- Oeschbergschnitt
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Der Oeschbergschnitt ist eine Methode zur Erziehung großkroniger Obstbäume (Hochstämme, Halbstämme), die bereits Ende der 1920er Jahre von Hans Spreng an der Kantonalen Obst- und Gartenbauschule Oeschberg (heute zu Koppigen, Kanton Bern, Schweiz) entwickelt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Sprengs Vater lernte die Grundlagen des Obstschnitts zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Nicolas Gaucher in Stuttgart kennen und trug zur Verbreitung dessen Schnitttechnik in der Schweiz bei. Doch bald wurden Mängel in Gauchers Methodik offensichtlich: Durch die Erziehung von bis zu einem Dutzend gleichberechtigter, in mehreren Etagen angeordneter Gerüstäste war es kaum möglich, einheitliche und stabile Kronen aufzubauen. Die Vielzahl der Äste verhinderte, dass sich der einzelne Ast ausreichend kräftigen konnte. Durch die Last der Erträge sinken die Äste in solchen Kronen bald ab, was zu schwer kontrollierbaren Überbauungen in den oberen Kronenpartien führt und den ursprünglichen Kronenaufbau gefährdet. Eine Verschattung der unteren Kronenbereiche ist die unweigerliche Folge. Es entstehen meist schirmartige Kronen, die für die rationelle Obstproduktion völlig ungeeignet sind: Die produktive Zone verlagert sich stetig nach oben, unter dem Schirm wächst ein hoher Prozentsatz an Schattenfrüchten. Durch Lichtmangel verkahlen die bodennahen Bereiche oder sterben gar ab. Bei hohen Obsterträgen müssen künstliche Stützvorrichtungen die Last aufnehmen, um Schäden an den Bäumen zu vermeiden.
Entwicklung des Oeschbergschnitts
Spreng gelingt es durch die fortwährende Erziehung 3-4 relativ steiler, selbsttragender Leitäste und eines Mitteltriebes ein stabiles Kronengerüst zu entwickeln, das es ermöglicht, die Obstbäume bis ins hohe Alter in einem Zustand zu halten, der einer gut gebauten, jugendlichen Naturkrone nahe kommt. Durch einen jährlichen Rückschnitt der Leitäste und der Kronenmitte werden diese gestärkt, ein Abkippen wird erfolgreich verhindert. Der einmal angelegte Kronenaufbau wird in seiner Form grundsätzlich bis zum Ende des Baumlebens beibehalten, nur die Ausmaße ändern sich logischerweise.
Die Erziehung weiterer Leitastebenen an der Mitte wird von Spreng aufgegeben, da diese die untersten bedrängen und durch gegenseitige Beschattung unterdrücken. Stattdessen wird der Mitteltrieb wie eine sich nach oben verjüngende Spindel aufgebaut, an der sich nur untergeordnete Fruchtäste und Fruchtholz befinden. Der Entwicklung des Fruchtholzes in der Kronenperipherie schenkt die Oeschbergtechnik besondere Aufmerksamkeit. So werden zusätzlich an den Leitästen nach außen weitere selbsttragende Gerüstelemente, sogenannte Fruchtäste, aufgebaut und durch Anschnitt gefördert. An den Leit- und Fruchtästen befindet sich das produktive Fruchtholz, welches durch die "Fruchtbogenverjüngung" einen regelmäßigen Austausch erfährt.
Spreng unterscheidet somit systematisch das dauerhafte, unumstößliche Kronengerüst des Baumes vom Fruchtholz, das durch den Schnitt in einem jungen und produktiven Zustand gehalten wird.
Die bei starkwüchsigen Obstbäumen in besonderem Maße vorhandenen Energiereserven werden beim Oeschbergschnitt geschickt in die Entwicklung breiter Obstkronen investiert. Eine Oeschbergkrone ermöglicht eine relativ bodennahe Ernte, das Eindringen des Sonnenlichts bis in die untersten Kronenpartien ist gewährleistet. Der Baum ist in allen Kronenbereichen gleichmäßig produktiv, der Prozentsatz an optimal ausgereiften Früchten ist hoch.
Veröffentlichungen
1938 erscheint mit der Broschüre "Neuzeitliche Kronenpflege der Obstbäume" von Hans Spreng erstmals eine umfassende Beschreibung des Oeschbergschnitts in der Schweiz, 1942 wird ein Artikel von Spreng in "Möllers Deutsche(r) Gärtnerzeitung" veröffentlicht. Der ehemalige Bayerische Landesinspektor für Obst- und Gartenbau, Rudolf Trenkle, beurteilt bereits 1949 in seinem "Obstbau-Lehrbuch" diese Schnitt-Technik sehr positiv: „Wenn der Oeschbergschnitt schon beim Aufbau der jungen Krone Anwendung findet, so erreicht man mit diesem Verfahren zweifellos eine für die Qualitätserzeugung sehr geeignete Baumkrone und braucht selbst bei starkem Fruchtbehang keine oder nur wenig Baumstützen. Letzterer Vorteil ist nicht zu unterschätzen.“
Rudolf Metzner widmet dem Oeschbergschnitt 1966 in dem Standardwerk "Das Schneiden der Obstbäume und Beerensträucher" noch ein eigenes Kapitel, allerdings basiert auch das vorhergehende Kapitel zur Erziehung einer "naturgemäßen Krone in breitpyramidaler Form" weitestgehend auf der Methode aus der Schweiz, was durch mehrere Fotos "mustergültiger" Bäume von Hans Spreng unterstrichen wird. In der 14. Auflage vorgenannten Werkes aus dem Jahre 1979 "wird nicht mehr unterschieden zwischen dem "Oeschbergschnitt" und einem weiteren zweckmäßigen pyramidalen Kronenaufbau." Die Abbildungen der Musterbäume stammen erneut von Hans Spreng.
Obwohl sich viele auf dem derzeitigen Markt befindlichen Obstschnittbücher stark an der Schweizer Methode orientieren und wie Metzner deren Kronenaufbau übernehmen, wird der Begriff Oeschbergschnitt oft vermieden. Statt dessen wird meist der schwammige Begriff "Pyramidenkrone" verwendet. Unter Pyramidenkronen verstand man aber ursprünglich die im 18. und 19. Jahrhundert beliebten Formobstbäume mit kurzem Fruchtholz. Später wurde der Begriff auf alle rundformierten Obstbäume mit Mitteltrieb übertragen, im Gegensatz zur "Hohlkrone", die ohne letzteren aufgebaut ist. Im übrigen ist eine Pyramide ein geometrischer Körper mit eckiger Grundfläche. "Stumpfer Kegel" würde wohl besser zur Form einer Obstkrone passen.
Verbreitung
Es herrscht gelegentlich die Meinung vor, der Oeschbergschnitt stehe entgegen den "amtlichen" Lehrmeinungen im Obstbau. Mitunter umgibt den Oeschbergschnitt in Deutschland die Aura des Revolutionären. Dies könnte mit der Person des "Remstal-Rebellen" Helmut Palmer zusammenhängen, der nach 1950 diese Technik, die er selbst in der Schweiz erlernen konnte, in Baden-Württemberg perfektioniert und auch unablässig propagiert hat. Aufgrund seiner nicht immer diplomatischen Art hat er viele Fachleute und vor allem solche, die sich dafür hielten, vor den Kopf gestoßen, was für die Verbreitung der Oeschbergtechnik möglicherweise nicht nur förderlich war.
Hierzu muss betont werden, dass auch in Deutschland die Entwicklung der Schnitt-Technik früh ähnliche Wege ging wie in der Schweiz. Dies kann man anhand der Obstbauliteratur aus den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts erkennen. So sehen abgebildete Jungbäume im Standardwerk "Obstbau", F. Hilkenbäumer, 1944, den Schweizer Oeschberg-Bäumen relativ ähnlich. Das Verharren auf der Notwendigkeit weiterer Leitast-Etagen hat jedoch die Entwicklung leistungsfähiger älterer Kronen stark behindert. Außer bei Helmut Palmer (diverse Veröffentlichungen ab 1952) finden sich daher auch kaum überzeugende, großkronige Obstbäume in der deutschen Obst-Fachliteratur dieser Zeit.
Auch in neuester Fachliteratur wird meist bei der Darstellung ausgewachsener Obstbäume (mangels realer Musterbäume?) auf Zeichnungen zurückgegriffen (z.B. in "Lucas'Anleitung zum Obstbau", (2002) oder Heiner Schmid: "Obstbaumschnitt" (1979-2007).
Das Verdienst Sprengs war es, die Entwicklung des naturgemäßen Obstbaumschnitts entscheidend fortzuentwickeln. Erst die inhaltliche Trennung zwischen Kronengerüst und Fruchtholz ermöglichte die Entwicklung einer klaren Systematik, welche notwendig ist, eine naturgemäße und dennoch rationelle Kronengestaltung zu reproduzieren.
Im Erwerbsobstbau verliert der Anbau großkroniger Obstbäume seit einigen Jahrzehnten stark an Bedeutung. Die Erzeugung von hochwertigem Tafelobst unter intensivem Pflanzenschutz erfordert kleinkronige Erziehungsformen wie den Spindelbusch auf schwachwüchsigen Wurzelunterlagen.
Literatur
- Gudrun Mangold: Obstbäume schneiden verblüffend einfach mit Helmut Palmer. Kosmos, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-10465-6.
Weblinks
- Obstbaumschnitt nach der Oeschberg-Methode, Uni Kassel
- Baumpflege zum Erhalt von Streuobstwiesen von Markus Zehnder und Florian Wagner
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