Geschichte der SPD

Geschichte der SPD

Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie reicht bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit entstanden zunächst frühsozialistisch orientierte Exilorganisationen - vor allem in Frankreich, England und der Schweiz; und im Gefolge der bürgerlichen Märzrevolution 1848 mit der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung auch eine erste überregionale Organisation der Arbeiterbewegung in den Staaten des damaligen Deutschen Bundes, die sowohl die Entwicklung der Gewerkschaften als auch der sozialistischen Parteien im deutschen Sprachraum einleitete.

Protagonisten der parteipolitisch organisierten frühen deutschen Arbeiterbewegung (Obere Reihe: August Bebel, Wilhelm Liebknecht für die SDAP – Mitte: Karl Marx als ideeller Impulsgeber – Untere Reihe: Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle für den ADAV

Nach dem Ende der Reaktionsära begannen sich in den 1860er Jahren sozialdemokratische Parteien zu bilden, die die Tradition der gegenwärtigen SPD begründeten. Im Jahr 1863 wurde der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, zunächst angeführt von Ferdinand Lassalle. Daneben entstand ab Mitte/Ende der 1860er Jahre die „Eisenacher Richtung“, vor allem geprägt von August Bebel und Wilhelm Liebknecht (1866 Sächsische Volkspartei, 1869 Sozialdemokratische Arbeiterpartei). Beide Richtungen schlossen sich vier Jahre nach der Gründung des deutschen Nationalstaats 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei zusammen. Von 1878 bis 1890 wurde die Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung durch das repressive Sozialistengesetz geprägt. Nach der Aufhebung des Gesetzes erfolgte 1890 die Umbenennung der Partei zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Sie entwickelte sich hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und der Wahlergebnisse in den folgenden Jahren zu einer Massenpartei. Die SPD wurde 1912 – bezogen auf ihre Abgeordnetenmandate – das erste Mal die stärkste Fraktion im deutschen Reichstag.

Ideologisch entwickelten sich verschiedene Strömungen und Flügel der Partei, die im Laufe der Jahre immer weiter auseinander drifteten. Zunächst herrschten Reste radikaldemokratischer Strömungen vor; einflussreich waren lange Zeit die Ideen von Ferdinand Lassalle. Auf längere Sicht setzte sich der Marxismus als dominierender Orientierungsrahmen durch. Marx’ Analyse der sozialen und ökonomischen Gesellschaftsbedingungen sowie ihrer geschichtlichen Entwicklung, und die daraus gefolgerten revolutionären Handlungskonzepte haben die Sozialdemokratie bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ideologisch geprägt. In der politischen Praxis verstärkten sich spätestens durch die innerparteiliche Revisionismusdebatte der SPD ab etwa Ende der 1890er Jahre eher an Reformen orientierte Umsetzungsversuche der marxistischen Inhalte, wohingegen der in der in den ersten Jahrzehnten dominierende revolutionär ausgerichtete Parteiflügel nach dem Tode August Bebels ab 1913 in eine Minderheitsposition geriet.

Während des Ersten Weltkrieges spaltete sich 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) aus Protest gegen die Burgfriedenspolitik von der Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) ab. Aus dem linksrevolutionären Flügel der USPD, dem Spartakusbund, ging nach der Novemberrevolution im Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hervor. Die linke Mehrheit der USPD schloss sich 1920 der KPD an (vgl. VKPD). Der größte Teil der verbleibenden Partei wandte sich 1922 wieder der SPD zu. Die USPD blieb bis 1931 nur als Splitterpartei bestehen.

Grafische Darstellung der Entwicklung deutscher Arbeiterparteien zwischen 1863 und 1933 (rechter Strang die SPD, links davon Abspaltungen von ihr bzw. Parteineubildungen)

Die SPD war während der Weimarer Republik eine der Parteien, die die neue Staatsform einer pluralistischen Demokratie trugen. Sie stellte zwischen 1919 und 1925 mit Friedrich Ebert den ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten. In den ersten Jahren der Republik und dann wieder von 1928 bis 1930 war sie die führende Regierungspartei in wechselnden Koalitionen. An weiteren Kabinetten war sie direkt oder indirekt beteiligt. In der Endphase der Republik befand sich die Partei weitgehend in der Defensive, nicht zuletzt weil sie kein umsetzungsfähiges Konzept gegenüber den Präsidentialkabinetten seit Heinrich Brüning entwickeln konnte, und auch innerparteilich im Umgang mit den erstarkten politischen Extremen zerstritten war. Erneut kam es zu Abspaltungen am linken Rand, und mit zunehmender Dauer der Weltwirtschaftskrise hatte die Partei den linken und rechten Flügelparteien nur noch wenig entgegenzusetzen.

Nach dem Beginn der nationalsozialistischen Diktatur war die SPD die einzige Partei im Reichstag, die dem Ermächtigungsgesetz nicht zustimmte, nachdem die KPD bereits verboten war. In der Folge wurde auch die SPD verboten. Zahlreiche Mitglieder gingen ins Exil; andere, die im Land geblieben waren, sahen sich zu weiten Teilen der Verfolgung ausgesetzt, wurden zeitweilig inhaftiert oder langjährig in Konzentrationslagern festgehalten, wo nicht wenige Sozialdemokraten auch ermordet wurden.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die SPD ideologisch und organisatorisch weitgehend nach dem Vorbild der Weimarer Zeit in den vier Besatzungszonen reorganisiert. In der sowjetisch besetzten Zone kam es 1946 zur „Zwangsvereinigung“ von SPD und KPD zur SED. Die Stalinisierung der folgenden Jahre beseitigte die Reste sozialdemokratischer Organisationen und Politik, die in der nachfolgenden DDR nahezu bedeutungslos wurden. In den Westzonen − ab 1949 der Bundesrepublik Deutschland − lehnte die SPD unter der Führung von Kurt Schumacher einen Zusammenschluss mit der KPD strikt ab.

Innenpolitisch blieb die SPD von 1949 bis 1966 hinter der CDU/CSU nur zweitstärkste parteipolitische Kraft der Bundesrepublik und war in dieser Zeit Oppositionspartei im deutschen Bundestag. Innerparteilich war das Godesberger Programm von 1959, mit dem sich die SPD weitgehend vom Marxismus abwandte und sich als Volkspartei definierte, ein tiefer Einschnitt. Dieser Wandel ermöglichte 1966 zunächst den Eintritt in die große – CDU-geführte – Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, und ab 1969 die sozial-liberale Koalition – nun unter SPD-Führung – mit Willy Brandt als Regierungschef. In der Folgezeit haben vor allem dessen Ostpolitik und teilweise auch innere Reformen für Veränderung gesorgt. Unter Helmut Schmidt, Brandts Nachfolger im Kanzleramt, wurde der politische Spielraum schmaler. Die Partei geriet aufgrund innen- und außenpolitischer Krisen zunehmend unter Druck. Von konservativer Seite wurde angesichts des Linksterrorismus der RAF (vgl. Deutscher Herbst) ein rigoroseres Vorgehen im Bereich der Inneren Sicherheit gefordert. Vom linken Flügel der Partei wurden – verstärkt durch im Gefolge der Studentenbewegung am Ende der 1960er Jahre aufgekommene Neue soziale Bewegungen – die Energiepolitik und vor allem die Zustimmung zum NATO-Doppelbeschluss heftig kritisiert. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 begann eine von innerparteilichen Krisen geprägte Oppositionszeit, die erst 1998 mit dem Beginn einer rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder endete. Dessen Reformpolitik stieß bei den Wählern und eigenen Anhängern auf immer weniger Zustimmung. Die von der Regierung selbst angesetzten Neuwahlen hatten 2005 erneut eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD zum Ergebnis.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung der sozialdemokratischen Parteien

Erste Ansätze im Vormärz und der Revolution von 1848/49

Handwerker oder handwerksähnliche Berufsgruppen wie die Zigarrenmacher bildeten ein wichtige Basis der frühen Sozialdemokratie (Gemälde von J. Marx von 1889)

Die sozialdemokratische Bewegung in Deutschland hat bis in den Vormärz und die Revolution von 1848/49 zurückreichende Wurzeln. Ideologisch spielte zunächst der französische Frühsozialismus eines Charles Fourier, Auguste Blanqui oder Henri de Saint-Simon eine wichtige Rolle.[1] Hinzu kamen Ideen der aufkommenden radikaldemokratischen Strömungen der vormärzlichen Opposition.

Erste organisatorische Ansätze waren die Auslandsvereine deutscher Handwerker und politischer Emigranten. Dazu zählen der 1832 in Paris gegründete Deutsche Volksverein, der 1834 in Bund der Geächteten umbenannt wurde und der im gleichen Jahr in Bern gegründete Geheimbund des Jungen Deutschland. Vom Bund der Geächteten spaltete sich, beeinflusst von Wilhelm Weitling, 1836 der Bund der Gerechten ab, dessen Schwerpunkt sich allerdings in den 1840er Jahren immer mehr nach London verschob. Unter dem Einfluss von Karl Marx und Friedrich Engels benannte er sich in Bund der Kommunisten um. Für diesen schrieben Marx und Engels 1848 das Kommunistische Manifest. Während der Revolution löste sich der Bund vorübergehend auf, nach seiner Neugründung kam es zu ideologischen Konflikten und zu Spaltungen. Nach dem Kölner Kommunistenprozess hörte er auf zu bestehen. In Deutschland selbst hatte sich während der Revolution unter maßgeblicher Beteiligung von Stephan Born mit der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung eine erste überregional verbreitete Organisation gebildet, die bereits viele Merkmale einer modernen Partei aufwies und daneben auch gewerkschaftlich aktiv war. Nach der Revolution fiel die Arbeiterverbrüderung der Reaktionspolitik im Deutschen Bund zum Opfer.

Soziale Basis

Die organisierte politische Arbeiterbewegung seit den 1860er Jahren knüpfte personell vielfach an die Traditionen von 1848/49 an. Sie war überwiegend städtisch geprägt. Ihr Kern waren nicht ungelernte Fabrikarbeiter, sondern gelernte Handwerker, Arbeiter mit Handwerksausbildung und zunehmend Facharbeiter. Wichtig waren Branchen wie die Tabakarbeiter oder Buchdrucker, in denen handwerkliche Arbeitsabläufe eine beträchtliche Rolle spielten. Ungelernte Arbeiter in neuen Massenberufen wie dem Bergbau oder der Eisen- und Stahlindustrie waren dagegen nur vergleichsweise schwach vertreten. Von großer Bedeutung war nicht zuletzt die Verbindung der Arbeiter mit Teilen der städtischen antifeudalen und radikaldemokratischen Intellektuellen. Von Anfang an war die Sozialdemokratie zudem eine überwiegend in protestantischen Regionen erfolgreiche Bewegung. Im katholischen Deutschland sorgte insbesondere der Kulturkampf für die Entstehung eines auch die Arbeiter einschließenden Milieus.[2]

Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein seit 1863

siehe auch Hauptartikel: Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein

Ein Wiederbeginn des politischen Lebens nicht nur in Preußen wurde ab 1858 mit der sogenannten Neuen Ära, d. h. der liberalen Wende in der preußischen Innenpolitik, möglich. Es entstanden, häufig gefördert von liberal oder demokratisch gesinnten Bürgern, Handwerker- und Arbeiterbildungsvereine. Dabei wurde bald deutlich, dass ein Teil der Mitglieder auch soziale und politische Interessen vertreten wollte. Als sich zeigte, dass dies im Rahmen des liberalen Deutschen Nationalvereins nicht möglich war, wandte sich 1863 ein in Leipzig entstandenes Central-Comitee zur Berufung eines allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses an den Autor Ferdinand Lassalle. Unter dessen maßgeblicher Leitung entstand am 23. Mai 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) als erste Deutsche Arbeiterpartei. Dem Verein gelang es zwar, in einigen Gebieten eine nennenswerte Zahl von Anhängern zu gewinnen, aber entgegen den Erwartungen Lassalles entwickelte er sich nicht zu einer Massenbewegung. Nach dem frühen Tod des Gründers spaltete sich die Organisation. Erst unter der Führung von Johann Baptist von Schweitzer kam es ab 1867 zu einer Konsolidierung.

Die Eisenacher Richtung

Nach der Gründung des ADAV wurde unter maßgeblicher Leitung des Nationalvereins zur Bindung der Arbeitervereine an das bürgerliche Lager der Vereinstag Deutscher Arbeitervereine gegründet. Allerdings gelang es nicht, die Politisierung eines Teils der Mitglieder zu verhindern. Außerdem begann mit der Gründung gewerkschaftlicher Organisationen die wirtschaftliche Interessenvertretung an Gewicht zu gewinnen. Innerhalb des Vereinstags gewannen Wilhelm Liebknecht und August Bebel an Einfluss. Unter dem Vorsitz von Bebel beschloss die Generalversammlung des Vereinstages 1868 den Anschluss an die Internationalen Arbeiterassoziation (Erste Internationale). Die weiterhin liberal gesinnten Vereine spalteten sich daraufhin ab. Ebenfalls unter maßgeblicher Beteiligung von Bebel und Liebknecht war 1866 die Sächsische Volkspartei gegründet worden. Diese zielte ursprünglich auf ein Bündnis aus bürgerlichen Demokraten und Arbeitern ab. Nachdem der Erfolg im Bürgertum weitgehend ausblieb, dominierten auch dort immer stärker die Arbeiter. Am 8. August 1869 schlossen sich der Vereinstag Deutscher Arbeitervereine, die Sächsische Volkspartei und vom ADAV abgespaltene Gruppen in Eisenach zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zusammen.

Wilhelm Liebknecht

Programmatische Grundlage der neuen Partei war das Eisenacher Programm. Dieses Programm übernahm mit nur wenigen kleinen Änderungen die Statuten der Internationalen Arbeiterassoziation. Daneben übernahm es aber auch Konzepte der Lassalleanhänger auf. So wurde die Wahlrechtsfrage in den Vordergrund gestellt und die Forderung nach Arbeiterassoziationen übernommen. Ziel der Partei war die Errichtung eines freien Volksstaates. Zur Abschaffung der Klassenherrschaft setzte sie auf die Überwindung der auf dem Lohnsystem beruhenden Produktionsweise durch genossenschaftliche Arbeit. Außerdem bekannte sie sich zum internationalistischen Standpunkt der Internationalen Arbeiterassoziation.[3]

Von der Konkurrenz zur Vereinigung

ADAV und SDAP bekämpften sich in den folgenden Jahren und waren etwa in der deutschen Frage unterschiedlicher Meinung. Während der ADAV kleindeutsch ausgerichtet war, stand die SDAP auf Seiten der Großdeutschen. Auch ideologisch gab es Unterschiede. Das auf Lassalle zurückgehende eherne Lohngesetz führte beim ADAV zu einem ausgeprägten Etatismus und einer gewerkschaftskritischen Haltung. Dagegen stand die SDAP dem Gewerkschaftsgedanken positiv gegenüber, lehnte aber eine Zusammenarbeit mit dem bestehenden Staat ab. Die Gegensätze verloren nach der vollzogenen Reichsgründung 1871 an Bedeutung. Gleichzeitig sorgten die antisozialdemokratischen Maßnahmen des Staates für ein Zusammenrücken beider Parteien. Dies führte schließlich auf dem Vereinigungsparteitag, der vom 22. bis 27. Mai 1875 in Gotha stattfand, zum Zusammenschluss zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP).

Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands von 1875

Reichsgesetzblatt von 1878 mit der Verkündigung des Sozialistengesetzes

siehe auch Hauptartikel: Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, Sozialistengesetz

Programmatik

In dem vor der Vereinigung ausgehandelte Gothaer Programm finden sich Programmbestandteile beider Vorgängerorganisationen wieder. So stammte die Formulierung „Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut der Gesellschaft“ von Vertretern der SDAP, während die Forderung nach Einrichtung sozialistischer Produktivgenossenschaften auf Gedankengut Lassalles zurückging. Ein Großteil der Nahziele entstammte dem Eisenacher Programm. Dagegen war die Abqualifizierung der Gegner als reaktionäre Masse und die Forderung nach einem Zerbrechen des ehernen Lohngesetzes wiederum Gedankengut des ADAV. Das Bekenntnis, mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die sozialistische Gesellschaft zu erstreben, ging auch auf die drohenden und teilweise schon eingesetzten staatlichen Repressionsmaßnahmen zurück.[4]

Die Sozialdemokratie unter dem Sozialistengesetz 1878–1890

Spätestens seit dem offenen Bekenntnis von Bebel und Liebknecht zur revolutionären „Commune“, die während des von Preußen, namentlich von Bismarck initiierten Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 in Paris ausgerufen worden war, galten die Sozialdemokraten als Staatsfeinde. Ihre führenden Repräsentanten, aber auch einfache Mitglieder waren verschiedenen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Bebel und Liebknecht etwa wurden 1872 in einem Hochverratsprozess zu jeweils zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Allerdings führten diese Maßnahmen nicht zu einer Schwächung der sozialdemokratischen Bewegung. Bei den Reichstagswahlen von 1877 kam die vereinigte Partei auf über 9 % der Stimmen. Zwei von Einzeltätern ausgeführte Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Mai und Juni des Jahres 1878 waren für Bismarck der Anlass für eine nunmehr aggressivere antisozialdemokratische Politik. Die regierungsnahe Presse tat alles, um die Attentäter in die Nähe der Sozialdemokraten zu rücken. Nachdem der erste Versuch, ein Ausnahmegesetz auf den Weg zu bringen, am Widerstand der Mehrheit im Reichstag gescheitert war, führten das zweite Attentat, bei dem der Monarch schwer verletzt wurde, und die darauf folgende Auflösung des Parlaments zur Bereitschaft auch der meisten Nationalliberalen, dem Sozialistengesetz zuzustimmen.

Das Gesetz ermöglichte das Verbot von Vereinen, Versammlungen, von Druckschriften und Geldsammlungen. Zuwiderhandlungen konnten mit Geld- oder Gefängnisstrafen belegt werden. Auch konnten Aufenthaltsverbote ausgesprochen oder über bestimmte Gebiete der kleine Belagerungszustand verhängt werden. Allerdings war das Gesetz befristet und musste daher vom Parlament immer wieder bestätigt werden. Eine erste Bestätigung folgte 1881. In der Folge wurde das Gesetz mehrfach verlängert.

Erstausgabe der Zeitung „Der Sozialdemokrat“. Er war während der Sozialistengesetze das bedeutendste Organ der Sozialdemokratie, das – in Zürich und später in London gedruckt – illegal in Deutschland Verbreitung fand

Die Sozialistische Arbeiterpartei wurde für zwölf Jahre faktisch in die Illegalität gedrängt. Neben anderen sozialdemokratischen Publikationen wurde das offizielle Parteiorgan, der Vorwärts ebenso verboten wie öffentliche Auftritte oder Versammlungen der Partei. Das Gesetz richtete sich nicht nur gegen die SAPD selbst, auch weitere Arbeiterorganisationen wie die Gewerkschaften wurden aufgelöst. Einzig die Mitglieder der Länderparlamente und der Reichstagsfraktion der SAPD behielten ihre Mandate bzw. konnten sich als Einzelkandidaten in den Wahlkreisen weiterhin zu Wahlen aufstellen lassen. Viele Parteimitglieder sahen sich zur Emigration gezwungen oder wurden aus ihren Wohnorten ausgewiesen [5]. Allerdings sah sich die Partei im Zuge der antisozialdemokratischen Repressionsmaßnahmen veranlasst, sich nach und nach ihres linken, sozialrevolutionären und tendenziell anarchistischen Flügels zu entledigen. So wurden 1880 deren wichtigste Vertreter – Johann Most und Wilhelm Hasselmann – die zeitweilig auch der Reichstagsfraktion der SAPD angehört hatten (Most von 1874–1877, Hasselmann bis 1880), aus der Partei ausgeschlossen.

Da in Deutschland keine Parteitage mehr möglich waren, fanden geheime Konferenzen der SAPD im angrenzenden Ausland statt. Dies geschah etwa im August 1880 auf Schloss Wyden im Kanton Zürich. Dort beschloss die Partei das Wort „gesetzlich“ aus dem Parteiprogramm zu streichen, da dieses nunmehr sinnlos sei. Die Partei strebe nunmehr mit allen Mitteln nach ihren Zielen. Ein ähnlicher Kongress fand 1883 in Kopenhagen statt.[6] Ein spektakulärer Höhepunkt der antisozialdemokratischen Maßnahmen war der zwischen dem 26. Juli und 4. August 1886 vor dem Landgericht von Freiberg in Sachsen stattfindende sogenannte „Geheimbundprozess.“ Angeklagt wurden führende Parteimitglieder, denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, an einer geheimen Verbindung beteiligt gewesen zu sein. Als solche betrachtete sie die Kongresse von Wyden und Kopenhagen. Ignaz Auer, August Bebel, Karl Frohme, Karl Ulrich, Louis Viereck sowie Georg von Vollmar wurden zu jeweils neun Monaten; eine Reihe weiterer Angeklagter zu jeweils sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Diesem Prozess folgen mehrere andere Gerichtsverfahren gegen Teilnehmer der beiden Kongresse. Allein in Frankfurt wurden 35 Angeklagte zu bis zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. In Magdeburg waren es 1887 51 Verurteilte.[7]

Grenzen des Gesetzes

August Bebel
Mitglieder der SAPD-Reichstagsfraktion 1889. (sitzend von links aus gesehen: Georg Schumacher, Friedrich Harm, August Bebel, Heinrich Meister und Karl Frohme. Stehend: Johann Heinrich Wilhelm Dietz, August Kühn, Wilhelm Liebknecht, Karl Grillenberger, und Paul Singer)

Dem Staat gelang es mit der Ausnahmegesetzgebung letztlich nicht, die sozialdemokratische Bewegung dauerhaft zu schwächen. Vielmehr hielten die Parteimitglieder auf informeller Ebene und in Tarnvereinen Kontakt miteinander. Die Beerdigungen prominenter Parteimitglieder wurden regelmäßig Anlass zu Massenversammlungen, die nach außen die Weiterexistenz der Bewegung deutlich machten. So nahmen 1879 an der Beerdigung von August Geib in Hamburg 30.000 Arbeiter teil. Die sogenannte „Rote Feldpost“, geleitet von Joseph Belli und Julius Motteler, schmuggelte Agitationsschriften und vor allem die seit 1879 in Zürich erscheinende Zeitung Sozialdemokrat ins Reich ein, deren verantwortlicher Redakteur Georg von Vollmar war. Mitarbeiter waren unter anderem Karl Kautsky und Eduard Bernstein. Die Handhabung des Sozialistengesetzes war in den einzelnen Bundesstaaten und im Zeitverlauf unterschiedlich. Die mildere Praxis in Süddeutschland ermöglichte ab 1883 die Herausgabe der theoretischen Zeitschrift Die Neue Zeit. Die seit 1881 auch in Preußen milder gewordene Verfolgungspraxis wurde seit 1886 wieder deutlich verschärft. [8]

Besonders die Ergebnisse der Reichstagswahlen zeigten die begrenzte Wirkung des Sozialistengesetzes. Auch die neuen Sozialversicherungen, die auch das Ziel hatten, die Arbeiter für den Staat zu gewinnen, waren in dieser Hinsicht nur wenig erfolgreich. Zwar ging der Stimmenanteil der SAP bei den Reichstagswahlen von 1881 auf 6,1 % zurück, aber bereits bei den Reichstagswahlen von 1884 stieg er wieder auf über 9 % an. Der Erfolg hatte auch eine deutliche Zunahme der Fraktionsmitglieder zur Folge. In den nächsten Jahren zeigte sich erstmals ein Eigengewicht der Fraktion. Mitglieder der Führungsgruppe der Partei wie Bebel, Friedrich Engels und Bernstein warnten vor „parlamentarischen Illusionen“ und es gelang, den Einfluss der Fraktion, die in einigen Fragen gegenüber anderen Parteien größere Kompromissbereitschaft gezeigt hatte, wieder zu begrenzen. Ein Grund war auch, dass die Partei bei der Reichstagswahl von 1887 zwar leicht auf über 10 % zulegen konnte, aber, da sie in einigen Stichwahlen verloren hatte, weniger Abgeordnete stellte. Auf einem erneuten Auslandskongress im Oktober 1887 in St. Gallen gelang es August Bebel endgültig, seine Führungsrolle in Partei und Reichtagsfraktion durchzusetzen, die er bis zu seinem Tod behaupten sollte. Auf internationaler Ebene kam es zwischen dem 14. und 20. Juli 1889 in Paris zur Gründung der II. Internationale, und trotz der Verfolgungen galt die SAP als einflussreichste sozialistische Partei.[9] In Deutschland ließ die Unterstützung für das Sozialistengesetz immer deutlicher nach, und als die Regierung gegen Ende des Jahres 1889 ein neues, nunmehr zeitlich unbegrenztes Gesetz vorlegte, wurde die Vorlage vom Reichstag mit klarer Mehrheit am 25. Januar 1890 abgelehnt. Noch vor dem endgültigen Auslaufen des Ausnahmegesetzes kam die SAP bei der Reichstagswahl von 1890 auf fast 20 % der Stimmen und war damit die nach Zahl der Wähler stärkste Partei. Allerdings sorgte die Wahlkreiseinteilung dafür, dass sich dies nicht vollständig in der Zahl der Mandate niederschlug.[10] Als am 1. Oktober 1890 das Sozialistengesetz endgültig auslief, hatten die Behörden während seiner Geltungsdauer 155 periodische und 1200 nicht-periodische Druckschriften verboten, 900 Ausweisungen ausgesprochen und 1500 Personen zu insgesamt 1000 Jahren Gefängnis verurteilt.[11]

Aufstieg zur Massenpartei

Soziale Basis

Das Ende der 1880er Jahre bedeutete nicht nur organisatorisch einen Wendepunkt. In diese Zeit fiel auch ein Generationenwechsel. Wichtiger als die alten Handwerkerarbeiter wurden nunmehr die fachlich gut qualifizierten aufstiegsorientierten Lohnarbeiter in der Industrie als Massenbasis der Bewegung. Allerdings wiesen die politisch Aktiven weiterhin zumeist noch einen handwerklichen Hintergrund auf. Die Aktivmitglieder kamen nicht selten aus dem Bauhandwerk im weitesten Sinn. Wichtig blieben die Buchdrucker.[12] Diese soziale Basis hatte zur Folge, dass bürgerliche Werte in der sozialdemokratischen Bewegung keine geringe Rolle spielten. Leitbilder waren Disziplin, Bildungsbeflissenheit, Orientierung an der bürgerliche Familie und der entsprechenden Sexualität, Fortschrittsgläubigkeit und Wachstumsorientierung. Jürgen Kocka spricht von einem Brückenkopf der Bürgerlichkeit im Unterschichtenbereich. Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass die antibürgerliche Ideologie nicht nur bloße Rhetorik war. Die sozialistische Arbeiterbewegung wurzelte in Lebens- und Erfahrungsmilieus, die den Verbürgerlichungsambitionen enge Grenzen setzte. [13]

Parteiorganisation

Besuch des Parteivorstandes im Jahr 1907 bei der Reichsparteischule der SPD. Dozentin Rosa Luxemburg (stehend vierte von links). August Bebel (stehend fünfter von links), Friedrich Ebert (links in der 3. Bank der rechten Bankreihe

Nach dem Außerkrafttreten des Sozialistengesetzes im Herbst 1890 änderte die Partei auf dem Parteitag in Halle ihren Namen in „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“. Außerdem wurde ein neues Organisationsstatut beschlossen. Die Partei wurde aus vereinsrechtlichen Gründen auf einem Vertrauensmännersystem aufgebaut. Die organisatorische Basis bildeten meist Arbeiterwahlvereine auf der Ebene der Wahlkreise. Wenn ein Wahlkreis sich über mehrere Kommunen erstreckte, konnten darunter Ortsvereine gegründet werden. Diese Vereine schlossen sich zu Bezirken und Organisationen auf der Ebene der Mitgliedsstaaten des deutschen Reiches zusammen. Oberstes Organ der Partei war der Parteitag, der auch den teilweise besoldeten Vorstand aus zwölf Personen wählte. Der Vorstand wurde auf dem jährlichen Parteitag jeweils neu gewählt. In der Praxis wurden die Mitglieder allerdings meist in ihrem Amt bestätigt. Zusammen mit der Kontrollkommission bildete der Vorstand die Parteileitung. Sowohl Vorstand wie Reichstagsfraktion hatten Weisungen der Parteitage auszuführen und hatten Rechenschaft abzulegen. Sitz der Partei war Berlin. Organ der Partei wurde das Berliner Volksblatt, dass kurze Zeit später den Titel „Vorwärts – Berliner Volkszeitung. Centralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ erhielt. Neben verschiedenen anderen Beschlüssen wurde der 1. Mai zum dauernden Feiertag der Arbeiter erklärt und der Parteitag beauftragte den Vorstand, ein neues Parteiprogramm zu erarbeiten.[14]

Plakat zur Maifeier um 1895

Zwar gab es aus vereinsrechtlichen Gründen in den 1890er Jahren noch keine festen Parteimitgliedschaften oder -beiträge. Die Partei blieb zunächst finanziell auf den Verkauf von Zeitschriften und anderen Druckwerken angewiesen. Aber die Bindung der Anhänger an ihre Partei war erheblich. Nach dem neuen Organisationsstatut von 1905 wurde die SPD im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Parteien zu einer regelrechten Mitgliederpartei. Ein ausgeprägtes Parteileben aus regelmäßigen Versammlungen sowie einem ritualisierten sozialistischen Festkalender band die Mitglieder an die Partei. Ihre Zahl ist etwa seit 1906 genauer bekannt. Hatte die Partei zu diesem Zeitpunkt etwa 384.000 Mitglieder, wuchs ihre Zahl bis 1914 auf über eine Million an.[15]

Das Anwachsen der Mitgliederzahlen führte etwa seit 1903 zum Ausbau des hauptamtlichen Parteiapparats. An dieser Entwicklung gab es schon früh Kritik. Aber angesichts der großen Mitgliederzahl war der Apparat eher klein. Für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg lässt sich nicht von einer „verkalkten Bürokratie“ sprechen, waren die besoldeten Funktionäre doch durchschnittlich etwa fünfunddreißig Jahre alt. Wie auch die Beschäftigung als Redakteur in einer Parteizeitung war die Stellung als Parteisekretär für besonders aktive Mitglieder, die in der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst keine Beschäftigung mehr fanden, oft die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Für eine gewisse Professionalisierung der Funktionäre sorgte seit 1906 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges die Reichsparteischule. [16]

Entstehen eines sozialdemokratischen Milieus

Nach dem Auslaufen des Sozialistengesetzes begannen sich auch die der Partei nahestehenden freien Gewerkschaften zu reorganisieren. Mit der Generalkommission unter dem Vorsitz von Carl Legien entstand 1890 eine Dachorganisation. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder stieg in den folgenden Jahrzehnten deutlich schneller als die der Parteimitglieder, was den Funktionären der Gewerkschafen erhebliches politisches Gewicht verlieh. Betrug die Zahl der Mitglieder in den freien Gewerkschaften 1890 etwa 300.000, waren es 1913 2,5 Millionen. Damit waren die freien Gewerkschaften die mit Abstand stärkste Richtungsgewerkschaft des Kaiserreichs.[17]

Neben Partei und Gewerkschaften bildete ein sozialistisches Genossenschafts- und Konsumvereinswesen (Centralverband Deutscher Konsumvereine) die dritte Säule der sozialistischen Arbeiterbewegung. Im Jahr 1911 gab es über 1100 lokale Konsumgenossenschaften mit zusammen 1,3 Millionen Mitgliedern.[18]

Daneben entwickelte sich ein weitgespanntes sozialdemokratisches Vereinswesen angefangen von den Arbeiterbildungsvereinen, über Arbeitergesangvereine, Vereine von Arbeiterturnern, -radfahrern bis hin zu Freidenker- und Feuerbestattungsvereinen.[19] Insgesamt entstand ein von der Wiege bis zur Bahre reichendes Organisationswesen. Die Forschung spricht seit einigen Jahren in diesem Zusammenhang von einem sozialdemokratischen Milieu. Die Ursprünge reichten zwar bis in die Entstehungsphase der sozialdemokratischen Bewegung zurück, es erfuhr nunmehr aber seine charakteristische Ausprägung.[20]

Die Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen 1893 bis 1912

Stimmenanteil und Zahl der Sitze der Sozialdemokratie
bei den Reichstagswahlen 1871–1912[21]
Jahr Stimmenanteil Sitze
ADAV zusammen mit SDAP
1871 3,2 % 2
1874 6,8 % 9
SAP
1877 9,1 % 12
1878 7,6 % 9
1881 6,1 % 12
1884 9,7 % 24
1887 10,1 % 11
SPD
1890 19,8 % 35
1893 23,3 % 44
1898 27,2 % 56
1903 31,7 % 81
1907 28,9 % 43
1912 34,8 % 110

Der Aufschwung der Sozialdemokratie spiegelte sich nicht zuletzt in den Ergebnissen der Wahlen. Bei den Reichstagswahlen von 1893, 1898 und 1903 konnte die Partei ihren Stimmenanteil steigern. Lag sie 1893 noch bei 23,3 %, waren es 1903 über 31 %. Die besonderen Umstände der Reichstagswahl von 1907 (die sogenannten „Hottentottenwahlen“) mit ihren nationalistischen Untertönen und der Bildung des Bülowblocks führten zu leichten Verlusten bei den Stimmenanteilen. Einen tiefen Einbruch musste die Partei wegen der Stichwahlabkommen der bürgerlichen Parteien bei den Reichstagsmandaten hinnehmen. Die Zahl der Fraktionsmitglieder halbierte sich fast von 81 auf 43. Dieser Einbruch erwies sich jedoch als vorübergehend; 1912 erreichte die SPD fast 35 % der Stimmen und stellte 110 Reichstagsmitglieder. Allerdings verteilten sich diese Erfolge nicht gleichmäßig über das Reich. Der Wahlerfolg hing zum einem von der Sozialstruktur ab, in Groß- und Industriestädten war der Erfolg der Partei um ein Vielfaches größer als auf dem Land. Ein anderer wesentlicher Faktor war die Konfessionsstruktur. Die SPD war unabhängig von der persönlichen Haltung der Wähler stark vor allem in überwiegend protestantischen Bereichen. In katholischen Regionen fiel es ihr schwer, Fuß zu fassen. Im stark industrialisierten Rheinland, im Ruhrgebiet, im Saarrevier und in Oberschlesien blieben viele Arbeiter in das katholische Milieu integriert und wählten die Zentrumspartei. Auch im protestantischen Teil Deutschlands gab es im Übrigen weiterhin eine beachtliche Zahl von Arbeiterwählern, die für eine der bürgerlichen Parteien stimmten.[22]

Innere und programmatische Entwicklung

Zwar wurde die SPD im Laufe der Zeit zu einem nicht zu unterschätzenden sozialen und politischen Faktor. Ihre Integration in die bestehende staatliche und gesellschaftliche Ordnung blieb aber beschränkt. Auch nach dem Auslaufen des Sozialistengesetzes hielten der Staat und die ihn tragenden Gruppen an der Ablehnung des Sozialdemokraten fest. Zeitweise waren wie 1894 mit der Umsturzvorlage oder 1899 mit der Zuchthausvorlage neue Ausnahmegesetze geplant. Bis auf das Lex Arons scheiterten diese zwar an der Reichstagsmehrheit, bestärkten aber ebenso wie die Gründung des Reichsverbandes gegen die Sozialdemokratie (1904) die Sozialdemokraten in ihrer Fundamentalopposition.[23]

Protokoll des Erfurter Parteitages von 1891

Erfurter Programm

Im Inneren der Partei setzte sich der Marxismus während des Sozialistengesetzes als herrschende Ideologie gegenüber anderen Politikvorstellungen, etwa denen Lasalles, durch. Den offiziellen Kurs der SPD formulierte 1891 das auf dem Parteitag in Erfurt verabschiedete Erfurter Programm. Karl Kautsky hat dabei vor allem den grundsätzlichen Teil geprägt, während Eduard Bernstein für den praktischen Teil zuständig war. Dieser letzte Teil mit den Forderungen nach einer gesamtgesellschaftlichen Demokratisierung und sozialen Reformen war zwar deutlicher als in den Vorgängerprogrammen formuliert, unterschied sich aber nicht grundsätzlich von diesen. Dagegen war der erste Teil, der skizzenhaft auch eine knappe Gesellschaftsanalyse enthielt, klarer als früher marxistisch orientiert. Das Programm gipfelte in Formulierung:

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft also nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und Klassen selbst und für gleiche Rechte und Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts oder der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art von Ausbeutung und Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse.

Auszug aus dem Erfurter Programm: [24]

„Die Jungen“ und der Reformismusstreit

Die Durchsetzung des Marxismus bedeutete jedoch keineswegs ein Ende des inneren Pluralismus oder der Auseinandersetzungen über den richtigen Kurs. Ohne den Druck der Verfolgung einerseits und das Wachsen der Mitgliederzahlen andererseits bildeten sich innerhalb der Partei unterschiedliche Strömungen heraus. Dabei wurde die nunmehr marxistisch argumentierende Parteiführung grundsätzlich von zwei Seiten kritisiert. In den frühen 1890er Jahren kam die linke Opposition von den so genannten „Jungen.“ Diese kritisierten etwa das Verhalten der Parteiführung zum 1. Mai 1890 nicht zu Arbeitsniederlegungen zur Durchsetzung des 8-Stundentages aufgerufen zu haben. Andere Kritik richtete sich gegen die noch immer starke Stellung der Reichstagsfraktion und die Reformisten. Weil sich ihre Ziele innerhalb der SPD nicht durchsetzen ließ, spaltete sich ein Teil der Jungen ab und gründete den Verein unabhängiger Sozialisten, der sich bald unter dem Einfluss von Gustav Landauer anarchistischen Tendenzen zuwandte.[25] Auf der anderen Seite des innerparteilichen Spektrums standen die reformistische Kräfte insbesondere aus Süddeutschland. So hat Georg von Vollmar bereits 1891 Reformpolitik auf der Grundlage der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung und die Zusammenarbeit mit allen progressiven Kräften gefordert. „Dem guten Willen die offene Hand, dem Schlechten die Faust.[26] Bereits in den frühen 1890er Jahren stimmte die bayerische Landtagsfraktion dem anstehenden Haushaltsentwurf zu und die Reformisten drängten auf ein Agrarprogramm, um die Wählerbasis zu verbreitern. Beides stieß während des so genannten Reformismusstreits in der Gesamtpartei auf heftigen Widerstand. Letztlich setzte sich dabei Karl Kautsky mit seiner strikt marxistischen Haltung durch. Eine Folge der Entscheidung war, dass sich das Wählerpotential der Partei immer mehr auf die Industriearbeiterschaft verengte. Die Agitation in ländlichen Regionen wurde dagegen vernachlässigt.[27]

Der Revisionismusstreit

Eduard Bernstein
Rosa Luxemburg (rechts) mit Clara Zetkin im Jahr 1910

Teilweise an die ältere Diskussion anknüpfend, teilweise auf eigenen theoretischen Überlegungen fußend, fachte Eduard Bernstein in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre den Revisionismusstreit in der Partei an. Ein zentraler Ausgangspunkt war die These, dass die wirtschaftliche und politische Entwicklung keineswegs automatisch auf den Zusammenbruch des Systems hinauslaufen würden. Auch der einfachen Reduktion der Gesellschaft auf den Gegensatz von Kapital und Arbeit stand Bernstein angesichts der sozialen Differenzierung skeptisch gegenüber. Stattdessen strebte auch er ein Bündnis mit den progressiven Kräften des Bürgertums an. „Ihr Einfluss würde ein viel größerer sein als er heute ist, wenn die Sozialdemokratie den Mut fände, sich von der Phraseologie zu emanzipieren, die tatsächlich überlebt ist, und das scheinen zu wollen, was sie heute in Wirklichkeit ist: eine demokratisch-sozialistische Reformpartei.[28] Ignaz Auer sprach in vielen Teilen für die Parteiführung insgesamt, wenn er den Charakter einer sozialdemokratischen Reformpartei anerkannte, aber mit Blick auf die Einheit der Partei davor warnte, die für die Identität der Parteimitglieder wichtigen ideologischen Zukunftshoffnungen zu zerstören. „Mein lieber Ede, das was du verlangst, so etwas sagt man nicht, so etwas tut man.[29] Die entschiedene Gegenposition zu Bernstein formulierte Rosa Luxemburg. Sie verteidigte dabei nicht den heimlichen Revisionismus der Parteiführung, sondern verlangte eine Revision der Parteilinie in Richtung eines revolutionären Aktivismus. Reformarbeit im bestehenden System lehnte sie ab, da dies das Überleben des bürgerlichen Systems nur verlängern würde.[30] Gegen diese linke Position wehrten sich insbesondere die Funktionäre der erstarkten Gewerkschaftsbewegung. Carl Legien äußerte 1899 „gerade wir gewerkschaftlich organisierten Arbeiter wünschen nicht, dass es zum so genannten Kladderadatsch kommt. (…) Wir wünschen den Zustand der ruhigen Entwicklung.[31] Wichtiger als theoretische Überlegungen waren für diese Gruppe der weitere Ausbau der Organisation. Sowohl die revolutionäre wie die reformistische Perspektive waren in sich durchaus schlüssig, entsprachen aber nicht der politischen Wirklichkeit im Kaiserreich. Gegen einen möglichen gewaltsamen Umsturzversuch stand ein wohlorganisierter Staat, der notfalls auf die Armee zurückgreifen konnte. Auf der anderen Seite stand Bündnissen mit anderen Parteien die tief verwurzelte antisozialdemokratische Haltung in weiten Teilen des Bürgertums gegenüber. Das Ende der letztlich fruchtlosen Debatte erfolgte auf dem Parteitag von 1903, als dieser unter Einschluss der Revisionisten beschloss, die „bisherige bewährte und siegesgekrönte auf dem Klassenkampf beruhende Taktik.[32] fortzusetzen.[33]

Massenstreikdebatte und Mannheimer Abkommen

Veranstaltungsplakat zur Forderung nach dem Frauenwahlrecht (um 1908)

Ausgelöst insbesondere vom Streik der Bergleute im Ruhrbergbau und der russischen Revolution im Jahr 1905 kam es zu Auseinandersetzungen darüber, ob ein Generalstreik, wie er bereits in anderen europäischen Ländern zur Durchsetzung von politischen Forderungen angewandt worden war, auch in Deutschland etwa beim Kampf gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht übernommen werden sollte. Als Kontrahenten standen sich in der Massenstreikdebatte die freien Gewerkschaften beziehungsweise der Gewerkschaftsflügel in der SPD auf der einen Seite und eine bemerkenswerte Koalition aus Parteivorstand, Revisionisten und Linken gegenüber. Die Gewerkschaften lehnten politische Streiks vollständig ab. Der Gewerkschaftskongress von 1905 beschloss mit breitester Mehrheit: „Den Generalstreik, wie er von Anarchisten und Leuten ohne jegliche Erfahrung auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Kampfes vertreten wird, hält der Kongress für indiskutabel; er warnt die Arbeiterschaft, sich durch die Aufnahme und Verbreitung solcher Ideen von der täglichen Kleinarbeit zur Stärkung der Arbeiterorganisationen abhalten zu lassen.“[34] Dagegen verabschiedete der Parteitag der SPD im selben Jahr einen Antrag, in dem der Massenstreik einerseits als wirksames Kampfmittel gewertet wurde, um mögliche politische Angriffe auf die Arbeiterklasse abzuwehren. Andererseits sei er ein offensives Mittel zur Befreiung der Arbeiterklasse.

Um den Bruch zwischen Gewerkschaften und Partei zu vermeiden suchten beide Seiten nach einem Kompromiss. Auf dem Mannheimer Parteitag von 1906 wurde beschlossen, dass ein Massenstreik ohne Unterstützung der Gewerkschaften keine Aussicht auf Erfolg haben könnte. Dies bedeutete letztlich das Ende des politischen Massenstreikkonzepts für Deutschland. Im so genannten Mannheimer Abkommen wurde zudem die Rolle von Gewerkschaften und Partei neu definiert. Das mittlerweile erlangte organisatorische Gewicht der Gewerkschaften zwang die SPD, die alte Vorstellung von den Gewerkschaften als Rekrutenschule für die Partei zu revidieren und ihnen einen gleichberechtigten Status zuzuerkennen. „Um bei Aktionen, die die Interessen der Gewerkschaften und Partei gleichermaßen berühren, ein einheitliches Vorgehen herbeizuführen, sollen die Zentralleitungen der beiden Organisationen sich zu verständigen suchen.“[35]

Die Sozialdemokratie vor Beginn des Ersten Weltkrieges

In den letzten Jahren vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges kam es auf dem Parteitag von 1910 noch einmal zu einem Konflikt zwischen süddeutschen Reformern und der Parteimehrheit über die Zustimmung zu den Länderhaushalten. Allerdings begann auch in der Reichspartei allmählich der Widerstand gegen die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien zu bröckeln. Trotz innerparteilicher Kritik kam es vor den Reichstagswahlen von 1912 zu Stichwahlabkommen mit den Linksliberalen, was in hohem Maß zum großen Wahlerfolg der SPD beitrug. Innerhalb der SPD stieß diese Politik beim linken Flügel auf entschiedene Ablehnung. Außerhalb der Partei verstärkten die konservativen Kräfte noch einmal ihre antisozialdemokratischen Bemühungen etwa in Form des Kartells der schaffenden Stände. Der Druck auch des Obrigkeitsstaates verhinderte letztlich eine positive Eingliederung in den bestehenden Staat und verstärkte die negative Integration in ein abgesondertes sozialdemokratisches Milieu. In der Partei selbst kam es nach dem Tode von August Bebel, der die sozialdemokratische Bewegung seit den 1860er Jahren geprägt hatte, zu einem Generationenwechsel. Die neue Parteispitze bildeten Friedrich Ebert und Hugo Haase. Beide wurden weder zu den Revisionisten noch zum linken Flügel gerechnet, sondern repräsentierten die zentristische Vorstandslinie, wenngleich es zwischen ihnen auch deutliche Unterschiede gab. Von Beiden erhoffte sich die Partei die Fortsetzung des Kurses zwischen dem reformistischen und den revolutionären Flügel.[36]

Erster Weltkrieg, Spaltung und Revolutionszeit

Entscheidung für die Kriegskredite

Als sich die politische Lage in der Julikrise 1914 nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers zuspitzte, rief die SPD zu Friedensdemonstrationen auf, ohne dass dies irgendwelche Auswirkungen auf die Ereignisse gehabt hätte. Die Haltung der führenden Parteimitglieder zu einem möglichen Krieg war unterschiedlich. Für die radikale Linke um Rosa Luxemburg war er eine unvermeidliche Konsequenz der imperialistischen Gegensätze und eine aktive Friedenspolitik daher illusorisch. Es gab insgesamt nur wenige überzeugte Pazifisten in der Parteiführung. Diese kamen wie Kautsky, Bernstein, Haase oder Kurt Eisner aus unterschiedlichen innerparteilichen Lagern. Ein Großteil der SPD-Führung ließ sich von der Reichsleitung überzeugen, dass Deutschland sich in einem Verteidigungskrieg gegen das zaristische Russland und dessen Verbündete befände. Zentraler Prüfstein für die Haltung der Partei zum Krieg war die Bewilligung der Kriegskredite durch die Reichstagsfraktion. Schon vor der Abstimmung hatte sich der rechte Flügel nicht zuletzt unter dem Eindruck, dass die freien Gewerkschaften bereits dem wirtschaftlichen Burgfrieden zugestimmt hatten, für die Annahme entschieden. Um die Einheit der Partei nicht zu gefährden, stimmten auch die eher linken Abgeordneten den Krediten zu. In einer Erklärung vom 4. August 1914 hieß es: „Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute entschieden, sondern über die Frage, der für die Verteidigung des Landes notwendigen Mittel.“ Von den rechten Fraktionsmitgliedern hinzugefügt wurde der Satz: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das Vaterland nicht im Stich.“[37] Auf der äußersten Rechten der SPD wurden von der so genannten Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe sogar so etwas wie eine sozialdemokratische Variante der bürgerlichen Kriegszielforderungen erhoben.[38]

Parteispaltung

Karl Liebknecht

Allerdings wuchs in Teilen der Partei bald die Einsicht, dass die These vom Verteidigungskrieg falsch war. Als im Dezember 1914 neue Kriegskredite nötig wurden, stimmte Karl Liebknecht offen gegen die Fraktionsmehrheit. In der Folge schloss sich dem auch Otto Rühle an. Beide wurden daraufhin aus der Fraktion ausgeschlossen. Die innerparteilichen Spannungen wuchsen, als Bernstein, Haase und Kautsky 1915 ein Manifest unter dem Titel „Das Gebot der Stunde“[39] veröffentlichten, das angesichts der Annexionspläne von Wirtschaft, Regierung und Teilen der bürgerlichen Gesellschaft ein Ende der Kriegsunterstützung forderte. Daraufhin begannen Politiker vom eher rechten Flügel wie Eduard David offen über einen Ausschluss der Kritiker nachzudenken. Im Dezember 1915 stimmten dann nur noch 66 für und 44 gegen neue Kredite. Im März 1916 wurden die Kriegsgegner schließlich aus der Fraktion ausgeschlossen. Diese schlossen sich zu einer „sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft“ zusammen, beabsichtigten in ihrer Mehrheit aber keine Parteispaltung. Eine Reichskonferenz mit Delegierten beider Seiten im September sollte noch einmal Einigungsmöglichkeiten ausloten. Dort stellte die Opposition etwa 40 % der Delegierten. Allerdings scheiterte dies an der kompromisslosen Haltung der Mehrheit. Hinzu kam, dass mit der russischen Februarrevolution von 1917 der angebliche Kriegsgrund entfallen war. Im April 1917 kam es daher in Gotha zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei[40] (USPD). Ihr schlossen sich unter anderem die beiden ehemaligen Kontrahenten des Revisionismusstreits Kautsky und Bernstein an.

Bereits 1916 war der linksrevolutionäre Spartakusbund unter Federführung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg[41] als „Gruppe Internationale“ gegründet worden. Auch der Parteihistoriker Franz Mehring schloss sich ihr an. Der Spartakusbund selbst wurde Teil der USPD. Er bildete in der Partei den linken Flügel, betrieb aber weiterhin eine eigenständige Politik.

Die Gründung fand in einem aufgeheizten Umfeld statt. So kam es im April 1917 gerade in den USPD-Hochburgen in Berlin und Leipzig zu politisch motivierten Streiks gegen den Krieg und den Hunger. Sie machten aber auch deutlich, dass die Position der MSPD immer mehr an Unterstützung in der sozialdemokratischen Wählerschaft verloren hatte. Diese sah sich daher letztlich zu einer Korrektur ihrer Haltung gezwungen. Zwar hielt sie am Prinzip der Landesverteidigung fest, plädierte aber auch für einen raschen Friedensschluss. Nicht zuletzt aus Angst vor einer Revolution im eigenen Land wurde im Reichstag im Juli 1917 mit den Stimmen der MSPD, des Zentrums und der Linksliberalen eine Friedensresolution beschlossen.

Im Januar 1918 kam zu Protesten und Streiks von zahlreichen Arbeitern gegen den harten Friedensvertrag von Brest-Litowsk, den das revolutionäre Russland unter Lenin abschließen musste. Damit verbunden waren auch innenpolitische Forderungen nach Frieden und Reformen. Vertreter beider sozialdemokratischer Parteien traten in die Streikleitung ein. Dazu gehörten auf Seiten der MSPD Ebert, Philipp Scheidemann und Otto Braun, auf Seiten der USPD Haase, Wilhelm Dittmann und Georg Ledebour. Es ging ihnen darum, die Bewegung wieder unter Kontrolle zu bringen und eine mögliche Radikalisierung zu verhindern.[42]

Die Sozialdemokratie in der Novemberrevolution 1918

Philipp Scheidemann ruft die Republik aus (9. November 1918)

Nach der Parlamentarisierung des Reiches (Oktoberreformen) im Oktober 1918 waren in der Regierung von Max von Baden erstmals auch Mehrheitssozialdemokraten vertreten. Zwar reichten der USPD die Reformen „von oben“ nicht aus, sie setzte aber auch nicht auf einen revolutionären Wandel sondern plädierte für die Wahl einer Nationalversammlung. Alle Überlegungen wurden von der sich von Kiel aus über das ganze Reich ausbreitenden Novemberrevolution zunächst hinfällig gemacht. Anfangs waren die fast überall entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte die Träger der Bewegung. Die radikale Linke (Spartakusbund und andere) hatte in diesen Organisationen nur einen begrenzten Einfluss. Ein Großteil der Mitglieder stand den Sozialdemokraten (beider Richtungen) und den Gewerkschaften nahe. Das Ziel der Räte war überwiegend nicht die Errichtung einer Räteherrschaft nach dem russischen Vorbild, vielmehr ging es ihnen um die Beendigung des Krieges, die Sicherung der Versorgungslage, die Entmachtung der Militärherrschaft und eine Demokratisierung des Staates.

Am 9. November 1918 hat Max von Baden zur Einhegung der Bewegung die Abdankung von Wilhelm II. durchgesetzt und formal gegen die Verfassung Friedrich Ebert mit dem Amt des Reichskanzlers beauftragt. Philipp Scheidemann proklamierte gegen den Willen Eberts, der noch immer versuchte, einem strikten Legalitätskurs zu verfolgen, die Republik: „Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!“ Fast zeitgleich rief Karl Liebknecht die sozialistische Republik aus.[43]

Die MSPD und die USPD bildeten am 10. November den Rat der Volksbeauftragten. Beteiligt waren Ebert, Scheidemann und Otto Landsberg für die MSPD und Haase, Dittmann und Emil Barth für die USPD. Um die USPD für die Regierungsbeteiligung zu gewinnen, musste die MSPD ausdrücklich die revolutionären Grundlagen des politischen Neubeginns anerkennen. Der Rat der Volksbeauftragten verkündete, dass die politische Gewalt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte liege und diese möglichst bald zu einer Vollversammlung zusammenkommen sollten.

Sozialdemokratische Kundgebung vor dem Berliner Stadtschloss Januar 1919

Allerdings wandte sich die MSPD entschieden gegen jede Form der Räteherrschaft und warnte vor einer Bolschewisierung. Die Partei bekämpfte daher die entschiedene Linke, obwohl deren tatsächlicher Rückhalt begrenzt war. Vor dem Hintergrund einer befürchteten weiteren Radikalisierung und der Furcht vor dem Zusammenbruch der staatlichen Organisation verzichtete die MSPD auf die Durchsetzung von weitergehenden Reformschritten in der ersten Revolutionsphase. Stattdessen kam es zu Absprachen zwischen der Obersten Heeresleitung unter General Wilhelm Groener und Friedrich Ebert (Ebert-Groener-Pakt). Auch im Regierungsapparat blieben selbst erklärte Gegner der Revolution auf ihrem Posten. Der Kompromiss mit den alten Gewalten führte dazu, dass diese sich behaupten konnten. Nach der Konsolidierung der Verhältnisse war später eine Demokratisierung und Republikanisierung insbesondere des Militärs kaum noch möglich.[44]

Die angekündigte Versammlung der Arbeiterräte fand als so genannter Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 statt. Die Mehrheit der Delegierten von fast 60 % stand der MSPD nahe. Trotz einiger weiterreichender Beschlüsse wie die Sozialisierung der Industrie unterstützte die Versammlung im Kern die Politik Eberts und legte gegen den Willen der USPD, die eine Nationalversammlung möglichst spät einberufen wollte, um bis dahin nach revolutionären Recht noch Fakten schaffen zu können, den Wahltermin auf den 19. Januar 1919 fest. Für den radikalen Flügel der USPD, die sich an der Oktoberrevolution orientierten, war dies nicht akzeptabel. Nicht zuletzt aus diesem Grund spaltete sich zum Jahreswechsel 1918/19 die KPD als eigenständige Partei von der USPD ab.[45]

Über die Kompetenzen des vom Reichsrätekongresses beschlossenen Zentralrats gab es heftige Konflikte zwischen USPD und MSPD. Die Koalition scheiterte endgültig an der Frage nach dem Einsatz von Militär Weihnachten 1918. Nach dem Austritt der USPD aus der Regierung, trat unter anderem Gustav Noske in das Gremium ein. Während des so genannten Spartakusaufstandes im Januar 1919 übernahm Noske den Auftrag zur Niederschlagung des Aufstandes mit den Worten: „Einer muss den Bluthund machen.“ Obwohl zu diesem Zeitpunkt durchaus republikanische Schutztruppen vorhanden waren, griff er auf Freikorps zurück. Diese schlugen den Aufstand blutig nieder und ihre Offiziere, die der extremen Rechten nahestanden, befahlen darüber hinaus die Ermordung zahlreicher Politiker und Anhänger der KPD. Unter diesen waren Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Wahlkampfkorso der SPD vor der Wahl zur Nationalversammmlung, Berlin, Januar 1919

Bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung erfüllten sich die Hoffnungen der Sozialdemokraten auf eine absolute Mehrheit und damit einen großen politischen Entscheidungsspielraum nicht. Die MSPD kam auf 37,9 % und die USPD auf 7,6 %. Zusammen waren dies 45,5 %. Anstelle der erhofften Arbeiterregierung bildeten MSPD, die katholische Zentrumspartei und die linksliberale DDP die so genannte Weimarer Koalition.[46]

Die Sozialdemokratie und die politische Radikalisierung 1919/1920

Die Weimarer Nationalversammlung wählte am 11. Februar 1919 den bisherigen Reichskanzler Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Damit war erstmals ein Sozialdemokrat deutsches Staatsoberhaupt. Das Amt behielt Ebert bis zu seinem Tod im Jahr 1925. Die Position des Kanzlers übernahm Phillipp Scheidemann. Den Vorsitz der SPD übernahmen Otto Wels und Hermann Müller.

Nicht zuletzt das gewaltsame Vorgehen gegen die linke Opposition Ende 1918 und Anfang 1919 führte zu einer Radikalisierung der Arbeiter- und Soldatenräte. Im Frühjahr 1919 kam es vor allem im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland zu Streikbewegungen, bei denen neben der Durchsetzung von Lohnforderungen die angekündigte Sozialisierung der Wirtschaft eingefordert wurde. In einigen Ländern (Bayern, Bremen) entstanden Räterepubliken, die von der mehrheitssozialdemokratisch geführten Regierung schließlich mit regulären Militär und Freikorps aufgelöst wurden.

Stimmenanteil der SPD bei der Wahl zur Nationalver-
sammlung 1919 und den Reichstagswahlen 1920–1933[47]
Jahr Stimmen
Januar 1919 37,9 %
Juni 1920 21,7 %
Mai 1924 20,5 %
Dezember 1924 26 %
Mai 1928 29,8 %
September 1930 24,5 %
Juli 1932 21,6 %
November 1932 20,4 %
März 1933 18,3 %

Eine Folge des Linksrucks in der Arbeiterbevölkerung war, dass die USPD Zustrom nicht nur von enttäuschten Mitgliedern der MSPD, sondern auch von vielen bislang unorganisierten Arbeitern erhielt. Die Mitgliederzahl wuchs von 300.000 im März bis auf 700.000 im November 1919. Allerdings überdeckte dieser Erfolg die inneren Spannungen zwischen ihrem linken und rechten Flügel.

Die MSPD stand in der Regierung vor der Frage der Annahme des Versailler Vertrages. Strikt dagegen war etwa Reichskanzler Scheidemann, der sich mit dieser Haltung nicht durchsetzen konnte und daher zurücktrat. Letztlich sah sich die Mehrheit der Reichstagsfraktion aus Mangel an Alternativen zur Zustimmung gezwungen. Die politische Rechte nutzte diese Entscheidung in den folgenden Jahren propagandistisch aus und diffamierte die SPD als „Novemberverbrecher“. Nachfolger Scheidemanns als Regierungschef wurde Gustav Bauer (bis 27. März 1920). Im März 1920 wurde der Bestand der Republik durch den Kapp-Putsch zum ersten Mal von Rechts bedroht. Die Putschisten scheiterten jedoch am Generalstreik der Gewerkschaften. Die zeitweise von den Gewerkschaften erneuerte Hoffnung auf eine Arbeiterregierung erfüllte sich freilich nicht. Im Ruhrgebiet setzten stattdessen die teils linkssozialistisch, teilweise bereits kommunistisch orientierten Arbeiter den Ausstand fort, der sich zum so genannten Ruhraufstand entwickelte. Mit Hilfe von Truppen, die kurz zuvor noch auf Seiten von Kapp gestanden hatten, ließ die neue Regierung unter Hermann Müller den Aufstand gewaltsam brechen.

Der Kapp-Putsch und die Reichstagswahlen vom Juni 1920 bilden in mehrfacher Hinsicht eine tiefe Zäsur. Die revolutionäre Anfangsphase der Republik war damit zu Ende. Bei der Reichstagswahl hat die MSPD deutlich verloren (21,7 %), während die USPD (18,8 %) fast gleichauf lag. Dies bestätigte noch einmal den Linksschwenk im sozialdemokratischen Lager. Da im bürgerlichen Lager ein deutlicher Rechtsschwenk zu verzeichnen war, hatte die Weimarer Koalition ihre Mehrheit verloren, die SPD wurde Oppositionspartei. Zur Zäsur für die sozialdemokratische Bewegung wurde das Jahr 1920 auch, weil die Mehrheit der USPD auf ihrem Parteitag dem Übertritt zur kommunistischen Internationale und den Zusammenschluss mit der KPD beschloss. Erst seither war diese eine Massenpartei. Der Rest der USPD blieb zunächst unabhängig, sie wurde aber in den folgenden Jahren zwischen MSPD und KPD zerrieben.[48]

Die Sozialdemokratie in der Weimarer Republik

In den Jahren nach dem Ende der sozialdemokratischen politischen Dominanz hat sich die SPD im Reich nur bis 1924 an Koalitionsregierungen unter der Führung anderer Parteien beteiligt. Erst 1928 stellte sie bis 1930 mit Hermann Müller noch einmal den Reichskanzler. In der Endphase der Republik war sie wieder in der Opposition.

Ausbau und Grenzen des sozialistischen Milieus

Für die anhaltende Bedeutung der Vorkriegsstrukturen spricht, dass die Zahl und Reichweite der sozialistischen Nebenorganisationen nach dem Ersten Weltkrieg noch deutlich zunahm. Dabei waren in ihnen vielfach lange Zeit noch Sozialdemokraten und Kommunisten gemeinsam vertreten. Allerdings existiert in der Forschung die These, dass die Bindewirkung dieser Organisationen angesichts von konkurrierenden Freizeitangeboten wie Kino, Radio oder Massensportveranstaltungen nachgelassen hätte. Zahleiche Organisationen wurden erst nach 1919 gegründet. Dazu gehörten die Arbeiterwohlfahrt, die Jusos, die Kinderfreunde, der Arbeiter-Radio-Bund aber auch Organisationen für Lehrer, Juristen, Gewerbetreibende, Vegetarier und zahlreiche andere Gruppierungen. Die alten Organisationen expandierten deutlich. Der Arbeiter Turn- und Sportbund wuchs von 120.000 auf 570.000 Mitglieder an. Der proletarische Freidenkerverband stieg von 6500 auf 600.000 Mitglieder an. Geografisch erreichte das Vereinswesen nun auch Orte, in denen es vor dem Krieg noch nicht vertreten war. Allerdings gab es weiter große Unterschiede zwischen Stadt und Land oder katholischen und protestantischen Regionen. Auch zeitlich verlief die Entwicklung unregelmäßig. Durch die Hyperinflation gerieten die Organisationen in eine tiefe Krise, sie konnten sich aber meist bis 1926 wieder erholen und wuchsen in den folgenden Jahren stark an, ehe mit der Weltwirtschaftskrise ein weiterer Einbruch erfolgte. In unterschiedlicher Weise wirkte sich gerade am Ende der Republik auch die Konkurrenz von SPD und KPD auf die Organisationen aus. Bei aller äußerlichen Ähnlichkeit blieb die Abgrenzung gegenüber den bürgerlichen Vereinen groß. Das sozialistische und marxistische Weltbild blieb stark ausgeprägt. Insgesamt gab es Ansätze zu einem Aufweichen des sozialistischen Milieus, aber diese Tendenzen blieben begrenzt. Auch während der Republik sorgten neben den Vereinen die sozialdemokratischen Familien und Nachbarschaften für eine Reproduktion des Milieus. Allerdings gab es dabei erhebliche Bindungsunterschiede, was sich auch in den Fluktuationen des Vereinslebens widerspiegelt.[49] Zudem gab es zahlenmäßig eher unbedeutende Strömungen, die dem klassischen Arbeitermilieu eher fern standen, aber für die spätere Entwicklung von Bedeutung waren. Dazu zählte etwa der religiöse Sozialismus deren Anhänger sich teilweise im Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands organisierten.

Politik in den Kommunen und in den Ländern

Politik spielte sich in der Weimarer Republik nicht nur auf Reichsebene ab. Im kommunalen Bereich konnten Sozialdemokraten nach dem Ende des Dreiklassenwahlrechts in Preußen und vergleichbaren Einschränkungen in anderen Ländern politische Verantwortung übernehmen. Je nach Wählerstruktur war die politische Bedeutung in den Ländern unterschiedlich.

Otto Braun, porträtiert von Max Liebermann, 1932

In Preußen als dem mit Abstand größten Land konnte die SPD unter Ministerpräsident Otto Braun ihre politische Vormachtstellung bis in die Endphase der Republik hinein behaupten. Zwischen 1919 und 1932 stellte die SPD mit kurzen Unterbrechungen die Regierung und prägte sie als Führungskraft. Politiker wie Carl Severing bauten den einstigen Obrigkeitsstaat mit republikanischen Reformen in Polizei und Verwaltung zum demokratischen „Bollwerk Preußen“ gegen die extreme Rechte und Linke aus. Wenngleich die Reformen des von den Zeitgenossen als System Braun-Severing bezeichneten Kurses deutlich Grenzen aufwiesen, hatten sie Preußen stark verändert. Mit dem so genannten Preußenschlag 1932 endete die sozialdemokratische Vormachtstellung auch in diesem Land.[50]

Ein weiteres Beispiel für teilweise starke Kraft der SPD in den Ländern ist Sachsen, wo die SPD durchgehend die stärkste Fraktion stellte und nie unter die 30-%-Marke[51] fiel. Im Unterschied dazu war sie zum Beispiel in Württemberg zwar oft stärkste oder zweitstärkste Kraft, jedoch seit 1923 nicht mehr an der Regierung beteiligt. Im benachbarten Baden gelang der SPD die Regierungsbeteiligung in einer Weimarer Koalition von 1918 bis 1930 und darüber hinaus mit Zentrum und DVP bis 1932. Im Volksstaat Hessen regierte die SPD an der Spitze einer Weimarer Koalition von 1918 bis 1933. In Bayern dagegen dauerte die Regierung der SPD in verschiedenen Koalitionen lediglich von November 1918 bis März 1920.

Die Entwicklung bis zu den Krisenjahren 1923/24

Bereits 1921 kehrte die SPD in einer Koalitionsregierung unter dem Zentrumskanzler Joseph Wirth in die Regierungsverantwortung zurück. Auf ihrem Görlitzer Parteitag im selben Jahr verabschiedete die SPD ein neues Programm. Das Görlitzer Programm bekannte sich ausdrücklich zur Weimarer Republik. „Sie betrachtet die demokratische Republik als die durch die geschichtliche Entwicklung unwiderruflich gegebene Staatsform, jeden Angriff auf sie als ein Attentat auf das Lebensrecht des Volkes.“ Ideologisch enthielt das Programm zwar noch einige marxistische Elemente – es hielt etwa am Klassenkampfbegriff fest – aber es war deutlich revisionistischer als das Erfurter Programm. Von Bedeutung ist es im Rückblick, weil die Partei nicht mehr nur die Industriearbeiterschaft in den Blick nahm, sondern sich in Art einer Volkspartei als „Partei des arbeitenden Volkes in Stadt und Land“ begriff.[52]

Sozialdemokratische Regierungsbeteiligung („R“ für Regierung) 1918–1933[53]
Zeitraum Art Kabinett Dauer
03.10.1918–09.11.1918 R-Beteiligung Kabinett Max von Baden 1,2 Monate
10.11.1918–13.02.1919 R-Vorsitz Rat der Volksbeauftragten 3 Monate
13.02.1919–20.06.1919 R-Vorsitz Kabinett Scheidemann 4,2 Monate
21.06.1919–27.03.1920 R-Vorsitz Kabinett Bauer 9,2 Monate
27.03.1920–21.06.1920 R-Vorsitz Kabinett Müller I 2,8 Monate
10.05.1921–22.10.1921 R-Beteiligung Kabinett Wirth I 5,4 Monate
26.10.1921–14.11.1922 R-Beteiligung Kabinett Wirth II 12,6 Monate
13.08.1923–04.10.1923 R-Beteiligung Kabinett Stresemann I 1,7 Monate
06.10.1923–23.11.1923 R-Beteiligung Kabinett Stresemann II 1,5 Monate
28.06.1928–27.03.1930 R-Vorsitz Kabinett Müller II 21 Monate

Die Hoffnung auf Gewinnung neuer Wählerschichten war nicht ganz realitätsfern, konnte die Sozialdemokratie doch unmittelbar nach Kriegsende nicht wenige Landarbeiter im Osten Deutschlands aber auch kleine und mittlere Beamte und Angestellte anziehen. Auf mittlere Sicht konnte sie diese Gruppen nur in geringen Maß binden und die SPD blieb im Kern eine klassische Arbeiterpartei. Dies hing auch damit zusammen, dass der volksparteilich-revisionistische Kurs in der Partei schon bald nicht mehr mehrheitsfähig war. Der Grund dafür war, dass die Mehrheit der Rest-USPD 1922 zur SPD zurückkehrte, deren linker Flügel sie damit deutlich stärkte. Die Wiedervereinigung bedeutete eine beachtliche Stärkung der Partei. Sie hatte nunmehr 1,2 Millionen Mitglieder und verfügte über 36 % der Reichstagsmandate. Die Hoffnung auf eine ruhige politische Entwicklung nach dem Ende der Revolutionsjahre erfüllte sich nicht. Die politischen Morde von Rechts an Matthias Erzberger und 1922 an Walter Rathenau führten zum Zusammenrücken der demokratischen Parteien ehe der Staat 1923 erneut in eine tiefe Existenzkrise geriet. Über alle Parteigrenzen hinweg führte die Ruhrbesetzung zu heftigen Protesten. Die Kosten des von der Regierung verkündeten passiven Widerstandes waren aber auch der letzte Auslöser für eine hyperinflationäre Entwicklung bis hin zum fast völligen Wertverlust der deutschen Währung. Nach einer kurzen Zeit in der Opposition kehrte die SPD unter Reichskanzler Gustav Stresemann in die Regierung zurück, weil ihre Führung der Meinung war, dass die Überwindung der Krise nur auf Basis eines breiten Bündnisses möglich sei. Das unterschiedliche Verhalten der Regierung, auf der einen Seite die Reichsexekution gegen die sozialdemokratisch-kommunistische Koalitionsregierung in Sachsen und auf der anderen Seite die Hinnahme des antirepublikanischen Regimes in Bayern, führten zum Austritt der SPD aus der Reichsregierung.

Die Gefährdung der Republik von Rechts führte Anfang 1924 zur Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold als Organisation zum Schutz der Republik. Obwohl offiziell überparteilich, stand die übergroße Mehrzahl der Mitglieder der SPD nahe.

Die Stabilisierungspolitik, teilweise mit Zustimmung der SPD, wurde durch ein massives Absenken der Reallöhne und der Abschaffung zentraler Errungenschaften der Revolution wie etwa die Einschränkung des Achtstundentags oder dem Ende der institutionalisierten Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Zentralarbeitsgemeinschaft erkauft. Der SPD als der Staatspartei der ersten Weimarer Jahre wurde für die soziale Not während und nach der Inflation von den Wählern (nicht wirklich zu Recht) ein hohes Maß an Verantwortung zugewiesen. Die Arbeiterwähler gingen dabei vielfach zur KPD über. Kamen beide sozialdemokratische Parteien 1920 noch auf über 40 % der Wähler, waren es bei der ersten Reichstagswahl des Jahres 1924 nur noch 20,5 %. Dagegen nahm der Anteil der KPD von 2,1 % 1920 auf 12,6 % deutlich zu. Wie abhängig der Wählerwille von der jeweils aktuellen Lage war, zeigt der Ausgang der Wahlen im Dezember 1924, als die KPD Verluste vorwiegend zu Gunsten der SPD hinnehmen musste. Zusammengenommen verlor das Lager der Arbeiterparteien (USPD, MSPD, KPD) von 1919 (45,5 %) bis Dezember 1924 (34,9 %) insgesamt beträchtlich an Rückhalt.

Die Sozialdemokratie in der Mittelphase der Republik

Für die Bildung einer Regierung wurde die Partei nicht mehr benötigt und so dominierten in den folgenden Jahren die bürgerlichen Parteien zusammen mit dem Zentrum die Politik. Bezeichnend für den Wandel des politischen Klimas war die nach dem Tod Friedrich Eberts notwendig geworden Reichspräsidentenwahl. Der erste Wahlgang brachte einen Stimmenanteil von 29 % für den SPD-Kandidaten Otto Braun. Allerdings wurde im zweiten Wahlgang nicht der von der SPD unterstützte Kandidat Wilhelm Marx, sondern Paul von Hindenburg – ein Repräsentant des Kaiserreichs – gewählt.

Fahne eines Ortsvereins des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold

Der Verlust der Regierungsverantwortung im Reich aber auch die Eingliederung der ehemaligen USPD-Mitgliedern führten dazu, dass sich in der Partei wieder stärker die Traditionen einer Solidargemeinschaft der Industriearbeiter durchsetzte. Dies spiegelt das Heidelberger Programm von 1925 deutlich wider, das sich in weiten Teilen wieder an das Erfurter Programm und den marxistischen Positionen der Vorkriegszeit anlehnte. Zukunftsweisend war, dass die Partei im Bereich der internationalen Politik die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ und eine europäische Wirtschaftseinheit forderte. Der Rückzug auf die Zielgruppe der Industriearbeiterschaft hatte nicht nur ideologische Gründe. Vielmehr war dies auch eine Reaktion darauf, dass es der Partei nicht gelungen war, die unmittelbar nach der Novemberrevolution gewonnenen Landarbeiter, Angestellten und Beamte dauerhaft zu binden. Die Gründung der Alten Sozialdemokratischen Partei Sachsens (ASPS, später ASPD) im März 1926 durch 23 aus der Partei ausgeschlossene, zum rechten Parteiflügel zählenden sächsische Landtagsabgeordnete führte außerhalb Sachsens zu keiner Schwächung der SPD.

Wenn auch der Anstoß zum Volksentscheid über das Fürstenvermögen im Jahr 1926 von der KPD ausging, zeigte sich die SPD kampagnenfähig. Für die politische Linke war diese Bewegung ein großer Erfolg. Die 14,5 Millionen Ja-Stimmen waren 4 Millionen mehr als SPD und KPD bei der letzten Reichstagswahl erzielt hatten. Eindrücklich bestätigt wurde die Erholung der SPD bei der Reichstagwahl von 1928 als die SPD erheblich dazugewann und auf fast 30 % der Stimmen kam. Dabei gelang es ihr in einem nennenswerten Maße in das Lager katholischer Arbeiter einzudringen, die bisher meist für das Zentrum gestimmt hatten. Aus den Wahlen ging das Kabinett Müller II unter Reichskanzler Hermann Müller hervor. Diese große Koalition war von Beginn an von potentiellen Bruchstellen durchzogen. Große sozial- und wirtschaftspolitische Gegensätze bestanden etwa zwischen der Arbeiterpartei SPD und der stark von industriellen Interessen geprägten DVP. Problematisch war auch das Verhältnis zum Zentrum, das sich nach den Wahlen stärker nach Rechts orientierte. Auch innerhalb der SPD gab es nicht wenige, die eine erneute Regierungsbeteiligung ablehnten und vor den nötigen Kompromissentscheidungen warnten. Der Konflikt um den Panzerkreuzer A wurde zur Zerreißprobe. Hatte die SPD im Wahlkampf noch gegen dieses Projekt gekämpft, sah sich der sozialdemokratische Regierungsflügel nunmehr aus verschiedensten Gründen zur Zustimmung genötigt, was innerhalb der Partei zu erheblichen Protesten führte. Erste Spannungen zwischen den Koalitionspartnern brachen mit der großen Aussperrung im Ruhreisenstreit auf. Von Links wurde die SPD von der KPD, die sich zu dieser Zeit in ihrer so genannten ultralinken Phase befand, als Sozialfaschisten diffamiert und die Kommunisten verstärkten in den Gewerkschaften und dem sozialistischen Vereinswesen die Abspaltung und Gründung eigener Organisationen. Bestärkt wurde die KPD durch das gewaltsame Zerschlagen einer verbotenen Mai-Demonstration (Blutmai) auf Befehl des sozialdemokratischen Berliner Polizeipräsidenten Karl Friedrich Zörgiebel im Jahr 1929. Im März 1930 zerbrach das Kabinett am Streit zwischen SPD und DVP an unterschiedlichen Haltungen zur Arbeitslosenversicherung.

Die SPD in der Defensive seit 1930

Antinationalsozialistischer Aufmarsch der SPD im Berliner Tiergarten 1930

Das Ende der Regierung Müller bedeutete auch das Ende des parlamentarischen Regierungssystems. Bereits der Nachfolger Heinrich Brüning stützte sich letztlich auf die Autorität des Reichspräsidenten und den Artikel 48 der Reichsverfassung.

Wirtschaftlich geprägt wurden das Ende der Republik von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, die anders als bei früheren Konjunkturschwankungen wie 1925/26 nicht nach einigen Monaten überwunden werden konnte, sondern über Jahre die Wirtschaft in eine Krise stürzte. Dies führte zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosen und zu einer weit verbreiteten sozialen Not.

Dennoch wurde die Deflationspolitik Brünings, die mit massiven Sparmaßnahmen verbunden war, von der SPD im Kern mitgetragen, wenngleich sie auf eine gerechtere Verteilung der Lasten drängte. Die Auflösung des Reichstags und die Neuwahlen von 1930 schwächten die gemäßigten Parteien und stärkten die Radikalen, die Sozialdemokraten verloren über 15 % ihrer Stimmen. Die NSDAP, die bisher nicht vielmehr als eine Splitterpartei gewesen war, konnte sich mit über 18 % der Stimmen als zweitstärkste politische Kraft etablieren.

In den folgenden Jahren geriet die SPD immer stärker in die Defensive. Sie entschied sich für eine Tolerierung des Präsidialkabinetts Brüning („konstruktive Opposition“). Die Partei hoffte dadurch einer Annäherung der NSDAP an Brüning oder einem Regieren jenseits der Verfassung vorzubeugen. Diese Kompromisspolitik war bei den eigenen Anhängern, aber auch bei potentiellen Wählern nicht attraktiv. Angesichts der sozialen Not gingen vor allem jüngere Arbeiterwähler zur KPD oder in einem gewissen Umfang auch zur NSDAP über.

Immerhin versuchte die SPD zusammen mit den freien Gewerkschaften und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold seit 1931 der SA und dem Rotfrontkämpferbund der KPD mit der Eisernen Front eine republikanisch orientierte Schutzformation entgegenzusetzen. So eindrucksvoll deren Massenaufmärsche auch waren, übte die Organisation kaum Einfluss auf die Entwicklung aus.

Innere Kritik und neue Organisationen

Für viele Mitglieder aber auch in weiten Teilen der linken Öffentlichkeit stieß die Politik der Parteiführung auf scharfe Kritik. Daneben gab es auch Forderungen nach einer Einheitsfront von SPD und KPD und nach Überwindung der Spaltung der marxistischen Arbeiterbewegung.

Bereits die Politik der Großen Koalition war auf heftige Kritik des linken Flügels der Partei gestoßen. Diese Tendenzen verstärkte sich vor dem Hintergrund der Toleriungspolitik weiter. Schließlich wurden die linken Protagonisten Max Seydewitz und Kurt Rosenfeld aus der Partei ausgeschlossen. Zusammen mit anderen Kritikern wurde 1931 die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP; teilweise auch SAPD genannt) gegründet, in der auch die bis dahin noch als Kleinpartei existierende USPD unter deren letztem Vorsitzenden Theodor Liebknecht aufging. Das Ziel der SAP war es, eine einheitliche revolutionäre Organisation auf nationaler und internationaler Grundlage zu schaffen. Die neue Partei grenzte sich deutlich von der SPD sowie der KPD ab. Die Partei hatte einige Schwerpunkte, etwa in Leipzig, Dresden oder Breslau. Zuspruch erfuhr sie auch von linken Intellektuellen wie Albert Einstein oder Lion Feuchtwanger. Erfolgreich war sie in Teilen der sozialistischen Jugendbewegung. So kam Herbert Frahm (der spätere Willy Brandt) aus diesem Umfeld. Eine gewisse Anziehungskraft übte die Partei auf Mitglieder linker Splittergruppen wie die USPD und KPO aus. Allerdings gelang es ihr weder, den linken Flügel der SPD insgesamt für sich zu gewinnen, noch unter den Wählern einen nennenswerten Einfluss gewinnen zu können. Bei den Reichstagswahlen vom Juli 1932 kam sie nur auf 0,2 % der Stimmen.[54]

Innerhalb der SPD wurde der Kurs der Partei auch von der so genannten Neuen Rechten kritisiert, zu der eine ganze Reihe später einflussreicher jüngerer Funktionäre und Abgeordneten (Carlo Mierendorff, Julius Leber, Theodor Haubach, Kurt Schumacher) zählten. Diese forderten, dass die Partei auch außerhalb der parlamentarischen Bühne wieder zu einem Machtfaktor werden solle. Sie sollte vor allem nicht nur defensiv Stellung nehmen, sondern offensiv eine sozialistische Vision für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verbreiten. Die Parteiführung sah darin nur einen Angriff auf die altbewährte Ideologie und Taktik sowie jugendlichen Übermut. Am Kurs der Partei änderte die innere Kritik kaum etwas.[55]

Die Sozialdemokratie am Ende der Republik

Wie weit die Tolerierungspolitik ging, zeigt die Reichspräsidentenwahl von 1932. Von Anfang an verzichtete die SPD auf einen eigenen Kandidaten und sprach sich aus Furcht vor einem Reichspräsidenten Adolf Hitler für die Wiederwahl des eher antirepublikanischen Paul von Hindenburg aus. Nach dessen Wiederwahl wurde der extrem konservative Franz von Papen zum Reichskanzler ernannt, von dem keine Rückkehr zum parlamentarischen System zu erwarten war. Vielmehr sorgte er dafür, dass die SPD eine ihrer letzten einflussreichen politischen Positionen einbüßte. Bei den Landtagswahlen vom 24. April 1932 hatte die preußische Regierungskoalition um Otto Braun ihre parlamentarische Mehrheit verloren und war seither nur noch geschäftsführend im Amt. Diese Situation nutzte von Papen am 20. Juli 1932 beim so genannten Preußenschlag aus. Die Regierung wurde abgesetzt und von Papen ernannte sich selbst zum Staatskommissar in Preußen. Ein möglicher Generalstreik wie 1920 beim Kapp-Putsch kam wegen der Arbeitslosigkeit nicht in Frage. Während in Teilen der eisernen Front die Bereitschaft groß war, gegen den Preußenschlag notfalls auch mit Gewalt vorzugehen, verzichtete die Parteiführung auf diesen Schritt. Joseph Goebbels urteilte, nicht ganz unzutreffend: „Man muss den Roten nur die Zähne zeigen, dann kuschen sie. SPD und Gewerkschaften rührten nicht einen Finger (…). Die Roten haben ihre große Stunde verpaßt. Sie kommt nicht wieder.[56]

Neben der anhaltenden sozialen Not führte die Enttäuschung über das unentschlossene Verhalten der Parteiführung dazu, dass die SPD in den beiden Reichstagswahlen von 1932 weiter an Gewicht verlor. Bei der Juliwahl lag sie mit etwas mehr als 21 % mit deutlichem Abstand hinter der NSDAP. Bei der Novemberwahl hatte die NSDAP zwar verloren. Aber die SPD musste erneut leichte Verluste hinnehmen, die vor allem der KPD zugute kamen. Diese lag mit fast 17 % nur knapp hinter der SPD.

Otto Wels auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost (1973))

In den folgenden letzten Monaten der Republik hielt die SPD unbeirrt an ihrem Legalitätskurs fest. Auch nach dem Antritt der Regierung Hitler am 30. Januar 1933 wurde dieser weiter unterschätzt und die Parteiführung baute weiterhin auf die eigene Organisationskraft. Dass die neue Regierung sich keineswegs an die Verfassung halten wollte, zeigte sich nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933, in deren Folge wichtige Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Bereits die Reichstagswahlen vom März 1933 waren nicht mehr völlig frei. Trotz Einschüchterung und einigen Verlusten konnten die SPD wie auch das Zentrum ihre Kernwählerschaft behaupten. Die Koalition aus NSDAP und DNVP verfügte zwar über eine parlamentarische Mehrheit, für das Ziel der Regierung die parlamentarische Demokratie auf formal legalem Wege abzuschaffen, brauchte sie jedoch im Reichstag eine Zweidrittelmehrheit. Aus verschiedenen Gründen gelang es, die Reste der bürgerlichen Parteien und das Zentrum zur Zustimmung für ein Ermächtigungsgesetz (Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich) zu bewegen. In der Reichstagssitzung vom 23. März 1933 stimmte nur die SPD dagegen (die kommunistischen Abgeordneten waren entweder bereits verhaftet oder wurden an der Teilnahme gehindert). Die Begründung des Fraktionsführers Otto Wels gilt auch heute noch als ein Höhepunkt der deutschen Parlamentsgeschichte:

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. (...) Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. (...) Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft.

Otto Wels[57]

Emigration und Verfolgung während des Nationalsozialismus

Ein Großteil des Vorstandes emigrierte ins Ausland. Ein Teil der Führungsmitglieder, der auf eine moderate Verfolgungspraxis wie zu Zeiten des Sozialistengesetzes hoffte, blieb zurück und versuchte, mit Konzessionen an das Regime den Fortbestand der Partei zu sichern. Dazu gehörte etwa der Austritt aus der Zweiten Internationalen. Noch weiter gingen die freien Gewerkschaften, die sich nun ausdrücklich von der SPD distanzierten und am nationalsozialistischen Tag der Deutschen Arbeit am 1. Mai 1933 teilnahmen. Nur ein Tag später wurden die Gewerkschaftshäuser besetzt und die Gewerkschaften aufgelöst. Auch der sozialdemokratischen Rumpffraktion wurde ihre Zustimmung zur nationalsozialistischen Friedensresolution am 17. Mai 1933 nicht gedankt. Stattdessen wurde am 22. Juni ein Betätigungsverbot erlassen[58]. In den darauffolgenden Tagen folgte die Selbstauflösung aller anderen Parteien (zuletzt des Zentrums am 5. Juli) und am 14. Juli dann das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien, mit dem die Existenz einer einzigen Partei, der NSDAP, gesetzlich festgeschrieben und jegliches Wirken für andere Parteien unter Strafe gestellt wurde[59], wobei bei den Sozialdemokraten, wie schon bei den Kommunisten, auch ein Vermögenseinzug gesetzlich verankert wurde[60]. Am selben Tag wurde mit dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit die Grundlage für Ausbürgerungen der ins Ausland Geflüchteten geschaffen. Zuvor waren am 7. Juli durch die Verordnung zur Sicherung der Staatsführung des Reichsinnenministers Frick sämtliche SPD-Abgeordnetenmandate im Reichstag, in den Landtagen und den Gemeindeparlamenten aufgehoben worden[61].

Zahlreiche führende und einfache Mitglieder der Partei waren schon vorher verhaftet worden. Nicht wenige starben in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern. Die Masse der Mitglieder versuchte innerhalb des sozialdemokratischen Milieus, etwa im Vereinswesen getarnt als Gesangsverein, die Verbindung untereinander aufrecht zu erhalten. An Widerstandsaktionen beteiligte sich die Masse der Mitglieder, auch aus Rücksicht auf die Familien, nicht. Zu den wenigen gehörten die sich aus Strukturen des Reichsbanners rekrutierenden Gruppen um Theodor Haubach und Karl Heinrich in Berlin oder um Walter Schmedemann in Hamburg. Die organisatorische Basis sozialdemokratischer Widerstandsgruppen bildeten häufig nicht SPD-Organisationen sondern Schufo- oder Jungbannergruppen des Reichsbanners oder SAJ-Gruppen dar, in welchen sich aktivistisch orientierte, häufig jüngere SPD-Mitglieder sammelten.

Eine im Vergleich mit ihrer geringen Bedeutung während der Republik großen Anteil am Widerstand hatten einige linkssozialistische Gruppen. Dazu zählten neben der SAP die sich überwiegend aus in kritischer Distanz zur SoPaDe stehenden SPD- oder SAJ-Mitgliedern rekrutierenden Organisationen Neu Beginnen, Revolutionäre Sozialisten Deutschlands, Sozialistische Front und Roter Stoßtrupp und nicht zuletzt der (wie die SAP außerhalb der SPD stehende) Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK). Der letztgenannte verstand sich nicht als marxistisch, sondern knüpfte an den Philosophen Leonard Nelson an. Von anhaltender Bedeutung war, dass überdurchschnittlich viele Mitglieder dieser Gruppen wie beispielsweise Willy Brandt, Fritz Erler, Willi Eichler oder Erwin Schoettle nach dem Krieg Einfluss in der SPD gewannen.

Die ins Ausland geflüchtete Parteiführung der SPD nannte die Exilorganisation SoPaDe. Diese distanzierte sich vom Legalitätskurs, wie ihn zuletzt die Rumpffraktion gezeigt hatte, und rückte insgesamt stärker nach links, wie dies etwa im maßgeblich von Rudolf Hilferding verfassten Prager Manifest deutlich wurde. Stärker als zuvor setzte sie auf eine Vereinigung mit den linkssozialistischen Splittergruppen, nicht aber mit der KPD. Erst als die Komintern ihren Sozialfaschismusvorwurf 1935 fallen gelassen hatte, war eine Zusammenarbeit von der KPD über die kleinen Gruppen bis hin zur SPD denkbar geworden. Dennoch blieb das Misstrauen groß. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die deutsche Wehrmacht floh die Exilpartei nach Paris und von dort aus kaum zwei Jahre später nach London. Dort schlossen sich 1941 in der Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien die Sopade, die SAP, der ISK und die Gruppe Neu-Beginnen in einem Dachverband zusammen. Dies war ein zentraler Schritt zur Überwindung der Spaltung der sozialistischen Arbeiterbewegung. Auch in anderen Ländern versuchten sich die sozialdemokratischen Exilanten zu organisieren. In den USA entstand etwa die German Labour Delegation, die dazu beitrug, nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Armee hunderte Sozialdemokraten vor der Verhaftung zu bewahren.

Einzelne SPD-Mitglieder wie Julius Leber, Adolf Reichwein oder Wilhelm Leuschner waren an den Planungen, die zum Aufstandsversuch am 20. Juli 1944 führten, beteiligt oder gehörten dem Kreisauer Kreis an. Nach dessen Ende kam es noch einmal zu einer umfassenden Verhaftungswelle zahlreicher ehemaliger Sozialdemokraten und anderer Oppositioneller in der so genannten Aktion Gitter.[62]

Die SPD während der Besatzungszeit 1945–1949

Vereinigungsparteitag der KPD und der SPD zur SED, Händedruck zwischen Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck

Unmittelbar nach Kriegsende, zum Teil kurz nach der Befreiung der einzelnen Orte, begann aus lokalen Initiativen der Wiederaufbau der SPD. Diese erhob dabei den Anspruch, dass die Sozialdemokratie als einzige Partei vom Nationalsozialismus und vom Scheitern der Weimarer Republik unbelastet sei und ihr daher die führende Rolle beim Aufbau eines nachfaschistischen Deutschlands zukommen müsse.[63] Organisatorisch ging der Wiederaufbau rasch vonstatten. Bereits gegen Ende des Jahres 1946 war die SPD in den Westzonen und Berlin mit etwa 700.000 Mitgliedern größer als 1931 in demselben Gebiet.[64] An der Basis war die Entwicklung der Partei zunächst eine Mischung aus alten Elementen und neuen Entwicklungen. In den meisten Fällen wurde die Entwicklung von Funktionären aus der Weimarer Zeit getragen. Allerdings zeigte das Scheitern der Rekonstruktion des sozialdemokratischen Vereinswesens, dass das alte sozialdemokratische Milieu nachhaltig geschwächt worden war.[65]

Zunächst unabhängig voneinander entstanden zwei Organisationszentren, die auf überregionaler Ebene begannen, die Partei wieder aufzubauen. Bereits am 15. Juni 1945 hatte sich in Berlin um Otto Grotewohl, unterstützt etwa von Gustav Dahrendorf oder Max Fechner, ein Zentralausschuss gebildet, der den Anspruch erhob, für die Partei im ganzen Reich zu sprechen. Von Hannover aus bemühte sich das „Büro Schumacher“ um den charismatischen Kurt Schumacher um den Wiederaufbau der Partei vor allem in den westlichen Besatzungszonen. Der SPD in den Westzonen schlossen sich relativ bald die Mitglieder der SAP und des ISK an, die zu einem Großteil aus dem Exil zurückkehrten. Aus dem Umkreis der ehemaligen Linkssozialisten stießen später so einflussreichen Personen wie Fritz Erler, Willy Brandt und Heinz Kühn, von den ethischen Sozialisten Willi Eichler oder frühere Kommunisten wie Herbert Wehner zur SPD. Hinzu kamen Persönlichkeiten mit einem demokratisch-bürgerlichen Hintergrund wie Carlo Schmid, Karl Schiller oder Heinrich Albertz.

Zentral für die zukünftige Entwicklung wurde die Wennigser Konferenz vom 5. bis 8. Oktober 1945. Dort setzte Schumacher durch, dass der Zentralausschuss nur für die Sowjetische Besatzungszone zuständig sein solle, und er als „Beauftragter für die Westzonen“ eingesetzt wurde. Ein Hauptgrund dafür war, dass Schumacher dem starken Einfluss der sowjetischen Besatzungsbehörden auf den Zentralausschuss misstraute. Gewissermaßen legitimiert wurde diese Lösung durch den Exilvorstand in London um Erich Ollenhauer.

Kurt Schumacher, erster Nachkriegsvorsitzender der SPD auf einer Zwei-DM-Münze

Unter den Mitgliedern von KPD und SPD gab es einen starken Drang zur Überwindung der Spaltung der marxistisch ausgerichteten Arbeiterbewegung. Auch Schumacher wollte zwar die Einheit, lehnte aber ein Zusammengehen mit der KPD, von der er sagte, sie sei keine deutsche Klassen- sondern eine fremde von der Sowjetunion dirigierte Staatspartei, kategorisch ab. Daher lehnte die Westpartei einen von Otto Grotewohl geforderten Reichsparteitag zur Beratung einer Vereinigung ab. Die Wiedererrichtung der Partei im nationalen Rahmen sei erst möglich, nachdem eine gesamtdeutsche Regierung gebildet worden sei, so Schumacher. Eine Befragung der Mitglieder zu dieser Frage fand lediglich in Berlin und nach Intervention der sowjetischen Besatzungsbehörden letztlich nur in den Westsektoren statt. Danach lehnten 82 % der Parteimitglieder einen sofortigen Zusammenschluss ab, aber immerhin 62 % befürworteten ein Bündnis beider Parteien.

In den Ostsektoren von Berlin und der sowjetischen Besatzungszone kam es am 21. April 1946 zur Vereinigung von SPD und KPD zur SED. Auf Grund des Druckes der im Vorfeld dabei auf die SPD ausgeübt worden war, hat sich dafür in Westdeutschland der Begriff der Zwangsvereinigung durchgesetzt.

Dies hat im Nachhinein die Richtigkeit einer strikten Abgrenzungspolitik von Schumacher bestätigt und seine Politik legitimiert. Vom 9. bis 11. Mai 1946 trat in Hannover ein Parteitag der SPD zusammen, der als Reaktion auf die Gründung der SED eine auf die Westzonen beschränkte Partei unter dem alten Namen SPD gründete. Schumacher wurde dabei mit 244 von 245 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt. Damit war die Gründungsphase der SPD in der Nachkriegszeit abgeschlossen.[66]

Die ersten Landtagswahlen verliefen für die SPD enttäuschend. Die beiden neuen Sammlungsparteien CDU und CSU überholten die Sozialdemokraten durchschnittlich mit über 37 % zu 35 % und die KPD konnte mit über 9 % noch ein nennenswertes Wählerpotential binden. Gleichwohl waren die Ergebnisse durchschnittlich deutlich besser als bei der Reichstagswahl von 1928. Dennoch konnte die SPD auch vor diesem Hintergrund ihr Ziel einer Sozialisierung der Wirtschaft nicht durchsetzen. Anfangs war die SPD mit dem marxistischen Ökonomen Viktor Agartz in der Bizone zwar für die Wirtschaftspolitik verantwortlich; im 1947 errichteten Wirtschaftsrat der Westzonen setzte sich allerdings Ludwig Erhard durch. Bei der Gestaltung des Grundgesetzes spielten sozialdemokratische Politiker, insbesondere Carlo Schmid und Walter Menzel, allerdings eine prägende Rolle.[67]

Sozialdemokraten in der DDR

Nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD wurden innerhalb der SED die sozialdemokratischen Einflüsse immer stärker in den Hintergrund gedrängt. Kritiker wurden aus der Partei ausgeschlossen oder verhaftet. Viele fielen den von Josef W. Stalin angeordneten Säuberungen zum Opfer. Eine Sondersituation herrschte auf Grund des für ganz Berlin geltenden Rechtes im Ostteil von Berlin. Dort existierte die SPD als legale Partei mit acht Kreisorganisationen wenn auch faktisch ohne Gestaltungsmöglichkeiten weiter. Nach dem Mauerbau 1961 wurde der Landesverband aufgelöst und die Mitglieder von ihren Pflichten der Partei gegenüber entbunden. Zum Schluss waren immerhin noch 5000 Einwohner des Ostsektors Mitglied der SPD. Insgesamt veranlassten die Verfolgungen viele Anhänger der Partei sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Viele flohen aber auch nach Westberlin oder nach Westdeutschland. Daneben gab es aber auch solche, die ganz ähnlich wie vor 1945 versuchten ihre alten Kontakte aufrecht zu erhalten. Dabei spielte auch die Hoffnung eine Rolle auf diesem Weg sozialdemokratische Positionen innerhalb der SED durchsetzen zu können. Damit war es allerdings mit dem Umbau der SED zu einer Partei neuen Typs weitgehend vorbei. Die SPD im Westen versuchte seit 1946 durch ein Ostsekretariat in Berlin und ein Ostbüro auf Bundesebene den Flüchtlingen zu helfen, Kontakte in die DDR aufrecht zu erhalten und Informationen zu sammeln. Nach dem Mauerbau verlor das Ostbüro an Bedeutung und wurde 1966 aufgelöst. In der DDR wurden die meisten wegen ihrer Zugehörigkeit zur SPD Inhaftierten in der Mitte der 1950er Jahre entlassen. Die personellen Kontinuitäten zwischen der Nachkriegssozialdemokratie und der Neugründung von 1989 waren gering.[68]

Die Sozialdemokratie in der Bundesrepublik

Die Stagnation in den 1950er Jahren

Bei den ersten Bundestagswahlen 1949 der Bundesrepublik Deutschland lag die SPD mit 29,2 % knapp hinter der CDU/CSU unter der Führung Konrad Adenauers. Da die Union eine Koalition mit der FDP und der Deutschen Partei (DP) einging, wurde die SPD zur Oppositionspartei.

Bundestagswahlergebnisse[69]
Jahr Stimmen Sitze Kanzlerkandidat
1949 29,2 % 131 Kurt Schumacher
1953 28,8 % 151 Erich Ollenhauer
1957 31,8 % 169 Erich Ollenhauer
1961 36,2 % 190 Willy Brandt
1965 39,3 % 202 Willy Brandt
1969 42,7 % 224 Willy Brandt
1972 45,8 % 230 Willy Brandt
1976 42,6 % 214 Helmut Schmidt
1980 42,9 % 218 Helmut Schmidt
1983 38,2 % 193 Hans-Jochen Vogel
1987 37,0 % 186 Johannes Rau
1990 33,5 % 239 Oskar Lafontaine
1994 36,4 % 252 Rudolf Scharping
1998 40,9 % 298 Gerhard Schröder
2002 38,5 % 251 Gerhard Schröder
2005 34,2 % 222 Gerhard Schröder

Die Lage der SPD war in der jungen Bundesrepublik in vieler Hinsicht problematisch. Die Partei verlor allein zwischen 1948 und 1954 etwa 300.000 Mitglieder. Vor allem viele jüngere verließen die Partei enttäuscht wieder. Die Folge war eine tendenzielle Überalterung der SPD. Bei den Wahlen der 1950er Jahre zeigte sich, dass es der Partei nicht gelungen war, ihr Wählerreservoir auszuweiten. Sie blieb weitgehend eine Arbeiterpartei aber auch ein Einbruch in die katholische Arbeiterschaft gelang zunächst kaum. Damit einher gingen finanzielle Probleme.[70]

Die SPD in der die marxistischen Tendenzen nach 1945 ein starkes Gewicht hatten, stand der sozialen Marktwirtschaft zunächst äußerst kritisch gegenüber. Ihre Forderung nach Sozialisierung war aber mit dem beginnenden Wohlstand der Wirtschaftswunderjahre kaum noch mehrheitsfähig. Im Gegensatz zu Adenauers Politik der Westbindung stellte die SPD das Ziel der Wiedervereinigung über eine zu enge Anlehnung an die USA und Westeuropa. SPD-Konzeptionen zur Deutschlandpolitik aus dieser Zeit halten eine politische Neutralität Deutschlands für möglich und sprechen sich strikt gegen eine Wiederbewaffnung des Landes aus. Eine solche Politik zwischen Ost und West war für viele Wähler angesichts des Kalten Krieges nur wenig attraktiv. Dies zeigte sich bei Bundestagswahlen 1953. Erich Ollenhauer, der nach dem Tod von Kurt Schumacher Parteivorsitzender geworden war, trat als Kanzlerkandidat gegen Konrad Adenauer an. Während CDU/CSU auf 45,2 % kamen, konnte die SPD nur 28,8 % erzielen. Dies bedeutete eine klare Zustimmung der Wähler zu Adenauers Politik der westlichen Integration und eines Wirtschaftsaufschwungs auf marktwirtschaftlicher Grundlage gegen die Forderung nach nationaler Einheit.[71]

Dennoch begannen bereits in den frühen 1950er Jahren Veränderungen. Immer mehr gewannen in der Parteispitze ehemalige Parteirebellen und Mitglieder der kleinen sozialistischen Parteien an Einfluss. Das Dortmunder Aktionsprogramm von 1952 beinhaltete eine allmähliche Abwendung von der Selbstdefinition als Arbeiterpartei und eine Hinwendung zum Konzept der Volkspartei. Auch wirtschaftspolitisch bedeutete die Formel „Wettbewerb so weit wie möglich, Planung so weit wie nötig“ eine allmähliche Umorientierung.[72]

Die Niederlage bei der Bundestagswahl von 1953 hatte auch zur Folge, dass die SPD im Parlament ihre Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen verloren hatte. Damit verlor die Partei vor allem gegen die geplante Wiederbewaffnung ihre schärfste parlamentarische Waffe. Stattdessen kam es im Januar 1954 in der Frankfurter Paulskirche zur Gründung eines außerparlamentarischen Bündnisses aus SPD, DGB und der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) von Gustav Heinemann. Hinzu kamen kritische christliche Gruppen und Intellektuelle. Zwar schlug sich das Engagement in der Paulskirchenbewegung kaum in einem Zuwachs der Wählerstimmen etwa bei Landtagswahlen nieder, aber bei kritischen Minderheiten wuchs das Vertrauen zur SPD an. Über die Paulskirchenbewegung fanden etwa Heinemann, aber auch Johannes Rau oder Erhard Eppler zur Sozialdemokratie.

Im Jahr 1956 waren die Chancen der SPD für einen Regierungswechsel so günstig wie nie zuvor. In Nordrhein-Westfalen ging die FDP erstmals ein Regierungsbündnis mit der SPD ein und auf Bundesebene signalisierten Umfrageergebnis einen Vorsprung vor der CDU. Der Ungarnaufstand und die Rentenreform von 1957 führten zu einem Meinungsumschwung. Erstmals in der deutschen Geschichte kam mit der CDU/CSU eine Partei mit 50,2 % auf die absolute Mehrheit der Stimmen, während der geringe Zuwachs der SPD auf 31,8 % auf das Verbot der KPD und den Wahlverzicht der GVP zurückgeht.[73]

Die Wende von Bad Godesberg 1959

Die Niederlage von 1957 war einer der Hauptauslöser für einen fundamentalen Politikwechsel der SPD. Zwar blieb Erich Ollenhauer weiterhin Oppositionsführer, aber Stellvertreter wurden mit Herbert Wehner, Fritz Erler und Carlo Schmid Persönlichkeiten, die nicht aus dem sozialdemokratischen Apparat der Weimarer Republik kamen. Eine stärkere Beachtung in der Öffentlichkeit fand die Partei, als sie sich zum einen an der Kampagne gegen die Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen beteiligte („Kampf dem Atomtod“). Dies kumulierte 1959 in dem von Herbert Wehner maßgeblich geprägten Deutschlandplan, der den Wiedervereinigungsgedanken und die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa verband.[74]

Programme deutscher sozialdemokratischer Parteien
Jahr Programmname Kurzbeschreibung
1869 Eisenacher Programm[75] Gründungsprogramm der SDAP
1875 Gothaer Programm[76] Vereinigung von SDAP und ADAV
1891 Erfurter Programm[77] marxistisch geprägtes Programm
1921 Görlitzer Programm[78] stärker revisionistisches Programm der MSPD
1925 Heidelberger Programm[79] Forderung nach Vereinten Staaten von Europa
1959 Godesberger Programm[80] Volkspartei des demokratischen Sozialismus
1989 Berliner Programm[81]
2007 Hamburger Programm[82] aktuelles Programm der SPD

Für die programmatische Erneuerung der Partei waren die Erfahrungen, die sie mit der Zusammenarbeit mit kirchlichen Gruppen und bürgerlichen Intellektuellen während der Kampagne gegen die Atombewaffnung gemacht hatten, wichtig für eine volksparteiliche Umorientierung. Der Entwurf zu einem neuen Programm, der erstmals 1958 dem Parteitag zur Beratung vorlag, war insofern kein totaler Bruch, da es an das Dortmunder Aktionsprogramm anknüpfen konnte. Stark prägten den Entwurf Willi Eichler und Waldemar von Knoeringen, die aus den kleineren sozialistischen Parteien der Weimarer Republik kamen. Ein stärker marxistisch geprägter Gegenentwurf dazu kam von Wolfgang Abendroth. Entschieden wurde über das neue Programm auf dem Godesberger Parteitag im November 1959. Dieser nahm den Entwurf des Parteivorstandes, das Godesberger Programm, mit 324 gegen 16 Stimmen an. Außenpolitisch nahm es die Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone wieder auf, bekannte sich aber auch zu einer Verteidigungsarmee. Anders als noch im Entwurf wurde die marxistische Vergangenheit der Partei vollständig außer Acht gelassen. Stattdessen wurde postuliert, dass die sozialistische Tradition in der christlichen Ethik, dem Humanismus und der klassischen Philosophie wurzeln würde. Als Grundwerte der Partei wurden Freiheit, Gleichheit und Solidarität festgeschrieben. Als Ziel einer neuen Wirtschafts- und Sozialordnung knüpfte sie an die gemischtwirtschaftliche Formulierung des Dortmunder Aktionsprogramms an. Ordnungspolitisch kam die neue Position der SPD in der Formel Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig zum Ausdruck.[83]

In den folgenden Jahren verschoben sich die außenpolitischer Positionen weiter, als deutlich wurde, dass der Gegensatz zwischen Ost und West nur zu einer Erstarrung des Status quo geführt hatte, wie Willy Brandts außenpolitischer Berater Egon Bahr es formulierte. Damit verbunden war die Ansicht, dass die Bundesrepublik auf unabsehbare Zeit mit der Mauer leben müsse. Realistisches Ziel könne vor diesem Hintergrund nur sein, die Mauer durch Verhandlungen mit der anderen Seite durchlässiger zu machen. Bahr prägte vor diesem Hintergrund das Schlagwort vom „Wandel durch Annäherung.“ Ein erster Schritt war in Berlin das Passierscheinabkommen im Jahr 1963. Bei der Bundestagswahl von 1965 zahlte sich der politische Wandel der SPD allerdings kaum aus. Zwar erreichte die Partei mit 39,3 % das beste Ergebnis ihrer Geschichte, aber die CDU unter dem neuen, noch immer populären Bundeskanzler Ludwig Erhard konnte mit 47 % ihre führende Position behaupten.[84]

Auf dem Weg zur Volkspartei

Zur Strategie der SPD nach Godesberg gehörte eine deutliche Annäherung an die bürgerlichen Parteien und eine Entideologisierung. So trennte sich die Partei 1960/61 vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), der sich daraufhin autonome Handlungsfelder suchte. Allerdings vergrößerte dies durchaus die Wahlchancen und schadete kaum der Hinwendung von Intellektuellen zur Partei, die als medial wirksame Multiplikatoren wichtig wurden. Seit der Bundestagswahl 1961 sprachen sich etwa Martin Walser, Hans Werner Richter und insbesondere Günter Grass für die SPD aus. Letzterer organisierte 1968 die Sozialdemokratische Wählerinitiative, für die sich zahlreiche Intellektuelle einsetzten. Nicht unwichtig war die Integration von bekannten gesinnungsethischen Protestanten. Daneben sahen trotz Godesberg demokratische Linke wie Peter von Oertzen noch Handlungsspielräume in der SPD.[85]

US-Verteidigungsminister Robert McNamara (rechts) im Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler (links) und Westberlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (SPD) am 13. April 1965 in Arlington, Virginia, USA

Godesberg war programmatisch zwar ein wichtiger Schritt in Richtung Volkspartei, aber kaum weniger wichtig war, dass sich die SPD auf regionaler und lokaler Ebene in der politischen Verantwortung bewährte und sich als Alternative zur CDU/CSU erwies. In Hessen befand sich die SPD seit 1946 sowohl in den Großstädten aber auch im ländlichen Raum im Aufstieg. Eine wichtige Rolle als Landesvater spielte dort Georg August Zinn. Eine ähnliche Rolle spielte in Niedersachsen Hinrich Wilhelm Kopf. In Bayern scheiterte die SPD an der Volksnähe der CSU. Fast umgekehrt war die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Auch dort begann eine stärkere Sozialdemokratisierung bereits nach 1945. Aber erst der Übergang der KPD-Wähler zur SPD verstärkte Mitte der 1950er Jahre den Trend. In der Folge eroberten die Sozialdemokraten zunächst Kommunen. Ebenso wichtig war ihre enge Verflechtung mit den Gewerkschaften. Kommunalpolitiker und Betriebsratsmitglieder konnten sich erfolgreich als Anwälte der kleinen Leute präsentieren. Später gelang es Politikern wie Heinz Kühn und Johannes Rau, die SPD als linke Volkspartei mit einer starken Arbeitnehmerorientierung zu repräsentieren.[86] Entscheidend wurde der Einbruch in das katholische Arbeitermilieu, nachdem es der CDU nicht gelungen war, die beginnende Krise von Eisen und Stahl in den Griff zu bekommen. Die Folge war, dass der SPD in Nordrhein-Westfalen 1966 mit 49,5 % der Stimmen ein überwältigender Wahlsieg gelang. Im Grunde wurde das Revier erst jetzt zu einer Hochburg der Sozialdemokratie.[87]

Große Koalition 1966–1969

Siehe Kabinett Kiesinger

Herbert Wehner (1966)

Nach der Bundestagswahl von 1965 ging die CDU/CSU zunächst eine Koalition mit der FDP ein. Die Regierung zerbrach als die FDP ihre vier Bundesminister wegen Unstimmigkeiten in der Wirtschaftspolitik am 27. Oktober 1966 aus der Regierung abzog. Kurt Georg Kiesinger, der Ludwig Erhard als Kanzler ablöste, bildete nach dem Scheitern von Verhandlungen mit der FDP eine große Koalition mit der SPD. Eine mögliches Bündnis der Sozialdemokraten mit der FDP erschien angesichts der starken rechtsliberalen Strömung zu risikoreich. Das Bündnis mit der CDU stieß in der Partei anfangs auf heftige Kritik. In der neuen Regierung profilierten sich Willy Brandt als Außenminister, Gustav Heinemann als Bundesjustizminister und Karl Schiller als Wirtschaftsminister in zentralen Politikbereichen. Insbesondere Schiller sorgte mit der keynesianischen Globalsteuerung der Wirtschaft und der propagierten konzertierten Aktion von Gewerkschaften und Unternehmern für einen weiteren Zustrom von Wählern aus den Mittelschichten zur SPD. Herbert Wehner als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen war gleichzeitig auf Seiten der SPD der eigentliche Architekt der großen Koalition.

Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag[88]
1949–1952 Kurt Schumacher
1952–1963 Erich Ollenhauer
1964–1967 Fritz Erler
1967–1969 Helmut Schmidt
1969–1983 Herbert Wehner
1983–1991 Hans-Jochen Vogel
1991–1994 Hans-Ulrich Klose
1994–1998 Rudolf Scharping
1998–2002 Peter Struck
2002 Ludwig Stiegler
2002–2005 Franz Müntefering
seit 2005 Peter Struck

Angesichts einer wirtschaftlichen Rezession, die unter anderem dazu führte, dass die Bundesanstalt für Arbeit anstelle der Vollbeschäftigung etwa 2 % Arbeitslose zählte, versuchten die Politiker der großen Koalition, die alle noch das Ende von Weimar miterlebt hatten, gegenzusteuern. Zentral zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung sahen sie daher das Gesetz zur Konjunktursteuerung von 1967 und die Notstandsgesetze vom Mai 1968 an. Daneben kam in vielen Politikfeldern wie in der Verkehrs- und Bildungspolitik ein technokratisches Denken zum Durchbruch.

Während sich ein beachtlicher Teil der Bevölkerung von der Regierung eine Überwindung der Krise versprach, führte das Bündnis der beiden großen Parteien auch zu einer Stärkung der rechten und linken Kräfte. Auf der Rechten gelang es der NPD, in insgesamt sieben Landtage einzuziehen, die während der Zeit der großen Koalition gewählt wurden.

Auf der Linken hinterließ die Regierungsbeteiligung der SPD ein Vakuum. Stattdessen begann sich mit der Außerparlamentarischen Opposition, nicht zuletzt getragen vom SDS, eine zunächst radikaldemokratische und linkssozialistische Bewegung zu formieren. Vor allem in den Jahren 1967 und 1968, also in der Zeit der 68er-Bewegung, kam es im Zuge der studentischen Proteste unter anderem gegen die Notstandsgesetzgebung zu massiven Protesten gegen die Regierung der Großen Koalition. Dem schlossen sich große Teile der intellektuellen Elite der Bundesrepublik an. So äußerten sich unter anderem Theodor W. Adorno und Heinrich Böll besorgt über die Machtfülle der großen Koalition und die Notstandsgesetze.[89] Allerdings kam es auf der Linken nicht zur Bildung einer starken linken Protestpartei. Stattdessen kam es zur Zersplitterung in zahlreiche Kleinstparteien, überwiegend orientiert an antiautoritären Idealen.

Auch innerhalb der SPD selbst formierte sich Widerstand. Erstmals wich der Bundeskongress der Jungsozialisten 1967 von seiner bisherigen unbedingten parteitreuen Linie ab. Auf dem SPD-Bundesparteitag von 1968 stimmten zwar 173 Delegierte für die Fortsetzung der Regierung, immerhin 129 jedoch dagegen.

Der Führung der SPD gelang es in der Folge durchaus, sich aus den Fesseln der großen Koalition zu lösen. Zu einem deutlichen Zeichen, dass auch andere Bündnisse möglich waren, wurde die Wahl zum Bundespräsidenten im Jahr 1969. SPD und FDP wählten gemeinsam Gustav Heinemann ins Amt.[90]

Regierung Brandt seit 1969 – Reformhoffnungen und die Neue Ostpolitik

Siehe Kabinett Brandt I, Kabinett Brandt II

Willy Brandt (links im Bild) mit US-Präsident Richard Nixon

Im Vorfeld der Bundestagswahlen von 1969 verfolgte die SPD eine Doppelstrategie. Während Karl Schillers wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik auf Wähler aus den Mittelschichten abzielte, versuchte Willy Brandt die jüngeren Wähler einzubinden, indem er appellierte, ihr Aufbegehren gegen das Establishment ernst zu nehmen. Mit dem Slogan „Wir schaffen das moderne Deutschland“ kam die SPD auf 42,7 %. Die CDU war zwar mit 46,1 % noch stärkste Partei, kam aber nicht wie vielfach erwartet auf die absolute Mehrheit, da sie einen Teil ihrer potentiellen Wähler an die NPD verloren hatte, die auf 4,3 % kam. Dieses Ergebnis reichte für die SPD knapp aus um mit der FDP eine Koalition zu bilden. Willy Brandt wurde so zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt. Das Außen- (Walter Scheel) und Innenministerium (Hans-Dietrich Genscher) gingen an die FDP. Die erste Regierungserklärung von Willy Brandt war innenpolitisch von der Ankündigung einer umfassenden Reformpolitik geprägt. „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Außenpolitisch stand die Westintegration nicht mehr in Zweifel. Ergänzt werden sollte diese durch eine Aussöhnung mit den östlichen Staaten und insgesamt eine aktive Ostpolitik (damals betont als Neue Ostpolitik). In den Ostverträgen – zunächst dem Moskauer Vertrag und dann dem Warschauer Vertrag – wurden die bestehenden Grenzen gegen erheblichen Widerstand von Vertriebenenverbänden und der CDU/CSU anerkannt. Symbolisiert wurde dies durch den Kniefall Willy Brandts am Denkmal im ehemaligen Warschauer Ghetto. Es folgte 1971 der Abschluss des Viermächtevertrages über Berlin. Im Gegensatz zur Außenpolitik blieben die Erfolge der Regierung Brandt in der Innenpolitik eher bescheiden. Erfolge waren vor allem in der Bildungspolitik zu verzeichnen. In der Rechts- und Familienpolitik kam es zu einer gewissen Abschwächung des §175. Gegen den Koalitionspartner ließen sich allerdings keine nennenswerten Veränderungen in der Vermögensverteilung im Sinne eines demokratischen Sozialismus durchsetzen. Für viele jüngere Linke war zudem die strikte Abgrenzung nach links, etwa durch den Radikalenerlass, enttäuschend.

Vor allem die Kritik an der Ostpolitik führte dazu, dass einige Abgeordnete zur CDU/CSU wechselten. Dadurch verlor die Koalition ihre Mehrheit. Der Versuch der Opposition, Willy Brandt 1972 mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums durch Rainer Barzel abzulösen, misslang allerdings überraschend. Heute ist bekannt, dass zwei Bundestagsmitglieder der Union durch die Staatssicherheit der DDR bestochen worden waren. Bei den darauf folgenden Neuwahlen errang die SPD den höchsten Stimmenanteil ihrer Geschichte und wurde erstmals stärkste Bundestagsfraktion, woraufhin sie die Koalition mit der FDP fortsetzen konnte.

Ein entscheidendes Problem der Regierung Brandt war, dass ihr ein vergleichbares Reformprojekt wie die Ostpolitik nunmehr fehlte. Die in Teilen der SPD geführte Sozialisierungsdiskussion führte zum Abwandern zahlreicher „Schiller-Wähler“, die aus den Mittelschichten kamen. Hinzu kamen externe Faktoren wie die erste Ölkrise und der Streik der ÖTV im Frühjahr 1974, der von der Presse als Autoritätsverlust der Regierung gedeutet wurde. Vor diesem Hintergrund bildete die Guillaume-Affäre nur noch den Anlass für das Ende der Regierung Brandt. Während dieser Parteivorsitzender blieb, wurde Helmut Schmidt Bundeskanzler.[91]

Mitglieder- und Parteistruktur – „Ende der Arbeiterpartei“

„Genosse Trend“ zeigte sich Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre nicht nur in den Wahlergebnissen, sondern auch in der Mitgliederentwicklung. Vor allem in den Jahren 1969 bis 1974 nahm die Zahl der Parteimitglieder um 40.000 zu. In den 1970er Jahren überstieg die Zahl der Mitglieder die Millionengrenze. Vor allem relativ junge Personen wurden von der Partei angezogen. Im Jahr 1978, als der Mitgliederbestand systematisch ausgewertet wurde, lag der Anteil der 16 bis 24 jährigen bei einem Drittel. Daneben hatte durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, aber auch die gestiegene Attraktivität der Partei für Personen aus den Mittelschichten die soziale Zusammensetzung stark verändert. Im Jahr 1952 lag der Arbeiteranteil noch bei 45 %. Bis 1978 hatte sich dieser auf 27,4 % verringert. Dagegen stieg der Anteil der Angestellten von 17 auf 23,4 % und der der Beamten von 5 auf 9,4 %. Der Anteil der weiblichen Mitglieder lag 1977 bei 21,65 %. Noch extremer als bei der Gesamtmitgliedschaft verschob sich die Struktur der Funktionsträger. Ende der 1970er Jahre lag der Anteil der Arbeiter unter 10 %, der Angehörigen des öffentlichen Dienstes im weitesten Sinne dagegen bei 50 bis 75 %. Dies hatte Folgen für die organisatorische Struktur der Partei selbst. Die Jusos agierten in weiter Hinsicht autonom. Frauen organisierten sich seit 1972 in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF). Bezeichnend ist, dass in der alten Arbeiterpartei mit der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) seit 1973 eine spezielle Organisation für die klassische Klientel nötig wurde, die in den folgenden Jahren den rechten Flügel der Partei stärken sollte. Der Vorsitzende Willy Brandt, der bis 1987 die Partei führen sollte, hat diese Heterogenität nicht bekämpft, sondern er sah sich als Moderator der verschiedenen Strömungen. Bei Helmut Schmidt und Herbert Wehner stieß dieser diskursive Führungsstil auf heftige Kritik, sie witterten Führungsschwäche und eine allmähliche Erosion von innen.[92] Karsten Rudolph charakterisiert Willy Brandt dagegen als „Vorsitzenden des Ausgleichs, (…) der aber doch in inhaltlichen Fragen deutlich Stellung beziehen konnte.“ Tatsächlich wurde Brandt zur Identifikationsfigur jenseits aller Strömungen und Konflikte und behielt diese Position bis in die Mitte der 1980er Jahre bei.[93]

Politischer Pragmatismus unter Helmut Schmidt 1974–1982

siehe auch Kabinett Schmidt I, Kabinett Schmidt II, Kabinett Schmidt III

Helmut Schmidt

Schmidt setzte den Kurs der Entspannung gegenüber dem Warschauer Pakt fort, näherte Deutschland aber auch wieder stärker den USA an. 1975 nahm er, die Ölkrise vor Augen, am ersten G6-Gipfel teil, welchen er zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing ins Leben gerufen hatte.

Innerhalb der Partei erlebte die Ideologisierung ihren Höhepunkt. Verschiedene Flügel stritten um die Meinungsführerschaft vor allem im Zusammenhang mit dem Quasiprogramm „Orientierungsrahmen '85“. Dieses Papier zur mittelfristigen Strategie war insgesamt ein Kompromiss zwischen dem rechten und linken Flügel. Insgesamt war es mit seinem Bekenntnis zu gesellschaftsverändernden Zielsetzung der Sozialdemokratie, der Bezeichnung der Bundesrepublik als Klassenstaat sowie der Forderung nach staatlichen Eingriffen in wirtschaftliche Prozesse deutlich linker als das Godesberger Programm. Allerdings konnte der Orientierungsrahmen wegen des Bündnisses mit der FDP kaum in praktische Politik umgesetzt werden.

Besonders weit ging die Ideologisierung bei den Jusos. Hatte die Jugendorganisation noch zu Beginn der 1970er Jahre auch gesamtparteilich inhaltliche Impulse geben können, begann nunmehr ähnlich wie bei der APO ein Fraktionierungsprozess. Zunehmend führten die ideologischen Grabenkämpfe zu einer starken Selbstisolierung. Damit ließ der Zustrom neuer Mitglieder nach. Auch insgesamt stagnierten in der Partei wieder die Mitgliederzahlen.[94]

Bereits seit der Mitte der 1970er Jahre deutete sich in der Bundesrepublik insgesamt eine Trendwende nach rechts an. Hans Filbinger gewann die Landtagswahl in Baden-Württemberg mit großer Mehrheit mit dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus.“[95] Obwohl Helmut Schmidt persönlich von den Wählern vor der Bundestagswahl von 1976 in den meisten Politikfeldern als kompetenter galt als Helmut Kohl, fiel die SPD auf 42,6 % ab, während die CDU/CSU mit 48,6 % nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte. Die SPD hatte sich fast gänzlich auf das staatsmännische Ansehen von Helmut Schmidt gestützt. Damit konnte sie zwar ihre Anhängerschaft bei Angestellten und kleinen Beamten halten, aber die Partei hatte 1976 stark bei den Arbeitern verloren und begann, auch im linken Spektrum zunehmend an Ansehen zu verlieren, vor allem zu Gunsten der Ökologiebewegung.

In der folgenden Legislaturperiode erschien der sozialliberalen Koalition auch wegen der ökonomischen Wachstumsschwäche die Umsetzung von inneren Reformen noch schwieriger als zuvor. Vor allem während des deutschen Herbstes 1977 dominierte in der Innenpolitik der Terrorismus der RAF und vergleichbarer Gruppen. Helmut Schmidt und die Regierung setzten auf eine Politik der Stärke und Unnachgiebigkeit. Nicht zuletzt die Antiterrorgesetze verstärkten den Bruch zwischen den linksintellektuellen Kreisen und der SPD noch. Allerdings begannen in der SPD seit dem Ende der 1970er Jahre ökologische Ideen an Zugkraft zu gewinnen. Ein Antrag auf den Atomausstieg wurde auf dem Bundesparteitag 1979 nur knapp abgelehnt.[96]

Bei der Wahl 1980 konnte sich Schmidt noch einmal gegen Franz-Josef Strauß durchsetzen. Gegen Ende seiner Kanzlerschaft wuchs auch die Kritik, besonders über den NATO-Doppelbeschluss. Im Jahr 1982 zerbrach die Koalition mit der FDP, weil letztere unter dem Eindruck einer wirtschaftlichen Krise und drastisch steigender Arbeitslosenzahlen einen anderen wirtschaftspolitischen Kurs eingeschlagen hatte, der im sogenannten Lambsdorff-Papier vom 9. September 1982 seinen Niederschlag fand. In der Folge kam es zu einem erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Schmidt und schließlich 1983 zu Neuwahlen, aus der die CDU/CSU-FDP Koalition als Sieger hervorging.

Opposition in den 1980er Jahren

Johannes Rau war langjähriger sozialdemokratischer Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, Kanzlerkandidat und kommissarischer Parteivorsitzender und von 1999 bis 2004 Bundespräsident (hier am Tag der Deutschen Einheit in Berlin 2002)

Nach den Bundestagswahlen 1983 ging die SPD für die folgenden sechzehn Jahre in die Opposition. Geprägt war diese Zeit zunächst von innerer Zerstrittenheit und dem Versuch, sich inhaltlich an neue Entwicklungen anzupassen. Bei der Bundestagswahl kam der Kanzlerkandidat Hans-Jochen Vogel nur auf einen Stimmenanteil von 38,2 %. Damit war die Partei so schwach wie seit 1961 nicht mehr. Vor allem mittelständische Wähler rückten von der SPD ab, weil sie kein Vertrauen mehr in die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Kompetenz der Partei hatten.[97] Das gemeinsame Papier von SPD und SED und der Ausstieg aus der Finanzierung der Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter wurde als Zeichen verstanden, deutschlandpolitisch vorsichtig vom Ziel der Wiedervereinbarung abzurücken. Das Ergebnis der Bundestagswahl von 1987 unter dem Kanzlerkandidaten Johannes Rau fiel mit 37 % noch etwas schlechter aus. Dabei spielten Verluste zu Gunsten der Grünen ebenfalls eine Rolle wie der Eindruck, die Partei strebe eine große Koalition an. Ein Einschnitt war dieses Jahr auch, weil Willy Brandt den Vorsitz zunächst zu Gunsten von Hans-Jochen Vogel aufgab. Die ständigen Wechsel an der Spitze der Partei prägten das Bild der folgenden Jahre. In den folgenden zwanzig Jahren hatte die SPD insgesamt 9 Vorsitzende, während die CDU in 57 Jahren nur 7 hatte.

Politischen Einfluss behielt die Partei in den Ländern und konnte dort ihre Position teilweise auch ausbauen. Nicht zuletzt kamen von dieser Seite auch neue politische Impulse. In Nordrhein-Westfalen und im Saarland konnte die SPD unter Johannes Rau und Oskar Lafontaine lange allein regieren. Auch in Schleswig-Holstein holte die SPD mit Björn Engholm zwei mal die absolute Mehrheit. In Hessen kam es 1985 erstmals, damals noch auf Grund einer Schwächung der Partei bei den Landtagswahlen, zu einer rot-grünen Koalition. Später wurde dieses Bündnis aber auch zu einem Modell für einen Machtwechsel in den Ländern. Dies gilt für Niedersachsen mit Gerhard Schröder, Berlin und später noch einmal in Hessen. Weniger erfolgreich war die Partei beim Bestreben, die Macht in den Rathäusern zu behaupten oder zurück zu gewinnen.

Thematisch standen zunächst weiterhin die Friedens-, Frauen- und Ökologiepolitik im Vordergrund. Teilweise gegen den Widerstand eines eher traditionell arbeitnehmerorientierten Flügels konnten sich diese Politikbereiche in der Partei durchsetzen. So wurde 1988 die Quotenregelung beschlossen, um den Anteil weiblicher Funktionsträger zu erhöhen. Daneben wurden die Arbeitslosigkeit und die neue Armut zu wichtigen Themen auch in der SPD.[98]

Neuanfang in der DDR und Wiedervereinigung 1989/90

Wolfgang Thierse ist einer der bekanntesten Politiker aus der ehemaligen SDP der DDR (hier bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Münster 2004)

Ab 1984 begann die SPD ein neues Grundsatzprogramm zu entwickeln, weil das Godesberger Programm viele neue Themenfelder nicht mehr abdeckte. Der von Erhard Eppler geprägte so genannte Irseer Entwurf von 1986 stieß auf erhebliche Kritik. Unter dem Vorsitz von Oskar Lafontaine wurde ein neuer Entwurf erarbeitet, dessen Hauptanliegen die ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft war. Im Gegensatz zu Godesberg wurden die marxistischen Wurzeln berücksichtigt und Karl Marx zumindest erwähnt. Beschlossen wurde das Berliner Programm im Dezember 1989. Allerdings haben der deutsche Einigungsprozess, der Zusammenbruch des östlichen Bündnissystems und der Sowjetunion dazu geführt, dass weite Teile des Programms von der Wirklichkeit rasch überholt wurden.[99]

Am 7. Oktober 1989 wurde in Schwante bei Berlin die Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) insbesondere auf Initiative von Markus Meckel und Martin Gutzeit gegründet. Damit griff sie das bisherige Machtmonopol der SED direkt an. Der Gründungstag – der vierzigste Jahrestag der DDR-Gründung – war ebenfalls eine deutliche Provokation. Im Januar 1990 benannte sich die Partei in SPD in der DDR um und Ende Februar wurde ein Wahl- und Grundsatzprogramm beschlossen. Früher als andere oppositionelle Bewegungen erkannte die Partei im Grundsatz den Zehn-Punkte-Plan von Bundeskanzler Helmut Kohl zur deutschen Einheit an. Die Hoffnung, an die alten sozialdemokratischen Hochburgen in Mitteldeutschland anknüpfen zu können, erfüllte sich nicht. Bei den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 erhielt sie entgegen den Prognosen nur 21,7 Prozent der Stimmen. Ein Problem war von Anfang an die geringe Mitgliederbasis. Nicht zuletzt um nicht hinter den von westdeutschen Parteien unterstützten ehemaligen Blockparteien zurückzufallen, schlossen sich die bundesdeutsche SPD und die Partei in der DDR auf dem Vereinigungsparteitag am 26./27. September 1990 zusammen.[100]

Strukturelle Probleme und Wiederaufstieg

Unter anderem wegen des Popularitätsanstiegs von Helmut Kohl als „Kanzler der Einheit“ und einer uneinheitlichen Linie in Bezug auf die deutsche Einheit unterlag die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine bei der Bundestagswahl 1990 deutlich. So hatten sich unter anderem Willy Brandt und Johannes Rau für eine schnelle Wiedervereinigung ausgesprochen, wohingegen sich der Kanzlerkandidat Lafontaine zurückhaltend äußerte und die Einheit innerhalb eines gesamteuropäischen Vereinigungsprozesses herstellen wollte. Insbesondere Lafontaines Ablehnung einer sofortigen Währungsunion und seine skeptischen wirtschaftlichen Prognosen und Einschätzungen zur Notwendigkeit von Steuererhöhungen fanden beim Wähler keinen Anklang. Die Skepsis gegenüber dem Nationalstaatsgedanken teilte Lafontaine mit zahlreichen meist jüngeren Anhängern und Wählern der Partei. Allerdings hatte er dessen noch immer große gesamtgesellschaftliche Bedeutung wohl unterschätzt.[101]

Die Niederlage verstärkte noch einmal die inneren Schwierigkeiten der SPD. Während die Partei von 1976 bis 1987 jedes Jahr durchschnittlich 10.000 oder ein Prozent ihrer Mitglieder verlor, beschleunigte sich der jährliche Rückgang in den Jahren 1990–93 auf rund 27.000 oder drei Prozent der Mitglieder. Damit näherte sie sich mehr oder weniger stetig der zusammengefassten Größe der beiden Unionsparteien an. Immer deutlicher wahrgenommen wurde die seit langem begonnene innere Differenzierung und nur schwach ausgeprägte Geschlossenheit. Peter Lösche und Franz Walter brachten dies mit ihrer Charakterisierung der SPD als „lose verkoppelte Anarchie“ unterschiedlichster Gruppen, Interessen und Strömungen auf den Punkt.[102]

Der zwischenzeitliche Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm, musste vorzeitig von seinen Ämtern zurücktreten, da er in die Schubladen-Affäre verstrickt war. Infolgedessen wurde das erste Mal eine Urabstimmung über den Parteivorsitz unter den Mitgliedern durchgeführt, die Rudolf Scharping deutlich vor Gerhard Schröder gewann.

Auch 1994 schaffte es Kanzlerkandidat Rudolf Scharping, der zusammen mit Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine als sogenannte Troika antrat, trotz deutlicher Stimmengewinne nicht, Helmut Kohl abzulösen; wohl auch, weil die CDU/CSU-FDP Koalition durch die kurzfristig verbesserte wirtschaftliche Lage gestärkt wurde. Nach einer Phase der innerparteilichen Zerstrittenheit und Unzufriedenheit mit dem Vorsitzenden wurde Rudolf Scharping auf dem Mannheimer Parteitag am 16. November 1995 in einer Kampfkandidatur von Oskar Lafontaine abgelöst. Der neue Parteivorsitzende setzte unter anderem eine Neuorientierung des wirtschafts- und sozialpolitischen Profils der Partei durch.

Nach einer Phase der wirtschaftlichen Erholung stieg ab 1995 die Arbeitslosigkeit wieder deutlich an, was sich in mehreren Landtagswahlgewinnen der SPD manifestierte. Sie stellte nunmehr die Mehrheit im Bundesrat, wo Oskar Lafontaine als Oppositionsführer auftrat, und konnte wichtige innenpolitische Reformvorhaben der CDU-FDP-Regierung blockieren oder eigene Vorstellungen durchsetzen. So ging die SPD schließlich deutlich gestärkt in den Bundestagswahlkampf 1998.

„Die Neue Mitte“ von Gerhard Schröder seit 1998

Gerhard Schröder bei einer Wahlkampfrede zur Bundestagswahl 2005

Erst bei der Bundestagswahl 1998 gelang der SPD mit dem damaligen Ministerpräsidenten Niedersachsens, Gerhard Schröder, als Kanzlerkandidat die Rückkehr an die Regierung, diesmal in einer Rot-Grünen Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen. Gerhard Schröder wurde mit 7 Stimmen mehr als Bundeskanzler gewählt als beide Koalitionsparteien zusammen Abgeordnete hatte. Im Wahlkampf versuchte die SPD vor allem die sogenannte „Neue Mitte“ anzusprechen, womit die Gruppe der Wechselwähler der politischen Mitte gemeint ist. In den ersten Jahren der Koalition wurden unter anderem zwei umfassende Steuerreformen – die ökologische Steuerreform und die Reform des Einkommensteuerrechts (erhebliche Senkung der Steuerbelastung) – sowie der Atomausstieg beschlossen. Politisch umstritten war 1999 die Beteiligung der Bundesrepublik am Kosovo-Krieg. Oskar Lafontaine, damals Bundesfinanzminister und Parteivorsitzender der SPD, trat überraschend von beiden Ämtern zurück, unter anderem weil ein erheblicher wirtschaftspolitischer Dissens zwischen ihm und Schröder entstanden war. Später kritisierte er das militärische Engagement der NATO auf dem Balkan.

Bei der Bundestagswahl 2002 konnte sich Bundeskanzler Schröder gegen den bayrischen Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) durchsetzen. Die Koalition gewann mit nur noch 1,2 Prozentpunkten Vorsprung gegenüber der Union und der FDP, die SPD stellt auf Grund von Überhangmandaten knapp die stärkste Bundestagsfraktion. Nach verlorenen Landtagswahlen erhielt die SPD bei der Europawahl am 13. Juni 2004 mit 21,5 Prozent das niedrigste Ergebnis in einer bundesweiten Wahl seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Stammwähler fühlten sich durch die Politik der Agenda 2010 verprellt und blieben der Wahl fern. Viele andere nahmen den Kurs der SPD, der nicht nur in anderen Parteien, sondern auch in der Mitgliederschaft der SPD selbst auf Kritik stieß, als zerstritten wahr. Der seit Anfang der 1980er anhaltende Mitgliederschwund beschleunigte sich.

Am 25. Mai 2005 trat der ehemalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine wegen der nach seiner Auffassung mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie nicht zu vereinbarenden Regierungspolitik (Agenda 2010, Auslandseinsätze der Bundeswehr) aus der SPD aus. Er wurde wenige Wochen später Mitglied der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), nachdem diese ein Linksbündnis mit der PDS für die Bundestagswahl im Herbst 2005 eingegangen war. Die WASG ihrerseits, eine Abspaltung der SPD, hatte sich schon mehrere Monate zuvor als eigene Partei konstituiert. Eine vorzeitige Bundestagswahl war vom Bundeskanzler und der SPD-Parteispitze nach der Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen angekündigt worden. Ein weiterer Grund für den Beschluss für Neuwahlen war, dass bei sich fortsetzenden Wahlniederlagen der SPD im Bundesrat eine 2/3-Mehrheit für die Unionsparteien und die FDP drohte. Die Ziele der SPD für die Wahlen am 18. September 2005 waren unter anderem die Weiterführung der Reformen unter Berücksichtigung sozialer Aspekte und der Verbleib in der Regierung, sowie die Weiterführung der rot-grünen Koalition.

Große Koalition seit 2005

Franz Müntefering, Vorsitzender der SPD und ehemaliger Vizekanzler

Siehe auch Kabinett Merkel

Nachdem SPD und CDU/CSU bei der herbeigeführten Bundestagswahl erneut ungefähr gleichauf waren, einigten sich CDU, CSU und SPD nach langen Sondierungsgesprächen auf eine große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Im Vorfeld der Wahlen waren auch andere Koalitionen im Gespräch, so beispielsweise eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP sowie die sogenannte Jamaika-Koalition zwischen CDU, FDP und den Grünen. Nach den Wahlen wurden die Dreier-Koalitionen aber recht schnell verworfen und eine Große Koalition gebildet. Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages wurde Angela Merkel von 397 Abgeordneten zur ersten Bundeskanzlerin der Bundesrepublik gewählt. Sie schlug daraufhin acht Minister der SPD vor, darunter den bis November 2007 amtierenden Arbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering, die mit den sieben anderen Bundesministern der Union und der Bundeskanzlerin Merkel das Kabinett Merkel bilden. Nach seinem Rücktritt übernahm Olaf Scholz das Amt des Arbeits- und Sozialminister und Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Position des Vizekanzlers.

Kurz nach der Wahl, im November 2005, hatte der Parteivorstand die Parteilinke Andrea Nahles anstatt dem von Franz Müntefering bevorzugten Kajo Wasserhövel zum SPD-Generalsekretär machen wollen. Daher trat Müntefering als Parteivorsitzender zurück, sein Amt übernahm der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck. Dieser trat bereits am 10. April 2006 aus gesundheitlichen Gründen vom Vorsitz zurück. Sein Nachfolger wurde der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der kurz zuvor in seinem Land für die SPD die absolute Mehrheit erzielt hatte. Aufgrund innerparteilicher Intrigen im Vorfeld der Ernennung des Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2009 erfolgte am 7. September 2008 im Rahmen einer Klausurtagung der SPD am Schwielowsee der Rücktritt Becks. Anschließend wurde der Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zunächst auch kommissarischer Parteivorsitzender, ehe am 18. Oktober 2008 Franz Müntefering auf einem Sonderparteitag zum Vorsitzenden gewählt wurde. Letzterer hatte das Amt schon von 2004 bis 2005 inne.

In den Jahren der Großen Koalition setzte sich die Mitglieder- und Wählererosion der SPD bislang fort. Das verhältnismäßig gute Wahlergebnis vom September 2005 unterbrach lediglich die Serie von Wahlniederlagen und den schleichenden Bedeutungsverlust der Partei. Die neue Linkspartei, die für die SPD schon 2005 zur Belastung wurde und sich 2007 auch formal als Partei konstituierte, nimmt einen großen Teil des früheren Wählerpotenzials der SPD ein. Mitunter wird Die Linke als Abspaltung innerhalb der Sozialdemokratie begriffen, ähnlich wie die USPD am Beginn der Weimarer Republik. Die SPD-Führung lehnt zwar eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene ab, die Frage der Kooperation und Auseinandersetzung mit dieser Partei – vor allem in den Ländern – entwickelte sich aber spätestens 2008 zu einem dauerhaften Problem. Die häufigen Vorsitzendenwechsel setzten sich unter dem Eindruck dieser Krisensituation fort und fanden in dem spektakulären Wechsel von Kurt Beck zu Franz Müntefering am Schwielowsee vom 7. September 2008 einen Höhepunkt.

Im Juli 2008 löste die CDU, obwohl in Bayern nicht vertreten, die SPD als größte bzw. mitgliederstärkste deutsche Partei ab.

Vorsitzende der SPD und ihrer Vorgängerparteien

Name Amtszeit Anmerkungen
Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV)
Ferdinand Lassalle 23. Mai 1863 -
31. August 1864
Otto Dammer 1. September -
2. November 1864
Interimspräsident
Bernhard Becker 2. November 1864 -
21. November 1865
Friedrich Wilhelm Fritzsche 21. - 30. November 1865 Vizepräsident und geschäftsführender Präsident
Hugo Hillmann 30. November -
31. Dezember 1865
Vizepräsident und geschäftsführender Präsident
Carl Wilhelm Tölcke 1. Januar -
18. Juni 1866
August Perl 18. Juni 1866 -
19. Mai 1867
Johann Baptist von Schweitzer 20. Mai 1867 -
30. Juni 1871
Wilhelm Hasenclever 1. Juli 1871 -
25. Mai 1875
Lassallescher Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (LADAV) ("Hatzfeldianer")
Friedrich Wilhelm Emil Försterling 16. Juni 1867 -
1868
Fritz Mende 5. Juli 1868 -
1873
Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP)
Leonhard von Bonhorst
Wilhelm Bracke
Johann Heinrich Ehlers
Friedrich Neidel
Samuel Spier
1869 - 1870
Johann August Karl Kühn
Samuel Spier
1870 - 1871
G. A. Müller
Theodor Külbel
1871 - 1872
Eduard Prey
Friedrich Lenz
1872 - 1873
Rudolf Praast
Theodor Külbel
1873 - 1874
Paul Martienssen
Ferdinand Fischer
1874 - 1875
Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP)
Wilhelm Hasenclever
Georg Wilhelm Hartmann
1875 - 1876
Wilhelm Liebknecht
August Bebel
Wilhelm Hasenclever
Georg Wilhelm Hartmann
1876 - 1878 Zentralkomitee
Verbot durch die Sozialistengesetze 1878-1890
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Paul Singer
Alwin Gerisch
1890 - 1892
August Bebel
Paul Singer
1892 - 1911
August Bebel
Hugo Haase
1911 - 1913
Friedrich Ebert
Hugo Haase
1913 - 1916 Haase spaltete sich 1916 mit USPD ab
Friedrich Ebert 1916 - 1917
Friedrich Ebert
Philipp Scheidemann
1917 - 1919
Hermann Müller
Otto Wels
1919 - 1922
Hermann Müller
Otto Wels
Arthur Crispien
1922 - 1928 Crispien im September als Vertreter der rückkehrend USPD nachgewählt
Otto Wels
Arthur Crispien
1928 - 1931
Otto Wels
Arthur Crispien
Hans Vogel
1931 - 1933
Vorsitzende im Exil 1933-1945
Otto Wels
Hans Vogel
1933 - 1939
Hans Vogel 1939 - 1945
Nachkriegszeit
Otto Grotewohl 1945 - 1946 Vorsitzender eines Zentralkomitees, beanspruchte deutschlandweite Autorität, Vorsitzender der SPD in der Sowjetischen Zone, betrieb 1946 die Vereinigung mit der KPD zur SED
Kurt Schumacher 1945 - 1946 Vorsitzender der SPD in der Britischen Zone widersetzte sich Grotewohls Ansprüchen und betrieb die Gründung der SPD in den Westzonen.
Vorsitzende der SPD in Westdeutschland 1946-1990
Kurt Schumacher 11. Mai 1946 -
20. August 1952
Erich Ollenhauer 27. September 1952 -
14. Dezember 1963
Willy Brandt 16. Februar 1964 -
14. Juni 1987
Hans-Jochen Vogel 14. Juni 1987 -
29. Mai 1991
Vorsitzende der wiedergegründeten SDP/SPD in der DDR 1989-1990
Ibrahim Böhme 1989 - 1990
Markus Meckel 1990
Vorsitzende der SPD (seit 1990)
Hans-Jochen Vogel 3. Oktober 1990 -
29. Mai 1991
Björn Engholm 29. Mai 1991 -
3. Mai 1993
Johannes Rau (kommissarisch) 3. Mai -
25. Juni 1993
Rudolf Scharping 25. Juni 1993 -
16. November 1995
Oskar Lafontaine 16. November 1995 -
12. März 1999
Gerhard Schröder 12. März 1999 -
21. März 2004
Franz Müntefering 21. März 2004 -
15. November 2005
Matthias Platzeck 15. November 2005 -
10. April 2006
Kurt Beck 10. April 2006 -
7. September 2008
Frank-Walter Steinmeier (kommissarisch) 7. September 2008 -
18. Oktober 2008
Franz Müntefering seit 18. Oktober 2008

Sozialdemokratische Bundespräsidenten

sozialdemokratische Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Nr. Name (Lebensdaten) Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Wahl(en)
1 Gustav Heinemann (1899–1976) 1. Juli 1969 30. Juni 1974 1969
2 Johannes Rau (1931–2006) 1. Juli 1999 30. Juni 2004 1999

Einzelnachweise

  1. Dazu etwa: George Lichtheim: Ursprünge des Sozialismus. Gütersloh 1969.
  2. Hartmut Zwahr: Die deutsche Arbeiterbewegung im Länder- und Territorienvergleich. In: Geschichte und Gesellschaft Heft 4 1987 S. 448-507
  3. Engelmann, Vorwärts und nicht vergessen, S. 128; Lehnert, S. 58 f.
  4. Lehnert, S. 65 f.
  5. Vgl. Christof Rieber: Das Sozialistengesetz: die Kriminalisierung einer Partei; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2, S. 356.
  6. Chronik, S. 61 f., S. 65.
  7. Chronik, S. 69.
  8. Chronik, S. 67–75; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2, S. 356.
  9. Chronik, S. 62 f., S. 67, S. 70, S. 74; Lehnert, Sozialdemokratie, S. 73 f., S. 76.
  10. Chronik, S. 75, S. 76.
  11. vergl. Willy Albrecht: Ende der Illegalität – Das Auslaufen des Sozialistengesetzes und die deutsche Sozialdemokratie im Jahre 1890.
  12. Grebing (2007), S. 29f.
  13. Jürgen Kocka: Arbeiterbewegung in der Bürgergesellschaft. Überlegungen zum deutschen Fall. In: Geschichte und Gesellschaft Heft 4 1994 S. 487–496
  14. Chronik, S. 78; Grebing, Arbeiterbewegung (1963), S. 107 f.
  15. Grebing, Arbeiterbewegung (1963), S. 107, Lehnert, S. 81.
  16. Lehnert, S. 100.
  17. Klaus Schönhoven: Die Gewerkschaften als Massenbewegung im Wilhelminischen Kaiserreich. In: Ulrich Borsdorf (Hrsg.): Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Von den Anfängen bis 1945. Köln 1987, ISBN 3-7663-0861-0 S. 202, S. 225.
  18. Grebing, Arbeiterbewegung (1963), S. 107.
  19. Grebing, Arbeiterbewegung (1963), S. 111.
  20. dazu etwa: Klaus Tenfelde: Historische Milieus – Erblichkeit und Konkurrenz. In: Manfred Hettling / Paul Nolte (Hrsg.): Nation und Gesellschaft in Deutschland. München, 1996. S. 247–268.
  21. Gerd Hohorst, Jürgen Kocka und Gerhard A. Richter: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch II: Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870–1914. München 1978. S. 173–175.
  22. vgl. zur Entwicklung der politischen Lager während des Kaiserreichs Karl Rohe: Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland. Frankfurt 1992, ISBN 3-518-11544-8, S. 98–121.
  23. Grebing, Arbeiterbewegung (1963), S. 110.
  24. Lehnert, S. 83 f.; Das Erfurter Programm (auf germanhistory.docs).
  25. dazu ausführlich: Hans Manfred Bock: Geschichte des linken Radikalismus. Ein Versuch. Frankfurt 1976, S. 38–73.
  26. Chronik, S. 81; vgl. Georg von Vollmar: Sozialdemokratische Taktiken (1891) (auf germanhistorydocs).
  27. Lehnert, S. 87–92.
  28. Lehnert, S. 93; Eduard Bernstein: Die nächsten Aufgaben der Sozialdemokratie (1899) (auf germanhistorydocs).
  29. Lehnert, S. 95.
  30. vergleiche etwa Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution (1899) (auf germanhistory.docs).
  31. Lehnert, S. 97.
  32. Lehnert, S. 99.
  33. Lehnert, S. 92–99.
  34. zit. nach Lehnert, S. 102.
  35. zit. nach Grebing, S. 121; dazu zusammenfassend: Susanne Miller: Die Massenstreikdebatte, in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 1, S. 245–261.
  36. Lehnert, S. 107–110: Grebing, Arbeiterbewegung, S. 108–109.
  37. zit. nach Lehnert, S. 114; siehe auch Erklärung des Fraktionsvorsitzenden Haase im Namen der Fraktion zum Kriegsausbruch (bei germanhistorydocs).
  38. vgl. dazu Susanne Miller: Der erste Weltkrieg und die Spaltung der Arbeiterbewegung, in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 2, S. 301–354.
  39. Das Gebot der Stunde (19. Juni 1915).
  40. zur Programmatik Grundlinien der USPD (April 1917).
  41. zur Motivation etwa Rosa Luxemburg: Der Krieg und die Arbeiterklasse (1916).
  42. Lehnert, S. 115–119.
  43. Philipp Scheidemann: Bericht über den 9. November 1918 (Text und Tondokument etwa aus dem Jahr 1924).
  44. Lehnert, S. 119–123; Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 66–69.
  45. Lehnert, S. 123–125.
  46. Lehnert, S. 126.
  47. D. Petzina, W. Abelshauser, A. Faust: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch III: Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914–1945. München, 1978. S. 174.
  48. Lehnert, S. 123–133.
  49. Peter Lösche / Franz Walter: Zur Organisationskultur der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Niedergang der Klassenkultur oder solidargemeinschaftlicher Höhepunkt. In: Geschichte und Gesellschaft, Heft 4 1989, S. 511–536.
  50. Dazu etwa Franz Walter: Sozialdemokratische Regierungsbeteiligung in der Weimarer Republik, in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 2, S. 551–553.
  51. hierbei werden die Ergebnisse der MSPD und USPD der Einfachheit halber addiert, generell bestanden zwischen den beiden Parteien jedoch manchmal enorme Unterschiede.
  52. Görlitzer Programm; vgl. zur Programmdebatte: Heinrich August Winkler: Klassenbewegung oder Volkspartei? Zur sozialdemokratischen Programmdebatte 1920–1925. In: Geschichte und Gesellschaft, Heft 1 1982, S. 9–54.
  53. Mit „R-Beteiligung“ ist gemeint, dass sozialdemokratische Kabinettsmitglieder in einer nichtsozialdemokratisch geführten Regierung saßen. R-Vorsitz bedeutet, dass das jeweilige Kabinett von einem sozialdemokratischen Regierungschef (Reichskanzler) geführt wurde. Alle aufgeführten Regierungen waren Koalitionsregierungen.
  54. Winkler, Weg in die Katastrophe, S. 399–410.
  55. Grebing, Arbeiterbewegung (1966), S. 213.
  56. zit. nach Lehnert, S. 152.
  57. Rede von Otto Wels am 23. März 1933 zur Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes.
  58. Vgl. Eintrag in Franz Osterroth, Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie
  59. Text des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 bei verfassungen.de
  60. Text des Gesetzes über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 im Reichsgesetzblatt in retrodigitalisierter Form bei ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte Online
  61. Text der Verordnung zur Sicherung der Staatsführung vom 7. Juli 1933 im Reichsgesetzblatt in retrodigitalisierter Form bei ALEX – Historische Rechts- und Gesetzestexte Online
  62. Lehnert, S. 157–164.
  63. Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (2007), S. 129.
  64. Susanne Miller: Die Sozialdemokratie von 1945 bis 1966. In: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, S. 770.
  65. Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (2007), S. 130.
  66. Lehnert, S. 164–170.
  67. Lehnert, S. 171.
  68. Christel Wickert: Widerstand und Verfolgung deutscher Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im 20. Jahrhundert. In: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Hrsg.): Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Marburg 2000, S. 382–392
  69. Alle Bundestagswahlergebnisse.
  70. Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (2007), S. 139.
  71. Lehnert, S. 177–180.
  72. Lehnert, S. 179.
  73. Lehnert, S. 82–184.
  74. Lehnert, S. 184–186.
  75. Das Eisenacher Programm der SDAP 1869.
  76. Das Gothaer Programm der SAP 1875.
  77. Das Erfurter Programm der SPD 1891.
  78. Das Görlitzer Programm 1921.
  79. Das Heidelberger Programm 1925.
  80. Das Godesberger Programm 1959.
  81. Volltext („Berliner Programm“) (pdf).
  82. Volltext Hamburger Programm
  83. Lehnert, S. 187–191, vergl. Interview mit Susanne Miller zum Godesberger Programm (Frankfurter Hefte 2004).
  84. Lehnert, S. 191–193.
  85. Grebing, Arbeiterbewegung (2007), S. 164 f.
  86. Grebing, Arbeiterbewegung (2007), S. 159–163.
  87. dazu: Karl Rohe: Vom sozialdemokratischen Armenhaus zur Wagenburg der SPD. Politischer Strukturwandel in einer Industrieregion nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Geschichte und Gesellschaft, Heft 4 1987, S. 508–534.
  88. SPD-Bundestagsfraktion.
  89. Rede Bölls über die Notstandsgesetzgebung.
  90. Lehnert, S. 194–201, Große Koalition auf Planet Wissen.
  91. Lehnert, S. 200–211.
  92. Grebing, Arbeiterbewegung (2007) S. 183 f.
  93. Karsten Rudolph: Einleitung. In: Ders. (Hrsg): Die Partei der Freiheit. Willy Brandt und die SPD 1972–1982. (Berliner Ausgabe Bd.5) Bonn, 2002 S. 22.
  94. Lehnert, S. 212–216.
  95. Lehnert, S. 215–217
  96. Lehnert, S. 216–221.
  97. Grebing 2007, S. 188
  98. Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 188–192.
  99. Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 193–195.
  100. Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 233–237.
  101. Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 228–232, Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2: Deutsche Geschichte 1933–1990. Bonn 2005, S. 603–606
  102. Lösche/Walter, Grebing, Arbeiterbewegung 2007, S. 248.

Siehe auch

Literatur

  • Bernt Engelmann: Vorwärts und nicht vergessen. Vom verfolgten Geheimbund zur Kanzlerpartei: Wege und Irrwege der deutschen Sozialdemokratie. München 1984, ISBN 3-442-08953-0.
  • Helga Grebing: Arbeiterbewegung. Sozialer Protest und kollektive Interessenvertretung bis 1914 (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart) 2. Auflage, München 1987, ISBN 3-423-04507-8.
  • Helga Grebing: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Ein Überblick. München, 1966. [hier zit. als Grebing, Arbeiterbewegung (1966)].
  • Helga Grebing: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert. Berlin 2007, ISBN 978-3-86602-288-1 [hier zit. als Grebing, Arbeiterbewegung (2007)]
  • Dieter Groh: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Frankfurt am Main 1973, ISBN 3549072813.
  • Detlef Lehnert: Sozialdemokratie zwischen Protestbewegung und Regierungspartei 1848–1983. Frankfurt 1983, ISBN 3-518-11248-1.
  • Peter Lösche, Franz Walter: Die SPD. Klassenpartei – Volkspartei. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-10994-5.
  • Thomas Meyer, Susanne Miller, Joachim Rohlfes (Hrsg.): Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Darstellung, Chronologie, Dokumente. 3.Bde. Bonn, 1984 ISBN 3-923423-11-x (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 207).
  • Susanne Miller: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 53), Droste, Düsseldorf 1974.
  • Susanne Miller: Die Bürde der Macht. Die deutsche Sozialdemokratie 1918–1920. (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 63), Droste, Düsseldorf 1978, ISBN 3-7700-5095-9.
  • Daniela Münkel (Hrsg.): „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.“ Die Programmgeschichte der sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Berlin 2007, ISBN 3-86602-544-0.
  • Franz Osterroth, Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie; Verlag J.H. Dietz Nachf., Hannover 1963, ISBN 3-8012-1084-7.
  • Heinrich Potthoff, Susanne Miller Kleine Geschichte der SPD 1848–2002 Dietz, Bonn 2002, ISBN 3801203204.
  • Joseph Rovan: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Fischer, Frankfurt 1980 (Paris 1978)
  • Wolfgang Ruppert: Fotogeschichte der deutschen Sozialdemokratie (Vorwort von Willy Brandt – Herausgeber), Siedler-Verlag Berlin 1988, ISBN 3-88680-290-6.
  • Carl E. Schorske: Die Große Spaltung. Die deutsche Sozialdemokratie von 1905–1917, aus dem Amerikanischen, Harvard University Press, 1955, von Harry Maor, mit einem Vorwort zur Deutschen Erstausgabe, Verlag Olle & Wolter, Berlin 1981, ISBN 3-88395-407-1.
  • Heinrich August Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924. Berlin, Bonn 1985, ISBN 3-8012-0093-0.
  • Heinrich August Winkler: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930–1933. 2. Aufl., Bonn 1990, ISBN 3-8012-0095-7.

Weblinks


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