Ollenhauer

Ollenhauer
Erich Ollenhauer bei der 1. Lesung der Pariser Verträge, Bonn 1954

Erich Ollenhauer (* 27. März 1901 in Magdeburg; † 14. Dezember 1963 in Bonn) war von 1952 bis 1963 SPD-Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung

Ollenhauer war das älteste von vier Kindern, sein Vater Wilhelm war Maurer und wurde 1901 Mitglied der SPD. Nach dem Abschluss der Volksschule 1915 wollte Erich Ollenhauer Lehrer werden, musste aber aus finanziellen Gründen eine kaufmännische Lehre in einer Druckerei absolvieren. Es folgten zwei kurzzeitige Anstellungen. Schließlich wurde er Volontär bei der sozialdemokratischen Tageszeitung Volksstimme in Magdeburg.

Weimarer Republik

1918 trat Ollenhauer der SPD bei. Ab dem 1. Dezember 1920 war er zweiter Sekretär beim Hauptvorstand des Verbandes der Arbeiterjugendvereine Deutschlands" (VAJV), der Jugendorganisation der SPD, und wurde Redakteur ihrer zweiwöchentlich erscheinenden Zeitschrift Arbeiterjugend. 1921 wurde er zusätzlich Sekretär der International of the Working Youth.

Durch den Zusammenschluss der SPD mit dem größten Teil der verbliebenen USPD kam es auch zur Vereinigung ihrer Jugendorganisationen, des VAJV mit der Sozialistischen Proletarierjugend (SPJ) der USPD, am 29. Oktober 1922 zur Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ). Ollenhauer wurde Sekretär der SAJ unter dem Vorsitzenden Max Westphal. Ollenhauer beerbte Westphal 1928 in diesem Amt; er führte die SAJ als SPD-loyale Jugendorganisation.

Zeit des Nationalsozialismus

Am 26. April 1933, kurz nachdem die Nationalsozialisten um Adolf Hitler die Macht in der Weimarer Republik übernommen hatten, wurde Ollenhauer in den Parteivorstand gewählt. Bereits nach dem Reichstagsbrand und den Wahlen zum Reichstag hatten die Nationalsozialisten mit der systematischen Unterdrückung politischen Widerstandes begonnen. Am 2. Mai wurden Gewerkschaftshäuser besetzt und der Parteivorstand beschloss, dass sich einige besonders gefährdete Vorstandsmitglieder dem möglichen Zugriff der Nationalsozialisten sofort entziehen müssten. Zu ihnen gehörte auch Ollenhauer. Sie wurden beauftragt, im Ausland einen Exil-Parteivorstand zu gründen.

Am 6. Mai emigrierte Ollenhauer, wie viele andere Parteifunktionäre, mit dem damaligen Parteivorsitzenden Otto Wels und Hans Vogel nach Prag. Dort bildeten sie mit Paul Hertz, Friedrich Stampfer und weiteren die SoPaDe. Die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihm 1935 entzogen, er erhielt einen tschechoslowakischen Hilfspass. Ein Jahr vor dem Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei zog die SoPaDe nach Paris um. Ollenhauer verließ Prag mitsamt seiner Familie und zog über Polen und Dänemark nach Frankreich.

Als der Einmarsch der Deutschen in Nordostfrankreich kurz bevorstand, wurde er als Deutscher in einem Pariser Stadion inhaftiert und erst aufgrund des Einwirkens von Léon Blum wieder freigelassen. Nach seiner Freilassung ging Ollenhauer für kurze Zeit in den unbesetzten Teil Frankreichs, dem Vichy-Frankreich, bis er mit seiner Familie im September 1940 – nun mit US-amerikanischen Hilfspässen ausgestattet, denn die Tschechoslowakei existierte nicht mehr – zusammen mit Hans Vogel und dessen Familie über Spanien nach Lissabon flüchtete. Ein Jahr später gelangten die Ollenhauers nach London, wo sich die SoPaDe für die letzten Kriegsjahre eingerichtet hatte; Erich Ollenhauer wurde dort engster Mitarbeiter des SoPaDe-Vorsitzenden Hans Vogel. Durch die Unterstützung der britischen Labour Party war es Ollenhauer möglich, den Zerfall der Organisationsstrukturen der Emigranten zu stoppen, den Wiederaufbau der SPD vorzubereiten sowie den Kontakt zu britischen Politikern aufrechtzuerhalten. 1945 erhielt Ollenhauer als einziger Vertreter der SoPaDe eine Genehmigung der Briten zur Teilnahme an der SPD-Konferenz in Hannover.

Nachkriegszeit

Erich Ollenhauer auf einer Briefmarke

Ollenhauer kehrte im Februar 1946 nach Deutschland zurück. Er wurde Sekretär im SPD-Gründungsbüro von Kurt Schumacher in Hannover. Auf dem ersten SPD-Parteitag nach Kriegsende im selben Jahr wurde er zum Stellvertreter Schumachers gewählt. Als Organisator der Parteizentrale führte Ollenhauer in Schumachers häufigen und teils mehrmonatigen kranksheitsbedingten Abwesenheiten die Parteigeschäfte. Da Schumacher seine Kräfte einteilen musste, aber auch weil Ollenhauer die nötigen Erfahrungen und Kontakte mitbrachte, übernahm dieser sämtliche internationalen Kontakte – also sowohl zu anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa, als auch zu ausländischen Regierungen, insbesondere den Siegermächten.

Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 wurde Ollenhauer in den Deutschen Bundestag und von der SPD-Bundestagsfraktion zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

1951 wurde er Mitglied der „Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS), beendete diese Mitarbeit im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 1953. Nach Schumachers frühem Tod im August 1952 übernahm der als „perfekte Nummer 2“ gesehene Ollenhauer am 27. September 1952 die Ämter Schumachers als Parteivorsitzender, Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer.

Zur Bundestagswahl 1953 trat Ollenhauer erstmals als SPD-Kanzlerkandidat an, konnte sich jedoch mit nur 28,8 Prozent der Stimmen und einem Stimmenverlust in Höhe von 0,4 Prozentpunkten nicht gegen Bundeskanzler Adenauer durchsetzen, unter dessen Führung die CDU/CSU sich von 31,0 % auf 45,2 % der Stimmen verbesserte.

Obwohl sie an vielen wichtigen Gesetzen der CDU-geführten Regierung Adenauers, wie Kriegsopferversorgung, Rentenreform und Montan-Mitbestimmung, beteiligt war, wurde in der Öffentlichkeit hauptsächlich Ollenhauers Fortsetzung von Schumachers Außenpolitik wahrgenommen: Nein zur Westintegration, Ja zur Wiedervereinigung Deutschlands. Vor allem rückte jedoch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung von Ludwig Erhard, das sogenannte Wirtschaftswunder, in das öffentliche Interesse, welcher Ollenhauer und die SPD auf Grund des offensichtlichen deutlichen Wirtschaftsaufschwungs wenig entgegen zu setzen hatten. Ollenhauer fiel es schwer, den Wechsel der SPD von einer reinen Arbeiter- hin zu einer Volkspartei voranzutreiben.

Im März 1957 erschien der „Ollenhauer-Plan“, der nach Ansicht des Historikers Joseph Rovan „aufs neue die Probleme von Sicherheit, Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung in einem total unrealistischen Zusammenhang vereinigte“. Es stimmte zwar, dass der Kalte Krieg allmählich an Intensität verlor, doch eine Entspannung zwischen den Großmächten war nur auf der Basis des status quo möglich. „Der viel zu detaillierte und schwerverständliche Text des Ollenhauer-Plans, der bald der verdienten Vergessenheit anheimfallen sollte, war auch nicht da zu angetan, die Massen aufzurütteln.“[1]

Bei der Bundestagswahl 1957 konnte sich die SPD unter dem zum zweiten Mal als Kanzlerkandidat antretenden Ollenhauer zwar um 3,0 Prozentpunkte auf 31,8 Prozent der Stimmen verbessern, jedoch stand dieser Zugewinn in keinem Verhältnis zu dem Ergebnis von CDU und CSU, welche gleichzeitig 5,0 Prozentpunkte zulegten und mit 50,2 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit erreichten.

Nach dieser erneuten Niederlage verzichtete Ollenhauer auf eine dritte Kandidatur. Auch setzten infolge der Wahlniederlage erste Umdenkungsprozesse in der SPD ein, deren Moderation Ollenhauer übernahm. Die programmatische und organisatorische Neuorientierung der SPD mündete schließlich in dem Godesberger Programm 1959.

Erich Ollenhauer bei der Stimmabgabe zur Bundestagswahl 1961

Das von den Reformern um Willy Brandt, Fritz Erler und Herbert Wehner forcierte, und von Ollenhauer unterstützte Programm brach zum Teil sehr deutlich mit der bisherigen Parteilinie: So wurde neben der Adenauerschen Außenpolitik (Westintegration) auch die Wiederbewaffnung befürwortet und die zentrale Verwaltungswirtschaft abgelehnt. Insbesondere sagte sich die Partei vom Marxismus los. In diesem inhaltlichen Umdenkungsprozess spielte Ollenhauer eine wichtige Rolle, da er als Parteivorsitzender und Vertreter der älteren Parteigeneration garantierte, dass diese Umgestaltung maßvoll und ohne Ausgrenzung einzelner Parteigruppen vonstatten ging. Erich Ollenhauer begann auch die Strategie Künstler in das Team zur Vorbereitung von Wahlkämpfen einzubeziehen. In diesem Zusammenhang wirkten durch die Vermittlung von Bruno Friedrich der Schriftsteller Gerhard Zwerenz und der Maler und Bildhauer Hans Lewerenz an der Vorbereitung der Bundestagswahl von 1961 mit.

Im November 1960 nominierte der Parteivorstand auf Vorschlag Carlo Schmids und mit Unterstützung Ollenhauers Berlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt als neuen Kanzlerkandidaten.

Drei Monate vor seinem Tod wurde er am 9. September 1963 zum Vorsitzenden der Sozialistischen Internationalen gewählt. Am 14. Dezember verstarb Ollenhauer an einer Lungenembolie in Bonn.

Ollenhauer gilt als Paradebeispiel eines aufrechten Parteisoldaten. Er widmete sein gesamtes Leben der SPD immer in der Meinung, dass Partei und Gewerkschaft der einzig mögliche Weg seien, das Los der Arbeiterklasse zu verbessern.

Nachfolger als Parteivorsitzender wurde Willy Brandt. Den Fraktionsvorsitz übernahm Fritz Erler.

Fünf Tage nach seinem Tode ehrte ihn die Bundesrepublik Deutschland am 19. Dezember 1963 mit einem Staatsakt im Plenarsaal des Bundestages. Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, der ihm das Purpurband des höchsten deutschen Ordens an die Brust gelegt hatte, führte in seiner Trauerrede zum Wesen Erich Ollenhauers aus: „...erfüllt und hingegeben an die Sache, der er diente, getragen und geliebt von der großen Gemeinschaft der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, vernünftig, fair und humorvoll auch im Umgang mit seinen politischen Gegnern...

Erich Ollenhauer fand seine letzte Ruhestätte auf dem Südfriedhof in Bonn unweit des Erich-Ollenhauer-Hauses an der heutigen Erich-Ollenhauer-Straße.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joseph Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Fischer, Frankfurt 1980 (Paris 1978), S. 222.

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