- Notnamen
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Notnamen sind Behelfsnamen, die vor allem in der Kunstgeschichte der Antike und des Mittelalters benutzt werden, um Künstler zu bezeichnen, deren Namen unbekannt sind.
Die meisten Notnamen bezeichnen den Künstler oder Kunsthandwerker (Meister) nach einem herausragenden Werk, einem auffälligen Gestaltungsdetail seiner Arbeiten oder dem Ort seiner Tätigkeit. Bekannte Beispiele sind der Meister der Spielkarten, der Hausbuchmeister oder der Kölner Meister des Marienlebens.
In einigen Fällen kann man durch spätere Untersuchungen dem Notnamen eine namentlich bekannte Person zuweisen, wie es bei einem als Kopenhagen-Maler bekannten antiken Vasenmaler geschah, den man mit dem namentlich bekannten Töpfer Pistoxenos identifizieren konnte.
Der mittelalterliche Bildhauer mit dem Notnamen Meister des Einzugs Christi aus Münster wurde als Heinrich Brabender identifiziert. Der Meister des Johannisaltars in Osnabrück, ein Stein- und Holzbildhauer der Spätgotik aus Münster, wurde erst 1987 als Evert van Roden ermittelt.
Die methodische Problematik der Notnamen mit Mittelalterbezug
Oftmals wurden zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten Notnamen geschaffen, die nach heutiger Kenntnis ein und dieselbe Person bezeichnen. Dies ist zum Beispiel beim Meister der Josephslegende und dem Meister von Afflighem der Fall, die heute zumeist als Meister von 1518 zusammengefasst werden. Für letzteren fanden sich nachfolgend Quellen, die eine Identifizierung mit dem Antwerpener Maler Jan van Dornicke plausibel erscheinen lassen. Es ist ersichtlich, dass die alten Notnamen heute folglich hinfällig wären. Um eine Anbindung neuerer Forschungen an die ältere Literatur zu gewährleisten, ist es allerdings nicht immer möglich sie vollkommen zu vernachlässigen oder inhaltlich zu verändern.
Die kunsthistorische Sprache benutzt seit ca. 150 Jahren in den allermeisten Fällen den Begriff Meister zur Bildung eines Notnamens. Dieser Begriff wird dabei sehr ambivalent eingesetzt. In manchen Fällen scheint er schlicht Synonym für Maler, Bildschnitzer oder Graveur etc. zu sein, in anderen wiederum existiert eine deutlich qualitativ gewertete Beurteilung dieser Person und ihrer Arbeit, sobald weitere Werke darum gruppiert werden. Folglich entsteht oft eine wertende Hierarchie, die die untergeordneten Begriffe Werkstatt, Schüler, Umkreis oder Nachfolger hervorbringt. In den allermeisten Fällen ist eine Identifizierung des Meisters als eine werkstattleitende oder besonders innovative Persönlichkeit aber gar nicht nachzuweisen. Es sind gegenteilig Fälle bekannt, in denen Werkstattleiter nicht mehr Hersteller, sondern nur noch Geschäftsführer oder Garant der Qualität der Herstellung waren, wobei das Werk ganz in Händen der Mitarbeiter lag. Die qualitative Wertung ist oftmals schwierig zu rechtfertigen, aber auch nicht ganz ohne Grund, und muss weiterhin diskutiert werden. Die Notnamen müssen in dieser Hinsicht am Einzelfall geprüft werden.
Hinzuweisen ist zudem auf die Unterschiedlichkeit des geschilderten Meister-Begriffs im Verständnis der verschiedenen europäischen kunsthistorischen Forschungstraditionen. Auch ergeben verschiedene Schreibweisen für ein und denselben Notnamen (national und international) teils grammatikalisch andere Aussagen zur Bewertung des Künstlers. So z.B. der Bedford-Meister, Meister des Herzogs von Bedford oder Meister von Bedford. Erster Notname verweist (richtig) auf das namengebende Werk (Bedford-Stundenbuch) oder auch den Aufbewahrungsort. Zweiter Notname spricht mehr über einen Mäzen oder Auftraggeber, den Herzog von Bedford. Dritter Notname verleitet (fälschlich) zur Vermutung, dass der Künstler in Bedford ansässig gewesen sein könnte (vermutlich aber arbeitete er in Paris).
Ebenso ist es wahrscheinlich, dass sich bestehende Notnamen zukünftig auch "aufspalten" lassen müssen. Es wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit erweisen, dass Werke z.B. unter Beteiligung verschiedener Maler nicht dauerhaft nur unter einem alten Notnamen firmieren können. Diese Sicht wird stark durch die Anerkennung der qualitativen Komponente (s.o.) beeinflusst. Gesetzt den Fall, dass nicht bearbeitete Werke gefunden werden, könnte es sein, dass ein vormalig als Geselle angesehener Maler im qualitativen Urteil eher in den Status eines kooperierenden Meisters gesetzt wird. Damit wäre es berechtigt, ihm auch einen neuen Notnamen zuzuweisen, wenn er sich individualstilistisch beschreiben lässt. Die Nützlichkeit neuer Notnamen kann allerdings als sehr fragwürdig angesehen werden.
Notnamen sind unumgehbares Instrument, aber ebenso auch Hindernis und Ballast der kunsthistorischen Arbeitsweise.
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