Prometheus (Gedicht)

Prometheus (Gedicht)
Atlas, der Adler Ethon und Prometheus (ca 530 v. Chr.)

Prometheus ist eines der bekanntesten Gedichte Johann Wolfgang von Goethes.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

„Prometheus“ wurde zwischen 1772 und 1774 verfasst (wie auch die anderen Hymnen Mahomets Gesang, Ganymed, An Schwager Kronos). Also entstand dieses Werk in der Epoche Goethes als Stürmer und Dränger. F.H. Jacobi druckte die Hymne erstmals in seiner Schrift „Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn“ unautorisiert und anonym ab. Goethe nahm sie erst 1789 in seine neu edierten Schriften auf und ließ sie zusammen mit der Ganymed-Ode erscheinen. Die Form der Hymne ist die lyrische Ausdrucksform, die dem Sturm und Drang am ehesten gerecht wird, denn in ihr treten mythische Figuren auf, die als Repräsentanten der Künstler des Sturm und Drangs betrachtet werden können und die somit das Dilemma von Kunst und Leben verkörpern. Ein Hauptanliegen des Sturm und Drangs ist das Überwinden von überkommenen Autoritäten, und damit kann „Prometheus“ als programmatisch für diese Epoche gesehen werden.

Inhalt

Heinrich Füger: „Prometheus bringt der Menschheit das Feuer“

Bei einer Hymne handelt es sich normalerweise um einen Lobgesang; dieses Prinzip wird aber hier ins Gegenteil verkehrt, denn Prometheus preist die Götter keineswegs, sondern erhebt eine Klage gegen sie, die von Vorwürfen, aber auch Spott geprägt ist.

Gleich vom ersten Vers an redet Prometheus Zeus mit einem freundschaftlichen, aber in Bezug auf Götter höchst verachtungsvoll, ja rebellisch klingenden „Du“ an:

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;

In der zweiten Strophe wirft er nicht nur Zeus, sondern allen Göttern, vor, sich „kümmerlich“ (Vers 15) von den Opfern der Gutgläubigen zu ernähren und bekennt ebenso beleidigend: „Ich kenne nichts Ärmer’s/ Unter der Sonn’ als euch Götter“ (Verse 13–14). Auch er habe sich, verirrt und gutgläubig, in der Hoffnung auf ein offenes Ohr und Hilfe, an die Götter gewandt – jedoch nicht die Götter hätten ihm geholfen, sondern sein eigenes „heilig glühend Herz“ (Vers 34). Damit stellt sich Prometheus nicht nur mindestens ebenbürtig neben die Götter (er ist gleichsam selbst ein Gott und verhalf Zeus zu seiner Macht), sondern Goethe nimmt auch Bezug auf den Genie-Begriff der „Sturm-und-Drang“-Epoche, die unter einem Genie einen Menschen verstand, der völlig im Einklang mit sich selbst, der Überwelt und der Natur steht und fast göttliche Fähigkeiten besitzt. (Vgl. z. B. Kants Definition in der Kritik der Urteilskraft.)

In den darauffolgenden Strophen 4 und 5 lässt Goethe den Prometheus viele rhetorische Fragen stellen, mit denen er die Vorwürfe nur noch steigert. Prometheus wirft nun den Göttern vor, weder geheilt noch gelindert zu haben, und verweigert ihnen seine Ehrfurcht. Nicht die Götter, sondern die Zeit und das Schicksal hätten ihn „zum Manne geschmiedet“ (Vers 43). Kraft seines Entschlusses, die Götter nicht zu achten, gewinnt er in der letzten Strophe gar die Macht, Menschen nach seinem Bilde zu formen. Diese Selbstüberhöhung (Hybris) wird mit den letzten Worten: „wie ich“ besiegelt und über das ganze Gedicht hinweg mit unterschiedlich langen Versen und Strophen unterstützt, die sich zu ‚überstürzen‘ scheinen.

Prometheus entthront die Götter. Er sieht in ihnen mitleidslose, schmarotzerische und neidische Gestalten, die auf erbärmliche Weise von Rauchopfern der Menschen abhängig sind.

Dieser Inhalt ist typisch für die Epoche des Sturm und Drang, in der der Begriff des Genies eine etwas andere Bedeutung hatte als heute: Der geniale, schöpferische Mensch sprengt – nach damaliger Auffassung – alle Fesseln und Beschränkungen und erstarkt an Schicksalsschlägen, was auch heißt, dass er ihnen nicht ausweicht.

Der Titan Prometheus steht damit für einen einsamen Schöpfer, dessen Rebellion gegen die ‚göttliche Ordnung‘ ihm die eigene Schöpfungstat erst möglich macht. Damit bezieht sich diese Goethesche Ode autoreferentiell auf ihre eigene Entstehung und spricht auch etwas über die neue Sturm-und-Drang-Poetik aus: losgelöst von konventionellen Religionsvorstellungen sowie auch von der inzwischen ritualisierten Empfindsamkeit (deren Gefühlsbetontheit Goethe hier jedoch übernimmt), ermöglicht die »prometheische« Schöpfungstat dem genialen Menschen einen vollen Ersatz der Religion.

Form

Das Gedicht ist reimlos in freien Rhythmen geschrieben, die sich bei Goethe insbesondere in seiner Lyrik der Sturm-und-Drang-Zeit finden. Die Form unterstreicht die Aussage des Gedichts. Die vielen Unregelmäßigkeiten in der Form spiegeln die für den Sturm und Drang typische Gefühlsbetontheit und Kühnheit des Helden wider. In der 1. Strophe wird mehrmals der Imperativ benutzt sowie eine Heraushebung der Possessivpronomen 'dein' und 'mein'. Strophen 4, 5 und 6 werden als Frage geschrieben. Jeder Vers beginnt mit einem Großbuchstaben.

Vergleich mit anderen Gedichten Goethes

Grenzen der Menschheit (ca. 1776–1781; genaue Datierung unbekannt): In diesem Gedicht überwiegen eher die Adjektive (im Gegensatz zu "Prometheus", wo eher Verben zum Tragen kommen). Daraus ergibt sich eine eher ruhigere Stimmung. Goethe klagt die Götter nicht mehr an wie in "Prometheus", sondern sagt, dass man sich mit den Göttern nicht messen kann. Der Mensch soll demütig sein und Respekt vor den Göttern haben. Dieses Gedicht steht somit zeitlich und inhaltlich gesehen an der Grenze zwischen dem Sturm und Drang und der (Weimarer) Klassik.

Das Göttliche (1783). Dieses Gedicht richtet sich direkt an den (edlen) Menschen und sagt, dass die Menschen sich ein Beispiel an den Göttern nehmen sollen. Außerdem spielt die Natur eine Rolle, die den Menschen nicht wertet ("Über Bös' und Gute, Und dem Verbrecher Glänzen, wie dem Besten, der Mond und die Sterne). Des Weiteren soll sich der Mensch von anderen Wesen, die wir kennen, unterscheiden, indem wir richten und entscheiden können. Dieses Gedicht ist ein Beispiel für die (Weimarer) Klassik ("Edel sei der Mensch" - Der edle Mensch - ein klassisches Ideal).

Weblinks

Quellen



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