Prachtwinden

Prachtwinden
Prunkwinden
Ipomoea purga, Illustration aus Koehler 1887

Ipomoea purga, Illustration aus Koehler 1887

Systematik
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Asternähnliche (Asteridae)
Ordnung: Nachtschattenartige (Solanales)
Familie: Windengewächse (Convolvulaceae)
Gattung: Prunkwinden
Wissenschaftlicher Name
Ipomoea
L.

Die Prunkwinden (Ipomoea) (auch als Prachtwinden bekannt) sind eine artenreiche Pflanzengattung. Mit etwa 650 Arten sind sie die größte Gattung der Familie der Windengewächse (Convolvulaceae). Die meisten Arten sind krautige Kletterpflanzen, einige auch Sträucher. Einige der Arten sind sukkulent. Die wirtschaftlich bedeutendste Art ist die Süßkartoffel (Ipomoea batatas).

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Prunkwinden wachsen als Kletterpflanzen, Sträucher oder Bäume, meist kletternd, gelegentlich aber auch niederliegend oder auch schwimmend. Die meist gestielten Laubblätter sind sehr variabel und können auch an einer Pflanze in Form und Größe variieren. Sie können ganzrandig, gelappt, geteilt oder selten auch zusammengesetzt sein, am Blattstiel werden gelegentlich Pseudonebenblätter gebildet.

Blütenstände und Blüten

Blüte von Ipomoea purpurea
Blüte von Ipomoea tricolor

Die Blüten stehen meist achselständig in dichasialen Blütenständen aus einer bis vielen Blüten, selten sind die Blütenstände rispig. Die Kelchblätter sind krautig oder nahezu lederig, variieren in Größe in Form und können unbehaart oder behaart sein. An der Frucht sind die Kelchblätter oftmals etwas vergrößert. Die relativ kleinen bis recht großen Kronen sind meist radiärsymmetrisch, können aber auch selten leicht zygomorph sein. Die verwachsenen Kronblätter bilden einen Trichter oder eine Glocke, seltener ist die Krone röhrenförmig oder stieltellerförmig. Die Färbung der Krone kann violett, rot, rosa, weiß oder selten auch gelb sein. Der Kronsaum ist schwach oder selten auch stark gelappt.

Die Staubblätter stehen nur selten über die Krone hinaus, meist sind sie von ihr eingeschlossen. Die Staubfäden sind fadenförmig und an der Basis oftmals dreieckig verbreitert. Meist sind sie unterschiedlich lang. Die kugelförmigen und stacheligen Pollenkörner sind über die gesamte Oberfläche mit Poren (runden bis ovalen Aperturen) versehen (pantoporate). Der Fruchtknoten kann unbehaart oder behaart sein, er ist meist zwei- oder vierfächrig mit insgesamt vier Samenanlagen, selten ist er dreifächrig mit sechs Samenanlagen. Der Griffel ist einfach, fadenförmig und meist nicht über die Krone hinausstehend. Er endet in einer köpfchenförmigen Narbe, die nicht geteilt oder in zwei (oder selten drei) kugelförmige Anhänge geteilt ist.

Früchte und Samen

Früchte von Ipomoea lobata

Die Früchte sind kugel- oder eiförmige Kapseln, die mit meist vier (bis sechs) Klappen aufspringen oder selten auch unregelmäßig aufspringend sind. Sie enthalten meist vier, selten auch sechs oder weniger Samen, die behaart oder unbehaart sein können.

Inhaltsstoffe

Die Samen und oberirdischen vegetativen Teile einiger Arten der Prunkwinden enthalten Mutterkornalkaloide. Zum Vorkommen dieser Stoffe innerhalb der Gattung gibt es eine große Anzahl Untersuchungen unterschiedlicher Qualität, mit teilweise gegensätzlichen Ergebnissen. Eine umfassende und genaue Aussage über das Vorkommen lässt sich daraus nicht entnehmen. Von 79 untersuchten Arten kann von 23 Arten mit Sicherheit gesagt werden, dass sie Mutterkornalkaloide enthalten; bei 15 Arten sind die in der Literatur zu findenden Angaben widersprüchlich oder die, den Untersuchungen zu Grunde liegenden Methoden zweifelhaft. Bei den restlichen 41 Arten treten keine Mutterkornalkaloide auf. Das Auftreten dieser Sekundären Pflanzenstoffe ist innerhalb der Windengewächse nur aus der Tribus Ipomoeeae bekannt, auch in der Schwesterfamilie, den Nachtschattengewächsen (Solanaceae), treten sie nicht auf. Innerhalb der Gattung haben die Mutterkornalkaloide jedoch keine taxonomische Bedeutung, da sie in verschiedenen Untertaxa der Gattung auftreten.[1]

Die Prunkwinden sind neben Evolvulus die einzige Gattung der Familie, in denen Anthocyane nachgewiesen wurden, während sie in den anderen untersuchten Gattungen fehlen. Beispielsweise wurden in Blüten, Laubblättern, Stängeln sowie in den Wurzeln und Knollen der Süßkartoffel (Ipomoea batatas) Anthocyane nachgewiesen.[1]

Vorkommen

Prunkwinden sind vor allem in den Tropen sowohl der Alten als auch der Neuen Welt verbreitet. Weniger Arten gibt es in den gemäßigten Breiten Nordamerikas und Ostasiens. Nur zwei Arten kommen ursprünglich in Europa vor, Ipomoea sagittata und Ipomoea stolonifera, beide im Mittelmeergebiet.

Systematik

Die Gattung Ipomoea wird in drei Untergattungen eingeteilt. Die Untergattung Ipomoea subg. Ipomoea enthält behaarte, kletternde Pflanzen, deren Blüten krautige, behaarte Kelchblätter und einen zwei- oder dreifächrigen Fruchtknoten besitzen und deren Samen flaumhaarig sind. Ipomoea subg. Eriospermum umfasst verholzende, ausdauernde Pflanzen unterschiedlichen Habitus', deren Blüten ledrige, unbehaarte Kelchblätter und zweifächrige Fruchtknoten besitzen und deren Samen behaart sind. Die Vertreter der dritten Untergattung, Ipomoea subg. Quamoclit, sind unbehaarte, kletternde Pflanzen, deren Blüten unbehaarte Kelchblätter und zwei- oder vierfächrige Fruchtknoten aufweisen und deren Samen flaumhaarig bis verkahlend sind.[2]

Phylogenetische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die Gattung Ipomoea stark polyphyletisch ist und im weiteren Sinne die Gattungen der Tribus Ipomoeeae enthält. In den Untersuchungen wurden zwei Kladen ermittelt, von der eine die Gattungen der zuvor eigenständig geführten Tribus Agryreieae (Argyreia, Stictocardia, Turbina und Rivea) sowie die Gattung Lepistemon enthält. Die Arten der Gattung Ipomoea, die in diese Klade fallen, bilden keine gemeinsame Gruppe, sondern sind stark zwischen den anderen Taxa verstreut. In der zweiten Klade finden sich neben der dort basal stehenden Gattung Astripomoea vor allem die Arten der Untergattungen Quamoclit und Eriospermum.[3]

Die Einteilung der Gattung und Auswahl der Arten folgt Daniel Frank Austin (1979)[4], erweitert nach den Ergänzungen aus darauf aufbauenden Publikationen[5][6][7], weitere Ergänzungen und Änderungen sind durch Einzelnachweise gekennzeichnet.

Ökologie

Die Arten der Gattung sind an verschiedene Bestäubungsstrategien angepasst. Die verbreitetste Form ist die Bestäubung durch Bienen (Melittophilie). Die Blüten der durch Bienen bestäubten Arten sind überwiegend trichterförmig und lavendelfarben, violett bis blau oder selten auch gelb gefärbt. Insgesamt sind mindestens 19 Gattungen aus vier Bienenfamilien als Bestäuber bekannt. Die meisten gehören zur Familie Anthophoridae, die Gattungen Ancyloscelis, Cemolobus und Melitoma sind sogar oligolektisch, das heißt, sie besuchen ausschließlich Prunkwinden-Blüten.

Vor allem innerhalb der Sektion Mina ist die Bestäubung durch Vögel (Ornithophilie) weit verbreitet, diese Form tritt jedoch auch in der Sektion Exigonium und in den Serien Eriospermum, Jalape und Mirandinae sowie in den nicht eingeordneten Arten Ipomoea cavalcantei und Ipomoea alexandrae auf.

Die einzigen zwei Nachweise über Bestäubung durch Fledermäuse (Chiropterophilie) innerhalb der Familie der Windengewächse stammen aus der Gattung der Prunkwinden. Die mexikanische Art Ipomoea murucoides dient während der trockenen Jahreszeit als Hauptnahrungsquelle für Fledermäusen und auch Ipomoea arborescens wird von verschiedenen Fledermäusen besucht. Beide Arten werden jedoch wie die restlichen Vertreter der Serie Arborescentes auch von Bienen und Käfern (Cantharophilie) besucht.

Die Bestäubung durch Schmetterlinge (Lepidopterophilie) ist aus den Sektionen Exogonium und Leptocallis bekannt. Einige dieser Arten, wie beispielsweise Ipomoea elongata oder Ipomoea suffulta, besitzen eine für die Gattung sehr ungewöhnliche Blütenform, die eventuell auch auf eine Bestäubung durch Bombyllidae hinweisen.[6]

Nutzung

Knollen der Süßkartoffel (Ipomoea batatas)

Die ökonomisch bedeutendste Art ist die Süßkartoffel, auch Batate genannt, (Ipomoea batatas). Besonders in asiatischen Ländern wird der Wasserspinat (Ipomoea aquatica) als Gemüse genutzt. Zahlreiche Prunkwinden-Arten und ihre Sorten werden weltweit als Zierpflanzen kultiviert, in Mitteleuropa besonders die Purpur-Prunkwinde (Ipomoea purpurea) und Himmelblaue Prunkwinde (Ipomoea tricolor).

Samen der Prunkwinden-Art Ipomoea tricolor waren und sind den indigenen mexikanischen Stämmen aufgrund ihrer medizinischen (psychoaktiven) Eigenschaften (vergleiche den Begriff entheogen) unter dem Namen „Tlitliltzin“ (in Nahuatl) bekannt. Sie enthalten den Wirkstoff LSA, der auch LA-111 genannt wird. Durch das Einweichen der Samen in Wasser und den Konsum der entstehenden Emulsion können extrem „gefährliche“ Rauschzustände erzielt werden. [11] In den Samen sind Wirkstoffe mit psychomimetischen und halluzinogenen Wirkstoffen enthalten. Für Menschen hat die Wirkstoffmenge von 200 bis 300 Samen die gleiche Wirkung wie 300 µg LSD.[12]

Quellen

Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:

Einzelnachweise

  1. a b Eckart Eich: Solanaceae and Convolvulaceae: Secondary Metabolites Biosynthesis, Chemotaxonomy, Biological and Economic Significance (A Handbook). Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 2008. ISBN 978-3-540-74540-2. doi:10.1007/978-3-540-74541-9
  2. Richard E. Miller, Mark D. Rausher und Paul S. Manos: Phylogenetic Systematics of Ipomoea (Convolvulaceae) based on ITS and Waxy Sequences. In: Systematic Botany, Band 24, Heft 2, 1999. Seiten 209–227.
  3. Paul S. Manos, Richard E. Miller und Paul Willson: Phylogenetic Analysis of Ipomoea, Argyreia, Stictocardia, and Turbina Suggests a Generalized Model of Morphological Evolution in Morning Glories. In: Systematic Botany, Band 26, Heft 3, 2001. Seiten 585–602.
  4. Daniel F. Austin: An Infrageneric Classification for Ipomoea (Convolvulaceae). In: Taxon, Band 28, Nummer 4, August 1979. Seiten 359–361
  5. Daniel F. Austin und Zosimo Huaman: A Synopsis of Ipomoea (Convolvulaceae) in the Americas. In: Taxon, Band 45, Nummer 1, Februar 1996. Seiten 3–38: Online.
  6. a b Daniel F. Austin: Dissolution of Ipomoea Series Anisomerae (Convolvulaceae). In: Journal of the Torrey Botanical Society, Band 124, Nummer 2, 1997. Seiten 140-159.
  7. Daniel F. Austin und Rosangela Simão Bianchini: Additions and Corrections in American Ipomoea (Convolvulaceae). In: Taxon, Band 47, Nummer 4, November 1998. Seiten 833–838.
  8. a b c Daniel F. Austin und J. Andrew McDonald: Ipomoea electrina (Convolvulaceae): A New Name for Exogonium luteum House. In: Taxon, Band 12, 2002. S. 27–30.
  9. Henri Alain Liogier: Descriptive Flora of Puerto Rico and Adjancent Islands, Spermatophyta, Band IV: Melastomataceae to Lentibulariaceae. Universidad de Puerto Rico, 1995, ISBN 0-8477-2337-2.
  10. Maria Leonor Gonçalves: Convolvulaceae, in Flora Zambesiaca, Volume 8, Part:1, 1987. Online.
  11. Steckbrief Prunkwinde
  12. Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie, Universität Zürich - Datenbankabfrage Stichwort "Ipomoea" 25. April 2008

Literatur

Weblinks


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