- Rai-Reiten
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Rai-Reiten ist eine von dem Westernsänger, Entertainer und Reiter Fred Rai entwickelte Reitweise, die vornehmlich dem Freizeit- und Wanderreiten dient. Sie zeichnet sich durch den Verzicht auf Gebisse, Sporen und Gerte aus.
Inhaltsverzeichnis
Reitweise
Das Rai-Reiten ist ähnlich dem Westernreiten eine reine Impulsreitweise, in der nur zur Korrektur von Richtung, Stellung und Tempo auf das Pferd eingewirkt wird: "So wenig wie möglich, so viel wie nötig". Das Pferd darf "mitdenken", statt jeden Schritt vorgegeben zu bekommen und geht in ihm möglichst angenehmer und entspannter Selbsthaltung, ohne Einrollen oder Ausbinden des Kopfes zur Versammlung. Zur Verteilung des Reitergewichtes ohne Störung des natürlichen Gleichgewichtes des Pferdes, nimmt der Reiter im Westernsattel einen tiefen Sitz ein. Der Oberkörper befindet sich in allen Gangarten in ganz leichter Rücklage. Dadurch wird laut Fred Rai, das Gewicht vermehrt auf die Hinterhand verlagert. Die Beine des Reiters verbleiben in Verlängerung des Oberkörpers ohne Anspannung und ohne ständigen Kontakt mit dem Pferdeleib lang mit tiefem Absatz und werden zur Hilfengebung ca. 30 cm hinter den Sattelgurt geführt, da hier das Pferd, aufgrund des sich öffnenden Rippenbogens, empfänglicher für die treibende Hilfe ist. Die Schenkelhilfe wird nur solange ausgeführt, bis das Pferd wie gewünscht reagiert. Die Zügel der gebisslosen Rai-Zäumung werden nur selten und nur zur Korrektur eingesetzt, da ein Rai-ausgebildetes Pferd ausschließlich durch entsprechende Körperdrehung und Gewichtsverlagerung gelenkt, angehalten und in Bewegung gesetzt wird.
Bodenarbeit
Voraussetzung für das Rai-Reiten ist auf dem natürlichen Herdenverhalten basierende Bodenarbeit. Durch verschiedene Übungen soll der Reiter zum Leittier seines Pferdes werden. So übergibt das Pferd dem Reiter das Sicherheitsdenken, wie einem ranghohen Pferd und sucht bei Gefahr Schutz in dessen Nähe und vertraut seinen Entscheidungen. Dieses Dominanzverhältnis wird durch klare Regeln, Konsequenz und Zuverlässigkeit des Reiters bewahrt und verstärkt. Allgemein wird bei der Ausbildung und dem täglichen Umgang des Pferdes großes Gewicht auf positive Verstärkung durch Belohnung und Belohnungston gelegt. (Dies ähnelt dem sog. Clickertraining bei Hunden oder Delfinen, hat jedoch durch ein immer verfügbares stimmliches tiefes "Hoho" den Vorteil, nicht erst nach einem Gerät greifen zu müssen.) Außer im Belohnungs- oder Beruhigungsfall darf kein Futter/Leckerli aus der Hand gereicht werden, da dies gefährliche Dominanzgebahren des Tieres fördern würde. Auch das Gegenteil - ein scharfer Zischlaut zur Quittierung unerwünschten Verhaltens ist Bestandteil dieser Reitlehre. Wie in jeder anderen Reitweise ist auch ein den Anforderungen entsprechender Muskelaufbau nötig, der durch tägliches Training in verschiedenen Gangarten und unterschiedlichen Geländegegebenheiten erreicht wird. Ein Rai-Pferd wird neben üblichen ebenerdigen Bahnfiguren bei der Hallenarbeit vor allem im und fürs Gelände ausgebildet. Zur Bodenarbeit gehört auch ein Gelassenheitstraining, wordurch die Tiere zum verlässlichen Freizeitpartner werden.
Zäumung (Bändele)
Im Rai-Reiten wird mit einem von Fred Rai entwickelten Schnurhalfter geritten. Das sogenannte Bändele besteht aus einem reißfesten, griffigen, dünnen geflochtenem Nylon und ähnelt einem Bosal. Es soll locker und etwa eine Handbreit über den Nüstern des Pferdes liegen, um nicht auf die Atemwege zu drücken. Mit dieser Zäumung können feine Signale auf den Nasenrücken des Pferdes gegeben werden, auch ist es möglich sich im Ernstfall durchzusetzen ohne hierbei die Schmerzgrenze überschreiten zu können.
Kritik
Der nach hinten geneigte Sitz bringt den Reiter in eine instabile Position, die die Verwendung eines Sattels mit hohem Hinterzwiesel erfordert, an dem der Reiter sich anlehnen kann. Der Reiter wird dadurch verleitet einen Stuhlsitz einzunehmen, der eine feine Einwirkung auf das Pferd schwierig bis unmöglich macht.
Die Zäumung ist für die abgestuften Wirkungen, wie sie bei jeder höheren Form der Dressur – gleichgültig ob eher am Westernreiten oder am klassischen Reiten orientiert – erforderlich sind, nicht entwickelt worden. Das Rai-Reiten will all denen eine Heimat geben, die sich mit ihren Pferden dort bewegen wollen, wo Pferde herkommen, in der freiheitlichen Natur. So ist das Rai-Reiten der Reitstil für das Wanderreiten, eine Sportart, in der die gesamte Schöpfung vereint ist - Natur, Tier und Mensch. Die Harmonie zwischen Mensch und Tier steht hier im Vordergrund.
Literatur
- Fred Rai: Natürliches Reiten. Nessos, Augsburg 1986, ISBN 978-3934343016
- Fred Rai: Auch wir haben Gefühle. Nessos, Augsburg 2002, ISBN 978-3000025075
- Fred Rai: Werde zum Leittier deines Pferdes. Nessos, Augsburg 2008, ISBN 978-3934343092
- Fred Rai: Die Kunst, mit den Pferden zu sprechen. Sanftes Reiten ohne Peitsche und ohne Sporen. Cormoran, München 2002, ISBN 978-3517090443 (Dieses Buch ist auch unter dem Titel Ohne Peitsche, ohne Sporen erschienen)
Weblinks
Kategorie:- Reiten und Fahren
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