- Prinz von Homburg (Drama)
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Prinz von Homburg ist ein 1809/1810 von Heinrich von Kleist verfasstes Drama, das erst nach dem Tod des Autors 1821 in Wien uraufgeführt werden konnte. Eine Aufführung zu Lebzeiten scheiterte, da Prinzessin Marianne von Preußen, eine geborene Hessen-Homburg (der Kleist das Werk mit Widmung überreichte), dadurch die Familienehre gekränkt sah.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Der Prinz von Homburg, ein junger Offizier des Großen Kurfürsten, ist nach einem langen Feldzug erschöpft. Er schlafwandelt und bindet sich dabei einen Lorbeerkranz. Mehrere Adelige bemerken dies, worauf der Große Kurfürst mit dem Prinzen ein Spiel treibt, das damit endet, dass der Prinz der Nichte des Kurfürsten seine Liebe erklärt. Er kann einen ihrer Handschuhe ergreifen, was für ihn fatale Folgen haben soll. Nach Erwachen aus seinem Traum wundert sich der Prinz über den Handschuh in seiner Hand. Als bei der Besprechung des nächsten Kriegsgefechts im Kriegsrat die Aufgaben verteilt und Anweisungen gegeben werden, verwirrt ihn der Auftritt der Prinzessin Natalie, die sich als Eigentümerin des geheimnisvollen Handschuhs entpuppt. Der Prinz ist dermaßen abgelenkt, dass er die ihm zugeteilte Rolle für den Kampf nicht aufnimmt: Er erhält den Befehl, bei der kommenden Schlacht sei der Feind nicht ohne ausdrückliche Order anzugreifen. Entgegen der Anweisung greift der Prinz daher den Gegner in der Schlacht von Fehrbellin an – und erringt den Sieg.
Dem Kurfürsten jedoch geht die Disziplin über alles. Ungeachtet des Sieges lässt er den Prinzen wegen Befehlsverweigerung verhaften und ihm den Prozess machen; der Prinz wird zum Tode verurteilt. Zunächst ist ihm der Ernst der Situation nicht klar. Erst die Nachricht, der Kurfürst habe sein Todesurteil unterzeichnet, gibt ihm zu denken. Beim Anblick des für ihn bestimmten Grabes begreift er schließlich den Ernst der Lage. In der berühmten und umstrittenen „Todesfurchtszene“ fleht der Prinz, bereit zur Aufgabe all dessen, was ihm lieb ist, um das nackte Leben. Als der Kurfürst von der Reaktion des Prinzen erfährt, reagiert er wiederum „verwirrt“. Erstaunt ihn die Reaktion des Prinzen? Er habe die größte Achtung vor seinem Gefühl, heißt es. Anstatt ihn schlicht zu begnadigen, stellt er ihm jedoch eine Bedingung. Könne der Prinz das Urteil für ungerecht halten, so sei er begnadigt. Diese Frage bringt den Prinzen zur Läuterung. Er überwindet seine Todesfurcht und ist bereit, das Gesetz „durch einen freien Tod“ zu „verherrlichen“. Ob er die Strafe für tatsächlich angemessen hält, ist allerdings umstritten. Ebenfalls ungeklärt bleibt, ob der Kurfürst all dies nur als Erziehungsmaßnahme inszeniert hat.
Natalie hat inzwischen ohne legitimen Befehl das von Kottwitz geführte Regiment zurückbeordert, um Unterstützung für die Begnadigung Homburgs zu erhalten. Im Angesicht des allgemeinen Druckes, der auf ihn ausgeübt wird, hört der Kurfürst seine Offiziere an. Während Kottwitz der Meinung ist, auf dem Schlachtfeld zähle der errungene Sieg, somit sei dem Prinzen nichts vorzuwerfen, sieht Hohenzollern die Schuld sogar beim Kurfürsten, der den Prinzen durch seinen Scherz verwirrt habe und somit selbst für die Insubordination des Prinzen verantwortlich sei. Der Kurfürst befragt seine Offiziere schließlich, ob sie sich auch weiterhin der Führung des Prinzen anvertrauen wollen – was allgemein bejaht wird.
Der Prinz erfährt nichts von seiner Begnadigung, sondern wird mit verbundenen Augen ins Freie geführt – in der Meinung, seine Hinrichtung stehe bevor. Aber die Kugel kommt nicht, stattdessen setzt ihm die Nichte des Kurfürsten einen Lorbeerkranz auf. Auf seine Frage hin, ob dies ein Traum sei, antwortet Kottwitz: „Ein Traum, was sonst“. Der Prinz wird ohnmächtig.
Figuren
- Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg
- Die Kurfürstin
- Prinzessin Natalie von Oranien, seine Nichte
- Feldmarschall Dörfling, Chef eines Dragonerregiments
- Prinz Friedrich Arthur von Homburg, General der Reiterei
- Obrist Kottwitz, vom Regiment der Prinzessin von Oranien
- Hennings, Oberst der Infanterie
- Graf Truchß, Oberst der Infanterie
- Graf Hohenzollern, von der Suite des Kurfürsten
- Rittmeister von der Golz u.a.m.
Zeit und Ort
Bei Fehrbellin und in Berlin, 1675.
Historischer Hintergrund
In seinen „Mémoires pour servir à l'histoire de la maison de Brandenbourg“ beschreibt Friedrich der Große 1751, wie der Prinz von Hessen-Homburg in der Schlacht von Fehrbellin 1675 eigenmächtig und voreilig angegriffen - und dadurch die Schlacht gewonnen habe. Diese Legende steht allerdings im Widerspruch zu den historischen Berichten. Kleist nutzte sie dennoch als Quelle und entwickelte den Stoff frei weiter. Das Handeln des Prinzen „ohne ausdrücklichen Befehl“ wandelte er in ein Handeln „gegen“ den Befehl um.
Zur Entstehungszeit des Dramas gab es jedoch noch weitere Fälle der Insubordination, die Kleist als Anregung für sein letztes Drama gedient haben könnten:
Die Schwäche und Passivität des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. gegenüber Napoleon, der seine Macht immer weiter ausdehnte, machte seinerzeit vielen zu schaffen. Angesichts der Bedrohung der eigenen Existenz durch die Franzosen setzte eine Welle des Patriotismus ein, der sich auch Kleist nicht entziehen konnte. Der junge Prinz Louis Ferdinand von Preußen griff 1806 in der Schlacht bei Saalfeld eigenmächtig den Feind an. Sein Angriff blieb erfolglos und brachte eine Niederlage ein; Louis Ferdinand fiel in dieser Schlacht. Viele lobten jedoch seinen Mut und seinen persönlichen Einsatz für das Vaterland. 1809 kam es unter der Leitung des Majors Ferdinand von Schill zu eigenmächtigen militärischen Aktionen gegen die französischen Unterdrücker durch preußische Freikorps. Er fand viele Anhänger und Unterstützer bei denjenigen, die vom geringen Widerstand des Königs enttäuscht waren.
Rezeption
Dieses letzte Drama Kleists stieß, wie seine anderen Werke, nicht nur bei den Zeitgenossen auf Widerstand. Die Todesfurchtszene galt lange als unzeigbar und wurde zunächst stets herausgekürzt. Ebenfalls kritisiert wurde die Schlafwandelei des Prinzen und die Plaisanterie des Kurfürsten. All dies waren Stilmittel der Komödie, sie verstießen gegen die Verhaltensregeln der tragischen aristokratischen Figuren. Bis zum Ersten Weltkrieg wird es dann allerdings möglich, auch Aristokraten zu Komödienfiguren zu machen (zum Beispiel den Ochs in Hugo von Hofmannsthals Der Rosenkavalier).
Heinrich Heine lobte das Stück als „gleichsam vom Genius der Poesie selbst geschrieben“, für de la Motte Fouqué war es „das göttlichste Gedicht, das je aus Kleists Feder hervorgegangen“ sei. Friedrich Hebbel bemerkte jedoch, gerade durch die Darstellung der Angst vor dem Tode im Drama werde eine Läuterung des Protagonisten erreicht, die in anderen Werken nur durch den Tod selbst eintrete. Otto von Bismarck noch hielt den Prinzen für „ein schwaches Rohr − mit seiner Todesfurcht“.
Das Werk wurde zu Kleists Zeiten nicht mehr aufgeführt. In einer gekürzten Fassung wurde es 1821 unter dem Titel „Die Schlacht von Fehrbellin“ in Wien uraufgeführt. Auf Protest des Erzherzogs Karl wurde es jedoch bereits nach vier Aufführungen abgesetzt. 1828 wurde es erstmals, wiederum gekürzt, in Berlin aufgeführt. Nach der dritten Aufführung jedoch erließ der König ein Aufführungsverbot. Nach dem Missbrauch des Stückes im Dritten Reich gelangte es nur zögerlich zurück auf die deutschen Bühnen.
Musikalische Bearbeitungen
- Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg, Oper in drei Akten (Uraufführung Hamburg 1960)
Literatur
- Renate Just: Recht und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel ‚Prinz Friedrich von Homburg‘. Göttingen: Wallstein 1993.
- Sybil Wagener: Kleist für Eilige. Berlin: Aufbau Verlag 2003. ISBN 3-7466-1997-1
Weblinks
- Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin als Online-Text im Project Gutenberg
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