Pfingstgemeinde

Pfingstgemeinde

Die Pfingstbewegung ist eine Strömung im Christentum, die das Wirken des Heiligen Geistes betont.

Der Pfingstbewegung verwandte Glaubensrichtungen existierten bereits im Europa und Amerika des 18. Jahrhunderts, etwa in Form der verschiedenen Erweckungsbewegungen oder der Inspirationsgemeinden. Das heutige Pfingstchristentum entstand Anfang des 20. Jahrhunderts, die charismatische Bewegung Anfang der 1960er Jahre.

Tochterbewegungen der Pfingstbewegung sind die charismatische Bewegung, die Wort-des-Glaubens-Bewegung und die Neocharismatische Bewegung. Während die letzteren beiden in der Regel insbesondere in Gemeindeneugründungen der letzten Jahrzehnte ausgeprägt sind, drückt sich die charismatische Bewegung einerseits in innerkirchlichen Bewegungen und andererseits in überkonfessionellen Gruppierungen aus.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Die Pfingstbewegung ist eine der christlichen Richtungen. Weltweit umfasst sie je nach Zählweise 200 bis 600 Millionen Menschen. In einer Umfrage in zehn Ländern vom Oktober 2006[1] kam das Pew Research Center in Washington zu den folgenden Ergebnissen:

  • In Guatemala rechnen sich 20%, in Kenia 33% und in Brasilien 15% zur Pfingstbewegung.
  • In den Philippinen rechnen sich 4%, in Südafrika 10%, in Chile 9%, in Nigeria 18% und in den USA 5% zur Pfingstbewegung.

In Deutschland hat die Pfingstbewegung etwa 300.000 Mitglieder (= 0,36 %), die sich auf die verschiedenen Pfingstkirchen, charismatischen Erneuerungsbewegungen und etwa 300 freie Gemeinden verteilen.

Am stärksten dehnt sie sich in Lateinamerika aus, daneben auch in Afrika und Asien. In den USA erhalten die Pfingstler starken Zulauf aus den Reihen der lateinamerikanischen Einwanderer.

Lehre

Die Pfingstbewegung gehört zum Christentum und lehrt außer den allgemeinen biblischen Lehren auch die Erfahrung der Ausgießung des heiligen Geistes. Dadurch entstehen Wesenszüge, die sie von nicht-charismatischen christlichen Gruppen unterscheidet.

Die Pfingstbewegung sieht eine Kirche nur dann in der Nähe der neutestamentlichen Gemeinde, wenn sie dem Wirken des Heiligen Geistes, insbesondere den Geistesgaben wie Heilungen, Prophetie und Zungenrede Raum gibt. Die neutestamentlichen Berichte über Geisteswirkungen sind auch heute Vorbild für das Gemeindeleben. In den Pfingstgemeinden wird einerseits die traditionelle Trinitätlehre oder andererseits die Oneness-Theologie bzw. eine nicht trinitarische Gottheit verkündet.

Die Taufe findet als Glaubenstaufe statt. Eine Taufe unmündiger Kinder wird in der Regel abgelehnt. Das Abendmahl wird als Gedächtnismahl verstanden. Manche Gemeinden praktizieren neben Taufe und Abendmahl auch die Fußwaschung.

Der Heilsweg umfasst mehrere entscheidende Erlebnisse, die Bekehrung und die Geistestaufe, die oft von Zungenreden begleitet wird. Nach Auffassung der meisten Pfingstkreise ist die Heiligung für die Geistestaufe und den Empfang der Geistesgaben Voraussetzung.

Wissenschaftliche Erkenntnis wird nur dann anerkannt, wenn sie sich mit dem vereinbaren lässt, was als biblisches Zeugnis angesehen wird. In vielen Gruppen wird daher die Evolutionstheorie abgelehnt und ein kreationistischer Standpunkt eingenommen.[2]

Ethik

Die Ethik der Pfingstgemeinden gründet sich in ihrem Bibelverständnis. Praktizierte Homosexualität[3], außerehelicher Geschlechtsverkehr und Schwangerschaftsabbruch werden überwiegend abgelehnt.[4]

Im Verhältnis von Gesinnungs- und Verantwortungsethik liegt der Akzent allgemein auf der individuellen Glaubenspraxis, die sich nicht vor der Gesellschaft, sondern vor Gott zu verantworten habe.

Im Unterschied zu rechtskonservativen evangelikalen Gruppierungen, die vor allem in den USA und Westeuropa anzutreffen sind und eine jenseitsorientierte Ethik predigen, finden sich in der Pfingstbewegung Afrikas und Lateinamerikas auch Konzepte, die nicht nur die Veränderung ungerechter politischer Strukturen als notwendig ansehen, sondern durchaus auch in materiellen Hinsichten sehr diesseitige Positionen vertreten. Wichtigstes Beispiel hierfür ist das in afrikanischen Pfingstgemeinden sehr präsente „gospel of prosperity“ (auch „faith gospel“), das individuellen ökonomischen Erfolg in einen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zur religiösen Lebensführung stellt.

Praxis

Gottesdienst

Gottesdienste in Pfingstgemeinden sind oft lebhaft. Es wird viel und begeistert gesungen, in die Hände geklatscht, teilweise bewegt man sich zur Musik. Die Musik spielt eine große Rolle, moderne Instrumente wie Keyboard oder Schlagzeug werden der Orgel vorgezogen, auch die Lieder sind i. A. modern, rhythmisch und kommen oft aus dem englischen Sprachraum. Eine Gottesdienstdauer von mindestens 1½ Stunden ist die Regel.

Ein wichtiger Teil des Gottesdienstes wird als Lobpreis und Anbetung bezeichnet: Singen von Anbetungsliedern im Wechsel mit frei formulierten Gebeten. Als Gebetshaltung oder Anbetungshaltung werden teilweise Arme und Hände erhoben (1. Timotheus 2,8). Glossolalie und prophetische Rede kennzeichnen ebenfalls die Gottesdienste vieler Pfingstkirchen. Eine formale Liturgie wird abgelehnt. Sie könnte - so überzeugte Pfingstler - das Wirken des Heiligen Geistes blockieren.

Die gottesdienstlichen Predigten werden engagiert und meist in freier Rede vorgetragen. Hin und wieder wird aus den Predigten heraus die Hörergemeinde gebeten durch ein lautes Amen! oder Halleluja! ihre Zustimmung zu geben bzw. die gemachten Predigtaussagen zu unterstreichen. Am Schluss der Predigt wird nicht selten zu persönlichen Reaktionen auf das Gehörte aufgefordert. Menschen, die sich bekehren wollen oder Heilung wünschen, werden gebeten, nach vorne zu kommen. Hier wird dann - oft während des Gottesdienstes - persönliche Fürbitte, Segnung und Seelsorge angeboten. Auch Heilungssegen durch Handauflegen sind üblich.

Gemeindeleben

Hauskreise spielen in Pfingstgemeinden eine große Rolle. Dabei wird in wöchentlichen Treffen in einer kleinen, verbindlichen Gruppe gemeinsam gesungen, gebetet und die Bibel studiert.

Missionarisch-diakonisches Engagement

Pfingstgemeinden sind gewöhnlich missionarisch orientiert, was auch den starken Zuwachs dieser Bewegung mitbegründet. Es existieren außerdem eine ganze Reihe diakonischer Werke und Einrichtungen, die der Pfingstbewegung angehören bzw. dort ihre Wurzeln haben. Dazu gehören Kindergärten, Seniorenwohnheime, Kliniken, Einrichtungen der Behindertenfürsorge sowie therapeutisch betreute Wohngemeinschaften für psychisch Kranke und Drogenabhängige.

Diakonische Einrichtungen in Auswahl, die mit der Pfingstbewegung verbunden sind:

  • Teen Challenge - u. A. Arbeit unter Drogenabhängigen
  • Ignis-Klinik in Egenhausen im Schwarzwald
  • Jugend- Missions- und Sozialwerk Altensteig
  • Haus Nazareth - Norden-Norddeich
  • Sozialwerk der Freien Christengemeinden Bremen

Politisches Engagement

Auch politisch treten die Pfingstler in Erscheinung, z. B. als Interessenvertreter benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie in den USA, Chile oder auch in Brasilien. Der Pastor und Menschenrechtler Frank Chikane ist ein Kirchenführer in Südafrika. Als Nachfolger des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu im südafrikanischen Kirchenrat wurde er mehrere Male verhaftet und gefoltert. Heute ist er südafrikanischer Beamter. In Südafrika gehören achtzig Prozent der schwarzen Christen zu den neuen Kirchen der Pfingstbewegung.

Die Frauenordination ist in den deutschen Pfingstgemeinden erlaubt. [5] Weltweit lässt sich darüber keine einheitliche Aussage machen, da Pfingstgemeinden mehrheitlich kongregationalistisch organisiert sind. Eine Umfrage des Pew Research Center im Jahr 2006 ergab jedoch, dass Anhänger der Pfingstbewegung die Frauenordination ebenso stark befürworten wie der Durchschnitt der Christen. [6]

Organisation

Pfingstgemeinden sind in der Regel kongregationalistisch organisiert. Die Gemeindeleitung besteht meist aus ehrenamtlichen Ältesten und hauptamtlichen Predigern mit jeweils gleicher Stimme. Ihr Verständnis des Heiligen Geistes steht in einer grundsätzlichen Spannung zu festen Strukturen. Sie bezeichnen sich eher als Gemeinde denn als Kirche.

International

Die weltweit größte pfingstlerische Denomination ist die Assemblies of God. Des Weiteren gibt es u. A. die Church of God in Christ, die New Testament Church, die Church of God (Cleveland), die Pentecostal Assemblies of the World, die Assemblies of the Lord Jesus Christ und die United Pentecostal Church

Deutschland

Die meisten deutschen Pfingstgemeinden sind im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) zusammengeschlossen. Umfasste der Bund 1999 noch 500 Gemeinden, so sind es 2007 rund 600 Gemeinden, von denen viele die Bezeichnung Freie Christengemeinde führen. Rechtlich sind die Gemeinden in Deutschland meist als eingetragener Verein organisiert.

Die ersten deutschen Pfingstgemeinden, die sich 1905 bis 1908 innerhalb der Gemeinschaftsbewegung (Pietismus) gebildet hatten, schlossen sich 1913 zum Christlichen Gemeinschaftsverband Mülheim/Ruhr zusammen, der heute als Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden mit 44 Gemeinden ein kleiner Verband ist.

Daneben existiert die Gemeinde der Christen Ecclesia mit rund 70 örtlichen Versammlungen.

Einen Dachverband von Pfingstgemeinden bildet das Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden (FFP). Der Mülheimer Verband gehört dem FFP nicht mehr an.

Geschichte

Charles Fox Parham gilt als Vater der weißen Pfingstbewegung; ihr Ursprung liegt in Topeka im Jahr 1901. Für eine schwarze Pfingstbewegung lässt sich das Jahr 1906 als Ausgangspunkt feststellen; wesentlich war hier William J. Seymour in Los Angeles. Ein wesentlicher Anschub für die Bewegung war die Tatsache, dass Seymour am 14. April 1906 in einer lautstarken Predigt vor Gottes Zorn warnte, der die Erde zum Beben bringen werde - vier Tage vor dem Beben, das San Francisco zerstörte. Seymours Kirche in der Azuza Street erhielt in den folgenden Jahren massiven Zulauf.

Die erste deutsche Pfingstbewegung geht auf eine Erweckung in Mülheim an der Ruhr 1905 unter dem Zeltmissionar Jonathan Paul zurück. Gemeinsame Wurzel der Pfingstler waren die Heiligungs- und Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Die in mancherlei Hinsicht der Pfingstbewegung nicht gut gesinnte Gemeinschaftsbewegung hat 1909 in ihrer Berliner Erklärung der Pfingstbewegung vorgeworfen, dass in ihr Dämonen wirken („... Die sogenannte Pfingstbewegung ist nicht von oben, sondern von unten; sie hat viele Erscheinungen mit dem Spiritismus gemein...“). In der Folge entwickelte sich die Bewegung in unabhängigen Gemeinden und schloss sich 1913 im Mülheimer Verband zusammen. Die weitere Ausweitung der Pfingstbewegung konnte durch diese Abschreckung jedoch nicht verhindert werden.

1914 kam es zu einer Trennung innerhalb der Pfingstbewegung. Die Assemblies of God in den Vereinigten Staaten trennten sich von der Church Of God In Christ. Im Oktober 1916 kam es in St. Louis zu einem weiteren Bruch mit den Oneness Pentecostals, die die Trinität ablehnten.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges bildete sich die Gemeinde der Christen Ecclesia und 1947 die Vorläuferorganisation des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden.

Verwandt ist die charismatische Bewegung, die seit den 1960er Jahren innerhalb der verschiedenen Kirchen des Westens entstanden ist. Sie hat sich in vielen Kirchen halten können, aber in manchen Fällen auch zur Gründung eigener, meist völlig unabhängiger Gemeinden geführt.

Die Pfingstler in den USA nutzten früher und intensiver die modernen Medien als alle anderen Religionen. So predigte die Pfingstlerin Aimee Semple McPherson 1918 über eine der ersten Radiostationen in den Vereinigten Staaten. Der weltweit erste christliche Missionssender Radio HCJB wurde 1931 in Ecuador von dem Pfingstler Clarence Jones aus Chicago gegründet. Attraktiv wurde die Bewegung auch, weil in ihr weiße und schwarze Amerikaner, vor allem aus den ärmeren Bevölkerungsschichten, weitgehend gleichberechtigt Mitglieder waren.

Ökumene

In Deutschland ist der Bund Freier Pfingstgemeinden Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Die Gemeinden sind auf örtlicher Ebene teilweise mit der Evangelischen Allianz verbunden.

Der Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen.

Evangelikale Christen aus anderen Gemeinden, besonders wenn sie ein Bekehrungserlebnis aufweisen können, werden ungeachtet ihrer Konfession als christliche Geschwister betrachtet.

Liberalen Strömungen (wie z.B. in den Landeskirchen) und traditionellen Ausprägungen (wie z.B. in der orthodoxen Kirche) des Christentums steht die Pfingstbewegung eher skeptisch gegenüber. Nichtchristliche Religionen werden als Irrweg angesehen, da Heil und Vergebung nur durch Jesus Christus vermittelt werde.

Kontroversen

Im Spektrum der Pfingstbewegung gibt es fundamentalistische Gruppen, die oft von autoritären Leitern geführt werden.

Es gibt Prediger in der Pfingstbewegung, die ihren Anhängern Gesundheit und Reichtum versprechen[7] („Wohlstandsevangelium“) - darunter auch amerikanische Fernsehprediger[8] und die Wort-des-Glaubens-Bewegung.

Sowohl unter konservativen als auch unter liberalen protestantischen Geistlichen gibt es solche, die der Pfingstbewegung sehr skeptisch gegenüberstehen. Bereits Martin Luther sprach von „Schwarmgeistern“ und auch heute wird der Pfingstbewegung, vor allem aber freien charismatischen Gemeinden, oft übertriebene Emotionalität vorgeworfen.

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Gemeinhardt (Hg.): Die Pfingstbewegung als ökumenische Herausforderung, Bensheimer Hefte 103, Göttingen, 2005 (Vandenhoeck & Ruprecht), ISBN 3-525-87197-X
  • J. Steven O'Malley: Art. Pfingstkirchen/Charismatische Bewegung. In: Theologische Realenzyklopädie 26, S. 398-410, 1996,
  • Isgard S. Peter: Der unsichtbaren Religion auf der Spur. Eine soziologische Studie zur Pfingstbewegung in Deutschland. Saarbrücken, 2007, ISBN 978-3836413800
  • Hans-Diether Reimer: Pfingstbewegung. In: Volker Drehsen et al. (Hrsg.): Wörterbuch des Christentums. Orbis Verlag, München, 1995, ISBN 3-572-00691-0
  • Andreas Rössler: Positionen, Konfessionen, Denominationen. Eine kleine Kirchenkunde. Calwer Verlag, Stuttgart, 1988, ISBN 3-7668-3009-0, S. 70ff
  • Jürgen Tibusek: Ein Glaube, viele Kirchen. Die christlichen Religionsgemeinschaften - Wer sie sind und was sie glauben. 2. Auflage. Brunnen Verlag, Gießen, 1994, ISBN 3-7655-1593-0, S. 411ff

Quellen

  1. Spirit and Power: A 10-Country Survey of Pentecostals, 5. Oktober 2006
  2. z.B. offizielle Erklärung der Assemblies of God
  3. z.B. [1], offizieller Standpunkt der Assemblies of God
  4. Tages-Anzeiger: Siegeszug des enthusiastischen Christentums
  5. Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden: „Dienst der Frau“ - Frauenordination eingeführt
  6. Research Center: Spirit and Power: A 10-Country Survey of Pentecostals, 5. Oktober 2006
  7. www.vigi-sectes.org
  8. www.bible-only.org nennt diese und weitere (auch deutsche) Evangelisten.

Weblinks


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