Oszwald

Oszwald

Robert Paul Oszwald (* 11. Januar 1883 in Leipzig ; † wahrscheinlich Frühjahr 1945), war ein deutscher Publizist, Historiker und politischer Funktionär. Bis 1945 galt er als der profilierteste Kenner der Flämischen Bewegung und beeinflusste als solcher maßgeblich die Besatzungspolitik der Deutschen in Belgien im Ersten Weltkrieg und Zweiten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur studierte Oswald ab 1903 Geschichte an der Universität Leipzig. 1907 wurde er mit einer Arbeit über die mittelalterliche Grundherrschaft promoviert. Von 1908 bis 1910 war er Bibliothekar und Assistent am Leipziger Historischen Institut. Von 1910 bis 1912 war er Lehrer an der Öffentlichen Handelslehranstalt Leipzig. 1910 heiratete er eine Niederländerin, deren Namen er als Bob Driessen ter Meulen auch als Pseudonym verwendete. In dieser Zeit wandte er sich auch der niederländischen Geschichte zu. Über die Beschäftigung mit den Niederlanden stieß Oszwald nach eigener Aussage 1912 auf die Flämische Bewegung. Im Gegensatz zu den von ihm verabscheuten Alldeutschen entwickelte er ein stark idealisierendes Flandernbild, das nicht allein von deutschem Großmachtstreben inspiriert war. So wies er kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges in einem „Der Nationalitätenkampf der Vlamen und Wallonen“ überschriebenen Artikel für die Preußischen Jahrbücher alle pangermanisch motivierten Ansprüche auf Flandern zurück. Gleichzeitig verurteilte er die Unterdrückung der Flamen durch den frankophon dominierten belgischen Staat. Er forderte die Einführung der niederländischen Sprache als einziger Amtssprache in Flandern sowie die Errichtung einer niederländischsprachigen Universität Gent.

Erster Weltkrieg

Kurz nach Kriegsausbruch am 26. August 1914 schickte Oszwald den erwähnten Artikel über den belgischen Nationalitätenkonflikt an den am selben Tag ernannten Generalgouverneur für das besetzte Belgien von der Goltz. Sein Artikel fand jedoch wahrscheinlich erst nach der deutschen Niederlage in der Marneschlacht Beachtung, als ein schneller deutscher Sieg im Westen immer unwahrscheinlicher wurde. Die Empfehlungen zur Förderung der niederländischen Sprache in Flandern die Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg am 16. Dezember 1914 an den Nachfolger von der Goltz’, den neuen Generalgouverneur von Bissing gab, scheinen jedenfalls maßgeblich vom Artikel Oszwalds inspiriert gewesen zu sein. Nach einer kurzen Infanterieausbildung trat Oszwald im Juni 1915 eine Stellung als Pressezensor bei der deutschen Zivilverwaltung in Antwerpen an. Im selben Jahr erschien auch der Aufsatz für die Preußischen Jahrbücher als selbstständige Veröffentlichung mit dem Titel „Zur Belgischen Frage“. Am 1. Januar 1917 erfolgte seine Versetzung in die Zentrale der Politischen Abteilung in Brüssel. Hier leitete er bis August 1917 ein Referat für das deutsche Kriegsgefangenenlager in Göttingen, ab August 1917 eine Abteilung, die sich mit Propaganda in Flandern befasste.

Festzuhalten bleibt, dass Oszwalds Schrift kulturpolitisch außerordentlich einflussreich war und viele flamenpolitische Maßnahmen der Besatzungsbehörden inspirierte. Was seine Ansichten zum Verhältnis Deutschlands gegenüber Belgien anging, war Oszwald weitaus weniger einflussreich. Seine bis zum Ende des Krieges beibehaltene Konzeption eines freien Flanderns innerhalb eines weitgehend von Deutschland unabhängigen Belgiens entsprach sicher nicht den auf die Etablierung eines Vasallenstaates abzielenden Absichten der Reichsleitung, geschweige denn den Vorstellungen, die die Obersten Heeresleitung über eine potentielle Annexion des Landes hegte.

Zwischenkriegszeit

Nach dem Kriegsende versuchte Oszwald bei der deutschen Botschaft in Den Haag unterzukommen, wo man sich allerdings gegen seine Anwesenheit wehrte aus Angst, sich in den Niederlanden durch die Anwesenheit eines prominenten Protagonisten der Flamenpolitik zu kompromittieren. Zwischen März 1919 und Anfang 1920 war Oswald mit der Betreuung nach Deutschland geflüchteter Flamen beschäftigt, die mit den Besatzungsbehörden kollaboriert hatten. Seit 1920 war Oszwald am Reichsarchiv Potsdam beschäftigt. Er publizierte weiter über Flandern und gründete u.a. die Deutsch-Niederländische Gesellschaft deren Geschäftsführer er auch war. Seitens des Innenministeriums versuchte man die außenpolitisch brisanten Tätigkeiten Oszwalds zu verhindern, um den Eindruck zu vermeiden, staatliche Stellen in Deutschland würden weiterhin eine Politik mit dem Ziel der staatlichen Umgestaltung Belgiens betreiben. Oszwald beschäftigte sich mit der Kriegsschuldfrage und sammelte belastendes Material gegen Belgien. Er vertrat dabei die Auffassung, die Besatzungsbehörden hätten sich in ihrer Flamenpolitik an die belgischen Gesetze gehalten und lediglich uneigennützig den unterdrückten flämischen Volksteil unterstützt. Ein Aufsatz über „Flanderns zwischenstaatliche Stellung“ im Mai 1929 führte zu empörten Reaktionen in der belgischen Presse, welche die deutsche Einmischung kritisierten. Oszwald ließ sich jedoch weder hiervon, noch von Appellen des Auswärtigen Amtes beirren. 1930 wurde er Gründungsmitglied im Bund der Flamenfreunde, 1933 im Bund deutscher Westen.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Relativ spät, am 1. Mai 1933, trat Oszwald in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 2335888). Er arbeitete in der Folge für das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter der Bezeichnung Deutsche Arbeitsgemeinschaft für den Niederländischen Kulturkreis (Danik). 1937 veröffentlichte er den Sammelband Deutsch-Niederländische Symphonie, der ihn über seinen Tod hinaus in Fachkreisen bekannt machte.

Während des Zweiten Weltkriegs war Oszwald in den Niederlanden für den Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart tätig, wozu er u. a. aufgrund seiner niederländischen Sprachkenntnisse gut geeignet schien. Er spielte eine wichtige Rolle bei den Gesprächen mit dem Führer der niederländischen Nationalsozialisten Anton Mussert, als es darum ging, diesen auf die nationalsozialistische Rassenlehre zu verpflichten und zur Werbung für die Waffen-SS zu bewegen. Soweit Oszwalds geistige Entwicklung nachvollziehbar ist, wurde sie nun immer stärker nationalsozialistisch geprägt. Vor allem machte er sich für ein kohärentes niederdeutsches Volkstum stark, das er zwar (nach Lage der Quellen) nicht biologistisch begründete, das er aber von der angeblichen Minderwertigkeit der romanischen Kultur absetzte. Diese ideologisch begründete Grundannahme seiner Publikationen mindert entscheidend auch den Wert sämtlicher seiner kulturgeschichtlich angelegten Arbeiten - allen voran der Deutsch-Niederländischen-Symphonie. Als ein (gleichwohl nicht in das akademische Establishment eingebundener) Kulturhistoriker der Weimarer und NS-Zeit steht Oszwald somit einerseits für die fachübergreifende methodische Fortentwicklung jenseits der klassischen Ereignis- bzw. Staatengeschichte, andererseits aber für die Durchdringung der deutschen Geschichtswissenschaft mit völkischen Anschauungen.

Literatur

  • Stephan Laux: Flandern im Spiegel der „wirklichen Volksgeschichte“. Robert Paul Oszwald (1883-1945). In: Dietz, Burkhard u.a. (Hgg.): Griff nach dem Westen Bd. 1. Münster 2003. S. 247 - 291.
  • Robert Paul Oszwald: Zur Belgischen Frage. Der Nationalitätenkampf der Vlamen und Wallonen. Berlin 1915.
  • Robert Paul Oszwald: Deutsch-niederländische Symphonie. Wolfshagen-Scharbeutz 1937 [2. Aufl. 1944].

Weblinks


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