Polymerelektronik

Polymerelektronik

Organische Elektronik ist ein Teilgebiet der Elektronik, das elektronische Schaltungen aus leitfähigen Polymeren oder kleineren organischen Verbindungen verwendet. Es wird synonym (gleichbedeutend) auch der Begriff Plastikelektronik, Kunststoffelektronik oder gängiger Polymerelektronik verwendet. Generelles Merkmal aller Konzepte ist in der Regel das Design der Schaltkreise aus Makromolekülen und im Vergleich zu herkömmlicher Elektronik aus multi-molekularen Strukturen größerer Dimension. Daher wird außerdem der neue Kunstbegriff der Polytronik verwendet. Im englischen Sprachraum wird vorwiegend der Begriff plastics electronics verwendet

Merkmal der Plastikelektronik ist die Verwendung mikroelektronischer Bauelemente auf Trägermaterialien aus organischen Folien und mit Leiterbahnen und Bauelementen aus leitfähigen organischen Molekülen (Organische Halbleiter) gefertigt werden. Die Moleküle (neben Monomeren und Oligomeren vor allem Polymere) werden dabei in Form dünner Filme oder kleiner Volumen auf die Folien aufgedruckt, aufgeklebt oder anderweitig angebracht. Für die Herstellung der dünnen Schichten kommen alle verfahren in Betracht, die auch für Elektronik auf keramischen oder halbleitenden Trägern verwendet werden.

Inhaltsverzeichnis

Polymerelektronik

Je nach chemischem Aufbau können Polymere elektrisch leitende, halbleitende oder isolierende Eigenschaften besitzen. Die Isolationsfähigkeit der „normalen“ Polymere des täglichen Gebrauchs werden schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts in der Elektrotechnik, beispielsweise als isolierende Hülle von Kabeln, genutzt. Anfang der 1970er Jahre wurden erstmals auch elektrisch leitfähige und halbleitende Polymere hergestellt und charakterisiert. Für Verdienste auf diesem Gebiet wurde 2000 der Nobelpreis für Chemie an Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa verliehen. Durch den Einsatz dieser neuartigen Materialien für elektronische Anwendungen wurde der Begriff „Polymerelektronik“ geprägt.

Die Polymerelektronik befindet sich bis auf weiteres (Stand: 2007) im Labor- oder Pilotstadium. Mit Ausnahme eines marktreifen, gedruckten RFID-Chip (PolyIC) ist die Marktsituation auch im Jahr 2008 unverändert geblieben. Erste Feldversuche sind für das zweite Quartal 2009 vorgesehen.

Die geplanten polytronischen Anwendungen sollen den Markt für extrem preiswerte ubiquitäre Elektronik erschließen, welcher von der traditionellen Silizium-basierten Elektronik auf Grund spezieller Anforderungen und der Kosten für die Aufbau- und Verbindungstechnik nicht erreicht werden kann. Die Herstellungsprozesse für die Polymerelektronik werden daher in Richtung hoher Stückzahlen, äußerst niedriger Herstellkosten und weitgehend frei von Aufbauschritten entwickelt. Preiswerte Druckverfahren, Rolle-zu-Rolle-Beschichtungs- und Strukturierungsmethoden bilden für zukünftige Produkte in diesem Bereich eine wichtige Basis [1].

Aufbau der Polymere

Das Grundgerüst der elektronischen Polymere sind konjugierte Polymerhauptketten, die aus einer streng alternierenden Abfolge von Einfach- und Doppelbindungen bestehen. Diese Polymere besitzen dadurch ein delokalisiertes Elektronensystem, welches Halbleitereigenschaften, und nach chemischer Dotierung Leitfähigkeit ermöglicht.

Vorteile der Polymerelektronik

Der Hauptvorteil dieser Schaltungen sind die geringeren Herstellungskosten, wodurch sie für sogenannte „Wegwerfelektronik“ (z. B. RFID-Tags auf Wegwerfverpackungen als elektronische Preisschilder) interessant sind. Außerdem besitzen Polymere Eigenschaften, die mit klassischen Halbleitern nicht möglich sind. So lassen sich beispielsweise flexible Folien mit integrierten Schaltungen herstellen.

Nachteile der Polymerelektronik

Elektronische Polymerbaugruppen zeichnen sich bisher durch nicht spezifizierte Lebensdauer von gespeicherten Daten aus. Solange dazu keine abnahmefähigen Kriterien erfüllt werden, bleibt die Polymerelektronik ein weitgehend akademisches Thema. Die Qualität und Quantität der Lösungen, die auf Speicherinhalte verzichten können, führt schnell in die Urzeit der Elektronik Anfang 1960 zurück. Bei hybriden Aufbauten in Kombination mit klassischer Siliziumtechnik geht ein großer Teil der besonderen Merkmale der Polymerelektronik verloren.

Kleine Moleküle

Kleine Moleküle (engl.: small molecules) werden derzeit im Wesentlichen für OLEDs eingesetzt (SOLED oder SMOLED). Prinzipiell sind mit speziell aufgebauten einzelnen Molekülen elektronische Funktionen wie beispielsweise Dioden auf dem Molekül realisierbar. Diese Technologie befindet sich jedoch noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase und wird dem Gebiet der Nanotechnologie zugerechnet.

Anwendungen

In den etablierten Anwendungsgebieten der Informationsverarbeitung besitzen anorganische Halbleiter im Vergleich zu molekülbasierten Technologien u.a. die Vorteile einer wesentlich höheren Ladungsträger-Beweglichkeit und Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen [2]. Das Ziel der Entwicklung von Plastikelektronik beinhaltet daher (bislang) nicht, die klassischen Halbleitertechnologien auf Basis anorganischer Halbleiter zu ersetzen. Im Vordergrund steht vielmehr die Erschließung elektronischer Anwendungsbereiche, die sehr leichte und/oder mechanisch flexible Trägermaterialien erfordern [3].

Zu solchen Anwendungen zählen z. B.

oder Anwendungen, die sehr kostengünstige und einfache Herstellungsverfahren für eine ökonomisch rentable Massenfertigung voraussetzen wie z. B.

Solche Anwendungsbereiche sind für die klassischen Herstellungs- und Strukturierungstechnologien der Halbleiterindustrie problematisch, da die notwendigen Prozesse extreme Bedingungen des Ultrahochvakuums, große Anforderungen an die Prozesssteuerung sowie hohe Temperaturen [10] erfordert – Bedingungen, die sehr kostenintensiv sind und empfindliche, flexible Substrate auf Polymerbasis ausschließen.

spezielle Anwendungen

Neben den reinen leitfähigen oder halbleitenden Eigenschaften können die Materialien der Polymerelektronik auch unter gewissen Umständen Licht aussenden. Dies ermöglicht den Einsatz in organischen Leuchtdioden (OLED). Der umgekehrte Effekt, Licht zu absorbieren und in elektrische Energie zu verwandeln, ermöglicht die Anwendung in organischen Solarzellen (organische Photovoltaik)[11]. Zudem können diese Polymere als Sensoren oder auch als organische Speicher eingesetzt werden. Mit organischen Feldeffekttransistoren (OFET) können integrierte Schaltungen aufgebaut werden. Auch Anwendungen als elektronisches Papier erscheinen realisierbar.

Prinzipiell eröffnet sich mit der Polymerelektronik das komplette Feld der Elektronik, das bisher im Wesentlichen von Silizium-basierten Bauteilen geprägt ist. Weil die Beweglichkeit der Ladungsträger mit ca. 0,2 cm²/Vs um drei bis vier Größenordnungen niedriger ist als im Silizium, können extrem kurze Schaltzeiten mit OFETs auf absehbare Zeit nicht realisiert werden. Anwendungen wie beispielsweise leistungsfähige Mikroprozessoren sind daher zumindest mittelfristig nicht zu erwarten.

Herstellungsverfahren

Demgegenüber lassen sich organische Moleküle und Polymere durch vergleichsweise einfache Verfahren bei relativ niedrigen Verarbeitungstemperaturen (<120°C) auf eine Vielfalt verschiedenster Substrate großflächig aufbringen und im Mikrometer-Bereich strukturieren. Zu solchen Verfahren zählen

Diese Verfahren setzen voraus, dass die leitfähigen organischen Moleküle als Lösung vorliegen. Allerdings besitzen nur wenige dieser Moleküle eine relevante Löslichkeit [18], so dass zur Erzielung einer Löslichkeit die meisten Substanzen chemisch modifiziert werden müssen oder lösliche Vorläufermoleküle verwendet werden, die erst nach der Deponierung chemisch umgewandelt werden (precursor method [19]).

  • Gasphasenabscheidung/Evaporation: Eine andere Möglichkeit stellen alternative, allerdings aufwendigere Deponierungstechniken wie z. B. die Gasphasenabscheidung [20] oder die Evaporation [9] dar, wobei im Zusammenhang mit diesen Verfahren als Strukturierungsmethode besonders das sogenannte shadow masking [21] zum Einsatz kommt.

Funktionselemente

Zu den Funktionselementen, die als aktive Einheit für eine Plastikelektronik realisiert werden konnten, zählen:

  • Organischer Dünnschicht-Transistor [22]. In vielen Entwicklungsansätzen wird nur die Halbleiterschicht aus organischen Verbindungen aufgebaut (mittels Monomere z. B. [16][23][24], mittels Oligomere z. B. [25] oder mittels Polymere z. B. [26][17]) und die Elektroden konventionell oder z. B. durch Metalltransfer-Stempeldruck [27] aus metallischen Substanzen gefertigt. Es lassen sich aber auch Ansätze verwirklichen, in denen sämtliche Komponenten aus Polymeren bestehen [28][13].
  • Organische Leuchtdiode (OLED) (mittels Monomere z. B. [29][30][31] und mittels Polymere z. B. [32] realisierbar)
  • Organische Solarzelle (mittels Monomere z. B. [33] und mittels Polymere z. B. [34][35] realisierbar).

Quellen und Einzelnachweise

  1. Fraunhoferinstitut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration
  2. H. E. Katz, Z. Bao, S. Gilat: Synthetic chemistry for Ultrapure, Processable, and High-Mobility Organic Transistor Semiconductors. In: Acc. Chem. Res. 2001, 34, 359–369.
  3. D. Filmore: Carbon electronics. In: Today´s Chemist at Work 2002, 11, 25–27.
  4. a b H. Kobayashi et al.: A novel RGB multicolor light-emitting polymer display. In: Synthetic Metals 2000, 111-112, 125–128.
  5. J. A. Rogers et al.: Paper-like electronic displays: Large-area rubber-stamped plastic sheets of electronics and microencapsulated electrophoretic inks. In: PNAS 2001, 98, 4835–4840.
  6. H. E. A. Huitema et al.: Active-Matrix Displays Driven by Solution Processed Polymeric Transistors. In: Advanced Materials 2002, 14, 1201–1204.
  7. B. K. Crone et al.: Organic oscillator and adaptive amplifier circuits for chemical vapor sensing. In: Journal of Applied Physics 2002, 9, 10140-10146.
  8. C. Bartic et al.: Monitoring pH with organic-based field-effect transistors. In: Sensors and Actuators B 2002, 83, 115–122.
  9. a b P. F. Baude et al.: Pentacene-based radio-frequency identification circuitry. In: Applied Physics Letters 2003, 82, 3964–3966.
  10. R. Enderlein: Mikroelektronik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford 1993.
  11. Informationen von PolyIC
  12. Z. Bao, J. A. Rogers H. E. Katz: Printable organic polymeric semiconducting materials and devices. In: Journal of Materials Chemistry 1999, 9, 1895–1904.
  13. a b H. Sirringhaus et al.: High-Resolution Inkjet Printing of All-Polymer Transistor Circuits. In: Science 2000, 290, 2123–2126.
  14. H.-J. Butt, K. Graf, M. Kappl: Physics and Chemistry of Interfaces. Wiley-VCH 2003, S. 138
  15. F. J. Touwslager, N. P. Willard, D. de Leeuw: I-line lithography of poly-(3,4-ethylenedioxythiophene) electrodes and application in all-polymer integrated circuits. In: Appl. Phys. Lett. 2002, 81, 4556–4558.
  16. a b H. Klauk et al.: Pentacene organic transistors and ring oscillators on glass and on flexible polymeric substrates. In: Appl. Phys. lett. 2003, 82, 4175–4177.
  17. a b N. Stutzmann, R. H. Friend, H. Sirringhaus: Self-Aligned, Vertical-Channel, Polymer Field-Effect Transistors. In: Science 2003, 299, 1881–1884.
  18. Z. Bao: Materials and Fabrication Needs for Low-Cost Organic Transistor Circuits. In: Advanced Materials 2000, 12, 227–230.
  19. P. Herwig, K. Müllen: A Soluble Pentacene Precursor: Synthesis, Solid-State Conversion into Pentacene and Application in a Field-Effect Transistor. In: Advanced Materials 1999, 11, 480–483.
  20. M. Shtein et al.: Micropatterning of small molecular weight organic semiconductor thin films using organic vapor phase deposition. In: J. Appl. Phys. 2003, 93, 4005–4016.
  21. J. A. Rogers et al.: Paper-like electronic displays: Large-area rubber-stamped plastic sheets of electronics and microencapsulated electrophoretic inks. In: PNAS 2001, 98, 4835–4840.
  22. C. D. Dimitrakopoulos, P. R. L. Malenfant: Organic Thin Film Transistors for Large Area Electronics. In: Advanced Materials 2002, 14, 99–118.
  23. Y.-Y. Lin et al.: Stacked Pentacene Layer Organic Thin-Film Transistors with Improved Characteristics. In: IEEE Electron Device Letters 1997, 18, 606–608.
  24. H. E. Katz et al.: A soluble and air-stable organic semiconductor with high electron mobility. In: Nature 2000, 404, 478–481.
  25. B. Crone et al.: Large-scale complementary integrated circuits based on organic transistors. In: Nature 2000, 403, 521–523.
  26. H. E. A. Huitema et al.: Active-Matrix Displays Driven by Solution Processed Polymeric Transistors. In: Advanced Materials 2002, 14, 1201–1204.
  27. C. Kim, M. Shtein, S. R. Forrest: Nanolithography based on patterned metal transfer and its application to organic electronic devices. In: Applied Physics Letters 2002, 80, 4051–4053.
  28. G. H. Gelinck, T. C. T. Geuns, D. M. de Leeuw: High-performance all-polymer integrated circuits. In: Applied Physics Letters 2000, 77, 1487–1489.
  29. A. Dodabalapur: Organic Light Emmiting Diodes. In: Solid State Communications 1997, 102, 259–267.
  30. J. Blochwitz et al.: Non-polymeric OLEDs with a doped amorphous hole transport layer and operating voltages down to 3.2 V to achieve 100 cd/m 2. In: Synthetic Metals 2002, 1–5.
  31. J. G. C. Veinot, et al.: Fabrication and Properties of Organic Light-Emitting “Nanodiode” Arrays. In: Nano Letters 2002, 2, 333–335.
  32. R. H. Friend et al.: Electroluminescence in conjugated polymers. In: Nature 1999, 397, 121–128.
  33. T. Shichiri, M. Suezaki, T. Inoue: 3-Layer Organic Solar-Cell. In: Chem. Lett. 1992, 9, 1717–1720.
  34. C. J. Brabec, N. S. Sariciftci, J. C. Hummelen: Plastic Solar Cells. In: Advanced Functional Materials 2001, 11, 15–26.
  35. B. de Boer et al.: Supramolecular self-assembly and opto-electronic properties of semiconducting block copolymers. In: Polymer 2002, 42, 9097–9109.

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