusammenhang mit Theorien gebraucht wird, zwischen normativen Theorien und teleologischen Theorien. Im Gegensatz zu teleologischen Theorien versuchen normative Wissenschaften nicht das tatsächliche Vorgegebensein einer Norm oder eines Zieles an sich zu begründen. Normative Theorien setzten also eine Norm hypothetisch als gegeben voraus, ohne selbst zu begründen warum man dieser Norm folgen soll. Allerdings beschreiben normative Theorien z. B. welche Bedingungen gegeben sein müssen, oder welche Handlungen vollbracht werden müssen, um eine bestimmte Norm erfüllen zu können. Insofern sind normative Theorien selbst deskriptiv. Der Philosoph und Soziologe Georg Simmel drückt diesen Sachverhalt so aus:

"Was man normative Wissenschaft nennt, ist tatsächlich nur Wissenschaft vom Normativen. Sie selbst normiert nichts, sondern sie erklärt nur Normen und ihre Zusammenhänge, denn Wissenschaft fragt stets nur kausal, nicht teleologisch, und Normen und Zwecke können wohl so gut wie alles andere den Gegenstand ihrer Untersuchung, aber nicht ihr eigenes Wesen bilden."[1]

Rechtswesen

Eine so genannte Rechtsnorm bezeichnet jede Maßnahme eines Trägers öffentlicher Gewalt, die einen abstrakten Sachverhalt generell, also für eine Vielzahl von Adressaten außerhalb des Trägers selbst (Außenwirkung), regelt. Zu unterscheiden sind hier von der Exekutive (Regierung, Verwaltung) erlassene Rechtsverordnungen und von der Legislative (Parlament) beschlossene Gesetze.

Im Gegensatz zu den sittlichen Sollnormen der Philosophie sind Rechtsnormen rechtsverbindliche Mussnormen, die bei Zuwiderhandlung Sanktionen nach sich ziehen.

Sozialwissenschaften

In den Sozialwissenschaften beschreibt normativ den Teil unserer gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen, der die menschlichen sozialen Aktivitäten reguliert. Trotz vorhandener Regelverstöße (z. B. Verbrechen bei Rechtsnormen) führen diese gesellschaftlichen Normen zu einer homogenen, relativ stabilen Gesellschaftsordnung.

In der Soziologie bezeichnet man mit normativem Verhalten soziale Handlungen, die beabsichtigen, etwas gesellschaftlich akzeptabel zu machen, es quasi zu normalisieren.

Siehe auch

Quellen

  1. Georg Simmel, Einleitung in die Moralwissenschaft. Eine Kritik der ethischen Grundbegriffe. I, 321 [1]

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