Peritus

Peritus

Konzilstheologe oder im kirchlichen Sprachgebrauch Peritus (von lat. klug, kundig, erfahren; Plural: Periti) ist ein kirchlicher Begriff, mit dem römisch-katholischen Theologen bezeichnet werden, wenn diese bei Ökumenischen Konzilen beratend tätig werden. Beim zweiten vatikanischen Konzil begleiteten einige Periti einzelne Bischöfe oder Gruppen von Bischöfen verschiedener Länder.

Andere wurden offiziell als Berater für das gesamte Konzil berufen. Sowohl Hans Küng als auch Joseph Ratzinger (jetzt Papst Benedikt XVI.) waren Periti für das gesamte Konzil statt für einzelne Bischöfe, Küng allerdings erst „hilfsweise“, nachdem sein Bischof kein hinreichendes Vertrauen mehr zu ihm hatte.

John Henry Newman wies ein Angebot zurück, ein Peritus beim ersten vatikanischen Konzil zu werden.

Als Konzilstheologen werden überdies im innerkatholischen Diskurs jene Theologen bezeichnet (manche auch ohne Periti gewesen zu sein), deren Konzeption die Beschlussfassung des pastoral orientierten II. Vatikanischen Konzils stark beeinflusst hat. Ihnen ist eine theologisch fundierte Aufwertung und Redaktion der 16 Konzilstexte geglückt, deren über 70 Entwürfe (Schemata) seitens der Kurie recht streng dem Stil des päpstlichen Lehramts seit 1740 (erste Enzyklika, Benedikt XIV.) folgten (und auch sprachliche Mängel aufwiesen). Inhaltlich hat die Theologie des Konzils die wesentlichen Aussagen der neueren Päpste aber nicht abgewertet, sondern bestätigt und weiter ausgeführt. Die Mitwirkung von Theologen an früheren Konzilien ist heute den meisten Christen nicht mehr bewusst.

Im engeren Sinne sind mit Konzilstheologen aber die Periti gemeint (Ez.: Peritus), also die theologischen Berater bedeutender Teilnehmer des Konzils. Als Vertreter der wissenschaftlichen Theologie deutscher Sprache waren dies insbesondere der Jesuit und Dogmatiker Karl Rahner, der für den Wiener Erzbischof und Kardinal Franz König tätig wurde, und Joseph Ratzinger als Peritus des Kölner Erzbischofs, Kardinal Josef Frings.

Von besonderem Einfluss war auch die zeitgenössische französische Theologie, vertreten insbesondere durch die Jesuiten und späteren Kardinäle Henri de Lubac (Catholicisme, 1938; Surnaturel, 1946) und Jean Daniélou sowie den Dominikaner Yves Congar, der kurz vor seinem Tod gleichfalls noch zum Kardinal berufen wurde. Allen ist eine Bereicherung der Theologie um historisch argumentierende Betrachtungsweisen gegenüber einer eher spekulativen Philosophie gemeinsam. Keiner von ihnen hatte jedoch persönlich die Absicht, die Lehre der Kirche einem gleichfalls spekulativen Naturalismus zu unterwerfen.

Weitere Konzilstheologen, allerdings unter Einschluss damals tätiger Bischöfe, enthält die Kategorie Konzilstheologe (unten).

Auch der theologische Bestsellerautor und Papstkritiker Hans Küng nennt sich Konzilstheologe, da er 1962/63 als Peritus für den Bischof von Rottenburg tätig war. Hingegen ist, abgesehen von der publizistischen Aufmerksamkeit, die sein frühes Buch Konzil und Wiedervereinigung 1960 fand, seine relativierende, das „Mysterium der Kirche“ (vgl. Lumen Gentium, Kapitel 1) abwertende Konzeption im Konzil nicht zum Zuge gekommen, wie er in seinen Erinnerungen selbst darstellt (Erkämpfte Freiheit, insb. S. 484).

Der Einfluss, den der spekulative Theologe Karl Rahner bzw. der eher historisch orientierte Joseph Ratzinger insgesamt hatten, ist umstritten. Letztlich ausschlaggebend für die Gesamtlinie des Konzils wurde jedoch die theologische Richtung, die Papst Paul VI., überdies politisch erfahren und liturgisch interessiert, selbst favorisierte. Unter starkem Einfluss neuerer französischer Theologie – im Anschluss an philosophische Vorarbeiten von Maurice Blondel und Jacques Maritain –, zugleich marianischer Frömmigkeit zugeneigt, war dieser Konzilspapst bereit, einem historisch bewährten Begriff der Offenbarung, dessen Mittelpunkt eine christozentrische Ekklesiologie bildet, zum Durchbruch zu verhelfen, wie er sich insbesondere in den Konstitutionen Dei Verbum und Lumen Gentium entfaltet.

Starke Kräfte in der Kurie verdächtigten Montini, den späteren Papst, bereits in den 1950er Jahren, zu große Sympathien für „liberale“ – vor dem Hintergrund der italienischen Politik: allzu antifaschistische und zu wenig antikommunistische – Tendenzen zu hegen. Anders als Papst Pius XII. wollten diese aber nicht anerkennen, dass in der Weltsituation des 20. Jahrhunderts keine andere als eine auf die Situation bezogene Methode (des Dialogs) Erfolg verspricht: „Die Arbeit beginnt heute – und hört nicht mehr auf“ (Paul VI., Enzyklika Ecclesiam Suam, 1964).

Nachkonziliare Krise

Die Problematik der eigentlichen Konzilstheologie besteht freilich darin, dass jene theologischen Richtungen, die sich in den Dokumenten nicht hinreichend wiederfanden, alsbald, und über rund zehn Jahre hinweg, eine die Kirche schwer gefährdende Debatte in der Öffentlichkeit austrugen, die der Durchsetzung nicht-konziliarer Positionen im kirchenpolitischen, internen Diskurs dienen sollte. Signalwirkung hatten hier der liberale Holländische Katechismus von 1966 und die Zeitschrift Concilium einerseits und die traditionalistischen Priesterweihen von Ecône 1976 andererseits. Diese internen Kämpfe werden heute weithin als Beweis dafür angesehen, dass die kirchliche Krise schon vor dem Konzil weitreichende Wurzeln hatte – z.B. als „Autoritätskrise“ in Folge der Kriege – und weiter reichte, als man in Rom wahrnehmen konnte. Kritiker behaupten, dass etwa die 40 Lehrschreiben Pius’ XII. bereits Makulatur waren, ehe die Vatikandruckerei sie auslieferte: es habe sich um eine päpstliche „Stimme ohne Tragweite“ (so: Jean d’Hospital) gehandelt. Das gilt sicherlich nicht für seine vier großen Enzykliken, die allesamt Eingang in das Konzil fanden.

Erste Anfänge der Konzilstheologie muss man auch bereits im Lehrwerk Pius’ XI. sehen. Nach Meinung des Konzilspapstes Johannes XXIII. darf das II. Vatikanum sowieso nur in Kontinuität mit dem I. Vatikanum von Pius IX. interpretiert werden, das 1870 unterbrochen werden musste. Andere Interpreten hingegen sehen im II. Vatikanum einen Bruch in der Kirchengeschichte, der einerseits (von vielen) als echter Neuanfang, andererseits (von wenigen) als Zusammenbruch der Tradition interpretiert wird. Gemessen an anderen Konzilien der Kirchengeschichte ist das jüngste Konzil aber vergleichsweise schnell, umfassend und erfolgreich zu Ergebnissen gekommen.

Die Ernüchterung der „progressiven“ Mehrheit über das Festhalten des generell reformorientierten Konzilspapstes Paul VI. an sämtlichen Charakteristika der Papstkirche wie Primat, Römischer Kurie, Messopfertheologie oder Zölibat (vgl. Credo des Gottesvolkes von 1968) mündete alsbald in eine Identitätskrise des moderneren Klerus, die andererseits wiederum den konzilsfeindlichen Traditionalismus begünstigte.

Was lehrt ein pastorales Konzil?

Diese Konzilsfolgen relativieren offenkundig die Leistung der Konzilstheologen gegenüber der Bedeutung der Dokumente selber: Ein Pastoralkonzil wie das Zweite Vatikanum konnte nur den Zweck einer Aufwertung des kirchlichen Amtes („Hirtensorge“) gegenüber der Theologie, auch der traditionellen, verfolgen, um dem Glaubensleben neue Horizonte zu erschließen. Dieses Anliegen wurde von der wissenschaftlichen Theologie zwar begriffen, aber in Europa und Amerika vielerorts umgedeutet in eine – ihr vom Konzil nicht gegebene – Ermächtigung, je neu „aktuelle“ Theologie zu betreiben. Diese Selbstaufwertung der Theologie wurde im gläubigen Volk aber fast durchweg mit Misstrauen aufgenommen, so dass heute, jedenfalls in Deutschland, die universitäre Theologie nur mehr marginale Bedeutung hat, während beispielsweise Neue Geistliche Bewegungen, neben anderen Formen christlicher Praxis, mehr und mehr als anziehend empfunden werden (vgl. den Weltjugendtag).

Die dogmatische Besinnung des Katholizismus auf seinen „Weg durch die Zeit“ gestattete, ohne dass neue Lehrdefinitionen verabschiedet oder abweichende Auffassungen verurteilt wurden (also mittels Bestätigung der gesamten Tradition), eine Öffnung zum modernen Zeithorizont hin. Daher wurden in der öffentlichen Wahrnehmung die Zuwendung der Kirche zur Ökumene, zur Religionsfreiheit (für diese trat auf dem Konzil bereits vehement Erzbischof Karol Wojtyla ein) und der explizite Verzicht auf politische Vorrechte im Staatswesen, zum markanten Kennzeichen des aggiornamento. Die Fundierung und Bereicherung der katholischen Identität löste hingegen keine Sensationsnachrichten aus, sie stellt aber die eigentliche „Sensation“ dar:

Demgemäß fasste die besondere Bischofssynode, zwanzig Jahre nach dem Konzil (1985), die gültige Konzilstheologie in die markante Aussage: „Kirche – unter dem Wort Gottes – feiert die Geheimnisse Christi – zum Heile der Welt“ (eine Zusammenfassung der vier Konzilskonstitutionen in einem Satz). Man darf vermuten, dass diese Prägung auf Joseph Ratzinger zurückgeht, der als „letzter“ Konzilstheologe schließlich 2005 zum Nachfolger der Konzilspäpste berufen wurde.

Quellen


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