Aufschlagzunge

Aufschlagzunge

Eine Zunge ist ein an der Schwingungserzeugung beteiligtes Bauteil vieler Musikinstrumente. Sie ist ein einseitig befestigtes Plättchen aus flexiblem Material, das von einem Luftstrom zum Schwingen gebracht wird.

Zungen von Alt- und Tenorsaxophon

Inhaltsverzeichnis

Grundtypen

Rohrblatt

Zahlreiche Holzblasinstrumente haben Rohrblätter und werden daher auch Rohrblattinstrumente genannt. Diese Art der Zunge zeigt keine stark ausgeprägte Eigenfrequenz, sondern die Schwingungsfrequenz (Tonhöhe) wird von der Luftsäule im Instrument bestimmt. Da diese Luftsäule vom Spieler verändert werden kann, genügt ein einziges Rohrblatt am Instrument, um alle Tonhöhen innerhalb eines großen Bereiches (beispielsweise drei Oktaven) erzeugen zu können.

sonstige Stimmzungen

Die Zunge im engeren Sinn (und zwar in der Ausprägung als Durchschlagzunge, siehe unten) wird beispielsweise in Harmonikainstrumenten wie der Mundharmonika und dem Akkordeon verwendet. Unter Normalbedingungen schwingt sie mit ihrer durch Material und Abmessungen gegebenen Eigenfrequenz. Vereinfacht beschrieben bringt jede Zunge daher nur eine einzige Tonhöhe hervor. Eine Luftsäule (Resonanzraum), die mit der Zunge in Verbindung steht, beeinflusst die Klangfarbe, aber Lautstärke und Tonhöhe werden nur geringfügig beeinflusst. Mit der Bezeichnung Zunge oder Stimmzunge ist in der Praxis meist dieser Grundtyp gemeint. Genauere Beschreibung siehe Hauptartikel: Durchschlagende Zunge.

Trotz dieses wesentlichen Funktionsunterschiedes werden beide Arten in der allgemein-musiktheoretischen Literatur oft unterschiedslos als Zungen oder auch Lamellen bezeichnet. In der Instrumentensystematik von Hornbostel und Sachs sind sowohl Zungen- als auch Rohrblattinstrumente selbstklingende Unterbrechungs-Aerophone.

Bauformen

Bei beiden Grundtypen gibt es drei mögliche Bauformen: als Durchschlagende Zunge, Aufschlagende Zunge und Gegenschlagzunge.

Die durchschlagende Zunge, auch als freischwingende Zunge oder Stimmzunge bezeichnet, kann durch eine zugehörige Öffnung hindurch schwingen. Die Schwingung entsteht, indem ein Luftstrom die Zunge durch die Öffnung drückt, so dass er passieren kann. Die federnde Zunge schwingt nun durch die Öffnung zurück, dabei wird die Öffnung kurz verschlossen, wodurch der Luftstrom unterbrochen wird. Der entstehende Staudruck drückt die Zunge wieder durch die Öffnung usw.

Die aufschlagende Zunge -- als Rohrblatt einfaches Rohrblatt genannt -- ist auf einem Träger vor einer Öffnung angebracht und verschließt diese bis auf einen Spalt. Beim Anblasen strömt der Luftstrom durch die Öffnung, durch den von der Strömung erzeugten Unterdruck wird der Spalt verschlossen, der Luftstrom wird also unterbrochen, die Zunge schwingt dadurch in die Ausgangslage zurück, die Luft kann erneut durch die Öffnung streichen usw.

Die Gegenschlagzunge -- als Rohrblatt Doppelrohrblatt genannt -- besteht aus zwei gleichen Zungen, die am Ende eines Luftrohres befestigt sind, einander spiegelbildlich gegenüber stehen und im Ruhezustand einen schmalen Spalt zwischen sich frei lassen. Die Luft strömt durch diesen Spalt in das Rohr. Der Unterdruck der Strömung lässt die Zungen gegeneinander schlagen und so den Spalt schließen. Die Federwirkung der Zungen öffnet den Spalt wieder, usw..

Material von Rohrblättern

Rohrblatt-Mundstück für Tenorsaxophon
Doppelrohrblätter für Fagott

Die Einfach- oder Doppelrohrblätter von Holzblasinstrumenten werden aus Pfahlrohr hergestellt, das in Südfrankreich und Spanien wächst. Daher stammt die Bezeichnung Rohrblatt.

Einfache Rohrblätter oder Einfachrohrblätter, die in der Musikerpraxis als „Blatt“ bezeichnet werden, gibt es im Handel in unterschiedlicher Dicke, die vor allem für Klarinetten und Saxophone in einer Skala von eins bis fünf angegeben wird, und aus verschiedenen Ländern und Schilfanbaugebieten, wobei jeder Bläser seine eigenen Präferenzen hat. Die Dickenangaben variieren jedoch von Hersteller zu Hersteller, so dass ein Rohrblatt von einem Hersteller nicht notwendigerweise genauso dick ist und auch nicht die gleichen Spieleigenschaften hat wie das von einem anderen Hersteller bei gleicher Dickenangabe.

Das Doppelrohrblatt wird von Musikern auch als „Rohr“ bezeichnet. Es wird bei höheren Ansprüchen an die Qualität häufig entweder vom Musiker selbst hergestellt oder als unbearbeitete Rohware bezogen und selbst bearbeitet. Dadurch lässt sich das Doppelrohrblatt optimal an das vorhandene Instrument anpassen.

Entscheidend für Klang und Spielbarkeit von Rohrblättern sind die Materialdichte und der Verlauf der Dicke über die Länge und die Breite des Rohrblatts. Dünnere, von Musikern auch als „weich“ oder „leicht“ bezeichnete Rohrblätter sind bequemer zu spielen und können leichter leise Töne erzeugen, haben aber mitunter eine schlechtere Klangqualität und überblasen leichter (oft auch ohne absichtliches Zutun des Musikers). Im Ensemblespiel ist mit dünneren Rohrblättern häufig eine einfachere Intonation möglich und die Instrumente neigen stärker zur Verschmelzung zu einem Gesamtklang. Dickere, von Musikern auch als „hart“ bezeichnete Rohrblätter sind mitunter schwierig zu intonieren, erlauben dafür aber eine größere Lautstärke und vor allem beim solistischen Spiel ein ausdrucksstärkeres Spiel. Vor allem im Ensemblespiel erfordern dickere Rohrblätter von den einzelnen Musikern ein hohes Maß an Tonkontrolle. Das Material reagiert auf Feuchtigkeit, es ist bei Doppelrohrblättern normalerweise nötig, das Rohrblatt unmittelbar vor dem Spielen zu wässern. Dabei wird üblicherweise nur der Bereich am offenen Zungenende in Wasser getaucht. Bei Einfachrohrblättern genügt hingegen oft ein kurzes Anfeuchten der Blattspitze.

Die Funktion der Rohrblätter verändert sich durch den Gebrauch, auch Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Temperatur spielen eine Rolle. Zunächst ist es wichtig, ein neues Blatt oder Rohr einzuspielen, es also durch Gebrauch an das gewünschte Schwingungsverhalten anzupassen, damit es gut funktioniert. Da das Material aber auch altert und sogar brechen kann, können Rohrblätter nicht ewig verwendet werden. Die durchschnittliche Haltbarkeit kann je nach Häufigkeit und Art des Spielens zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten liegen. Bei Verwendung in Instrumenten mit Windkapsel (Sackpfeife, Rauschpfeife, Krummhorn) können Rohrblätter mehrere Jahre zuverlässig arbeiten.

Für Doppelrohrblätter wird in Sackpfeifen heute auch Polystyrol verwendet. Das Material wird häufig aus den Seitenwänden von Jogurtbechern geschnitten, da das Material in diesem Fall bereits die notwendige Wölbung besitzt. Es gibt auch, beispielsweise für Übungszwecke, Oboen- und Fagott-Rohre aus Fiberglas.

Material für sonstige Zungen

Harmonika-Stimmplatte mit durchschlagender Zunge

Für durchschlagende Zungen wird hauptsächlich Metall verwendet. Auch manche aufschlagenden Zungen bestehen aus Metall. Die Zungen für Akkordeons wurden früher aus Bronze oder Messing angefertigt, heute vor allem aus Stahl. Die Stimmzungen für Mundharmonikas werden auch heute noch aus speziellen Messinglegierungen angefertigt, weil Stahlzungen durch die feuchte Atemluft korrodieren (rosten) würden. Aber auch andere Materialien für Stimmzungen sind denkbar, zum Beispiel wurden Prototypen von Stimmzungen aus Titan angefertigt.

In Sackpfeifen wird heute auch Polystyrol oder glasfaserverstärktem Kunststoff für die aufschlagenden Zungen der Bordunpfeifen verwendet. Kindermundharmonikas aus Plastik haben meist Plastikstimmzungen.

Instrumente mit Rohrblatt

Einfachrohrblatt

Von Musikern wird das Einfachrohrblatt kurz als „Blatt“ bezeichnet. Einfachrohrblätter werden an den Mundstücken von Klarinetten und Saxophonen verwendet. Zu den ältesten Instrumenten mit Einfachrohrblatt gehören die heute noch verwendete Launeddas aus Sardinien und das Sipsi aus dem vorderen Orient.

Doppelrohrblatt

Von Musikern wird das Doppelrohrblatt kurz als „Rohr“ bezeichnet. Doppelrohrblätter werden an Schalmeiinstrumenten wie Oboe, Fagott, Suona, Zurna, Pi Chanai, Pi Or und in den Spielpfeifen vieler Sackpfeifenformen verwendet. Eines der ältesten Instrumente mit Doppelrohrblättern ist das Aulos aus Griechenland. Der Klang der antiken griechischen Auloi ist dem des im heutigen Armenien gespielten Duduk ähnlich.

Schwingverhalten

Aufschlagende Zunge der schwedischen Sackpfeife

Doppelrohrblätter und auch Einfachrohrblätter sind in ihrem Schwingverhalten wesentlich komplexer als einfache Zungen. Sie werden bevorzugt zu Schwingungen höherer Modi (Eigenfrequenzen) angeregt, das heißt, je nach den gegeben Rahmenbedingungen für die Schwingung wird das Rohrblatt zu unterschiedlichen Schwingungen angeregt. Vereinfacht ausgedrückt schwingt das Blatt der Länge oder der Breite nach mit einem oder mehreren Knotenpunkten, ähnlich dem Schwingungsverhalten einer Geigendecke oder eines Trommelfelles. Daher ist es verständlich, dass „Rohre“ und „Blätter“ oft vom Musiker selbst angefertigt werden, um den eigenen Vorstellungen vom erwünschten Schwingungsverhalten nahe zu kommen. Dieses Schwingungsverhalten gilt grundsätzlich auch für einfachere Zungen, jedoch schwingen diese bevorzugt auf der Grundfrequenz und sind üblicherweise nicht zu stark wahrnehmbaren höheren Modi anregbar.

Sonstige Instrumente mit Zungen

Durchschlagende Zunge

Hauptartikel: Durchschlagende Zunge

Zu den Instrumenten mit Durchschlagzungen gehören das Harmonium, das Akkordeon und seine Varianten, die Mundharmonika, die ostasiatischen Mundorgeln (Sheng, Khaen, Shō, Hulusi) und manche Orgelpfeifen. Das Bawu hat eine einzelne Durchschlagzunge, und seine Tonhöhe kann mittels Grifflöchern über etwa eine Oktave verändert werden; insofern steht es zwischen den Zungen- und den Rohrblattinstrumenten. Pi Anggong, Pi Yen, Pi sind weitere Instrumente mit durchschlagenden Zungen und ähnlicher Bauart.

Bei der Maultrommel wird die durchschlagende Zunge durch einen Finger angeregt. Der gleichzeitige Atemluftstrom verstärkt und verlängert nur den Ton, zur eigentlichen Tonerzeugung ist er konstruktionsbedingt selten verwendbar.

Aufschlagende Zunge

Aufschlagende Zungen werden in den Bordunpfeifen vieler Sackpfeifen und vor allem in den Lingualpfeifen von Orgeln verwendet.

Gegenschlagzunge

Gegenschlagzungen gibt es in den Bordunpfeifen mancher Sackpfeifen.

Einflüsse auf die Tonhöhe von Zungen

Die Tonhöhe wird beeinflusst von den Dimensionen, dem Material und der Form der Zunge sowie bei aufschlagenden Zungen der Aufschlagsfläche und zu einen geringen Anteil vom Luftdruck. Die Höhe des entstehenden Tons ist von der Masseverteilung der Zunge abhängig. Eine durchschlagende oder aufschlagende Zunge kann höher gestimmt werden, indem man am freien Ende ein wenig Material abnimmt, wodurch sie an Trägheit verliert, oder tiefer, indem man dort etwas Material hinzufügt. Ebenso wird sie tiefer, wenn man in der Mitte Material wegnimmt. Im Allgemeinen reagieren durchschlagende Zungen weniger auf Luftdruckveränderungen als aufschlagende Zungen und Gegenschlagzungen.

Siehe auch

Weblinks


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