Peter der Ehrwürdige

Peter der Ehrwürdige

Petrus Venerabilis, Peter der Ehrwürdige, (* um 1094 in Montboissier; † 25. Dezember 1156 in Cluny) war ein Theologe und Reformator der Klöster des Mittelalters. Sein Geburtsname lautet Pierre Maurice de Montboissier.

Als neunter Abt von Cluny (seit 1122) und durch seine Lehrbriefe trug er entscheidend dazu bei, die Klöster seiner Zeit wieder zu mehr Gebet und Askese zu führen. Cluny erlebte unter seiner Regentschaft einen theologischen und wirtschaftlichen Aufschwung. In seinen regen Briefwechseln, u.a. mit Bernhard von Clairvaux, sprach er sich für Versöhnung aus und trat für Gewaltfreiheit ein. Er unterstützte Papst Innozenz II., der 1130 unrechtmäßig zum Papst ernannt wurde und gewährte dem der Häresie angeklagten Philosophen und Dichter Petrus Abaelardus Zuflucht.

Petrus scheute sich nicht, in seinen Briefen Kritik zu äußern, jedoch tat er dies in einfühlender und daher akzeptabler Weise. Bei einer "brüderlichen Zurechtweisung" (admonitio fraternalis) ging er nach den Empfehlungen der Bibel vor. So wünschte er z.B. einem gewissen Meister Peter nach dem Ausdruck seiner Hochachtung und seines Tadels ein waches Auge (oculum videntem) und aufmerksames Gehör und unterzeichnete als demütiger Abt.

Andersgläubige hingegen schonte er in seinen Traktaten nicht, vor allem die Juden, die für ihn die Feinde Christi waren. Er war zwar gegen das Töten von Juden, doch waren sie für ihn keine Menschen, sondern Tiere. Als 1146 eine Sondersteuer zur Finanzierung des Zweiten Kreuzzuges eingeführt werden sollte, sprach er: "Es ginge nicht an, gegen die Sarazenen zu ziehen, so lange die Juden, die eigentlichen Feinde Christi, in unserer Mitte verschont bleiben."

Petrus von Cluny gab in Toledo die erste Koran-Übersetzung ins Lateinische in Auftrag, die 1143 abgeschlossen wurde (Übersetzer waren Robert von Ketton, der getaufte jüdische Gelehrte Petrus Alfonsi und der Mönch Hermann von Carinthia). Auch ein Maure namens Mohammed war beteiligt. Peter von Poitiers überarbeitete den fertigen Text stilistisch.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Petrus' Geburtsname lautet Pierre Maurice de Montboissier. Die burgundische Adelsfamilie Montboissier war eng mit dem Benediktinerkloster Cluny im Burgund verbunden. Er war ein Großneffe des Abtes Hugo I. Geboren wurde er 1092 oder 1094 in Montboissier. Die Familie Montboissier gründete ein kluniazensisches Kloster. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass Petrus schon vor seiner Geburt dem Kloster Cluny versprochen wurde, er war somit ein Oblate und als solcher trat er mit 16 in das Kloster Sauxillanges ein, welches ein Priorat Clunys war. Sein schneller Aufstieg innerhalb der klösterlichen Gesellschaft zeichnete sich unter diesen Vorzeichen schon früh ab. So wurde er Prior von Vézelay und Domène, bevor er 1122, mit 28 Jahren, zum Abt von Cluny gewählt wurde. Sein Vorgänger hinterließ ihm gewaltige finanzielle und disziplinäre Probleme. Das Amt des Abtes von Cluny sollte er 34 Jahre innehaben.

Kaiser Friedrich Barbarossa verlieh ihm 1153 den Titel „Venerabilis“, was übersetzt „der Ehrwürdige“ heißt. Am Weihnachtstag 1156 verstarb der Abt in Cluny.

Petrus Venerabilis und Cluny

Cluny bildete das Zentrum eines klösterlichen Reiches und galt als ein Zentrum der Erneuerung des Mönchtums. So genoss Cluny außergewöhnliche Privilegien und stand unter dem direkten Schutz des römischen Pontifex. Diesem klösterlichen Reich gehörten ungefähr 10.000 Mönche in mehr als 600 Klöstern an. Clunys Mönche wurden zu Päpsten und Kardinälen gewählt oder standen als Berater im Dienst von Kaisern und Königen. An der Schwelle zum 12. Jahrhundert war Cluny ein Ort von bedeutender Wichtigkeit im westlichen Europa. Petrus wurde durch Cluny geprägt, als das klösterliche Reich sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und Pracht befand. Ungleich anderer Orte seiner Zeit in Europa, war Cluny ein Ort, der die Werte von Kunst und Wissenschaft bewahrte. Somit stand Petrus in der Tradition dieser einflussreichen Institution. In die Geschichte ist Petrus als der letzte einer Reihe von großen Äbten Clunys eingegangen.

Für die praktische Umsetzung, besonders bei den Werken, die in der Collectio Toletana bzw. in dem Corpus Toletanum zusammengefasst wurden, auf deren Inhalt noch später zu kommen sein wird, war die Position seines Amtes äußerst wichtig. Abt des bekanntesten und wichtigsten Klosters zu dieser Zeit zu sein, brachte ihn in eine außerordentliche Position. Sein Amt verlieh ihm Immunität gegen äußere Angriffe. So konnte sich Petrus auch Dingen widmen, die von der überwiegenden Mehrheit der europäischen Gelehrten mit Desinteresse oder sogar Argwohn betrachtet wurden. Will man Petrus Venerabilis, sein Werk, sein Tun verstehen und erklären, so muss man sich dieses Umstandes bewusst sein.

Die Reise nach Spanien

Die erste Spanienreise trat Petrus aus verschiedenen Gründen an, so wollte Petrus Venerabilis die kluniazensisches Klöster auf der iberischen Halbinsel besuchen, außerdem folgte er auch einer Einladung Alfons VII., von dem sich Petrus die Lösung der enormen finanziellen Probleme Clunys versprach. Aus Briefen Petrus lässt sich auch der Eindruck erwecken, dass Petrus eine Pilgerreise nach Santiago unternahm, was aber durch den Weg, den er in Spanien einschlug, nicht mit Sicherheit zu sagen ist und eher unwahrscheinlich erscheint.

Die Spanienreise bildete die Grundlage und den Beginn für Petrus intensive Auseinandersetzung mit dem Islam. Während dieses Aufenthaltes auf der iberischen Halbinsel, der Schnittstelle zwischen Christen und Muslimen in Europa, nahm Petrus „die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen mit nachhaltigem Eindruck wahr“. So war es auch nicht verwunderlich, dass gerade hier das Unternehmen zur Koran-Übersetzung seinen Ursprung fand. Denn hier waren die islamischen Texte und hier fand sich die Kompetenz diese zu übersetzen. Um der christlichen Welt die islamische Lehre zu erschließen, ließ Petrus nicht nur den Koran übersetzen, sondern auch andere islamische Texte, die durch Texte aus seiner Feder ergänzt und unter dem Titel „Collectio Toletana“ oder „Corpus Toletana“ zusammengestellt wurden. Im Auftrag von Petrus wurde 1142 die erste lateinische Übersetzung des Koran angefertigt. Ein wichtiges Ergebnis der Spanienreise war die Linderung der finanziellen Probleme Clunys. Ein viel wichtigeres Ergebnis war Petrus Initialisierung des Islam-Projektes. Dies markiert ein bedeutsames Ereignis in der intellektuellen Geschichte Europas. Der Abt von Cluny erdachte, plante und finanzierte das Projekt den Islam zu studieren.

Das Islambild im Mittelalter

Das Islambild vor Petrus

Es war die Kreuzzugsbewegung, die die Aufmerksamkeit der Christen auf die Islamische Religion lenkte. Aber auch schon vor den Kreuzzügen war einiges über den Islam bekannt. Dieses Wissen stammte zum Teil aus byzantinischen Quellen, zum anderen Teil auch aus christlich-muslimischen Kontakten in Spanien. Das Bild, welches sich daraus entwickelte war durchweg sehr verworren. Sarazenen galten als Götzenanbeter, die Mohammed verehrten. Mohammed selbst galt als Zauberer. Man glaubte, dass der Islam sexuelle Freizügigkeit erlaubte. Des Weiteren glaubten die Christen, dass die Muslime mehr als die Hälfte der Erde in ihrem Besitz hielten. Man war sich auch durchaus der kulturellen Überlegenheit der Muslime bewusst. Besonders die Westeuropäer, die direkt mit den Muslimen in Spanien oder auf Sizilien Kontakt hatten, kannten die „gelassene Überzeugung der Überlegenheit ihrer [deren] Religion“ Der Islam stellte für die Christen im Mittelalter in erster Linie eine „Bedrohung ihrer Selbstzufriedenheit“ dar. In der heutigen Zeit ist genau das Gegenteil dieser Angst vor dem Verlust der Selbstzufriedenheit zu erkennen. Durch die Leistungen und Errungenschaften herrscht heute ein Gefühl der westlichen Überlegenheit gegenüber dem Islam oder der islamischen Welt. Damals aber war es das „Goldene Zeitalter des islamischen Problems“. Dieses Problem nahm seinen Anfang um circa 650 und fand sein Ende um 1570. Für die mittelalterlichen Menschen wirkte sich dieses Problem auf alle Ebenen der Lebenspraxis aus. Die Kreuzzüge, der Versuch der Bekehrung und die Koexistenz sind Ausdruck diesem Problem entgegenzuwirken. Theologisch betrachtet war es nötig diesem Problem entgegenzutreten, in dem man Licht ins Dunkle der Unwissenheit über die Natur des Islam brachte. Dies konnte aber nur gelingen, indem man sich der Fakten bewusst war, die aber verlangten wiederum sprachliche und literarische Kenntnisse. Durch das Gefühl der Minderwertigkeit, durch die Bedrohung, die die mittelalterlichen Menschen im Islam sahen, war an ein objektives Herangehen nicht zu denken, für die Menschen „stand zuviel auf dem Spiel, um für einen derartige Toleranz einen Freiraum zu haben“. Besonders die Menschen im Norden Frankreichs, in Flandern und in Deutschland, also in gerade in den Ländern, die in keinem direkten Kontakt zu den Muslimen standen, entwickelte sich ein gewaltiger Hass. Vor diesem Hintergrund muss man das Islambild des Mittelalters betrachten.

Das Islambild des Petrus

Um dieses unbehagliche Gefühl der Minderwertigkeit kompensieren zu können, mussten die Europäer ihr Islambild „entstellen“. Petrus Venerabilis war einer der wichtigsten Personen dieser Zeit, die dazu beitrugen das Islambild zu entzerren. Petrus ließ den Koran übersetzen und verfasste dann selbst eine Darstellung der islamischen Lehre, die „Summa totius haeresis saracenorum“, sowie eine Widerlegung, „Liber contra sectem sive haeresim saracenorum“. Zusammen mit den Übersetzungen waren es die ersten wissenschaftlichen Arbeiten über den Islam. Besonders die „Summa“ war frei von den groben Fehlern, die sich in den Jahrhunderten zuvor manifestiert hatten. Diese neue Herangehensweise trug viel dazu bei, dass sich ein neues Islambild einstellte. Es bleibt anzumerken, dass auch der Abt höchstwahrscheinlich von der Überlegenheit der Muslime, besonders in den Naturwissenschaften, wusste und deshalb auch ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl gegenüber ihnen empfand.

Petrus wirkte in einer Zeit, die von dem erfolgreichen 1. Kreuzzug dominiert war. Mit den Kreuzzügen begann sich das Islambild zu ändern. Durch die Eroberung Jerusalems würde das Minderwertigkeitsgefühl, das sich gegenüber dem Islam im Abendland eingestellt hatte in den Hintergrund gerückt. Dieses Gefühl wurde zu Gunsten eines Gefühls des Triumphes über den Islam verdrängt. In der Vergangenheit fürchtete die westliche Christenheit die militärische Stärke der Sarazenen, aber mittlerweile bewiesen die normannischen Ritter, dass sie ihnen gewachsen waren. Vor dem Hintergrund des Kreuzzuges und der Verdrängung der Selbstzweifel der Christenheit, in einer Zeit des Triumphes über den Islam, beginnt Petrus sich, im Gegensatz zu seinen Vorgängern systematisch mit dem Islam auseinanderzusetzen. Der Abt von Cluny trat der 500 Jahre währenden Ignoranz und Polemik in der Auseinandersetzung mit dem Islam entgegen. Er versachlichte sie und nahm eine eher wissenschaftliche Haltung gegenüber dem Islam ein. Petrus hat als erster die „Grundlagen für eine Auseinandersetzung mit dem Islam“ gelegt. Er war zwar eine der wenigen Personen des Mittelalter, die von der Richtung, die der Kreuzzugsgedanke einschlug, nicht gänzlich begeistert waren. Trotzdem war er Christ und als Christ seiner Zeit war es auch für ihn ein legitimes Ziel, freien Zugang zu den heiligen Stätten der Christenheit zu erlangen. Man darf auch nicht vergessen, dass Petrus stärker als seine Zeitgenossen dem Heidentum und der Häresie mit Abscheu gegenüber trat. Dennoch waren für Petrus die Muslime nur insofern Feinde, als dass sie „Seine Erlösung“ zurückweisen. Sollten die Muslime jedoch dieses anerkennen, so wäre für Petrus auch die Feindschaft beigelegt. So stellte er sich klar gegen das kaltblütige Morden auf den Kreuzzügen. In einem Brief an König Louis VII. schreibt er dazu: „Gott will weder kaltblütigen Mord noch ein Abschlachten.“

Des Weiteren sagt Petrus sogar, dass die Muslime eigentlich besser als die Juden seien, das begründet er: „… dass Christus von einer Jungfrau geboren sei, und sie stimmen mit uns in vielen Dingen über ihn überein.“ Die Muslime waren für Petrus näher am Christentum als die Juden. Der Abt sah in dem Islam eine Häresie des Christentums, er betrachtete ihn als die wichtigste und die einzige Häresie, auf die die Christenheit noch keine adäquate Lösung gefunden hatte. Petrus ging nicht für den oder die Kreuzzüge in die Opposition, wie erwähnt gingen sie für ihn in eine verkehrte Richtung. Denn für ihn lag das eigentliche Ziel, das zentrale christliche Interesse in der Bekehrung der Muslime.

Die erste lateinische Koran-Übersetzungen

Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Spanien ließ Petrus die Übersetzung Bernhard von Clairvaux zukommen. In einem Begleitbrief an Bernhard beschrieb Petrus seine Absichten, die er mit der Übersetzung verfolgte und nennt auch die Namen derer, die an der Übersetzung beteiligt waren.

Petrus sah in der Übersetzung des Koran einen Baustein seines „Projekt zur Widerlegung des Islam“. Es war ihm ein dringendes Anliegen der Ausbreitung des Islam Einhalt zu gebieten. Mit der Übersetzung beauftragte er Robert von Ketton und Hermann von Kärnten. Dazu kamen Petrus Toletanus, ein konvertierter Araber, und Petrus von Poitiers, der Sekretär des Petrus Venerabilis. Des Weiteren noch ein Muslime mit Namen Mohammed der Sarazene, über den man sonst nichts Weiteres weiß. Gut ein Jahr später wurde die Übersetzung fertig gestellt. Gleich nach der Rückkehr aus Spanien schickte Petrus eine Übersetzung an Bernhard von Clairvaux. Petrus wollte dem Islam nicht mit Gewalt entgegentreten, sondern er versuchte ihm mit der Kraft des Wortes entgegen zu treten. In diesem Zusammenhang lässt sich die „Koran-Übersetzungen als ein Grundlagenwerk zur Widerlegung des Islam betrachten“. Die Übersetzung reiht sich so in die Reihe derer Schriften ein, die von Petrus als „christianum armarium“ bezeichnet wurden. Darunter verstand Petrus eine christliche Bibliothek, die als „Waffe gegen diese Feinde dienen soll“. Aber sicher nicht nur als Waffe im offensiven Sinn, sondern sicher auch als eine Art von Schutzschild, welcher die Christenheit schützen sollte. Petrus Hauptabsicht, die er mit der Übersetzung und der Collectio Toletana verfolgte, war es den europäischen Christen exakte Informationen über den Islam zu Verfügung zu stellen. Dieses versuchte er auch mit einer kurzen Abhandlung über die islamische Lehre, die er mit dem Titel Summa totius haeresis saracenorum versah. Die Übersetzung ist nicht frei von Fehlern. Die Schwierigkeit der arabischen Sprache und die oft verschlüsselte Ausdrucksweise des Koran führte zu Fehlübersetzungen, willkürlichen Änderungen und Auslassungen von Suren.

Literaturangaben

  • Bulst, N: Petrus Venerabils. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8. München 1980–1999. Sp. 1985–1987.
  • Fletcher, Richard: Ein Elefant für Karl den Großen: Christen und Muslime im Mittelalter, Darmstadt 2005.
  • Glei, Reinhold (Hrsg.): Schriften zum Islam/Petrus Venerabilis. Altenberge 1985.
  • José Martínez Gázquez; Óscar de la Cruz, Cándida Ferrero, Nàdia Petrus: Die lateinischen Koran-Übersetzungen in Spanien. In: Matthias Lutz-Bachmann/Alexander Fidora (Hrsg.): Juden, Christen und Muslime: Religionsdialoge im Mittelalter, Darmstadt 2004.
  • Kuschel, Karl-Josef: Vom Streit zum Wettstreit. Lessing und die Herausforderung des Islam, Düsseldorf 1998.
  • Kritzeck, J.: Peter the Venerable and Islam, Princeton 1964.
  • Watt, William Montgomery: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, Berlin 2001.
  • Wollasch, Joachim: Cluny – "Licht der Welt": Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, Zürich et. al, 1996.
  • Raeder, Siegfried: Der Islam und das Christentum: Eine historische und theologische Einführung, Neukirchen-Vluyn 2001.
  • Southern, Richard W.: Das Islambild des Mittelalters. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1981.

Weblinks


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