- Philosophie der Erlösung
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Philipp Mainländer (* 5. Oktober 1841 in Offenbach am Main; † 1. April 1876 in Offenbach am Main) war ein deutscher Dichter und Philosoph. Geboren als Philipp Batz, änderte er seinen Namen später aus Verehrung für seine Heimatstadt in Mainländer. In seinem Hauptwerk „Die Philosophie der Erlösung“, nach Theodor Lessing „vielleicht das radikalste System des Pessimismus, das die philosophische Literatur kennt“ [1], verkündet Mainländer, dass dem menschlichen Dasein kein höherer Sinn innewohne, und dass der „von der Erkenntnis, daß Nichtsein besser ist als Sein, entzündete Wille […] das oberste Prinzip aller Moral“ [2] sei.
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Am 5. Oktober 1841 „als Kind ehelicher Notzucht“ [3] in Offenbach am Main geboren, wächst Philipp Mainländer als jüngstes von sechs Geschwistern in einem Fabrikantenhaushalt auf, in dem ein bedrückendes Klima geherrscht haben muss: Drei der sechs Geschwister werden später Selbstmord begehen.
Auf väterliche Weisung beginnt Mainländer 1856 eine kaufmännische Ausbildung an der Handelsschule in Dresden. Zwei Jahre darauf tritt er eine Stellung in einem Handelshaus in Neapel an, wo er Italienisch lernt und sich mit den Werken Dantes, Petrarcas, Boccaccios und Leopardis vertraut macht. Mainländer wird die fünf Jahre in Neapel später als die glücklichsten seines Lebens bezeichnen:
„Ich habe als Kaufmann die Welt gesehen, einen umfassenden kaufmännischen Blick gewonnen, und blieb verschont vom giftigen Hauch der Philosophieprofessoren und einem trockenen, wurmartigen, kurzsichtigen Gelehrtentum, der Vielwisserei, wie Heraklit verächtlich zu sagen pflegte.“
– Zitiert nach Fritz Sommerlad: Aus dem Leben Philipp Mainländers. Mitteilungen aus der handschriftlichen Selbstbiographie des Philosophen.
In diese neapolitanische Zeit fällt auch Mainländers Entdeckung des Schopenhauerschen Hauptwerks „Die Welt als Wille und Vorstellung“. Der zu diesem Zeitpunkt neunzehnjährige Mainländer wird diese Entdeckung später als eine Art Offenbarungserlebnis schildern, jenen Tag im Februar 1860 als den „bedeutungsvollsten Tag [seines] Lebens“ [4] – und tatsächlich wird Schopenhauer der wichtigste Einfluss auf Mainländers späteres philosophisches Werk sein.
1863 kehrt Mainländer nach Deutschland zurück und arbeitet im Geschäft seines Vaters. Im selben Jahr bringt er zudem das dreiteilige Gedicht „Die letzten Hohenstaufen“ zu Papier. Zwei Jahre darauf, am 5. Oktober, Mainländers 24. Geburtstag, stirbt dessen Mutter. Von dieser Verlusterfahrung geprägt, wendet sich Mainländer in den folgenden Jahren immer mehr von der Poesie ab und der Philosophie zu, studiert Schopenhauer, Kant („nicht durch Fichte, Schelling und Hegel vergiftet, sondern vielmehr durch Schopenhauer kritisch gestählt“ [5]), Eschenbachs „Parzival“, die Klassiker von Heraklit bis Condillac.
Im März 1869 tritt Mainländer eine Stellung im Bankhaus J. Mart. Magnus in Berlin an. Er setzt sich zum Ziel, binnen weniger Jahre ein kleines Vermögen anzuhäufen, dessen Zinserträge es ihm erlauben sollen, ein bescheidenes Leben in einem kleinen Dorf zu führen. Der Krach an der Wiener Börse vom 8. Mai 1873 („Wiener Krach“) ruiniert Mainländer jedoch völlig und bereitet diesen Plänen ein jähes Ende. 1873 kündigt Mainländer seine Stellung bei der Bank, ohne recht zu wissen, was darauf folgen solle.
Entstehung der „Philosophie der Erlösung“
Obschon bereits 1861 durch die wohlhabenden Eltern vom Wehrdienst freigekauft, unternimmt Mainländer – seinem in einer autobiographischen Notiz geäußerten Verlangen entsprechend, „einmal unbedingt einem anderen in allem unterworfen zu sein, die niedrigste Arbeit zu tun, blind gehorchen zu müssen“ [6] – unermüdliche Anstrengungen, den Dienst an den Waffen leisten zu dürfen. Am 6. April 1874 schließlich – Mainländer ist bereits 32 Jahre alt – zeigt ein Immediatgesuch an Kaiser Wilhelm I. Erfolg, und Mainländer wird zum 28. September desselben Jahres zu den Kürassieren in Halberstadt einberufen. In den gut vier Monaten bis zum Dienstantritt verfasst Mainländer in einem regelrechten Schaffensrausch den ersten Band seines Hauptwerkes „Die Philosophie der Erlösung“.
„Und nun begann ein zaubervolles Leben, ein geistiges Blühen voller Seligkeit und wonniger Schauer. […] Dieses Leben dauerte vier volle Monate; es erfüllte den Juni, Juli, August und September. Vollständig klar, konsequent und in sich abgerundet lag mein System in meinem Geiste, und ein Schaffensrausch belebte mich, der die Peitsche des Gedankens nicht nötig hatte, daß ich am 28. September fertig sein müsse; denn am 1. Oktober mußte ich den Rock des Königs anziehen – dieser Termin war nicht zu verschieben. Wäre ich alsdann nicht fertig gewesen, so würde ich erst nach drei Jahren die letzte Hand an mein Werk haben legen können, d. h. ich hätte mich an einen Abgrund geworfen gesehen, in den mich unfehlbar die Furien einer zerbrochenen Existenz hinabgestoßen hätten.“
– Philipp Mainländer: Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten. Manuscriptum, Warendorf 2003, S. 207
Das abgeschlossene Manuskript des Werkes übergibt Mainländer seiner Schwester Minna, damit diese in der Zeit seines Militärdienstes einen Verlag dafür finde. Er verfasst einen Brief an den unbekannten Verleger, in welchem er darum bittet, als Verfasser nicht unter seinem Geburtsnamen, sondern als Philipp Mainländer genannt zu werden, denn vor nichts schrecke er mehr zurück, „als den Augen der Welt ausgesetzt zu sein“ [7].
Am 1. November 1875 wird Mainländer – ursprünglich für drei Jahre verpflichtet, doch inzwischen, wie er in einem Brief an seine Schwester Minna notiert, „verbraucht, worked out, […] bei vollkommen […] gesundem Körper unaussprechlich müde“ [8] – vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen und reist zurück in seine Heimatstadt Offenbach, wo er, einem abermaligen Schaffensrausch anheimfallend, innerhalb zweier Monate die Rohbogen der „Philosophie der Erlösung“ korrigiert, seine Memoiren niederschreibt, die Novelle „Rupertine del Fino“ verfasst sowie den 650 Seiten starken zweiten Band seines Hauptwerks vollendet.
Ab etwa Februar 1875 zeichnet sich der geistige Kollaps Mainländers ab – jenem Kollaps nicht unähnlich, den Friedrich Nietzsche einige Jahre später erleiden sollte [9]. Inzwischen dem Größenwahn verfallen und sich als Messias der Sozialdemokratie wähnend [10], erhängt Mainländer sich am 1. April 1876 in seiner Wohnung. Als Podest dient ihm ein Stapel der erst am Vortage eingetroffenen, druckfrischen Belegexemplare seines Hauptwerks „Die Philosophie der Erlösung“.
Literatur
- Philipp Mainländer: Schriften in vier Bänden. Hrsg. v. Winfried H. Müller-Seyfarth und Joachim Hoell, Hildesheim (Georg Olms) 1996–1999
- Band I: Die Philosophie der Erlösung. Erster Band. Berlin 1876, Reprint: Hildesheim 1996. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe von Winfried H. Müller-Seyfarth, ISBN 3-487-09556-4
- Band II: Die Philosophie der Erlösung. Zweiter Band. Zwölf philosophische Essays. Frankfurt/M. 1886, Reprint: Hildesheim 1996. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe von Winfried H. Müller-Seyfarth, ISBN 3-487-09557-2
- Band III: Die Letzten Hohenstaufen. Ein dramatisches Gedicht in drei Theilen: Enzo – Manfred – Conradino. Leipzig 1876, Reprint: Hildesheim 1997. Mit einem Vorwort zur Neuausgabe von Winfried H. Müller-Seyfarth, ISBN 3-487-10551-9
- Band IV: Die Macht der Motive. Literarischer Nachlaß von 1857 bis 1875. Hildesheim 1999. Mit einem Vorwort von Ulrich Horstmann; herausgegeben und mit einem Nachwort von Joachim Hoell u. Winfried H. Müller-Seyfarth, ISBN 3-487-09558-0
- Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten - Eine Werkauswahl von Philipp Mainländer, Vorwort Ulrich Horstmann, Manuscriptum-Verlag ISBN 3933497744
- Winfried H. Müller-Seyfarth (Hrsg.): Was Philipp Mainländer ausmacht. Königshausen & Neumann, Würzburg 2002, ISBN 3-8260-2383-8
- Winfried H. Müller-Seyfarth (Hrsg.): Die modernen Pessimisten als décadents – Von Nietzsche zu Horstmann. Königshausen & Neumann, Würzburg 1993, ISBN 3-8847-9852-9
Quellen
- ↑ Theodor Lessing: Schopenhauer, Wagner, Nietzsche. Eine Einführung in die moderne Philosophie. Leipzig 1907
- ↑ Philipp Mainländer: Philosophie der Erlösung. Zitiert nach Ulrich Horstmann (Hrsg.): Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten. Manuscriptum, Warendorf 2003, S. 85
- ↑ Fritz Sommerlad: Aus dem Leben Philipp Mainländers. Mitteilungen aus der handschriftlichen Selbstbiographie des Philosophen. Abgedruckt in Winfried H. Müller Seyfarth (Hrsg.): ‚Die modernen Pessimisten als décadents – Von Nietzsche zu Horstmann.‘ Texte zur Rezeptionsgeschichte von Philipp Mainländers ‚Philosophie der Erlösung‘. S. 95
- ↑ ebenda, S. 98
- ↑ ebenda, S. 102
- ↑ ebenda, S. 88
- ↑ Philipp Mainländer: Meine Soldatengeschichte. Tagebuchblätter. Zitiert nach Ulrich Horstmann (Hrsg.): Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten. Manuscriptum, Warendorf 2003, S. 211
- ↑ Walther Rauschenberger: Aus der letzten Lebenszeit Philipp Mainländers. Nach ungedruckten Briefen und Aufzeichnungen des Philosophen. ‚Süddeutsche Monatshefte‘ 9, S. 121
- ↑ Ulrich Horstmann: Mainländers Mahlstrom. Über eine philosophische Flaschenpost und ihren Absender. In Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 508, 1989.
- ↑ Walther Rauschenberger: Aus der letzten Lebenszeit Philipp Mainländers. Nach ungedruckten Briefen und Aufzeichnungen des Philosophen. ‚Süddeutsche Monatshefte‘ 9, S. 124
Weblinks
- Literatur von und über Philipp Mainländer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Internationale Philipp Mainländer-Gesellschaft e.V.
- SWR2: Philipp Mainländers Anleitung zum glücklichen Nichtsein
Personendaten NAME Mainländer, Philipp ALTERNATIVNAMEN Philipp Batz KURZBESCHREIBUNG deutscher Dichter und Philosoph GEBURTSDATUM 5. Oktober 1841 GEBURTSORT Offenbach am Main STERBEDATUM 1. April 1876 STERBEORT Offenbach - Philipp Mainländer: Schriften in vier Bänden. Hrsg. v. Winfried H. Müller-Seyfarth und Joachim Hoell, Hildesheim (Georg Olms) 1996–1999
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