Sitz des Reiters

Sitz des Reiters
Aufrecht sitzender Reiter

Der Sitz des Reiters ist die Haltung des Reiterkörpers und dessen Bewegung mit dem Pferd. Der als korrekt angesehene Sitz des Reiters hängt vom jeweils gerittenen Reitsystem und der ausgeübten Tätigkeit ab. Er ist das Fundament jedes Reitens.

Inhaltsverzeichnis

Grundlage

Die Basis des Reitens stellt der stabile Sitz des Reiters dar. Stabil ist hierbei nicht zu verstehen als starr und fest, sondern als ruhiges und flexibles Mitgehen jeder Bewegung des Pferdes. Der Körperbereich, dem dabei die zentrale Bedeutung zukommt, ist der Bereich vom oberen Unterschenkel bis zur Hüfte. Das Bein sollte leicht und unverspannt am Pferd anliegen und der Reiter unverkrampft und mit seinem Rumpf als stabilem Zentrum „im“ Pferd sitzen.

Die Vorstellung des idealen Sitzes war durchaus zeitabhängig und ist auch heute noch je nach Reitweise verschieden. Auf antiken Darstellungen sitzen die Reiter, die damals den Steigbügel nicht kannten, durchwegs im Stuhlsitz mit angewinkelten Beinen, während z. B. Pluvinel den Spaltsitz mit gestrecktem Bein als Ideal beschreibt. Der moderne Begriff des Dreipunktsitzs (der eigentlich irreführend ist, da man nur auf den Sitzbeinhöckern sitzt, und der nur als Merkhilfe dafür gedacht ist, die Hüfte in die richtige Drehstellung, nämlich mit dem Schambein fast in Kontakt mit dem Sattel, zu bringen) wird erst in neueren Quellen beschrieben. Auch die Frage, ob der Unterschenkel in der Grundstellung das Pferd berühren soll oder nicht, wird je nach Reitweise noch heute verschieden beantwortet. Unbestritten war aber immer, dass der Reiter ausbalanciert sitzen muss, da nur so die Arme und Beine frei eingesetzt sowie Gewichtshilfen gegeben werden können.

Der Sitz kann in einen statischen (Anm: statisch nicht im sinne von unbeweglich, sondern statisch im Sinne eines vorgegebenen Musters) Sitz, der die Haltung des Körpers als solche beschreibt, und einen dynamischen Sitz, der zusätzlich die Bewegungen beschreibt, die der Körper ausüben soll, um die Bewegungen des Pferdes auszugleichen, unterteilt werden.

Dressursitz

In der klassischen Reitkunst soll der statische Sitz folgendermaßen sein: Der Rumpf wird möglichst aufrecht, d. h. mit senkrechter Wirbelsäule, gehalten, wobei der Bauch etwas vorgewölbt, die Schulterblätter leicht zurückgenommen (aber nicht nach hinten gezogen) sind und der Kopf etwas nach hinten gerückt ist, ohne nach unten oder oben zu kippen. Man sitzt mit den Sitzbeinhöckern auf dem Sattel, wobei die Hüfte korrekt gekippt ist, wenn das Druckgefühl auf den Höckern maximal ist. Ein zu stark vorgekipptes Becken (also Rückenmuskeln stärker benutzt) führt zum sogenannten Spaltsitz mit steil hängenden Beinen, ein zu weit nach hinten gekipptes Becken (Bauchmuskeln angespannt) zieht die Beine mit hoch und führt dadurch zum Stuhlsitz. Die Arme werden mit den Ellbogen leicht an den Hüftschaufel angelegt, wobei die Unterarme im Normalfall eine Verlängerung der Zügel bilden. Die zur Faust geschlossene Hand wird senkrecht getragen und ist weder bei Seitenansicht noch bei Aufsicht gegenüber der Verlängerung des Unterarms abgeknickt. Das Bein des Reiters liegt seitlich am Pferderumpf, wobei es zum Pferdeleib gedreht wird. Die Drehung erfolgt dabei bereits aus der Hüfte, so dass das gesamte Reiterbein flach am Pferd bzw. dem Sattel anliegt. Die Fußgelenke sollten dabei locker nach unten durchfedern. Der Winkel zwischen der Mittellinie der Füße und der Mittellinie des Pferderumpfs beträgt ca. 15° nach außen. Der Absatz wird tief gehalten. Dabei wird aber nicht etwa der Absatz nach unten gedrückt, dies würde zu einer verkrampften Haltung und zum Verlust des Gefühls für den Steigbügel führen, sondern das Bein hängt natürlich nach unten und die Zehenspitzen werden angehoben. Die Achillessehne soll in etwa in der Schwerpunktlinie des Reiters liegen. Bei Verwendung von Steigbügeln ruht der Fuß mit seinem Ballen auf dem Bügel, der Steigbügelriemen soll möglichst senkrecht herunterhängen.

Abweichungen von diesem Standardsitz: Die Arme können bei höherer Versammlung des Pferdes höher getragen werden, sofern die Gewichtshilfen des Reiters dies ausgleichen können. In der Hohen Schule können die Ellbogen etwas weiter nach hinten und die Hände mehr vor den Reiterbauch gestellt werden. Die Unterarme können weiter nach unten geführt werden, bis die Fäuste auf den Oberschenkeln aufliegen, sofern ein Pferd vorwärts-abwärts geführt werden soll. Schließlich kann in der hohen Schule der Steigbügel auch mit den Zehen erfasst werden und der gesamte Schenkel damit etwas weiter nach hinten kommen.

Merkpunkte zur Selbstkorrektur nach Egon von Neindorff:

  • KH: Kopf hoch
  • SZ: Schulterblätter zusammen
  • FS: Fäuste senkrecht
  • BV: Bauch vor
  • KZ: Knie zu
  • AT: Absatz tief

Der dynamische Sitz, also der Sitz bei Bewegungen des Pferdes, soll die vom Pferde ausgehenden Bewegungen in einer Weise kompensieren, dass der oben beschriebene statische Sitz möglichst weitgehend aufrechterhalten wird, und soll bedarfsweise gleichzeitig Einwirkungen, also Hilfen an das Pferden, durchführen. Zentrale Punkte beim dynamischen Sitz sind die Bewegungen der Hüfte, um das Auf- und Ab- sowie Seitwärtsschwingen des Pferdes auszugleichen, und die Bewegungen der Arme, um die Haltung der Hände so von Bewegungen des Reiterkörpers zu entkoppeln, dass sie sich an Bewegungen des Pferdemauls anpassen können und gleichzeitig in geeigneter Weise Zügelhilfen geben können.

Die Hüfte führt, je nach Bewegung des Pferdes, Kippbewegungen aus, wobei sie mit den Bauchmuskeln nach vorne gezogen wird, wenn das Pferd nach oben drückt, und beim Abschwingen des Pferdes wieder nach unten fallengelassen wird. Bei Wendungen und Seitengängen erfolgt zusätzlich eine verstärkte Gewichtsbelastung auf einen Sitzhöcker, was dadurch erreicht wird, dass die Hüfte nach schräg vorne zur Mittellinie des Pferdes gezogen wird.

Die Hand folgt aus dem Schultergelenk heraus den schlängelnden Links-Rechts-Bewegungen des Pferdes. Zusätzlich ist das Handgelenk so locker zu halten, dass kleine Bewegungen hier abgefangen werden können. Einwirkungen mit dem Zügel, als Paraden und Nachgeben, erfolgen durch die Hand selbst, nämlich durch Schließen der Faust („Schwammausdrücken“), leichtes Eindrehen der Faust, so dass sich der kleine Finger in Richtung Bauch bewegt, oder maximal durch Kippen aus dem Handgelenk heraus, so dass sich die gesamte Hand (parallel zum Boden) in Richtung Bauch bewegt. Merksatz: Jede Einwirkung, die die Hand nicht aus ihrer Normalposition erreichen kann, ist nicht Aufgabe der Hand.

Die anderen Elemente des Sitzes, wie Schenkellage und Position/Haltung der Wirbelsäule sind einfacher und ergeben sich beim Meistern der beiden obigen Punkte meist mehr oder weniger von selbst.

Während der statische Sitz relativ einfach eingenommen und erlernt werden kann (lediglich das Eindrehen der Beine aus der Hüfte ist am Anfang manchmal mühsam oder schmerzhaft), ist das Erlernen des dynamischen Sitzes eine jahrelange Aufgabe, bis der Reiter die Bewegungen des Pferdes nicht mehr stört und damit dessen freies Bewegungspotential zur Entfaltung bringen kann. Tatsächlich gibt es in Reiterkreisen den Spruch „Reiten können ist Sitzen können“.

Aussitzen

In den Arbeitsreitweisen werden die Steigbügel meist sehr lang eingestellt, um ein entspanntes Aussitzen über viele Stunden zu ermöglichen.

Beim Aussitzen sitzt der Reiter wie festgeklebt im Sattel und geht jede Pferdebewegung ohne Kraftaufwand mit. Der Reiter hat hierbei den oben erwähnten Dreipunktsitz und befindet sich immer exakt über dem Schwerpunkt des Pferdes. Dressurwettbewerbe höherer Klassen werden generell im Aussitzen geritten. Im Schritt ergibt sich durch den leicht hin- und herschwingenden Pferdekörper von selbst eine treibende Wirkung, die der Reiter bei Bedarf durch leichten Druck des Schenkels verstärken kann.

Sowohl in den Arbeitsreitweisen (Western, Doma Vaquera, Camargue etc.) als auch in den klassischen Schulreitweisen (Barock, Doma Clásica etc.) wird generell ausgesessen.

Leichttraben

Das Leichttraben oder englisch Traben wurde von den Engländern erfunden, um die Strapazen einer Jagd insbesondere für ungeübte Reiter leichter verkraftbar zu machen. Später hat es Eingang gefunden in die klassische Reitlehre, in der es ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts als mehr oder weniger akzeptiert angesehen werden kann. So ist das Leichttraben auch Bestandteil von Dressurprüfungen, Dressurreiterprüfungen (für Nachwuchsreiter) und Dressurpferdeprüfungen (für Nachwuchspferde) auf Pferdeleistungsschauen. Ein korrekt nach den Prinzipien der klassischen Reitkunst ausgebildetes Pferd kann zum Lösen auch ausgesessen werden.

Beim Leichttraben lässt der Reiter sich bei jedem zweiten Trabtritt aus dem Sattel heben, indem er den natürlichen Schwung durch verstärktes Austreten der Bügel unterstützt und so einen Takt in der Schwebe bleibt (es sieht so aus, als ob der Reiter aufsteht), bevor er wieder einsitzt.

Man spricht vom Leichttraben auf dem Linken Fuß, wenn der Reiter sich mit dem Abdruck des linken Hinterbeins aus dem Sattel hebt und einsitzt, wenn das linke Hinterbein auffußt. Umgekehrtes gilt für den Rechten Fuß. Beim Reiten in der Reitbahn (auch auf größeren Reitplätzen) wird ohne Ausnahme auf dem richtigen Fuß, also dem zur Richtung (Hand) passenden, getrabt.

Im Falle eines Handwechsels muss umgesessen werden. Jeder Handwechsel ist mit einem Fußwechsel verbunden. Der Reiter bleibt dazu einen zusätzlichen Tritt sitzen, bevor er den Sattel wieder entlastet. Auch beim Reiten außerhalb einer Reitbahn, z. B. im Gelände, sollte öfter der Fuß gewechselt werden, um eine einseitige Belastung des Pferdes zu verhindern.

Leichter Sitz

Beim Leichten Sitz geht der Reiter mit dem Gesäß etwas aus dem Sattel, um den Rücken des Pferdes zu entlasten und besser ausbalancieren zu können, und beugt sich leicht vor, um seinen Schwerpunkt mit dem des Pferdes koordinieren zu können. Der Leichte Sitz wird meist im Galopp im Gelände angewandt, kann aber auch auf sehr unebenen oder tiefen Strecken im Trab angewandt werden. Dabei ist es wichtig, das Gesäß über dem Sattel in Position zu halten und den Oberkörper etwa parallel zum Pferdehals mitschwingen zu lassen. Ist der Reiter unsicher im leichten Sitz, so versucht das Pferd durch vermehrtes Untertreten unter das Gewicht des Reiters die Balance zu halten, um seinerseits nicht umzufallen, dadurch kann es zu einem Anstieg des Tempos im Trab oder Galopp kommen. Für Anfänger ist er allerdings noch nicht geeignet, da sie schnell das Gleichgewicht verlieren können. Der Leichte Sitz ist eine gute Übung für den Springsitz.

Springsitz

Der moderne Springsitz resultiert aus der Springweise des italienischen Rittmeisters Federico Caprilli. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Caprilli im Gegensatz zum bis dahin üblichen, nach hinten geneigten Springsitz, den nach vorn geneigten Springsitz. Dieser neue Springstil gab dem Pferd mehr Freiheit in der Bewegung, war allerdings für den Reiter insbesondere bei der Landung und bei Verweigerungen riskanter; im alten Springstil wurde der Oberkörper zurück und die Beine nach vorne genommen, so dass der Reiter bei der Landung stabilen Stand hatte. Der Springsitz gleicht dem Leichten Sitz, allerdings sind die Steigbügel kürzer verschnallt und der Reiter beugt sich tiefer übers Pferd.

Rennsitz

Wie der Name bereits andeutet wird der Rennsitz bei Pferderennen angewandt. Bei ihm steht der Reiter sehr hoch über dem Sattel, um die Bewegung des Pferdes möglichst wenig zu behindern. Durch die sehr hoch verschnallten Steigbügel und die starke Beugung des Knies wirkt der Rennsitz wie ein knien im Sattel.


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