Oflag IVc

Oflag IVc
Schloss Colditz, 2005
Wappen über dem Hofeingang

Schloss Colditz ist ein Schloss im deutschen Bundesland Sachsen. Es erlangte internationale Bekanntheit durch die Nutzung als Kriegsgefangenenlager für prominente Alliierte im Zweiten Weltkrieg. Das Schloss erhebt sich eindrucksvoll über die gleichnamige Stadt Colditz. Es wurde im Jahre 1046 erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem 18. Jahrhundert wurde es vernachlässigt und ab 1800 zunächst als Armenhaus, später als Versorgungsanstalt für unheilbare Geisteskranke genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprüngliches Schloss

Am imposanten Bau des Schlosses Colditz geben unterschiedliche Bauformen Zeugnis von wechselvoller Geschichte und Nutzung. Nach der ersten Erwähnung des Burgwards 1046 in der Schenkungsurkunde der Burgwarde Colditz, Rochlitz und Leisnig durch Kaiser Heinrich III. an seine Gemahlin Agnes von Poitou, beschenkte wiederum der darauf folgende Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1084 seinen Dienstmann Wiprecht von Groitzsch mit dem Burgward. In den folgenden reichlich 300 Jahren vollzog sich ein Wechselspiel der Eigentümer, bis das Schloss 1404 in den Besitz der Wettiner überging und dem markmeißnischen Territorium zugeschlagen wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde erstmals ein Amt auf dem Vorderen Schlosshof eingerichtet und diese Konstellation – Herrschaft im hinteren Schloss, Verwaltung in Vorderschloss – blieb bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bestehen.

Umbau ab 1506

Nach dem vom Bäcker Clemens Bock verursachten Stadtbrand von 1504, der weite Teile der Stadt, das Rathaus, die Kirche und das Schloss verwüstete, begann 1506 der Wiederaufbau der Gebäude um den hinteren Schlosshof. Spätestens ab 1523 wurde ein Teil des schlossnahen Waldes abgetrennt und als Tiergarten genutzt. Das heißt, der Kurfürst ließ hier Damhirsche und Rotwild einstellen und bejagte es, wenn er in Colditz weilte. Wahrscheinlich war der Colditzer Tiergarten der früheste seiner Art in Deutschland. Zeitgleich begann der Wiederaufbau der fürstlichen Gebäude. Kellerhaus, Fürsten- und Saalhaus wurden vergrößert und umgebaut.

In den Formen der Spätgotik und der Renaissance entstand ein repräsentatives Schloss, das zum Ende des 16. Jahrhunderts durch Kurfürst August von Sachsen noch einmal prächtig hergerichtet wurde. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erlebte Schloss Colditz seine Blütezeit, als Kurfürstin Sophie, die Witwe von Kurfürst Christian I. ihre Residenz hierher verlegte. Wiederum ca. 150 Jahre später war König August II., genannt „der Starke“, der letzte sächsische Herrscher, der Schloss Colditz mit seinen Jagdgesellschaften beehrte. Danach wurden die Anlage und ihr Zustand als nicht mehr zeitgemäß empfunden – die Zeit zentraler, absolutistischer Schlossanlagen brach an – und das gesamte Inventar wurde in Vorbereitung einer neuen Nutzung 1787 verkauft.

Armenhaus 1803–1829

Zwischen 1803 und 1829 wurde das Schloss Straf- und Versorgungsanstalt für den Kreis Leipzig und barg – der Zeit entsprechend – eine traurige Mischung von Obdachlosen und Verbrechern, Armen und Behinderten in seinen Mauern.

Pflegeheim für Geisteskranke

1829 wurden die Verbrecher nach Zwickau verlegt und das Schloss wurde zur Landesversorgungsanstalt für unheilbar Geisteskranke mit bis zu 400 Patienten. Deren bekanntester Pflegling war zwischen 1871 und seinem Tode 1899 – im Alter von 51 Jahren – Ludwig Schumann, ein Sohn Robert Schumanns. 1924 wurde die Anstalt für Geisteskranke zwar geschlossen, jedoch änderte sich eigentlich nicht viel – für das Schloss begann eine Zeit wechselnder Lager- und Anstaltsnutzung: Landeskorrektionsanstalt, Schutzhaftlager, Reichsarbeitslager, Psychiatrie, Sammelstelle für enteignete Großgrundbesitzer, Krankenhaus und Pflegeheim zogen abwechselnd aus und ein.

Nationalsozialismus

Schloss Colditz, April 1945

In der Zeit des Nationalsozialismus war es ab 1933 für ca. ein Jahr „Schutzhaftlager“ – hier waren rund 600 Systemgegner inhaftiert.

Kriegsgefangenenlager

Ab 1939 diente es im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangenenlager (Oflag IV C) für ranghohe Offiziere wie Winston Churchills Neffen Giles Romilly und George Lascelles, einen Neffen von König Georg VI. Es galt als ausbruchsicher. Über 300 Ausbruchversuche soll es gegeben haben. Etwa 30 Offizieren gelang die Flucht meistens über die Grenze zur Schweiz, darunter dem Briten Pat Reid und dem französischen General Alain Le Ray. Reid verarbeitete seine Erlebnisse später in dem Buch The Colditz Story und trug so zur internationalen Bekanntheit des Schlosses bei. Die Wehrmacht versuchte systematisch aus den Ausbruchversuchen für deren künftige Vereitelung zu lernen, indem alles genau untersucht und großenteils fotografisch dokumentiert wurde.

Am 15. April 1945 befreiten amerikanische Soldaten die Gefangenen von Schloss Colditz.

Nach 1945

In der DDR-Zeit war im Schloss Colditz ein Krankenhaus untergebracht, das 1996 ausgelagert wurde. Inzwischen gehört das Schloss zu den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen und beherbergt unter anderem die städtische Ausstellung über die Fluchtversuche alliierter Offiziere. Erst seit 1996 ist das Schloss für Touristen teilweise begehbar und wird in den kommenden Jahren zumindest in seinen älteren Teilen zum Museum hergerichtet. Im April 2007 eröffnete im Schloss eine Jugendherberge.

Kriegsgefangenenlager (Oflag IV C)

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss in ein Hochsicherheitskriegsgefangenenlager für Offiziere, bei denen Sicherheitsrisiken oder Ausbruchsgefahr bestanden, umgewandelt. Da das Schloss auf einem hohen Fels über dem Fluss Mulde lag, glaubten die Deutschen, es sei ein idealer Ort für solch ein Hochsicherheitsgefängnis. Im äußeren Hof befand sich die deutsche Kommandantur. Die Gefangenen lebten im hinteren Hof in den ehemaligen fürstlichen Wohngebäuden. Draußen wurden die flachen Terrassen, die die Gefangenengebäude umgaben, ständig von bewaffneten Wachen überwacht und mit Stacheldraht gesichert. Obwohl bei den Einheimischen nur Schloss Colditz genannt, war seine amtliche deutsche Kennzeichnung der verantwortlichen Wehrmacht Oflag IV C. Dokumente der Gefangenen belegen, dass dies für sie unklar war; einige glaubten es handele sich um Stalag 4. Es war das einzige deutsche Kriegsgefangenenlager mit mehr Wachen als Gefangenen.

1940

Die ersten Gefangenen kamen im Oktober 1940 an. Es waren 140 polnische Offiziere, die als fluchtgefährlich galten. Die Wehrmacht behandelte sie mit Hohn, da in ihren Augen Polen nicht mehr existierte. Zwei Wochen später kamen Donald Middleton, Keith Milne und Howard D. Wardle (ein Kanadier, der der RAF kurz vor dem Krieg beitrat) als erste britische Gefangene nach Colditz. Am 7. November 1940 kamen sechs britische RAF-Offiziere: die „Laufen-Sechs“, nach dem Lager ihres ersten Ausbruchversuches genannt. Sie wurden bald von einer weiteren Handvoll britischer Offizieren und später von belgischen Offizieren verstärkt. Weihnachten 1940 waren 60 polnische Offiziere, 12 Belgier, 50 Franzosen und 30 Briten inhaftiert – weniger als 200 Gefangene mit ihren Ordonanzen.

1941

Am 24. Juli 1941 kamen 68 holländische Offiziere, Mitglieder der Niederländischen Ostindienarmee an, die abgelehnt hatten, eine Erklärung zu unterzeichnen, dass sie an keinem Krieg gegen Deutschland teilnehmen würden. Danach wurde eine Anzahl ihrer Uniformen für Fluchten genutzt, da sie den deutschen ähnelten, die beschlagnahmte holländische Stoffe für einen Teil ihrer Uniformen nutzten.

Im Februar 1941 kamen 200 französische Offiziere an. Ein Teil der Franzosen verlangte, dass französische jüdische Offiziere von ihnen getrennt wurden. Der Lagerkommandant stimmte zu; sie wurden auf die Dachböden verschoben. Ende Juli 1941 gab es mehr als 500 Offiziere: über 250 Franzosen, 150 Polen, 50 britische und aus dem Commonwealth, zwei jugoslawische sowie die 68 holländischen Offiziere.

1943

Im Mai 1943 entschied das Oberkommando der Wehrmacht, dass Colditz nur Amerikaner und Briten beherbergen sollte. Im Juni wurden die Holländer verlegt, bis zum 12. Juli 1943 gefolgt von den Polen, Belgiern und Franzosen. Ende Juli gab es einige einzelne französische Offiziere, 228 britische sowie einige Kanadier, Australier, Neuseeländer, Südafrikaner, Iren und einen Inder.

1944

Am 23. August 1944 wurden die ersten Amerikaner in Colditz interniert: den mit 49 Jahren ältesten amerikanischen Fallschirmjäger des Krieges Colonel Florimund Duke sowie Captain Guy Nunn und Alfreds Suarez. Sie waren als Geheimdienstmitarbeiter mit dem Fallschirm in Ungarn abgesprungen und sollten eine Zusammenarbeit Ungarns mit Deutschland verhindern. Im frühen Winter 1944 befanden sich 254 Insassen im Lager.

1945

Am 19. Januar 1945 wurden die französischen Generäle Lieutenant-General Jean Adolphe Louis Robert Flavigny, Major-General Louis Léon Marie André Buisson, Major-General Arsène Marie Paul Vauthier, Brigadier-General Albert Joseph Daine und Brigadier-General René Jacques Mortemart de Boisse aus der Festung Königstein ins Schloss Colditz gebracht. Die Verlegung dieser Generale vom Königstein nach Colditz sollte die Ermordung des Generalmajors Gustave Marie Maurice Mesny, als angeblich „auf der Flucht erschossen“, decken.

Am 5. Februar kam der polnische General Tadeusz Bór-Komorowski, Kommandant der Armia Krajowa (Heimatarmee) und Anführer des Warschauer Aufstandes, mit seiner Begleitung an. Im März 1945 wurden 1200 französische Gefangene auf Schloss Colditz gebracht, 600 weitere wurden in der Stadt Colditz interniert.

Ausbruchversuche

Anfang des Fluchttunnels im ehemaligen Weinkeller des Schlosses

Die Gefangenen unternahmen eine Reihe von Ausbruchversuchen, über die nach dem Krieg eine Reihe von Büchern veröffentlicht wurden. Der mühsamste Versuch war ein über neun Monate lang gegrabener Tunnel vom Glockenturm (Kellerhaus-Wendelstein) zum östlichen Zwingerbereich. Dessen innerer Eingang wurde wochenlang von der Wehrmacht gesucht, nachdem Grabungsgeräusche gehört worden waren. Nur drei Wochen vor der Fertigstellung des Tunnels wurde der Eingang doch noch entdeckt.

1945 planten die Insassen eine Flucht in einem Segelflugzeug, dem Colditz Glider. Es wurde in einem Geheimversteck, getarnt durch eine falsche Wand auf dem Dachboden, gebaut und sollte vom Dach der Schlosskapelle starten.

Filmographie

Weblinks

51.13078446308512.8074836730967Koordinaten: 51° 7′ 51″ N, 12° 48′ 27″ O


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