Orientexpreß

Orientexpreß
Übersichtskarte der Zugläufe

Den Namen Orient-Express trugen mehrere Eisenbahnverbindungen zwischen Westeuropa und dem Balkan. In der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg handelte es sich um einen Luxuszug der Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL), der Paris und Konstantinopel verband. Ein Rest dieser Verbindung ist ein Zug dieses Namens, der seit Juni 2007 auf der Strecke StraßburgWien verkehrt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bis zum Ersten Weltkrieg

Historisches Werbeplakat des Orient-Express
Der Orient-Express bis 1914

Zum ersten Mal fuhr der Orient-Express am 5. Juni 1883 vom Bahnhof Paris Est in Richtung Osten. Es handelte sich um einen Hotelzug ausschließlich der (damaligen) ersten Wagenklasse mit Salon-, Schlaf- und Speisewagen. In den ersten Jahren endete die Fahrt in der rumänischen Stadt Giurgiu an der Donau. Reisende nach Konstantinopel mussten per Fähre die Donau überqueren, mit einem normalen Zug nach Warna reisen und von dort das Schiff nehmen. Erst ab 1888 verkehrte der Orient-Express durchgehend über Budapest, Belgrad und Sofia bis zu einem temporären Bahnhof in Konstantinopel. Dieser wurde 1890 durch den Neubau der Müşir-Ahmet-Paşa-Station ersetzt, der dem jetzigen Bahnhof Sirkeci entspricht. Am anderen Ende seines Weges entstanden Kurswagenläufe von (London)-Calais-Paris und von Ostende.

Die Reisezeit betrug 69,5 Stunden und legte eine Strecke von 3186 Kilometer zurück. Die Reise war nur mit einem Schnellzugbillett der ersten Klasse und 20% Aufschlag möglich. In den durchfahrenen Ländern gab es jeweils lokale Speisen und Folklore-Darbietungen.

Die CIWL konnte nicht verhindern, dass neben ihrem Luxuszug täglich ein Schnellzug („Konventionalzug“) zwischen Belgrad und Konstantinopel verkehrte, der alle drei Klassen führte und somit eine preiswerte Alternative zum Orient-Express bot.

Bekannt wurde der Orient-Express nicht nur durch seinen Luxus und das Publikum aus dem europäischen Hoch- und Finanzadel, sondern durch spektakuläre Vorfälle. 1891 brachte der griechische Räuber Athanos den Zug 100 km westlich von Konstantinopel zum Entgleisen, entführte vier Männer und ließ diese erst frei, nachdem 8000 Pfund Sterling in Gold Lösegeld gezahlt worden war. Wenige Jahre später wurde ein Gesandter der französischen Regierung in seinem Abteil ermordet. Selbst 1950, der Zug war längst ein normaler D-Zug, wurde ein US-Militärattaché von Ostblock-Agenten überfallen und beraubt.

Zwischen den Weltkriegen

Der Orient-Express zwischen den Weltkriegen
Ostende-Wien-Express und Suisse-Arlberg-Vienne-Express

Der Erste Weltkrieg zerschnitt mit seinen Fronten den Zuglauf. So betrieb die Mitropa seit dem 15. Januar 1916 den „Balkanzug“ zwischen Berlin und Konstantinopel, der durch das militärisch besetzte Serbien führte und die Verbündeten, das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich verband. Dieser Zug führte auch die (damalige) zweite Wagenklasse und wurde im Herbst 1918 eingestellt.

Nach Kriegsende wurde der Orient-Express als „train de luxe militaire“ eingestuft und war für Militärs und Politiker reserviert. Erst 1921 fuhr der Orient-Express wieder für den öffentlichen Verkehr, allerdings nur noch bis Bukarest. Für Zivilreisende wurde am 15. April 1919 der „Simplon-Orient-Express“ eingerichtet, der über die Schweiz, den Simplon-Tunnel, Mailand, Triest, Zagreb bis Konstantinopel verkehrte und so das besiegte Deutschland und Österreich umfuhr.

Bis zum Frühjahr 1940 fuhren Orient-Express und Simplon-Orient als Luxuszüge bis zum ab 1930 offiziell Istanbul genannten Endziel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Orient-Express nach dem Zweiten Weltkrieg

Abbau des Angebots

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verkehrten beide Züge als gewöhnliche Schnellzüge. Der Orient-Express verband seit dem 1. April 1946 wieder Paris mit Stuttgart, München und Wien. 1950 führte der Orient-Express erstmals auch Wagen dritter Klasse.

1961 beschloss die Internationale Fahrplankonferenz, den Zug jenseits des Eisernen Vorhangs zu streichen. Der Zug endete daraufhin in Wien. Erst ab 1964 führte er wieder bis Budapest, später auch nach Bukarest. Der Simplon-Orient-Express führte zeitweise Kurswagen von (London-)Oostende, Nizza und Stockholm (Balt-Orient-Express) bis Istanbul. Am 19. Mai 1977 fuhr er das letzte Mal fahrplanmäßig vom Pariser Bahnhof Gare de l’Est nach Istanbul. Die Wagen standen vorher jahrelang auf Abstellgleisen zwischen Madrid und Warschau und hatten schwer gelitten.

Erst Ende der 1970er Jahre machte sich der Schweizer Albert Glatt daran, den Orient-Express in seiner alten Pracht wieder erstehen zu lassen.

Mitte der 1980er Jahre wurde aus dem Orient-Express ein gewöhnlicher Nachtzug zwischen Budapest und Paris Est. Bis in die 1990er Jahre führte der Zug zusätzlich noch Kurswagen aus Bukarest sowie zeitweilig einen Speisewagen zwischen Wien und Salzburg. Gegen Ende der 1990er Jahre wurde dann der Abschnitt Budapest–Wien eingestellt. Die Kurswagen von und nach Rumänien wurden zu einem eigenen Zug umgewandelt, mit der Bezeichnung „Dacia-Express“ versehen und der Speisewagen zwischen Salzburg und Wien wurde eingestellt.

EN 262 - 263 „Orient-Express“

Ab dem Sommerfahrplan 2002 fuhr der Zug für fünf Jahre unter der Bezeichnung „EN 262/263 Orient-Express“ zwischen Wien und Paris. Ab Dezember 2003 war das die einzig verbliebene Direktverbindung zwischen beiden Städten. Einige Zeit lang führte der Zug Kurswagen von Wien über Salzburg nach Venedig, die allerdings aus Gründen des Marketings im Kursbuch als eigener Zug „EN 237/239 Allegro Don Giovanni“ ausgewiesen waren.

EN 264 - 265 „Orient-Express“

Zum kleinen Fahrplanwechsel am 9. Juni 2007 wurde aufgrund der Aufnahme des Verkehrs auf der TGV-Neubaustrecke zwischen Paris und Straßburg der Zuglauf auf die Route Wien–Straßburg verkürzt. Zusätzlich führt er Kurswagen zwischen Wien und Amsterdam, die als eigener Zug „CNL 312-313 Donau-Kurier“ geführt werden. Diese Kurswagen hingen bis/ab Karlsruhe am Orient-Express. Bis zum 8. Dezember 2007 fuhr die Kurswagengruppe der CityNightLine nach Dortmund Hbf, am 9. Dezember 2007 fuhren diese Kurswagen zum ersten Mal von und nach Amsterdam Centraal. Zwischen 9. Dezember 2007 und 14. Dezember 2008 hielt der Zug in Wels Hbf.

EN 468 - 469 „Orient-Express“

Seit 14. Dezember 2008 fährt der Orient-Express unter einer neuen Nummer später von Wien und früher von Straßburg ab und hat statt der Kurswagen nach Amsterdam Kurswagen von Budapest nach Frankfurt am Main. Der Zug befährt die Strecke täglich.

Ein moderner ÖBB-Liegewagen, wie er zwischen Wien und Straßburg zum Einsatz kommt
Ein moderner MÁV-Schlafwagen, wie er zwischen Budapest und Frankfurt zum Einsatz kommt

Laufweg des Zuges:

Der Zug besteht aus Schlaf-, Liege- und Sitzwagen der ÖBB und MÁV. Die Kurswagen von Budapest nach Frankfurt, zu denen auch ein Speisewagen zählt, werden zwischen Budapest und Wien und umgekehrt mit EN 460 - 461 „Danubius“ und zwischen Karlsruhe und Frankfurt und umgekehrt mit EN 408 - 409 „Danubius“ befördert.

Touristikzüge

Die letzte Station des Orient Express, der Bahnhof Sirkeci in Istanbul

Mehrere nostalgische Zuggarnituren, die für Schienenkreuzfahrten eingesetzt werden, haben Namen, die vom Orient-Express abgeleitet sind:

Nostalgie Istanbul Orient Express (NIOE)

Der Zug führt CIWL-Originalwagen aus den 1920er und 1930er Jahren. Die Wagen wurden seit Anfang der 1970er Jahre vom Schweizer Unternehmer Alby Glatt (Intraflug AG) gesammelt und im Auslieferungszustand von 1926–29 restauriert. Der NIOE war der erste Nostalgie-Orient-Express überhaupt und verkehrte von 1976 bis 2008.

1993 übernahm das Reisebüro Mittelthurgau die NIOE-Wagen und setzte sie zusammen mit fünf Aussichtswagen des TEE Rheingold, zwei Wagen aus dem Rheingold-Luxuszug der DRG 1928 und dem umgebauten französischen Staatsspeisewagen No. 3354 (von franz. Präsident Charles de Gaulle) ein. Ebenso wurde ein SNCF-Speisewagen «L’Aquitaine» in nostalgischem Stil restauriert.

13 NIOE-Wagen wurden für die russische Breitspur auf eigenen Drehgestellen umgespurt und verkehrte auf dem russischen Breitspurnetz, unter anderem auf der Transsibirischen Eisenbahn bis zum Oktober 2007.

Nach der Insolvenz des Reisebüros Mittelthurgau AG und der Mittelthurgaubahn 2001 übernahm die Transeurop Eisenbahn AG (TEAG) in Basel den NIOE. Die Gesellschaft Orient-Express Train de Luxe Betriebs GmbH / Austria führte den Betrieb. Der NIOE-Wagenpark der TEAG und zweier Tochtergesellschaften umfasst heute 32 ehemalige CIWL-Wagen. Auch im Bestand sind ehemalige Salonwagen der NS-Reichsregierung sowie Rheingold-Wagen von 1928.

Aufgrund eines von Seiten VSOE angestrengten und mit der SNCF geführten gerichtlichen Streitverfahrens rund um den Markennamen „Orient-Express“ musste der Betrieb des NIOE Trains im Jahr 2007 eingestellt werden. 2008 sollte ein internationales Gericht über die Klage und eine inzwischen erhobene Widerklage entscheiden. Der Vorfall ist inzwischen vom EuGH Europäischer Gerichtshof angenommen worden. Ein Entscheidungszeitraum ist völlig offen. Seit dem 1. Januar 2008 ruht daher der Geschäftsbetrieb des NIOE, die CIWL-Wagen sind im Bahnwerk sicher konserviert hinterstellt.

Venedig Simplon Orient Express (VSOE)

Der Zug führt teilweise 1982 modernisierte ex-CIWL Wagen, teilweise auch anderes angepasstes Wagenmaterial.

1977 begann der amerikanisch-britische Touristikunternehmer James B. Sherwood, historische Wagen der CIWL und der British Pullman Company zu erwerben und aufwändig zu restaurieren. Der Venice Simplon-Orient-Express (VSOE) wurde erstmals 1982 eingesetzt. In Großbritannien verkehren britische Pullmanwagen im Tagesverkehr als Zubringer, die Reisenden fahren im Schiff über den Ärmelkanal und reisen auf dem Kontinent auf verschiedenen Strecken in CIWL-Schlafwagen der Typen Lx und S weiter. Die Flotte des VSOE besteht aus ca. 22 historischen Wagen, darunter auch Speise-, Bar- und Servicewagen.

2003 bis 2006 wurden die kontinentalen Wagen des VSOE modernisiert und erhielten unter anderem moderne Drehgestelle sowie neue Klimaanlagen. Seitdem sind die Wagen für 160 km/h zugelassen.

Pullman Orient Express (POE)

Die CIWL betreibt seit 2003 sieben ihrer historischen Speise- und Pullmanwagen selbst, setzt diese überwiegend in Tagesfahrten im Binnenverkehr in Frankreich ein oder vermietet sie an Reisegruppen.

Bedeutung in Literatur, Film und Musik

Zimmer des Hotels Pera in Istanbul, in dem Agatha Christie angeblich den Roman Mord im Orientexpress geschrieben haben soll

Zum Ruhm des Zuges trugen auch Romane wie Agatha ChristiesMord im Orient-Express“ bei. Der Roman wurde mit Albert Finney als Hercule Poirot verfilmt. Auch der James Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ mit Sean Connery spielt zum Teil auf der Simplon-Orient-Expressstrecke. Ein weiterer Roman, der in dieser Eisenbahnlinie spielt, ist der Klassiker von Graham Greene „Orient-Express“ (im Original: The Orient Express oder Stamboul Train). Der britische Komponist Philip Sparke gewann mit seinem Werk Orient Express für symphonisches Blasorchester den Kompositionswettbewerb der European Broadcasting Union für neue Blasorchesterwerke.

Chronik

  • 4. Oktober 1883 – Abfahrt des ersten Orientexpresses vom Pariser Gare de l'Est/Gare de Strasbourg nach Giurgiu in Rumänien
  • 1889 – Abfahrt des ersten Orientexpresses von Paris nach Istanbul
  • 1891 – Der Orientexpress wird von Plünderern heimgesucht
  • 1892 – Auf dem Zug bricht eine Cholera-Epidemie aus
  • 1906 – Nach Eröffnung des Simplontunnels wird der Simplon-Orient-Express eingeführt
  • 1914 – Erster Weltkrieg, die Verbindung wird eingestellt
  • 1924 – Der Arlberg-Orient-Express verkehrt das erste Mal
  • 1929 – Der Orient-Express wird in der Türkei fünf Tage eingeschneit, was Agatha Christie zu ihrem Roman „Mord im Orient-Express“ inspiriert.
  • 1931 – Terroristischer Überfall einer ungarischen Verschwörung auf den Orient-Express mit Todesopfern
  • 1939 – Im Zweiten Weltkrieg wird der Verkehr vorübergehend eingestellt.
  • 1962 – Der Simplon-Orient-Express verkehrt das letzte Mal
  • 1975 – Die Verfilmung Mord im Orient-Expreß von 1974 wird für sechs Oscars nominiert.
  • 1977 – Der CIWL-Orient-Express verkehrt das letzte Mal.
  • 1977 – Der Nostalgie-Istanbul-Orient-Express (NIOE) verkehrt als Touristikzug einer Privatfirma (TransEurop-Eisenbahn AG, Basel).
  • 1982 – Der Venice-Simplon-Orient-Express (VSOE) nimmt den Nostalgieverkehr London-Venedig auf.
  • 1991 – Der Magier David Copperfield lässt einen 70 Tonnen Waggon des NIOE-Orient-Express verschwinden
  • 2002 – Seit dem Sommerfahrplan fuhr der Zug unter der Bezeichnung EN 262/263 „Orient-Express“ zwischen Wien und Paris.
  • 2007 – Zum kleinen Fahrplanwechsel und Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke LGV Est européenne am 9. Juni wurde der Zuglauf auf die „Rest-Strecke“ Wien–Straßburg gekürzt.
  • 2007 – Der NIOE muss den Betrieb wegen eines Markenrechtsstreits bis auf weiteres erst einmal komplett einstellen.
  • 2008 – Abstellung und b.a.W. konservierte Hinterstellung in nicht öffentlicher Wagenhalle. Ende des gesamten NIOE Geschäftsbetriebes.

Literatur

  • Werner Sölch: Orient-Express – Glanzzeit und Niedergang eines Luxuszuges, Düsseldorf 1974, 1. Aufl., ISBN 3-87094-021-2

Weblinks

Siehe auch


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