- Priestertum
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Der Priester (lat.: Sacerdos) existiert in einem Großteil der religiösen Gemeinschaften als eine aus der Allgemeinheit herausgehobene Amtsperson, die sich vorgeblich durch eine besondere religiöse oder göttliche Kraft auszeichnet und in seiner Eigenschaft als Kultvorsteher eine Mittlerrolle zwischen der Gottheit und den Menschen einnimmt. Das deutsche Wort Priester stammt vom griechischen πρεσβύτερος, presbyteros - „Ältester“. Davon abgeleitet sind auch die entsprechenden Wörter vieler europäischer Sprachen. Religionsphänomenologisch und soziologisch steht der Priesterbegriff jedoch im Bedeutungsfeld von griech. ἱερος, hieros — „heilig, geweiht“ und lat. sacerdos — „Priester“.
Inhaltsverzeichnis
Religionswissenschaftliche Definition
In fast allen Religionen gibt es Menschen, die durch besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Vollmachten die Verbindung zwischen dem transzendenten, göttlichen Bereich und der Alltagswelt der Menschen vermitteln und dadurch ordnen, heilend wirken oder Erkenntnisse gewinnen. Aus schamanischen Ursprüngen hat sich in den Hochkulturen in der Regel im Umfeld der Tempel ein Priesterstand mit genau geregelten Rechten und Pflichten entwickelt.
Bei der Einordnung in das Typen-Modell religiöser Autorität ergeben sich für den Typus des Priesters gewisse Überschneidungen zu anderen Typen, die, neben der allgemeinen Unschärfe des Modells, vor allem auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass es Schwierigkeiten macht, den Begriff des Priesters aus den Mittelmeerreligionen auf vollkommen anders strukturierte Religionen beispielsweise aus Fernost oder Nordamerika zu übertragen.
In Gesellschaften, in denen es noch nicht zur Ausbildung eines Priesterstandes gekommen ist, aber auch in solchen, in denen dieser Schritt bereits vollzogen ist, gibt es gewisse Vorstufen zum Priestertum. So ist in der Regel der Hausvater oder das Oberhaupt der Sippe mit der Wahrnehmung sakraler Funktionen betraut. In archaischen Kulturen ist die Ausübung der priesterlichen Aufgaben ursprünglich dem König vorbehalten, der sie aber mit der zunehmenden Weiterentwicklung und Differenzierung des religiösen Kultes an ihm untergeordnete Priester vergibt. Ein in solcher Weise ausgeprägtes Priestertum ist zuerst in Neolithikum und Bronzezeit im östlichen Mittelmeer zu beobachten.
Der Typ des Priesters ist in schriftlosen Kulturen zumeist von denen des Medizinmanns und Schamanen nicht klar zu trennen. Jedoch ist festzuhalten, dass der Medizinmann charakteristischerweise mit unpersonalen Mächten oder Kräften zu tun hat, die er beherrschen muss, und nicht über den Kultdienst in einer personalen Beziehung zu einer Gottheit steht. Vom Schamanentyp unterscheidet den Priestertyp klar, dass ersterer nur im Zustand der Trance beziehungsweise der Ekstase mit der Gottheit in Verbindung treten kann.
Der Mönch schließlich hat ursprünglich zwar nicht die kultische Mittlerfunktion des Priesters, doch kann er, wie beispielshalber im Buddhismus, priesterliche Funktionen übernehmen und so aus seiner ursprünglichen Lebensweise in ein Priestertum hineinwachsen. Oftmals hat sich also das Priestertum erst aus dem Mönchtum entwickelt. Typologisch charakteristisch ist jedoch, dass der Mönch die göttliche Kraft oder Gnade aus seiner Lebensführung und nicht wie der Priester seines Amtes wegen erhält.
Die Aufgaben, die dem Priester zugeordnet sind, differieren je nach Religion. Grundsätzlich nimmt der Priester jedoch stets eine Mittlerfunktion zwischen dem Göttlichen und den Menschen ein. Dabei ist er wechselseitig mit Stellvertretung der Gottheit gegenüber den Menschen und der Menschen gegenüber der Gottheit betraut: Er tut den göttlichen Willen kund, bewahrt das heilige Wissen und vermittelt die göttlichen Gnadenerweise. Als Stellvertreter der Menschen handelt er in Opferungen und bei den Gebeten an die Gottheit.
Als Kultdiener vollzieht er die kultischen Handlungen zumeist in einem engen räumlichen Zusammenhang mit einem Tempel, Altar oder Naturheiligtum. Er opfert der Gottheit und leitet die Riten, verliest die heiligen Schriften und bewahrt den Kultort vor dem Eindringen religionsgesetzlich Unbefugter. Zusätzlich zu diesen beiden Bereichen treten diverse andere Aufgaben hinzu, die jedoch nicht genuin priesterlich sind. Dazu zählen psychische und medizinische Betreuung der Gläubigen, das Verkünden von Prophezeiungen oder Beschwörungen der Gottheit oder anderer Geistwesen. Darüber hinaus sind in vielen Religionen die Priester gleichzeitig Lehrer und Missionare und übernehmen administrative Aufgaben oder die Rechtsprechung.
Die Initiation der Priester erfolgt entweder über eine leibliche oder eine geistige Abfolge (Sukzession). In beiden Fällen ist wichtig, dass die Auswahl dabei nicht durch menschlichen Willen, sondern durch göttliche Kraft fällt. Bei der leiblichen Sukzession wird das Priesteramt innerhalb einer Familie vom Vater an den Sohn vererbt und weitergegeben. Der Vater weiht den Sohn in das priesterliche Wissen und eine eventuelle Geheimlehre ein. Die geistige Sukzession unterscheidet sich nur dahingehend, dass der Priester nicht durch Geburt, sondern durch eine besondere Weihe in das Priestertum aufgenommen wird und daher nicht in einer leiblichen, sondern über seinen „Weihevater“ in einer geistigen Ahnenreihe steht. Dabei werden die potentiellen Bewerber gezielt ausgewählt und im Hinblick auf ihre spätere Aufgabe erzogen, eventuell sogar in einer eigens dafür geschaffenen Institution. Die Ausbildung erstreckt sich dabei in erster Linie auf das Wissen um die korrekte Verrichtung des Kultes. Das Erlernen einer vielfach vorhandenen alten Kultsprache, des richtigen Ablaufs der verschiedenen Riten und der oft umfangreichen Gebetstexte steht im Vordergrund. Daneben ist die Priesterschaft einer Kultur aber oft auch ein Kulturträger ersten Ranges und wird in vielen anderen Bereichen zusätzlich ausgebildet. Dazu zählen bevorzugt Astronomie (Priesterastronom), Mathematik, Zeitrechnung, Medizin, Schrift und Geschichtsschreibung.
Der Standort des Priestertums innerhalb der Gesamtgesellschaft ist durch eine Reihe von Sonderstellungen gekennzeichnet. Auf der einen Seite können dazu Tabuvorschriften wie bestimmte Speisevorschriften, Reinheitsgebote, sexuelle Enthaltsamkeit und allgemein das Einhalten eines strengen Lebenswandels gehören. Die Vorschriften können auf einen bestimmten Zeitraum vor und während der Kulthandlung beschränkt oder aber auch dauerhaft sein. Andererseits genießen die Priester meist gewisse Vorrechte, haben oftmals auch einen rechtlichen Sonderstatus, der sich z. B. in der Steuerfreiheit, Nichtteilnahme an direkten Kriegshandlungen, oder der Immunität des Klerus äußert, und heben sich durch ein hervorstechendes Äußeres (Amtstracht, Tonsur o. Ä.) von den Laien ab.
Aus diesen Sonderregelungen für die Priesterschaft entwickelte sich das Priestertum in einer Gesellschaft oft zur abgeschlossenen Kaste fort, das sich streng hierarchisch geordnet nach unten abschloss: Dabei bilden sich vielfach innerhalb des Priestertums Rangklassen mit abgestuften Befugnissen oder Kenntnissen und an die Spitze des gesamten Priestertums stellte sich ein allgemeiner Oberpriester mit umfassender Leitungsgewalt. Prominenteste Beispiele hierfür sind der Papst in der römisch-katholischen Kirche oder der chinesische Kaiser.
Judentum
Siehe Hauptartikel: Kohen.
Der Titel des Kohen ([kohˈn], (hebräisch כהן, deutsch Priester) ist ein Status des Judentums. Die Kohanim ([kohaˈnɪm] (hebräisch כהנים, Plural von Kohen) sind eine Untergruppe der Leviten, des priesterlichen unter den Zwölf Stämmen Israels. Sie gelten als direkte Nachfahren des Aaron, eines Bruders des Mose. Die Kohanim übten im Tempel den priesterlichen Dienst am Altar aus. Der Kohen Gadol (wörtlich „Großer Priester“) war als Hoherpriester die höchste religiöse Autorität des Judentums.
Die Kohanim sind keine Mittler zwischen jüdischen Menschen und Gott oder der Menschheit und Gott. Ihr Status geht allein auf die Gebote Gottes zurück. Damit ist heute wie schon in „biblischer“ Zeit der Unterschied gegenüber anderen Religionen bestimmt, die Vermittler zwischen Gott (bzw. Göttern) und den Menschen vorsehen. Jeder Jude ist Gott direkt verantwortlich. Der Tempelkult hatte keine vermittelnde Funktion. Das Volk Israel – ein Königreich von Priestern[1] – hat die Aufgabe, den am Sinai geschnittenen[2] Bund oder „Vertrag“ einzuhalten. Davon hängt das Wohl jedes Juden bzw. Israeliten, des Volkes Israel, ja sogar das der Menschheit und der Erde ab.
Christentum
Siehe Hauptartikel Priester (Christentum).
Der Priester im Christentum ist eine aus der Allgemeinheit der Laien herausgehobene Amtsperson, dauerhaft bestellt durch den Empfang der Priesterweihe.
Ausgehend von der jüdischen Jerusalemer Urgemeinde Jesu Christi, einer Sekte des Judentums ihrer Zeit, hatte das Judenchristentum noch keine besonderen Mittler zwischen Mensch und Gott. Nach dem Neuen Testament gilt für das daraus entstandene hellenistische Heidenchristentum (ab 49 n. Chr.) und die frühe christliche Kirche: „Es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und Mensch: der Mensch Jesus Christus!“ (1. Timotheus 2,5); Jesus Christus war zugleich Hoherpriester[3]. In der Kirche entwickelte sich dann in den ersten Jahrhunderten die Vorstellung des mythischen Weltheilands Jesus, der nun zudem als Gott verehrt und angebetet wird. Durch das Anwachsen der Heidenmission und der heidenchristlichen Gemeinden entstand die neue christliche Liturgie und gewannen die religiösen, kirchlichen Ämter an Gewicht. Im zweiten Jahrhundert bildete sich die bis heute verbreitete dreigliedrige hierarchische Struktur heraus: Bischof, Ältester (presbyteros) und Diakon.
Das genaue heutige Verständnis der dem christlichen Priester innewohnenden Kräfte bzw. religiösen Mittlerrolle zwischen Menschen und Gott ist durch Unterschiede in den christlichen Bekenntnissen ausgezeichnet.
Literatur
- Paul Volz: Die biblischen Altertümer. Komet Verlag, Köln 1914, ISBN 3-89836-316-3.
Weblinks
Quellen
- ↑ „(…) Und du sollst ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. Das sind die Worte die du den Kindern Israel sagen sollst. Und Moses kam und berief die Ältesten des Volkes und legte ihnen all die Worte vor, welche der Herr ihm geboten hatte, und alles Volk antwortete einmütig und sprach: wir werden alles tun, was der Herr sagt. Und Moses überbrachte dem Herrn die Worte des Volkes(…)“ (Exodus 19, 5).
- ↑ Wörtlich heißt es in der hebräischen Sprache, dass Gott einen Bund mit Israel 'schnitt'. Heute erinnert der Brauch ein Band, z. B. bei Einweihung eines öffentlichen Gebäudes, feierlich zu durchschneiden an den alten mesopotamischen Brauch des Bundesschnittes.
- ↑ Zum Beispiel Hebräer 4,14-5,6
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