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Als Dormanz werden alle Formen der Entwicklungsverzögerung bei Tieren und Pflanzen bezeichnet. Diese sind teilweise durch Außenfaktoren bedingt, sie können jedoch auch genetisch und hormonell gesteuert sein. Dormanzphasen gewährleisten vor allem ein Überleben der Tiere und Pflanzen bei ungünstigen Umweltbedingungen. Zu den Hauptmerkmalen der Dormanz gehören ein stark reduzierter Stoffwechsel und erhöhte Resistenz. Die Dormanz kann in allen Entwicklungsphasen auftreten und auch innerhalb derselben Art abhängig von äußeren Bedingungen unterschiedlich lang sein, wie dies z. B. bei Keimruhe zu beobachten ist.
Inhaltsverzeichnis
Dormanz in der Botanik
Mit dem Begriff Dormanz wird in der Botanik die Samenruhe bezeichnet, die bei Samen das vorzeitige Keimen unter ungünstigen Bedingungen oder schon an der Mutterpflanze verhindert. Diese Keimruhe kann durch eine Behandlung der Samen, der Stratifikation, gebrochen werden.
Auch die Knospenruhe von Pflanzen wird als Dormanz bezeichnet. Blüten- oder Seitentriebknospen können durch äußere Einflüsse oder hormonell kontrolliert, für längere Zeit in einer Ruhephase verbleiben. Besonders ausgeprägt ist bei vielen Pflanzenarten die Knospenruhe der Seitentriebe, die durch den Hauptspross vermittelt wird und auch als Apikaldominanz bezeichnet wird. Wird der Haupttrieb entfernt, ist die Dormanz der Seitentriebe gebrochen und sie beginnen auszuwachsen.
Dormanz in der Zoologie
Die Dormanz ist eine Überlebensstrategie, die hauptsächlich von wechselwarmen (poikilothermen) Tieren realisiert wird. Sie kann nicht nur den gesamten Organismus, sondern auch lediglich die Gonaden betreffen. Bei Eiern oder Embryonen wird die Dormanz über die Mütter, bei Parasitoiden meist über die Wirte ausgelöst.[1] Der Begriff Diapause wird häufig synonym verwendet, beinhaltet allerdings immer eine endogene Komponente, die den Stoffwechsel umstellt (Diapause i. w. S.), im Gegensatz zur rein exogen beeinflussten Quieszenz.
Man unterscheidet zwei Hauptformen der Dormanz, wobei der Trend von konsekutiver zu prospektiver Dormanz geht. Weiterhin zeigt sich die Tendenz, die Dormanz auf ein Entwicklungsstadium zu beschränken.
Konsekutive Dormanz
Bei dieser Form spielt die Veränderung der Außenfaktoren die wesentliche Rolle. Die Entwicklungskurve folgt der Veränderung des ausschlaggebenden Außenfaktors und kann bei suboptimalen Umweltbedingungen schließlich bis zum Entwicklungsstillstand führen. Der Dormanz auslösende Faktor ist auch gleichzeitig jener, der die Dormanz wieder beendet. Als Außenfaktoren treten hierbei auf: Temperatur, Nahrung, Feuchtigkeit und Photoperiode. Die Konsekutive Dormanz wird in Quieszenz und Oligopause eingeteilt, wobei letztere zur Diapause i. w. S. gehört.
Quieszenz
Bei der Quieszenz tritt Dormanz sofort mit Beginn der Ungunst auf und wird nach Beendigung der Ungunst ebenfalls sofort beendet. Sie kann in jedem Entwicklungsstadium auftreten. Die Winterruhe kann als thermische Quieszenz der gleichwarmen (homoiothermen) Tiere angesehen werden.
Oligopause
Bei der Oligopause tritt Dormanz allmählich nach Beginn der Ungunst und nach Akkumulation des Reizes auf. Es wird quasi „überprüft“, ob die Ungunst längerfristig anhalten wird oder nur eine kurzfristige Umweltschwankung vorliegt. Daraufhin folgt eine Umstellung der Physiologie. Die Oligopause wird ebenso allmählich, nach einer Dekumulation des Reizes beendet. Nach dem Stadium, in dem die Oligopause einsetzt, werden drei Typen unterschieden:
- Quieszitäre Oligopause: Dormanz kann in jedem Entwicklungsstadium auftreten.
- Typische Oligopause: Die Sensibilität für den Dormanz auslösen Reiz und dessen Akkumulation ist in den Entwicklungsstadien unterschiedlich stark ausgeprägt.
- Diapausäre Oligopause: Die Dormanz wird deutlich auf bestimmte Entwicklungsstadien eingeengt.
Der Winterschlaf ist die thermische Oligopause der homoiothermen Tiere.
Prospektive Dormanz
In dieser Form ist der Zeitpunkt der Dormanz genetisch festgelegt und liegt so, dass die Entwicklungsänderung beginnt, ehe eine meist saisonale Änderung eines Außenfaktors in einen ungünstigen Bereich erfolgt, quasi voraus schauend. Die Dormanz ist an ein bestimmtes Entwicklungsstadium gekoppelt. Diese Dormanz weist ebenfalls zwei Formen auf, die beide zur Diapause i. w. S. gehören:
Parapause
Während in den anderen Dormanzformen die Entwicklung während ungünstiger Umweltbedingungen zum Stillstand kommt, ist hier ein Entwicklungsstadium auf Weiterentwicklung während der Ungunst eingerichtet und benötigt diese sogar. Darum ist die Parapause obligatorisch und tritt bei Erreichen des bestimmten Stadiums ein. Die Beendigung erfolgt nur nach Erreichen des darauffolgenden Stadiums durch einen Außenfaktor. Als Faktoren fungieren hier hauptsächlich die Temperatur oder die Photoperiode.
Da alle Individuen einer Population in dem gleichen Stadium parapausieren und durch denselben Außenfaktor nur einmal im Jahresverlauf aus der Dormanz entlassen werden, verläuft die Entwicklung dieser Population synchron und es gibt nur eine Generation pro Jahr (Monovoltinismus).
Eudiapause
Dies ist die Diapause i. e. S. Dormanzauslösender Faktor ist bei der Eudiapause nur die Photoperiode, da sie im Gegensatz zu den anderen Außenfaktoren astronomisch genau und damit stets zuverlässig ist. Die Kritische Photoperiode ist das Verhältnis von Licht- zu Dunkelstunden, bei dem die Hälfte einer Population zu diapausieren beginnt, und verändert sich mit zunehmendem Breitengrad. Das Signal für die Auslösung der Eudiapause muss im vorangehenden Entwicklungsstadium erfolgen. Wenn es ausbleibt, erfährt das vorgesehene Stadium eine nondiapausäre Entwicklung. Daher ist die Eudiapause fakultativ. Terminierender Außenfaktor ist die Temperatur: eine obligate, längere Kälteperiode. Sollte die Eudiapause abgeschlossen sein, obwohl noch ungünstige Umweltbedingungen herrschen, folgt Quieszenz.
Der fakultative Charakter der Eudiapause gibt einer Art die Möglichkeit, mehr als eine Generation pro Jahr hervor zu bringen (potentieller Polyvoltinismus). Beispielsweise weist der Landkärtchenfalter Araschnia levana zwei Generationen pro Jahr auf, von denen eine eine nondiapausäre Entwicklung und die andere Eudiapause vollzieht. Dies führt zudem zu verschiedenen Phänotypen zwischen den beiden Generationen (Saisondiphänismus) dieser Art.
Literatur
- Hans Joachim Müller (Hrsg.): Ökologie (2. Aufl.). Gustav Fischer Verlag, Jena 1991. 415 S.
- Hans Joachim Müller: Dormanz bei Arthropoden. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York 1992. 289 S.
- Wolfgang Tischler: Einführung in die Ökologie (4. Aufl.). Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York 1993. 528 S.
Einzelnachweise
- ↑ Tischler (1993) S. 82ff.
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