Panspermia-Theorie

Panspermia-Theorie

Die Hypothese der Panspermie [panspɛrˈmiː] (gr. πανσπερμία panspermía, von πάν pán „alles“ und σπέρμα spérma „Samen“; dt. soviel wie „All-Saat“) besagt, dass sich einfache Lebensformen über große Distanzen durch das Universum bewegen und so die Anfänge des Lebens auf die Erde brachten. Ihre Befürworter versuchen damit, den nach ihrer Auffassung bestehenden Widerspruch zwischen der hohen Komplexität des Lebens auf der einen Seite und der vergleichsweise kurzen Zeit für seine Entstehung auf der anderen Seite zu begegnen. Von den meisten Wissenschaftlern wird die Panspermie jedoch bisher als reine Spekulation betrachtet, da bislang nur auf der Erde Leben nachgewiesen werden konnte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorläufer der Theorie der Panspermie können bereits in den Vorstellungen des griechischen Philosophen Anaxagoras gesehen werden, der von „Samen des Lebens“ sprach. Diese Überlegungen gerieten aber durch Aristoteles’ Theorie der spontanen Entstehung des Lebens wieder in Vergessenheit. Für die darauf aufbauende mittelalterliche Gedankenwelt in Europa stellte sich die Frage nicht, zumal die christliche Schöpfungslehre ihr widersprach. Erst im 19. Jahrhundert stellte sich durch Charles Darwins Begründung der biologischen Evolutionstheorie (1859) und Louis Pasteurs Experimente zur Frage der Urzeugung (generatio aequivoca) im Jahre 1884 für viele Wissenschaftler erstmals deutlich das Problem der Herkunft der ersten Lebewesen auf der Erde.

Es wurden unterschiedliche Hypothesen über den Anfang der biologischen Evolution entwickelt: Neben hylozoistischen Spekulationen bei Gustav Theodor Fechner oder William Thierry Preyer war hier die von Ernst Haeckel 1866 zuerst formulierte Auffassung zur urzeitlichen Entstehung des Lebens durch primäre Urzeugung, Archigonie oder Autogenie vorherrschend. Dagegen wurden der Panspermie-Hypothese vergleichbare Gedanken von Jöns Jakob Berzelius (1834), Louis Pasteur (1864), Hermann Richter (1865), Lord Kelvin (1871) und Hermann von Helmholtz (1871) vertreten. Oft, aber nicht immer, wurde sie mit dem Postulat der Ewigkeit des Lebens verbunden; gerade dies wurde auch ein Kritikpunkt.

Anfang des 20. Jahrhunderts formulierte Svante Arrhenius mit der Radio-Panspermie die erste theoretische Beschreibung der Panspermie (1903/1908). Nach dieser Theorie können Sporen aus den äußeren Schichten der Atmosphäre entweichen und durch den Druck des Sonnenlichts in den interstellaren Raum transportiert werden (der Sonnenwind war Anfang des 20. Jahrhunderts noch unbekannt).

Erneut aufgegriffen wurden die Panspermie-Hypothesen 1963 von Donald Barber und in den 1970ern von Francis Crick und Leslie Orgel (gerichtete Panspermie).

Auch der britische Astronom Fred Hoyle war ein großer Befürworter der Panspermie. Er verband sie mit seiner Steady-State-Theorie des Universums, die von einem unendlichen Alter des Kosmos ausgeht und damit die Frage nach dem Ursprung des Lebens umgeht. Spätestens als ein breiter wissenschaftlicher Konsens das konkurrierende Urknall-Modell zur vorherrschenden kosmologischen Theorie von der Dynamik des Universums erhob, verloren seine Vorstellungen jedoch an Attraktivität. Auch die Tatsache, dass Hoyle als Autor verschiedener fantastischer Geschichten in Erscheinung trat, vermehrte nicht eben die wissenschaftliche Reputation seiner Vorstellungen, die mehr und mehr als Science Fiction angesehen wurden. Hoyles Schüler und ehemaliger Mitarbeiter Chandra Wickramasinghe vertritt jedoch noch heute aktiv panspermistische Vorstellungen.

1996 wurde von Brig Klyce schließlich die Cosmic Ancestry-Version vorgeschlagen, eine Kombination von Hoyles Panspermia-Hypothese mit den ganzheitlichen Gaia-Auffassungen eines James Lovelock.

Argumente

Eine Theorie der Panspermie stößt grundsätzlich auf drei Probleme: Das Leben muss in den interstellaren Raum gelangen, dort überleben, und später wieder auf einen neuen Planeten gelangen.

Wie kommt das Leben ins All?

Svante Arrhenius schlug 1908 vor, dass Mikroben, die durch atmosphärische Prozesse in die äußeren Schichten befördert wurden, durch den Lichtdruck der Sonne oder durch enge Begegnungen mit Meteoroiden das Gravitationsfeld ihres Planeten verlassen können. Eine Alternative wäre, dass Material mit eingebetteten Mikroben bei Meteoriteneinschlägen ins All geschleudert wird. Elektrische Felder könnten Bakterien und andere Mikroben von der Erde ins All tragen und zu Planeten wie dem Mars transportieren. Das vermutet der Elektroingenieur Tom Dehel von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA nach Berechnungen elektromagnetischer Felder in der Erdatmosphäre. Bisher glaubten Wissenschaftler, dass ein solcher Austausch von Leben nur durch den Einschlag eines Meteoriten möglich ist, bei dem mikrobenhaltiger Staub ins Weltall geschleudert wird. Folgende Möglichkeiten können nach neueren Erkenntnissen nicht mehr ausgeschlossen werden:

  • Indische Untersuchungen fanden Bakterien in der Stratosphäre in 40 Kilometern Höhe und damit deutlich höher als bisher angenommen.

Es wird auch spekuliert, dass Leben nicht allein auf Planeten gedeiht: Immerhin wurden im ausgehenden 20. Jahrhundert auf Kometen beziehungsweise in ihrer Koma verschiedene Grundbausteine des Lebens wie etwa Aminosäuren gefunden. Allerdings gibt es bisher keine Hinweise auf Lebensformen.

Überlebensfähigkeit im Weltraum

Ein Argument gegen die Panspermie besagt, dass keine Lebensformen unter den Bedingungen des Weltraums, das heißt vor allem im Vakuum, bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und unter den hohen Belastungen durch UV-Strahlung und kosmische Strahlung, überleben können. Selbst im Inneren von größeren Körpern, wo die kosmische Strahlung weitgehend abgeschirmt ist, sollte DNA durch die Strahlung radioaktiver Elemente, die in geringer Menge in jedem natürlich vorkommenden Gestein vorhanden sind, über längere Zeiträume zerstört werden.

Es gibt jedoch Hinweise, die darauf hindeuten, dass Bakterien unter diesen Bedingungen längere Zeit überleben können:

Raumsonde Surveyor 3 bei der Untersuchung durch Astronauten der Apollo-12-Mission.
  • Mit der US-amerikanischen Mondmission Surveyor 3 wurden versehentlich Bakterien der Art Streptococcus mitus auf den Mond gebracht. Nach ihrem Rücktransport zur Erde 31 Monate später war ein Großteil der Sporen in der Lage, den normalen Lebenszyklus fortzusetzen.
  • Die BIOPAN-Experimente des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz untersuchen die Widerstandsfähigkeit unter definierten Bedingungen. Auf russischen Foton-Satelliten wurden Behälter mit der Bakterienart Bacillus subtilis in eine Erdumlaufbahn gebracht und dort für zwei Wochen geöffnet. Nach der Rückkehr zur Erde hatten mehrere Promille der Ausgangspopulation die Zeit im Orbit ohne jedwede Abdeckung oder Schutzfolie überlebt. Weitere Experimente ergaben, dass lebende Organismen, die von der UV-Strahlung zum Beispiel durch eine Staubschicht abgedeckt sind, einige Jahre im Weltall überleben können. Sie könnten eventuell aber auch mehrere Millionen Jahre überdauern, sofern sie in einem mehrere Meter großen Gesteinskörper von der kosmischen Strahlung abgeschirmt sind.

Überlebensfähigkeit beim Einschlag

Nach ihrer kosmischen Passage müssten die Lebensformen auch noch den Weg durch die Atmosphäre auf die Planetenoberfläche überleben, der mit Belastungen durch starke Verzögerungskräfte und große Hitzeentwicklung verbunden sein kann. Meteoroiden, welche die irdische Atmosphäre durchdringen und als Meteoriten auf der Erdoberfläche ankommen, werden aber meist nur an der Oberfläche erhitzt und geschmolzen. Bereits in etwa einem Zentimeter Tiefe wird das Material kaum erhitzt, so dass ein Überleben von Mikroorganismen möglich scheint. Auch werden die Meteoroiden, solange sie nicht allzu groß sind, in der Atmosphäre so stark abgebremst, dass die Einschlagenergie recht klein ist und meistens nicht einmal ein Krater erzeugt wird. In einer theoretischen Arbeit aus dem Jahr 2000 schätzten Forscher um Curt Mileikowsky den Anteil von Marsmaterie, der auf dem Weg zur Erde nicht über 100 °C erhitzt wurde, in den vergangenen vier Milliarden Jahren auf etwa vier Milliarden Tonnen. Versuche mit Raketenexperimenten verliefen jedoch bisher negativ.

Extreme Lebensräume auf der Erde

Im ausgehenden 20. Jahrhundert hat man Lebensformen unter sehr „lebensfeindlichen“ Bedingungen auf der Erde gefunden, unter denen man Leben vorher nicht für möglich gehalten hätte. Es sind mittlerweile viele Bakterienstämme bekannt, die nicht auf die Sonne als Energielieferant angewiesen sind, sondern andere chemische Prozesse nutzen, zum Beispiel in Vulkanen, den Schloten heißer Quellen in der Tiefsee (Black Smoker) und unterirdischen Seen. So wurde inzwischen Leben bei Temperaturen von mehr als 120 °C, in stark sauren Umgebungen oder auch in mehr als 1.000 Meter tiefen Bohrkernen im antarktischen Eis gefunden (siehe Wostoksee). Diese Funde bestätigen die Vermutung, dass Leben weitaus widerstandsfähiger ist als noch vor Jahrzehnten gedacht wurde.

Kosmische Indizien

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Details des Meteoriten ALH84001

Nach der Entdeckung immer komplexerer Moleküle in interstellaren Wolken konnte 2002 auch die einfachste Aminosäure Glycin nachgewiesen werden. Im 1969 gefallenen, sehr primitiven Meteoriten Murchison wurden Aminosäuren, Diaminosäuren und andere organische Verbindungen gefunden.

Merkmale des in der Antarktis gefundenen Mars-Meteoriten ALH84001 werden von manchen Forschern sogar als Spuren fossiler Bakterien gedeutet – eine Interpretation, die allerdings hochgradig umstritten ist.

Varianten der Panspermie

Gerichtete Panspermie

Ein weiterer prominenter Protagonist der Panspermie, der Nobelpreisträger Francis Crick, formulierte 1973 zusammen mit Leslie Orgel die Theorie der gerichteten Panspermie. Nach dieser Theorie sind die Sporen des Lebens nicht zufällig ins Weltall geraten, sondern absichtlich von einer außerirdischen Zivilisation losgeschickt worden. Das Versenden von kleinen Körnern mit Bakterien ist nach Crick der kostengünstigste und effektivste Weg, um Leben auf einen potentiell lebensfähigen Planeten zu transportieren. Als Grund wird zum Beispiel angesehen, dass die Zivilisation einer unausweichlichen Katastrophe entgegensah, oder auf ein Terraforming anderer Planeten für eine spätere Kolonisation hoffte.

Transspermie

In den späten 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden einige Überlegungen angestellt, die den Transport nicht zwischen Planetensystemen, sondern nur zwischen benachbarten Planeten untersuchen. Dieser Vorgang wird Transspermie (engl. transpermia) genannt. Auch diese Form der Panspermie gilt als spekulativ, wird jedoch als Möglichkeit wesentlich stärker in Betracht gezogen als die oben angesprochene Panspermie im weiteren Sinne.

Nach der bereits erwähnten Arbeit der Forscher um Mileikowsky gelangten in der Erdgeschichte mehr als vier Milliarden Tonnen Marsmaterial auf die Erde, das bei diesem Prozess nicht über 100 °C erhitzt wurde. Auch den umgekehrten Weg von der Erde zum Mars nahm eine zwar kleinere, aber doch erhebliche Materialmenge. Sollte auf dem Mars Leben gefunden werden, könnte es demnach möglich sein, dass eine enge Verwandtschaft mit irdischem Leben besteht. Die Frage wäre dann allerdings, wo das Leben entstanden ist, auf der Erde oder auf dem Mars.

Starke Panspermie und Cosmic Ancestry

Die von Fred Hoyle vorgeschlagene, auch als starke Panspermie bezeichnete Version nimmt im Gegensatz zur „schwachen“ Panspermie an, dass nicht nur einfachstes Leben aus dem Weltall auf die Erde gelangte, woraus sich dann gemäß der Evolutionstheorie die biologische Vielfalt und speziell die genetische Struktur der modernen Organismen neu entwickelten, sondern geht davon aus, dass diese Vielfalt schon in „genetischen Programmen“ der aus dem Weltall kommenden Lebenskeime angelegt war. Im Besonderen lehnt die starke Panspermie die Makroevolution ab und akzeptiert nur die Mikroevolution als Feinanpassung an die Umwelt. Das Leben wäre demnach schon immer Bestandteil eines unendlich alten Universums gewesen.

Die als Cosmic Ancestry propagierte Version erweitert die starke Panspermie, indem sie Hypothesen aus dem Gaia-Umfeld mit einbezieht, nach denen die Biosphäre die Umweltbedingungen eines Planeten aktiv kontrolliert, um möglichst günstige Bedingungen für das Leben herzustellen.

Einordnung der Theorie der Panspermie

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts arbeiten nur wenige Menschen systematisch an der Theorie der Panspermie, auch wenn sie von vielen Wissenschaftlern und Institutionen wie der US-amerikanischen Raumfahrt-Organisation NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Insbesondere die Transspermie-Hypothese in Bezug auf Erde und Mars wird zumindest als Möglichkeit in Betracht gezogen.

Entstehung von Leben

Die Hauptmotivation für Panspermie ist die Tatsache, dass Leben auf der Erde schon sehr früh nachweisbare Spuren hinterlassen hat.

Die ältesten bekannten Minerale der Erdkruste sind etwa 4,4 Milliarden Jahre alte Zirkone, die auf eine erste Abkühlung der jungen Erde schließen lassen. Vermutlich durch den Einschlag vieler Asteroiden und Kometen und anderer geologischer Prozesse wurde jedoch die damals vorhandene Kruste vollständig zerstört. Die ältesten Gesteine der Erde, die auf knapp vier Milliarden Jahre datiert werden, konnten erst vor etwa 3,8 Milliarden Jahren eine zum Teil bis heute erhaltene feste Kruste bilden, nachdem vor etwa 3,9 Milliarden Jahren die Einschlagshäufigkeit von Meteoriten deutlich nachgelassen hatte, wie Untersuchungen an Mondkratern bestätigen. Gewöhnlich wird vor diesem Zeitpunkt die chemische Evolution von den einfachsten Molekülen über komplexere Biomoleküle bis hin zu kompletten Organismen als unwahrscheinlich angesehen.

Die ältesten Fossilien sind möglicherweise 3,54 bis 3,56 Milliarden Jahre alte Stromatolithen, die in Australien und Südafrika gefunden wurden; geochemische Isotopenanalysen zeigen sogar schon Anomalien in den ältesten Gesteinen, die ebenfalls auf Leben hindeuten. Diese Datierungen werden allerdings gegenwärtig wieder neu diskutiert, da es Hinweise darauf gibt, dass Organismen aus späteren geologischen Epochen in das ältere Gestein eingedrungen sein könnten, beziehungsweise dass die geochemischen Anomalien auch rein anorganische Ursachen haben könnten. Sollten sich die ursprünglichen Datierungen bestätigen, scheint das Leben auf der Erde nahezu sofort mit dem Vorhandensein des ersten flüssigen Wassers beziehungsweise der ersten Ozeane existiert zu haben. (Sauerstoffisotopenanalysen in den ältesten Zirkonen werden von einigen Wissenschaftlern allerdings so gedeutet, dass bereits zu deren Kristallisationszeit vor 4,4 Milliarden Jahren sowohl kontinentale Kruste als auch Ozeane auf der Erdoberfläche existiert haben könnten.)

Eine mögliche Erklärung dieses beinahe „frühestmöglichen“ Nachweises von Leben ist, dass seine Entstehung ein beinahe selbstverständlicher Prozess im Universum ist, der fast schlagartig abläuft, sobald es die Umweltbedingungen zulassen.

Befürworter der Panspermie weisen im Gegenzug darauf hin, dass die Urzeugung notwendigerweise nur chemisch-physikalische Prozesse beinhalten kann. Gerade die Bildung der unabdingbaren langkettigen Moleküle und die ausgeprägte Vorherrschaft einer Chiralität bei den Lebewesen auf der Erde sei jedoch innerhalb der zugestandenen Zeitskala nicht durch eine derzeit bekannte chemische oder physikalische Wechselwirkung erklärbar. Es existieren zwar Mechanismen, die Lebewesen unterschiedlicher Chiralität trennen können, es bliebe aber ungeklärt, wie Umweltbedingungen eine Chiralität bevorzugen können.

Außerdem gäbe es keine Hinweise, dass die Bildung von Lebewesen bei günstigen Bedingungen automatisch stattfände; im Gegenteil sei es bis heute nicht gelungen, unter frei wählbaren Umständen (Laborexperimente) lebensähnliche Strukturen herzustellen. Befürworter der Panspermie weisen auch auf die Diskrepanz hin, dass vom Einzeller zum Vielzeller die zeitlichen Schritte zur Entwicklung komplexerer Lebensformen immer weiter abnehmen; während die Entwicklung von Cyanobakterien zu anderen Einzellern etwa eine Milliarde Jahre gedauert hat, soll die Urzeugung innerhalb hundert Millionen Jahre stattgefunden haben.

Bei der Panspermie würde erheblich mehr Zeit und durch einen Transfer durch das All eine Unzahl von Planeten für die Bildung von Leben zur Verfügung stehen. Eine einfache Rechnung ergibt, dass jeder Punkt der Milchstraße selbst bei den relativ geringen kosmischen Geschwindigkeiten innerhalb von 20–50 Millionen Jahren erreichbar wäre. Der Nachweis von Leben auf Planeten außerhalb des Sonnensystems mit Spektralanalysen ist derzeit wegen der viel zu schwachen Rückstrahlung der Planeten nicht möglich. Ein behaupteter Sonderstatus der Erde entbehre damit also jeglicher Grundlage.

Die Panspermie erklärt also bewusst nicht die Entstehung des Lebens selbst, die auf andere Orte und Zeiten verlegt wird oder die sogar nach Ansicht einiger ihrer Vertreter niemals stattgefunden hat. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass das Universum kein endliches Alter besitzt und das Leben neben Raum, Zeit und Materie zu den fundamentalen Bestandteilen des Kosmos gehört. Diese Vorstellung steht allerdings im Gegensatz zum heute allgemein anerkannten Urknall-Modell, nach dem das Universum etwa 13,7 Milliarden Jahre alt ist. Die Anhänger dieser Panspermie-Variante sind somit gezwungen, auf alternative Modelle des Kosmos wie das Steady-State-Modell auszuweichen.

Weniger extrem ist die Vorstellung, dass das Leben an einem anderen Ort im Universum entstanden sei, von wo aus es sich im Universum ausgebreitet habe und so schließlich auch auf die Erde gelangt sei. Sie hat gegenüber der oben erwähnten Variante den Vorteil, nicht im Widerspruch zu etablierten kosmologischen Theorien zu stehen, bietet aber nach Ansicht ihrer Anhänger immer noch deutliche Vorteile gegenüber der vorherrschenden Auffassung, die ersten Lebensformen hätten sich auf der Erde gebildet, da zumindest potentiell wesentlich mehr Zeit für die Entstehung des Lebens zur Verfügung steht.

Kritik der Panspermia-Hypothese und weltanschauliche Aspekte

Die Verfechter der Panspermie haben einen vielfältigen Hintergrund, der von seriösen Wissenschaftlern, die die Panspermie zwar als sehr spekulativ aber durchaus wissenschaftlich behandelbar betrachten, über interessierte Laien bis zu mehr pseudowissenschaftlich arbeitenden oder auch religiös beeinflussten Vertretern reicht. Aus der Wissenschaft, speziell von Evolutionsbiologen, kommt oft der Einwand, dass viele Versionen der Panspermie unwissenschaftlich seien, da sie nur schwer oder überhaupt nicht wissenschaftlich überprüfbar sind. Insbesondere die radikale Vorstellung, Leben habe immer schon existiert, gilt mehrheitlich durch das heute vorherrschende Urknall-Modell der Kosmologie mit dem daraus folgenden endlichen Alter des Universums als widerlegt.

Aber auch die weniger radikalen Vorstellungen werden kritisiert, da die einzige Möglichkeit der Verifizierung darin bestünde, entweder Sonden auf fremde Planeten zu schicken oder darauf zu hoffen, dass in Meteoriten oder Kometen eindeutige und extraterrestrische Lebensspuren gefunden werden. Dies sei entweder extrem aufwändig oder mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Demgegenüber sei die Panspermie schwer falsifizierbar, da es wenig Informationen über die Bedingungen auf der Erde zum Zeitpunkt der Entstehung des Lebens gibt. Gerade der Kreationismus zeige, dass Proponenten bei wissenschaftlichen Erfolgen in der Überwindung offenbar schwieriger Hürden weitere Hürden aufstellen. Dadurch bleibt immer eine Hintertür offen.

Auch die Entdeckung organischen Materials in Meteoriten, Kometen oder sonstwo im Weltall ändert nichts an der zweifelhaften Stellung der Panspermie, da die Entstehung von organischem Material auf der Erde mit ihrer vielfältigeren Chemie erst recht möglich gewesen sein sollte. Diese wurde durch verschiedene Versuche, darunter das berühmt gewordene Urey-Miller-Experiment, nachgewiesen. Damit gilt auch die so genannte Pseudo-Panspermie, das heißt die Auffassung, dass nicht einfaches Leben, sondern nur die grundlegenden Lebensbausteine (organischen Verbindungen) aus dem Weltall stammen, für die Erklärung des Ursprungs irdischen Lebens nicht als wesentlich notwendig.

In organisierter Form wird die Panspermie gegenwärtig beispielsweise von der Interstellar Panspermia Society vertreten. Diese Organisation hat es sich offiziell zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Forschung speziell zur gerichteten Panspermie zu fördern und deren Durchführung zu ermöglichen. Gleichzeitig verbreitet diese Organisation eine als „Astrobioethic“ bezeichneten Ethikkatalog. Letzteres wird oft so gedeutet, dass es sich doch um mehr als nur eine Vereinigung handelt, die außergewöhnliche Projekte fördern will, sondern auch um eine weltanschauliche Vereinigung – Panspermia-Gegner üben wegen der religiösen Züge daher heftige Kritik an dieser Organisation. Daneben weist auch der Einfluss der Gaia-Hypothese innerhalb der Cosmic-Ancestry-Panspermie darauf hin, dass Panspermie-Weltbilder wegen ihrer Faszination zumindest potentiell sektenhafte Züge, etwa vergleichbar mit Scientology oder dem Raelismus, annehmen können.

Obwohl mit Lord Kelvin einer der ersten Vertreter der Panspermie einen antidarwinistischen Standpunkt vertrat, der auch religiöse Beweggründe hatte, wird die Panspermie von Kreationisten gegenwärtig im Allgemeinen als weiteres naturalistisches Weltbild neben der Evolutionstheorie abgelehnt. Panspermie-Vertreter betrachten die Panspermie gewöhnlich als dritten Weg zwischen Evolutionstheorie und Kreationismus. Trotzdem gibt es auch Berührungspunkte, etwa die Ablehnung der modernen Evolutionstheorie, insbesondere der Makroevolution, unter Verwendung scheinwissenschaftlicher Argumente. So verwendet etwa Brig Klyce, ein Vertreter der „Cosmic Ancestry“ genannten Form der Panspermie, den ursprünglich aus dem Kreationismus stammenden Begriff der „Irreduziblen Komplexität“, um gegen die Evolutionstheorie zu argumentieren. Auch ist durchaus denkbar, dass manche Versionen der Panspermie, wie gerade die „Cosmic Ancestry“-Version, in abgewandelter Form von Kreationisten adaptiert werden könnten.

Mit Ausnahme einiger prominenter Wissenschaftler wie Francis Crick und Fred Hoyle spielt die Panspermie in ihrer allgemeinen Form gegenwärtig nur eine sehr marginale Rolle in der Wissenschaft. Nur in Form der Transspermie wird sie durchaus in der Planetologie und der Astrobiologie seriös in Betracht gezogen. Sollten außerhalb der Erde auf einem der Planeten oder Monde innerhalb des Sonnensystems Lebensformen gefunden werden, die Ähnlichkeiten zu irdischem Leben aufweisen, die nicht allein durch Zufall oder konvergente Evolution zu erklären sind, würde die Transspermie allerdings neue Aktualität gewinnen.

Science Fiction

Die Idee der Panspermie wurde in einer Reihe von Science-Fiction-Romanen aufgegriffen, besonders zu erwähnen sind hierbei Jack Finneys mehrfach verfilmter Roman Die Körperfresser kommen und die Dragonrider-Bücher von Anne McCaffrey sowie die Bücher Quest und Die Haarteppichknüpfer von Andreas Eschbach.

Häufig wird die Panspermie auch als fiktive Erklärung für die meist humanoiden Außerirdischen und ihre meist erdähnlichen Heimatplaneten genutzt. (Siehe zum Beispiel bei Star Trek: Urhumanoide bei Memory Alpha)

Literatur

  • Svante Arrhenius: Worlds in the Making. Harper, London 1908.
  • Francis Crick, Leslie Orgel: Directed Panspermia. in: Icarus. International journal of solar system studies. Elsevier, San Diego Ca 19.1973, 341. ISSN 0019-1035
  • Francis Crick: Life Itself, its Origin and Nature. Simon and Schuster, London 1981 (Englisch). ISBN 0-7088-2235-5
  • Fred Hoyle: The Intelligent Universe. Michael Joseph Limited, London 1983 (Englisch). ISBN 0-7181-2298-4
  • Gerda Horneck: Leben, ein kosmisches Phänomen? Simulationen des DLR zum Überleben von Mikroorganismen im Weltall. in: DLR-Nachrichten. Köln 94.1999 (Sept.), 16–25 (PDF-download). ISSN 0937-0420
  • Fred Hoyle, Chandra Wickramasinghe: Leben aus dem All. Zweitausendeins, Frankfurt 2000. ISBN 3-86150-373-5
  • C. Mileikowsky u. a.: Natural transfer of viable microbes in space. in: Icarus. International journal of solar system studies. Elsevier, San Diego Ca 145.2000, 391–427. ISSN 0019-1035
  • Paul Davies: The fifth miracle, the search for the origin and meaning of life. Simon and Schuster, London 1999 (PDF). ISBN 0-684-83799-4 (dar: Kap 10, "A Bio-Friendly Universe?")
  • Paul Davies: How bio-friendly is the universe. in: International Journal of Astrobiology, vol. 2, Issue 02, p.115–120. 04/2003 (Preprint (Englisch)
  • Paul Davies: The search for life in the universe. Macquarie University, New South Wales 2004. in: Astrobiology and Planetary Missions. Hrsg. v. Richard B. Hoover, Gilbert V. Levin, Alexei Y. Rozanov, G. Randall Gladstone. Proc. of SPIE., Bellingham Wa 5906.2005, 59060I (PDF). ISBN 0-8194-5911-9, ISSN 0277-786X

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