- Opportunität
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Möglichkeit ist die Realisierbarkeit eines Gegenstands, Vorgangs oder Zustandes, im praktischen oder theoretischen Sinne.
Grundlagen
Dem Sein werden drei Grundbestimmungen zugeschrieben, das Wirkliche, das Notwendige und das Mögliche. Diese Frage beschäftigt die Philosophie seit der Antike und in allen Kulturen.
Bedeutungsanalyse
„Etwas ist möglich“, wenn es nicht ausgeschlossen werden kann. „Es ist möglich, dass Du recht hast“ bedeutet z. B.: „Ich kann nicht ausschließen, dass Du recht hast.“
Der Ausschlussgrund kann verschiedener Art sein:
- Logische Unmöglichkeit:
- „Es ist (logisch) nicht möglich, dass ein schwarzer Schimmel existiert.“
- Denn Schimmel sind per Definition weiß.
- Naturgesetzliche Unmöglichkeit:
- „Es ist (nach heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen) nicht möglich, ein Perpetuum mobile zu bauen.“
- Denn das würde dem in der Wissenschaft anerkannten Satz von der Erhaltung der Energie widersprechen.
- Technische Unmöglichkeit:
- „Es ist (gegenwärtig technisch) nicht möglich, dass sich ein Mensch jetzt in Berlin befindet und dass derselbe Mensch sich eine Minute später in Peking befindet.“
- Denn die gegenwärtig schnellsten Fortbewegungsmittel, die Raketen, benötigen dafür mehr als 15 Minuten.
Man kann weiterhin unterscheiden zwischen möglichen Ereignissen und möglichen Handlungen:
- Möglichkeit von Ereignissen:
- „Wenn sich in einer Lostrommel neben Nieten auch ein Gewinnlos befindet, ist es möglich, zufällig einen Gewinn zu ziehen.“
- Denn die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis ist größer als Null.
- Möglichkeit von Handlungen:
- „Als Mitglied eines Erschießungskommandos hat man die Möglichkeit, daneben zu schießen.“
- Denn ein Gewehrschütze kann die Richtung seines Gewehrlaufes bestimmen.
Aussagen über Handlungsmöglichkeiten beziehen sich immer auf bestimmte Subjekte unter bestimmten Bedingungen (Wem ist es unter welchen Bedingungen möglich, diese Handlung auszuführen?)
Handlungsmöglichkeiten, die nicht gleichzeitig realisiert werden können, weil sie einander ausschließen, werden als "alternative Handlungsmöglichkeiten" oder nur kurz als "Alternativen" bezeichnet. Zwischen Alternativen muss man sich deshalb entscheiden. ("Es ist mir möglich, am kommenden Sonntag entweder ans Meer oder in die Berge zu fahren. Wie soll ich mich entscheiden?")
Möglichkeit als Hinweis auf Alternativen (Option, Version)
Möglichkeit, auch Option ist im Konstrukt „Eine Möglichkeit (unter mehreren) ist...“ ein Hinweis, dass es zu der dargestellten Variante oder Version eine Alternative gibt. Die Möglichkeit ist die Idee oder Vorstellung, deren Realisierbarkeit erkannt wurde. In diesem Umfeld ist auch die Chance anzusiedeln, bei der das Eintreten einer Möglichkeit intentional gefördert wird. Die Möglichkeit liegt in der Gegenwart und eröffnet ein variables Feld für verschiedene mögliche Handlungen in der Zukunft, wie z.B. beim Schachspiel sich mit jedem Zug hunderte neue Möglichkeiten an zukünftigen Zügen auftun. Ihr Ergebnis ist unbestimmt. Die Möglichkeit ist nichts Zwingendes und Unausweichliches wie etwa das Schicksal. Sie verlangt nach einer Entscheidung.
Möglichkeit als Synonym für Fähigkeiten und Eigenschaften
„Jemand (oder etwas) hat die Möglichkeit“ ist eine andere Formulierung für Fähigkeiten oder Eigenschaften. "Die Grenze des Möglichen" ist synonym mit "die Grenze des Machbaren (Erfahrbaren, Vorstellbaren)"
Diese Verwendung des Möglichkeitsbegriffes entspricht einer nicht-modalen, d.h. einer prädikativen Verwendung. Man drückt somit mittels des Möglichkeitsbegriffes ein Vermögen bzw. eine Fähigkeit eines Dinges aus.
- „Holz ist brennbar.“ → (Die) Möglichkeit zu brennen wohnt dem Holz inne bzw. ist diesem eigen.
Die Möglichkeit unterliegt dabei bestimmten Bedingungen oder Voraussetzungen, so etwa bei Kant: „Was sind die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis?“ (siehe Kritik der reinen Vernunft).
In der Philosophie bezeichnet man das als Potenz.
Möglichkeit als vager Ausdruck einer Wahrscheinlichkeit
Möglichkeit („etwas ist möglich“) bezeichnet umgangssprachlich recht vage eine niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit für ein Ereignis, die im Rang einer persönlichen Meinung anzusiedeln ist. In diesem Umfeld kann auch die 'Möglichkeit als Variante der Wirklichkeit angesehen werden.
Die Wahrscheinlichkeitstheorie kennt eine genaue Quantifizierung zwischen null und eins bzw. null Prozent und 100 Prozent der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten mathematisch erfassbarer zufälliger Ereignisse. Die alltägliche Sprache begnügt sich jedoch mit einer groben und nicht klar umrissenen Unterteilung, die auch auf nicht exakt bestimmbare Eintrittswahrscheinlichkeiten angewendet werden.
Folgende Begrifflichkeit ist üblich:
- sicher / immer (100 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit)
- so gut wie sicher
- sehr wahrscheinlich / höchst wahrscheinlich
- wahrscheinlich / überdurchschnittlich
- durchschnittlich / halbe-halbe / fifty-fifty (50 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit)
- möglich / unterdurchschnittlich
- vorstellbar / kann sein
- schwer vorstellbar / kaum möglich / praktisch unmöglich / nicht auszuschließen
- unmöglich / nie (null Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit)
Die vage Eintrittswahrscheinlichkeit möglich ist normalerweise irgendwo unterhalb der 50-Prozent-Schwelle anzusiedeln. Abhängig vom verwendeten sprachlichen Kontext liegt die Wahrscheinlichkeit sowohl im extrem unwahrscheinlichen Bereich („Es ist möglich, im Lotto zu gewinnen.“) als auch im mittleren Bereich („Es ist möglich, dass das Wetter morgen genau so ist, wie heute.“)
Möglichkeit und formale Logik
Die Unterart der formalen Logik, die sich mit einer Analyse des Begriffs möglich (sowie auch notwendig) befasst, heißt Modallogik, die Möglichkeit wird unter dem Begriff Modalität analysiert.
In der Fuzzy Logik spricht man von Möglichkeitsverteilung, analog zur Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wahrscheinlichkeitstheorie.
Möglichkeit als Latenz und Tendenz von Materie
Ernst Bloch sah in der Materie ein Synonym für Möglichkeit. Allerdings unterschied er – unter Berufung auf Aristoteles – zwei Formen der Möglichkeit:
- das Nach-Möglichkeit-Seiende, also das, was nach Maßgabe des Gegebenen ermöglicht werden könne
- und das In-Möglichkeit-Seiende, was in der Materie an Latenz und Tendenz enthalten ist
Darüber hinaus differenzierte Bloch vier Schichten der Kategorie Möglichkeit.
Sprachlicher Ausdruck
Die Sprachwissenschaft kennt etliche grammatisch-semantische Konstruktionen der Möglichkeitsform, etwa als Modus oder Hilfskonstruktion, die die oben erläuterten Bedeutungsaspekte ausdrücken:
- Voluntativ – was gewünscht ist (im deutschen Konjunktiv I/II)
- Optativ – was gewählt werden soll (im deutschen Konjunktiv I)
- Optativ perfektus – was möglich gewesen wäre (im deutschen Konjunktiv II)
- Potentialis – was durchführbar ist (im deutschen Konjunktiv I)
- Deliberativ – die Nachfrage, ob eine Möglichkeit wahrgenommen werden soll
- Futur – was werden wird, beziehungsweise werden könnte; Zukunftsform
- Intentional – was beabsichtigt ist, auch als coniugatio periphrastica (im deutschen Konjunktiv II)
- Dubitativ, Modus relativus – was sein könnte, aber nicht sicher ist; Hörsagen (im deutschen Konjunktiv I/II, auch in der Form des Narrativ)
- Suppositiv, was möglich sein könnte; Vermutung (im deutschen Konjunktiv I/II)
Siehe auch
- Chance
- de re und de dicto
- Konkrete Utopie
- Opportunität (Wirtschaftsmodelle)
Literatur
- Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt a.M. 1956
- Otto-Hubert Kost: Von der Möglichkeit. Das Phänomen der selbstschöpferischen Möglichkeit in seinen kosmogonischen, mythisch-personifizierten und denkerisch-künstlerischen Realisierungen als divergenztheologisches Problem. Vandenhoeck & Ruprecht, 1978, ISBN 978-3-525-56147-8
Weblinks
- Logische Unmöglichkeit:
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