- Polarring-Galaxie
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Eine Polarring-Galaxie ist ein seltener Galaxientyp, der durch die Verschmelzung zweier Galaxien entsteht.
Inhaltsverzeichnis
Einordnung
Polarring-Galaxien zählen wie Gezeitenarm-Galaxien, andere wechselwirkende Galaxien und Zwerggalaxien zu den Sonderformen von Galaxien bezüglich der Gestalt. Sie bestehen aus einem zentralen länglichen Objekt und einem Ring oder eine Scheibe von Sternen der senkrecht zu diesem Objekt verläuft, also ‚über den Pol‘ der von der Seite gesehene Scheibe des zentralen Objekts. Die zentralen Objekte sind meist linsenförmig vom Typ S0 in der Hubble-Sequenz, aber auch elliptische oder Spiralgalaxien kommen als Zentralobjekte vor. Auch die Rotationsachsen von zentralem Objekt und Ring stehen nahezu senkrecht aufeinander. Anders geartete Galaxienformen mit Ringstrukturen sind Ringgalaxien und manche Balkenspiralgalaxien, im Einzelfall kann die Unterscheidung manchmal schwierig sein.
Man hat bis heute nur etwa 100 Polarring-Galaxien entdeckt. Es gibt Untertypen mit einem großen eher kugelförmigen zentralen Objekt. Sie werden Saturn-Typ genannt. Eine gegensätzliche Variante wird Floppy-Typ oder Sombrero-Typ genannt (siehe Bild NGC 4650). Bei dieser Ausprägung ist der Ring verhältnismäßig größer und schwerer.
Man hat heute Erkenntnisse, dass auch unsere Milchstraße einen kleinen aus Gaswolken bestehenden senkrechten zu ihrer Ebene orientierten Ring besitzt. Allerdings ist die Masse dieses Rings gering und genügt damit nicht für eine Einordnung als Polarring-Galaxie.
Entstehung
Bei der Entstehung einer Galaxie aus Gas in einem einzigen Kollapsvorgang würde sich eine Gasscheibe mit einer bevorzugten Drehrichtung herausbilden, am Kollaps teilnehmende Gaswolken mit anderem Umlaufsinn würden durch Zusammenstöße dem allgemeinen Drehsinn angeglichen. Eine Entstehung in einem Zug von Polarring-Galaxien mit ihrer zueinander senkrechten Rotation von Ring und Zentralgalaxie ist daher unwahrscheinlich.
Polarring-Galaxien werden deshalb als Resultat einer nachträglichen Verschmelzung zweier Galaxien gesehen. In der heutigen Kosmologie nimmt man an, dass Galaxien 'hierarchisch' aus kleineren Einheiten entstehen und immer wieder verschmelzen. Je nach Eigenschaften der beiden verschmelzenden Galaxien und ihrer relativen Bahn können sich dabei Endprodukte sehr verschiedener Eigenschaften bilden, unter günstigen Bedingungen kann sich aber bei einer Verschmelzung das Gas einer kleineren Galaxie statt völlig von der größeren aufgenommen zu werden in eine stabile Bahn senkrecht zur Scheibe der massereicheren Zentralgalaxie setzen und so eine Polarring-Galaxie bilden.
Bekannte Polarring-Galaxien
NGC 4650A
Eine der am besten untersuchten Polarring-Galaxien ist NGC 4650A in 150 Millionen Lichtjahren Entfernung. Diese Galaxie wird oft als Prototyp der Klasse angesehen. Der zentrale Teil enthält ältere gelbliche Sterne, fast senkrecht dazu rotiert ein wesentlich größerer Ring (eigentlich eher eine weite Scheibe als ein dünner Ring) mit jüngeren blauen Sternen.
Hoags Objekt
Hauptartikel: Hoags Objekt
Die 600 Millionen Lichtjahre entfernte Polarring-Galaxie Hoags Objekt im Sternbild Schlange wurde 1950 vom Astronom Art Hoag entdeckt. Sie hat einen stabilen und gut ausgeprägten Ring mit vielen heißen Sternen. Der Radius des Ringes beträgt etwa 120.000 Lichtjahre. Das Zentrum enthält viele ältere Sterne und hat Kugelform.
Nach der Entdeckung dieser damals unbekannten Art von Galaxie vermutete der Entdecker eine optische Täuschung durch eine Gravitationslinse als Erklärung für ihre ungewöhnliche Gestalt. Da für das zentrale Objekt und den Ring später die gleiche Rotverschiebung gemessen wurde, kommt diese Erklärung nicht mehr in Frage. Außerdem zeigten sich bald durch bessere Teleskope die Ballungen im Ring, welche nicht durch eine Gravitationslinse entstehen konnten.
Bis heute ist noch nicht eindeutig geklärt, ob Hoags Objekt eine aus ungewöhnlicher Richtung gesehene Polarring-Galaxie ist. Frühere Theorien schlugen auch eine Entwicklung aus einer instabilen Balkenspiralgalaxie heraus vor. Die Kugelform des Zentrums sprach allerdings dagegen, da Balkenspiralen flache Zentren haben. Da es sich um ein stabiles Gebilde handelt, vermutet man heute auch hier einen Zusammenstoß von Galaxien. Da dieser sich vermutlich schon vor zwei oder drei Milliarden Jahren ereignet hat, ist er nur noch schwer nachzuweisen.
Polarring-Galaxien und Dunkle Materie
Eines der ersten Anzeichen für die Existenz Dunkler Materie waren die Rotationskurven von Spiralgalaxien. Die hohen Umlaufgeschwindigkeiten bei großer Entfernung vom Kern sind allein durch die sichtbare Materie nicht erklärbar. Aus den Rotationskurven in der Scheibe einer Galaxie kann man aber nicht entnehmen, wie der Halo dunkler Materie senkrecht zur Ebene der Galaxie verteilt ist. Polarring-Galaxien ermöglichen im Prinzip eine Messung dieser Verteilung, da die senkrecht zur Galaxie umlaufende Materie des Rings die notwendigen ‚Testteilchen‘ zur Verfügung stellt. In der Praxis ist aber die Analyse dieser Messungen schwierig, so dass noch kein klares Bild entstanden ist wie rund, abgeplattet oder elongiert dieser dunkle Halo ist.
Quellen
- Simon Goodwin: Mission Hubble. Bechtermünz Verlag / Weltbildverlag, Augsburg 1996. ISBN 3-86047-146-5
- Roy A. Gallant: Unser Universum. Weltbildverlag, Augsburg 1998. ISBN 3-8289-3391-2
- Englische Wikipedia – Hoag's Object
- Douglas B. McElroy / Brad Whitmore
- Polar Ring Galaxy NGC 4650A – Astronomy Picture of the Day vom 10. Mai 1999 (Englisch).
Weblinks
- Was sind Polarring-Galaxien? aus der Fernseh-Sendereihe alpha-Centauri
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