Pilzkunde

Pilzkunde
Vertreter der Pilze
Einige Speise- und Giftpilze

Mykologie ist die Wissenschaft von den Pilzen. Zu den Pilzen gehören die Abteilungen der Schlauchpilze (Ascomycota), Basidienpilze (Basidiomycota), Jochpilze (Zygomycota), Töpfchenpilze (Chytridiomycota), Arbuskulären Mykorrhizapilze (Glomeromycota), aber auch so unsystematische Gruppen wie Hefen und Schimmelpilze. Traditionell befassen sich Mykologen oft auch mit Schleimpilzen (Myxomycota) und Eipilzen (Oomycota), die inzwischen nicht mehr zu den Pilzen sondern zu den Protisten gezählt werden. Auch die Wissenschaft von den Flechten – die Lichenologie – gehört im weitesten Sinn zur Mykologie, da der diese Symbiose dominierende Part von Pilzen eingenommen wird. In der Mykologie gibt es große Überschneidungen mit der Mikrobiologie, da sehr viele Pilze – zumindest in Teilen ihrer Entwicklungsstadien – gleichzeitig auch Mikroorganismen sind.

Der Begriff Mykologie leitet sich von dem griechischen Wort μύκης (mýkes) für Pilz ab. Einer griechischen Sage zufolge, gründete der griechische Held Perseus die Stadt Mykene an der Stelle, wo er sich mit Wasser erfrischte, welches sich im Hut eines Pilzes gesammelt hatte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Mykologie

Der Begriff Mykologie entstand im 18. Jahrhundert und wurde von Christian Hendrik Persoon geprägt. Er hat sich rasch unter den Biologen als Terminus für die Pilzwissenschaft verbreitet.

Altertum und Antike

Wahrscheinlich sammelten Menschen schon in vorgeschichtlicher Zeit Pilze als Nahrung oder zu Heilzwecken. Schriftlich fanden Pilze vermutlich in den Werken von Euripides (480-406 v. Chr.) erstmals Erwähnung. Der griechische Philosoph Theophrastos von Eresos (371-288 v. Chr.) war gewissermaßen der erste, der versuchte, durch vergleichende Morphologie eine Art wissenschaftliche Differenzierung von Pflanzen inklusive Pilzen zu schaffen. Pilze waren für ihn Pflanzen, denen wichtige Organe fehlen. Um 150 v. Chr. beschreibt der griechische Arzt und Dichter Nikandros aus Kolophon (ca. 200–150 v. Chr.) den Unterschied zwischen essbaren und giftigen Pilzen. Später war es Plinius der Ältere (23/24–79 n. Chr.), der in seiner Enzyklopädie „Naturalis historia“ schon eine etwas feinere Einteilung vornahm, indem er die Pilze den Kategorien „fungus“ (Hutpilz), „agaricum“ (Lärchenporling), „suillus“ (Steinpilz), „tuber“ (Trüffel) und „boletus“ (Kaiserling) zuordnete. Ein Zeitgenosse, der griechische Arzt Pedanios Dioskurides (ca. 30–80 n. Chr.), unterschied die Pilze stattdessen nach dem Ort ihres Vorkommens: Hutpilze oberirdisch, Trüffel unterirdisch, die Porlinge auf den Bäumen.

Mittelalter

Während des Mittelalters lag die Forschung im Bereich der Pilze mehr oder weniger brach; statt neuen Erkenntnissen wurde lediglich das antike Wissen tradiert, wobei es auch zu Verfälschungen desselben kam. Den Mönchen dienten die Pilze in erster Linie lediglich als Nahrungsmittel. Als herausragend gelten die pilzkundlichen Werke der deutschen Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179), die in ihrer Quantität und Qualität für das Mittelalter einmalig waren. Daneben gab es Gelehrte, die vom Genuss der Pilze generell abrieten, wie z. B. Albertus Magnus (1193–1280). Seiner aus den antiken Schriften übernommenen Auffassung nach entstünden Pilze aus Ausdünstung und Fäulnis. Zudem handle es sich bei ihnen nicht einmal um richtige Pflanzen, da ihnen weder Samen, Zweige noch Blätter zu eigen seien.

16. bis 18. Jahrhundert

Die Einteilung der Pilze in genießbare und giftige war noch bis zur Renaissance geläufig, wie auch aus der Systematik des Charles de l’Écluse (Clusius, 1526–1609) hervorgeht. Doch mit dem 16. Jhdt. beginnt der mittelalterliche Stillstand in der Pilzkunde dem wissenschaftlichen Fortschritt zu weichen. Adam Lonitzer (1528–1586) sagt noch über Pilze Seind weder Kräuter noch Wurzeln, weder Blumen noch Samen, sondern nichts anders dann ein oberflüssige feuchtigkeit des Erdtrichs, der Bäume, der Hölzer und fauler ding, darumb sie auch eine kleine zeit wären, dann in sibentagen wachsen sie, unnd vergehen auch, sonderlich aber kriechen sie herfür wann es dondert. Doch schon sein Zeitgenosse Pietro Andrea Mattioli (1501–1577) versucht eine systematische Gliederung der Pilze in Gattungen; Giambattista della Porta (1539–1615) nennt den Sporenstaub der Pilze eine Art „Samen“. Im 17. Jahrhundert erkennt Joseph Pitton de Tournefort (1656–1708), dass Pilze selbstständige Organismen sind, welche pflanzliche Krankheiten erzeugen können. Sein System der Pilze wurde später die Grundlage für die Systematik von z. B. Johann Jacob Dillen (Dillenius, 1684–1747) und Carl von Linné (Linnaeus, 1707–1778). Zu dieser Zeit war die Annahme noch sehr verbreitet, dass Pilze durch eine Art „faulende Gärung“ entstehen würden. Linné stellt die Pilze zusammen mit Farnen, Moosen und Algen zur Klasse der „Cryptogamia“ und setzt auch für diese Klasse das System des binominalen wissenschaftlichen Namens durch.

19. Jahrhundert

Geradezu revolutioniert wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert und beginnenden 19. Jahrhundert die Mykologie durch die systematischen Arbeiten von Christian Hendrik Persoon (1761–1836), Lewis David von Schweinitz (1780–1834) und Elias Magnus Fries (1794–1878), die man als die Begründer der modernen Mykologie bezeichnen darf.

Weitere Forscher aus dieser Zeit mit ihren Forschungsschwerpunkten:

Das Werk von de Bary Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten und Myxomyceten (1866) könnte man als erstes Lehrbuch der Mykologie bezeichnen.

20. Jahrhundert

Stellvertretend für die vielen bedeutenden Pilzforscher des 20. Jahrhunderts mögen die folgenden Wissenschaftler stehen, von denen nicht wenige traditionell von der Botanik kommen, aber nun schon „reinrassige“ Mykologen sind:

Mit Zunahme der wissenschaftlichen Möglichkeiten – genetische, mikrobiologische, molekularbiologische und andere Methoden – erkannte man zum Ende des 20. Jahrhunderts, dass das Reich der Pilze noch weitestgehend unerforscht ist. Gerade die phylogenetische Forschung bringt in der Systematik der Pilze größere Veränderungen mit sich. So wurde die Klasse der Bauchpilze (Gastromycetes) überflüssig, da ihre Vertreter aufgrund ihrer Entwicklungsgeschichte nun anderen, teilweise unterschiedlichen Klassen zugeordnet wurden.

21. Jahrhundert

Die Wissenschaft beginnt die Bedeutung der Arbuskulären Mykorrhizapilze (Glomeromycota) für das Gedeihen vieler Pflanzen zu erkennen. Gerade diesen Pilzen scheint künftig eine erhebliche ökologische und ökonomische Rolle zu erwachsen, deren Erforschung gerade erst begonnen hat.

Bisher sind erst ca. 80.000 von geschätzten 1,5 Millionen Pilzarten bekannt. Die Pilzsystematik sowie die Erforschung der Inhaltsstoffe und Stoffwechselprodukte der Pilze stecken gleichsam noch in den Kinderschuhen. Leider werden unzählige Pilzarten durch die Zerstörung ihrer Lebensräume und wegen des Aussterbens ihrer pflanzlichen oder tierischen Partner oder Wirte völlig unerkannt untergehen.

Forschungsgebiete der Mykologie

Systematik

Da erst ein kleiner Teil, nur etwa 5 %, aller vermuteten Pilzarten beschrieben vorliegt, ist die Systematik der Pilze eine der größten Herausforderungen für die Mykologenzunft. Wie in anderen Gebieten der Biologie werden in der Systematik der Pilze immer mehr Methoden aus der Molekularbiologie eingesetzt, zum Beispiel die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder die DNA-Sequenzanalyse.

Ökologie, Phytopathologie und Mykorrhiza

Die Rolle von Pilzen als Krankheitserreger bei Pflanzen ist sicher der ökonomisch bedeutsamste und forschungsintensivste Zweig der Mykologie. Durch die lange Co-Evolution von Pilzen und Pflanzen haben sich sehr viele gefährliche Pilzkrankheiten entwickelt, die im Stande sind Monokulturen von Kulturpflanzen völlig zu vernichten, als Beispiel seien hier Brand- oder Rostpilze genannt. Hier untersuchen Mykologen die Infektionsmechanismen und erforschen Bekämpfungsstrategien.

Auch nach der Ernte sind saprobe Pilze in der Lage, erzeugte Nahrungsmittel zu schädigen und zu zerstören. Schutz und Prophylaxe zu entwickeln sind auch hier Gegenstand mykologischer Forschung und Maßnahmen.

Eine positive Rolle aus Sicht des Menschen spielen Pilze die mit der Fähigkeit zu verschiedenen Formen der Mykorrhiza das Gedeihen von Pflanzen und Kulturpflanzen zu fördern. Eine erhebliche Bedeutung kommt hier den erst in jüngerer Zeit näher untersuchten arbuskulären Mykorrhizapilzen zu. Daneben gibt es zahlreiche andere Arten von Mykorrhizen, deren Bedeutung für Ökologie oder Ökonomie sicher noch nicht vollständig erforscht sind.

Neben Bakterien sind Pilze die typischen Destruenten im ökologischen Stoffkreislauf. Ohne Pilze würde ein Berg von ansonsten kaum abbaubaren Lignin aus Holzresten die Lebensmöglichkeiten an Land stark einschränken.

Physiologische Besonderheiten von Pilzen sind bislang noch unzureichend erforscht. So steht man beispielsweise in der Wissenschaft immer noch vor einem Rätsel, wie bei Großpilzen die Schwerkraftwahrnehmung und die Reizantwort funktioniert. Experimente in Mikrogravitation, wie sie mit dem Samtfußrübling durchgeführt wurden, brachten bislang keine Klarheit.

Medizinische Mykologie

Die medizinische Mykologie ist ein Teilbereich der medizinischen Mikrobiologie, da pilzliche Krankheitserreger beim Menschen unter die Kategorie Mikroorganismen fallen. Die medizinische oder klinische Mykologie befasst sich mit Interaktionen zwischen Pilzen und Mensch. Eine wichtige Rolle spielt die Erforschung von Diagnoseverfahren und Krankheitsprävention sowie die Therapie von Pilzinfektionen (Mykosen) und Vergiftungen mit Pilzgiften und Mykotoxinen.

Beispiele für Krankheiten mit Pilzen als Verursacher: Aspergillose, Candidose, Fußpilz, Schimmelpilz-Allergien.

Die Ausbildung zum Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie beträgt momentan 5 Jahre.

Mykologie in Tierhaltung und Tierzucht

Pilze treten als Krankheitserreger oder Produzenten von Toxinen auf. Andererseits sind Pilze auch Lieferanten von Antibiotika gegen bakterielle Erkrankungen bei Tieren. Es gibt auch Forschungen, minderwertige organische Substanzen z. B. Stroh durch Pilze in höherwertige Futterquellen zu transformieren.

In freier Natur wird inzwischen der Chytridpilz vor allem in Südamerika und Australien zu einer Bedrohung für die dortige Froschwelt.

Technische Mykologie

Ökonomisch bedeutsam ist die technische Mykologie, da hier ebenso wie bei der technischen Mikrobiologie der Stoffwechsel von Pilzen (Makro- oder Mikromyzeten) untersucht und durch genetische oder anderer züchterische Methoden zur Erzeugung und Gewinnung von metabolischen Substanzen genutzt wird. Beispiele sind die großtechnische Gewinnung von Antibiotika (z.B. durch Penicillium-Arten), Vitamin C oder Zitronensäure (durch Aspergillus-Arten), Vitamine der B-Gruppe durch Hefen. Daneben werden weitere Medikamente und Nahrungsmittel durch Pilze erzeugt.

Ein weiterer Aspekt in der technischen Mykologie, der für den Menschen genutzt werden kann, ist die Fähigkeit einiger Pilze zum Abbau toxischer oder umweltschädigender Substanzen.

Angewandte Mykologie/Berufsfelder

Literatur

  • Heinrich Dörfelt (Hrsg.): Lexikon der Mykologie. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York, 1989, ISBN 3-437-20413-0
  • Emil Müller, Wolfgang Loeffler: Mykologie, Grundriss für Naturwissenschaftler und Mediziner, Thieme 1992, ISBN 3-13-436805-6
  • Hanns Kreisel, Frieder Schauer: Methoden des mykologischen Laboratoriums, Gustav Fischer 1987, ISBN 3-437-20382-7
  • Frederike Brocke: Zunderschwamm und Hexenröhrling. Jan Thorbecke Verlag 2006, Ostfildern, ISBN 978-3-7995-3527-4
  • Christian Volbracht: MykoLibri. Die Bibliothek der Pilzbücher. Selbstverlag. Hamburg 2006. www.mykolibri.de

Weblinks


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