Principium rationis

Principium rationis

Der Satz vom zureichenden Grund (lat. principium rationis sufficientis) ist in der traditionellen [1] Logik und Philosophie in unterschiedlicher Form und Funktion der allgemeine Grundsatz: Jedes Sein oder Erkennen könne und/oder solle in angemessener Weise auf ein anderes zurückgeführt werden. In ausdrücklicher Form wurde der Grundsatz von Aristoteles aufgestellt.[2]

Der Satz ist neben dem Satz vom Widerspruch nach Leibniz eines der beiden Prinzipien, auf die sich menschliche Vernunftschlüsse stützen. Es führt dazu, dass wir erwägen, dass „[...] keine Tatsache [fait] als wahr oder existierend gelten kann und keine Aussage [enonciation] als richtig, ohne dass es einen zureichenden Grund [raison suffisante] dafür gibt, dass es so und nicht anders ist, obwohl uns diese Gründe meistens nicht bekannt sein mögen[3].

In Auseinandersetzung mit Christian August Crusius hat Immanuel Kant die Bezeichnung Satz des bestimmenden Grundes vorgezogen.[4]

Inhaltsverzeichnis

Leibniz

Spätestens seit Platon und Aristoteles wurden Kategorien der Logik in der Philosophie zu Bestimmungen einer Ontologie erhoben.[5] So hat Gottfried Wilhelm Leibniz den Satz vom zureichenden Grund (frz. Raison Suffisante in der Monadologie, auch raison déterminante (bestimmender Grund) in der Theodizee) zu einem tragenden Prinzip seiner Philosophie erhoben.

"Im Sinne des zureichenden Grundes finden wir, dass keine Tatsache [fait] als wahr oder existierend gelten kann und keine Aussage [Enonciation] als richtig, ohne dass es einen zureichenden Grund [raison suffisante] dafür gibt, dass es so und nicht anders ist, obwohl uns diese Gründe meistens nicht bekannt sein mögen[6].

In seiner Theodizee charakterisierte Leibniz das Prinzip (unter anderem Namen) sogar als eine Gesetzmäßigkeit mit Gültigkeit vor aller Erfahrung, demnach „[...] nichts geschieht, ohne dass es eine Ursache [cause] oder wenigstens einen bestimmenden Grund [raison déterminante] gibt, d. h. etwas, das dazu dienen kann, a priori zu begründen, weshalb etwas eher existiert als nicht existiert und weshalb etwas gerade so als in einer anderen Weise existiert.“[7]

Verkürzt gesagt: Nichts geschieht ohne Grund (lat. nihil fit sine causa, so von Cicero bis ins 17. Jh.).

Schopenhauer

Arthur Schopenhauer traf folgende grundsätzliche Unterscheidungen:[8]

  1. Satz vom zureichenden Grund des Seins = Seinsgrund;
  2. Satz vom zureichenden Grund des Werdens = Ursache;
  3. Satz vom zureichenden Grund der Erkenntnis = Erkenntnisgrund;
  4. Satz vom zureichenden Grund des Handelns = Motiv.

Nur noch (3) hat nach heutiger Auffassung von Logik etwas mit Erkenntnislogik bzw. der Frage nach der Wahrheit von Aussagen zu tun.

Man kann immerhin diesen Satz als Grundregel einer Methodologie in der Art einer Rechtfertigungsstrategie auffassen.[9]

Quellen

  1. Die Inhalte, die das klassische, wirkungsgeschichtlich bedeutsame Konstrukt "traditionelle Logik" im wesentlichen ausmachen, werden illustrativ vorgestellt etwa durch Gottlob Benjamin Jäsche: Immanuel Kants Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen. Königsberg 1800 (Kant, Werke Bd. VI, stw 189). Seit der Analytik des Aristoteles habe die Logik nicht entscheidend an Inhalt gewonnen; weiter werden vermerkt: Johann Heinrich Lamberts Organon, Leibniz, Wolff, Malebranche, John Locke, Alexander Gottlieb Baumgarten, Meier und Crusius (S. 442f). "Die formalen Kriterien der Wahrheit in der Logik sind 1) der Satz des Widerspruchs, 2) der Satz des zureichenden Grundes. Durch den erstern ist die logische Möglichkeit, durch den letztern die logische Wirklichkeit eines Erkenntnis bestimmt." (S. 478) Kant selbst benutzte als Leitfaden zur Vorlesung George Friedrich Meier: Auszug aus der Vernunftlehre, Halle: Gebauer 1752. Die tatsächliche Entwicklung der Logikgeschichte wird heute natürlich ganz anders beurteilt.
  2. Hans Albert: Kritische Vernunft und menschliche Praxis, Reclam Stuttgart 1977, S. 35
  3. G.W. Leibniz: Monadologie, § 32; zitiert nach der deutsch-französischen Reclam-Ausgabe von 1998, S. 27
  4. "Denn das Wort 'zureichend' ist, wie derselbe vollauf deutlich macht, zweideutig, weil nicht sofort ersichtlich ist, wie weit er zureicht; bestimmen aber heißt, so zu setzen, daß jedes Gegenteil ausgeschlossen ist, und bedeutet daher das, was mit Gewißheißt ausreicht, eine Sache so und nicht anders zu begreifen." (I. Kant: Neue Erhellung der ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis, in: Werke, Bd. I, Frankfurt/M. 1. Aufl. 1977 (swt 186), S. 427
  5. Indem die rationalistische Metaphysik annimmt, dass Denk- und Seinsordnung einen gemeinsamen Grund hätten, stimmten für sie Denk- und Seinsformen überein. (Wolfgang Röd: Die Philosophie der Neuzeit 3. Teil 1: Kritische Philosophie von Kant bis Schopenhauer. München 2006, S. 10 f.) Während sie wie z.B. Spinoza das Verhältnis von Ursache und Wirkung auf die Grund-Folge-Beziehung zurückführten, unterschied Kant bereits Mitte der 50er Jahre zwischen Seinsgrund und Erkenntnisgrund. (S. 25)
  6. G.W. Leibniz: Monadologie, § 32; zitiert nach der deutsch-französischen Reclam-Ausgabe von 1998, S. 27
  7. G.W. Leibniz: Theodizee, §44; zitiert nach der deutsch-französischen Suhrkamp-Ausgabe von 1999, S.273
  8. Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, Diss. 1813
  9. Helmut Spinner: Die traditionelle Lösung des Erkenntnisproblems im Rahmen des Rechtfertigungsmodells: epistemologischer Fundamentalismus und theoretischer Monismus, in: Pluralismus als Erkenntnismodell. Frankfurt/M. 1974, S. 24 ff.

Literatur

  • H.-J. Engfer: Art. Principium rationis sufficientis, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7, 1325-1336

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