Rahmengesetzgebung

Rahmengesetzgebung

Ein Rahmengesetz ist ein Gesetz, das den jeweiligen Rechtsbereich nicht vollständig regelt.

Inhaltsverzeichnis

Deutsches Recht

Nach deutschem Recht waren Rahmengesetze Bundesgesetze, die nur die wesentlichen Grundzüge regelten und die Detailregelungen − die Ausfüllung des Rahmens − der Gesetzgebung der einzelnen Länder überließen. Hintergrund ist die Aufteilung von Gesetzgebungsbefugnissen zwischen Bund und Ländern im deutschen Verfassungsrecht. Die Rahmengesetzgebung war bis zur Föderalismusreform in Art. 75 GG vorgesehen. Mit Inkrafttreten der Reform zum 1. September 2006 sind die Regelungsmaterien teils in die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung des Bundes überführt worden, teils den Ländern zugefallen.

Ehemalige Regelungsbereiche

Artikel 75 des Grundgesetzes enthielt die Liste von Themen, für die der Bund die Befugnis zur Rahmengesetzgebung hatte:

  1. das Recht des öffentlichen Dienstes (Beamtenrechtsrahmengesetz)
  2. die Grundsätze des Hochschulwesens (Hochschulrahmengesetz)
  3. das Pressewesen (von dieser Rahmenkompetenz hat der Bund keinen Gebrauch gemacht)
  4. Jagdwesen, Naturschutz und Landespflege (Bundesjagdgesetz, Bundesnaturschutzgesetz)
  5. Bodenverteilung, Raumordnung und Wasserhaushalt (Raumordnungsgesetz, Wasserhaushaltsgesetz)
  6. Melde- und Ausweiswesen (Melderechtsrahmengesetz, Passgesetz)
  7. Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung in das Ausland (Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung)

Art. 75 Abs. 1 GG gab dem Bund diese Kompetenz aber nur „unter den Voraussetzungen des Artikels 72“, verwies also auf die damals noch für die gesamte konkurrierende Gesetzgebung geltende Erforderlichkeitsklausel. Die Länder waren verpflichtet, innerhalb einer durch das Gesetz bestimmten angemessenen Frist die erforderlichen ausfüllenden Landesgesetze zu erlassen (Abs. 3).

Problematik

Zwischen Bund und Ländern gab es häufig Streit darüber, wie sehr ein Rahmengesetz ins Detail gehen dürfe. In diesen Streitigkeiten wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass den Ländern noch substanzielle eigene Regelungsmöglichkeiten belassen werden müssen, zu genau definierten einzelnen Punkten ein Rahmengesetz jedoch auch vollständige und abschließende Regelungen enthalten dürfe, bei denen den Ländern kein Raum zur eigenständigen Ausfüllung mehr bleibt, falls es wichtige Gründe für eine bundeseinheitliche Regelung (z. B. gleichwertige Lebensbedingungen) gibt.

Rahmenvorschriften durften „nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten“ (Abs. 2). Erst 1994 war die Verfassung insoweit zugunsten der Länder geändert worden, um ihnen gesetzgeberischen Spielraum zurückzugeben.

Die strenge Auslegung der Erforderlichkeitsklausel durch das Bundesverfassungsgericht hatte auch Rückwirkungen auf die Rahmengesetzgebung (vgl. das Urteil zur Juniorprofessur).

Übergangsrecht

Das Schicksal der bisher wirksam erlassenen Rahmengesetze ist in Art. 125a Abs. 1 und Art. 125b Abs. 1 GG geregelt. Danach gilt das bisherige Recht zunächst als Bundesrecht fort.

Zusätzlich wird danach unterschieden, ob es sich um Recht handelt, das der Bund auch nach dem 1. September 2006, also nach Inkrafttreten der Föderalismusreform, wirksam erlassen könnte.

Neuerlass nicht mehr möglich

Ist das nicht der Fall, so können die Länder das Bundesrecht durch eigene Gesetze ersetzen, Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG. Dadurch kommt es − zumindest in einer Übergangszeit − zu einem Nebeneinander von partiellem Bundes- und Landesrecht. Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollen aber kleinere Änderungen sowie die komplette Aufhebung durch den Bundesgesetzgeber möglich bleiben.

Neuerlass auf anderer Kompetenzgrundlage noch möglich

Immer noch erlassen könnte der Bund solche Gesetze aber dann, wenn es sich um Materien handelt, die jetzt in die ausschließliche Gesetzgebung oder die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes fallen. In diesem Fall gelten nicht nur die bisherigen Gesetze fort, sondern auch die aus der ehemaligen Rahmengesetzgebung entspringenden „Befugnisse und Verpflichtungen der Länder zur Gesetzgebung“ (Art. 125b Abs. 1 S. 2 GG).

Soweit der Bund das Recht nur noch mit Abweichungskompetenz der Länder erlassen könnte, dürfen diese auch vom alten Recht abweichen. In bestimmten Gebieten wird diese Abweichungskompetenz aber noch einige Zeit herausgezögert, um dem Bund zuvor die Gelegenheit zu geben, ein Rechtsgebiet noch umfassend zu regeln. Im einzelnen gilt daher: Länder dürfen das Bundesrecht ersetzen über

  • Naturschutz und Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes) ab dem 1. Januar 2010,
  • Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen) ebenfalls ab dem 1. Januar 2010,
  • Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse ab dem 1. August 2008,

sofern der Bund nicht früher neue Gesetze erlassen hat; in diesem Fall dürfen sie es mit Inkrafttreten dieser Gesetze ersetzen.

Literatur

  • Thomas P. Streppel: Die Rahmenkompetenz. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Rahmengesetzgebung des Bundes, Nomos Verlag, Baden-Baden 2005.

Schweiz

In der Schweiz ist der Begriff weniger klar definiert. Er wird auf Bundes- und Kantonsebene verwendet. Die Detailregelungen können durch die Regierung (in Form von Verordnungen) oder durch untergeordnete Verwaltungseinheiten (Kantone, Gemeinden) ausgestaltet werden.

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