Raimund von Saint-Gilles

Raimund von Saint-Gilles
Raimund IV. von Toulouse
(Merry-Joseph Blondel, um 1840, Versailles, Salles de Croisades)

Raimund IV. von Toulouse, genannt Raimund von Saint-Gilles (* 1041/42 in Toulouse; † 28. Februar 1105 auf der Burg Mons Peregrinus bei Tripolis) war seit 1094 ein Graf von Toulouse und Markgraf von Provence, und seit 1102 ein Graf von Tripolis aus dem Geschlecht der Raimundiner. Er war einer der bedeutendsten Heerführer des Ersten Kreuzzuges.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Raimund war ein jüngerer Sohn des Grafen Pons von Toulouse und dessen zweiter Ehefrau Almodis von La Marche. Nach dem Tod des Vaters um 1061 erhielt er das Land um die Abtei von Saint-Gilles und den Titel eines Grafen zugewiesen, während sein älterer Bruder Wilhelm IV. die ausgedehnten Territorien der Familie erbte. 1065 starb seine Cousine Bertha, von der er das Rouergue und den Titel eines Herzogs von Narbonne erbte, der auf den alten Titel eines Markgrafen von Septimanien/Gothien zurückgeht und einen Oberherrschaftsanspruch über die gesamte Region des Languedoc beinhaltete. Um das Jahr 1081 erbte Raimund die Markgrafschaft Provence, nachdem dort sein Onkel, Markgraf Bertrand I., gestorben war. Raimund nahm an den Kämpfen der christlichen Könige Spaniens gegen die Mauren (Reconquista) teil.

Um das Jahr 1066 heiratete Raimund eine namentlich nicht bekannte Tochter des Grafen Gottfried I. von Provence, von der er sich um 1076 wieder trennte. Aus der Ehe ging der Sohn Bertrand hervor, dessen Legitimität aber umstritten war. Raimund vermählte sich um 1080 in zweiter Ehe mit Mathilde d'Hauteville, einer Tochter des Grafen Roger I. von Sizilien, von der er sich um 1088 wieder scheiden ließ. Diese Ehe war kinderlos geblieben. Seine dritte und letzte Frau war seit 1094 Elvira, eine illegitime Tochter des Königs Alfons VI. von Kastilien. Sie gebar während des Kreuzzuges im Libanon den Sohn Alfons, der im Jordan getauft wurde.

1094 starb Raimunds älterer Bruder, worauf er neben dem Toulousain auch das Quercy und Albigeois erbte. Raimund wurde 1095 in diesem Erbe auch vom Papst anerkannt, wobei allerdings eventuelle Erbrechte seiner Nichte Philippa ignoriert wurden. Diese heiratete 1094 Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien, wodurch ihre Ansprüche auf dessen Familie überging und so einen generationenlanger Erbstreit zwischen Aquitanien und Toulouse auslöste.

Erster Kreuzzug

Am 27. November 1095 rief Papst Urban II. auf der Synode von Clermont zum ersten Kreuzzug auf, vier Tage danach war Raimund IV. der erste bedeutende Fürst, der das Kreuz nahm. Im Frühjahr 1096 brach der Volkskreuzzug in Palästina auf. Er wurde bei Nicäa von den Seldschuken zum großen Teil vernichtet.

Im Oktober des gleichen Jahres machte sich Raimund, als ältester und reichster der Kreuzritter und in Begleitung seiner Frau auf den Weg nach Jerusalem. Er führte einen der Heereszüge des Kreuzzuges an, bestehend aus Südfranzosen, hauptsächlich Provenzalen und Burgundern. Sie marschierten durch Norditalien, an der dalmatinischen Küste entlang bis Dyrrhachion (Durrës), wo sie die alte römische Heeresstraße, die Via Egnatia nach Konstantinopel erreichten, und die auch Bohemund von Tarent benutzte. In Konstantinopel traf er mit den anderen Heereszügen zusammen, und war dann der einzige der Anführer des Kreuzzugs, der dem byzantinischen Kaiser Alexios I. den Lehnseid verweigerte und statt dessen eine modifizierte Eidesformel aushandelte, die ihn nicht als Lehnsmann ansah – aber als Verbündeten gegenüber ihrem gemeinsamen Feind Bohemund.

Er war bei Belagerung Nicäas und der Schlacht von Doryläum dabei, seine erste wichtige Rolle wurde ihm aber erst im Oktober 1097 bei der Belagerung Antiochias zuteil. Die Kreuzfahrer hörten gerüchteweise, dass Antiochia von den Seldschuken verwüstet worden sei, woraufhin Raimund seine Armee voraussandte, um die Stadt zu besetzen – wodurch er Bohemund in die Quere kam, der sie für sich selbst beanspruchte. Antiochia war jedoch intakt und konnte von den Christen erst nach einer Belagerung im Juni 1098 eingenommen werden. Raimund besetzte den Palatium Cassiani (den Palast des Emirs Yaghi-Siyan) und den Turm am Brückentor. Die zweite Belagerung Antiochias, jetzt durch Kerboga, erlebte er vom Krankenbett aus mit, ebenso die Auffindung der Heiligen Lanze durch Peter Bartholomäus und den darauf aufbauenden Sieg der Kreuzritter, mit dem sie Kerboga vertreiben konnte. Die Lanze wurde die wertvollste Reliquie bei Raimunds Gefolgsleuten, trotz Adhemar de Monteils, des Bischofs von Le Puy-en-Velay und Apostolischen Legaten, skeptischer Haltung dazu.

Raimund weigerte sich, seine Besitzungen innerhalb der Stadt an Bohemund abzutreten, indem er in daran erinnerte, dass er sie ja an Alexios I., seinem Eid gemäß, weitergeben müsse. Der folgende Streit zwischen Raimunds und Bohemunds Anhängern drehte sich zum Teil um die Echtheit der Lanze, vor allem aber den Besitz Antiochias.

Viele der einfacheren Ritter und Fußsoldaten warteten jedoch darauf, nach Jerusalem weiterzuziehen und überzeugten Raimund im Herbst 1098 davon, sie zu führen. Bohemund blieb zurück, eine kleine Abordnung von Raimunds Männern ebenfalls (die von Bohemund im Januar 1099 verjagt wurden), der große Rest folgte Raimund, der, da Adhemar mittlerweile gestorben war, nun im Besitz der Heiligen Lanze und der unangefochtene Anführer des Kreuzzugs war.

Ma'arrat al-Numan wurde im Dezember 1098 erobert, die Belagerung von Arqa im Emirat Tripolis begann am 14. Februar 1099 – beides offensichtlich mit der Absicht, ein unabhängiges Territorium zu erlangen, das die Macht Bohemunds nach Süden hin beschränken sollte. Die Belagerung Arqas vor den Toren Tripolis’ dauerte länger als gehofft; zwar gelang die Eroberung von Hisn al-Akrad, einer Burg, die später den Namen Krak des Chevaliers bekam, nicht aber die von Tripolis selbst, was den Weiterzug nach Jerusalem verzögerte und Raimund viel von der Unterstützung kostete, die er nach Antiochia erworben hatte, als er darauf bestand, diese Aufgabe zuerst abzuschließen.

Schließlich stimmte Raimund am 13. Mai einem Weiterzug nach Jerusalem zu, dessen Belagerung am 15. Juli mit der Erstürmung der Stadt endete. Raimund wurde die Krone Jerusalems angetragen, er lehnte jedoch mit der Begründung ab, nicht in der Stadt regieren zu wollte, in der Jesus gelitten habe - es ist aber auch möglich, dass er lieber die Belagerung von Tripolis weiterführen wollte. Ein weitere möglicher Grund für seine Ablehnung könnte gewesen sein, dass damals eben gepredigt würde, dass in der Stadt in der Christus die Dornenkrone getragen habe, niemand die Königskrone tragen dürfe. Durch die Ablehnung verschaffte er sich zunächst große Beliebtheit. Als Gottfried von Bouillon jedoch die Königskrone nur indirekt ablehnte und stattdessen für sich den bescheideneren Titel des advocatus sancti sepulchri vorschlug, war die Begeisterung so groß, dass Gottfried zum „König“ wurde und Raimund damit leer ausging. Allerdings lehnte er es auch ab, den Davidsturm herauszugeben, den er nach dem Fall der Stadt besetzt hatte, und es bedurfte einiger Anstrengungen seitens Gottfried von Bouillon, um ihn umzustimmen.

Raimund nahm an der Schlacht von Askalon kurz nach der Eroberung Jerusalems teil, in der eine ägyptische Armee geschlagen wurde. Der Streit zwischen ihm und Gottfried um den Besitz Askalons führte dazu, dass die Stadt bis 1153 nicht erobert wurde. Auch gelang es ihm nicht, Arsuf zu erobern, was ihm Vorwürfe seitens Gottfrieds eintrug.

Als Raimund im Winter 1099-1100 nach Norden zog, leistete er sich als erstes einen feindlichen Akt gegenüber Bohemund, als er Laodicea eroberte, das Bohemund kurz zuvor Alexios abgenommen hatte. Von Laodikea aus reiste er nach Konstantinopel, wo er sich mit Alexios gegen Bohemund verbündete, der zu der Zeit versuchte, seine Besitzungen auf Kosten Byzanz’ zu erweitern, und sich weigerte, seinem Eid gegenüber dem Byzantinischen Reich nachzukommen.

Kreuzzug von 1101

Raimund schloss sich dem kleineren und schließlich erfolglosen Kreuzzug von 1101 an, der in Herakleia in Anatolien geschlagen wurde. Raimund floh und kehrte nach Konstantinopel zurück, von dort aus 1102 über See nach Antiochia, wo er von Tankred gefangen genommen wurde, der das Fürstentum während Bohemunds eigener Gefangenschaft regierte. Er wurde erst freigelassen, als er versprach, keinen Versuch zu unternehmen, das Land zwischen Antiochia und Akko zu erobern – eine Zusage, die er sofort brach, indem er – mit Unterstützung durch Alexios, dem es wichtig war, in Tripolis einen Verbündeten zu haben, um das feindliche Antiochia auszubalancieren - Tortosa angriff und eroberte und dann damit begann auf dem Mons Peregrinus (Pilgersberg) vor den Toren von Tripolis eine Burg zu bauen, die ihm die Belagerung der Stadt erleichtern sollte.

Raimund starb 1105, ohne Tripolis erobert zu haben. Ihm folgte sein Blutsverwandter Wilhelm-Jordan, der Graf von Cerdagne als Vormund seines zweijährigen Erben Alfons-Jordan, dem 1109 mit Hilfe Balduins I., König von Jersualem, die Eroberung Tripolis’ und damit die Errichtung der Grafschaft Tripolis gelang.

Obwohl Raimund IV. von Toulouse der einzige Anführer beim Ersten Kreuzzug war, der beim Aufbruch einen erheblichen Besitz zurückließ, scheint sowohl von religiösen als auch materiellen Gründen getrieben worden zu sein. Einerseits akzeptierte er die Entdeckung der Heiligen Lanze und wies die Krone Jerusalems zurück, andererseits konnte er dem Erwerb neuer Länder nicht widerstehen.

Raimund von Aguilers, ein Schreiber in Raimunds Armee, schrieb einen Bericht über den Kreuzzug aus der Sicht des Grafen von Toulouse. Nach einer armenischen Quelle hatte er ein Auge bei einer Pilgerfahrt nach Jerusalem vor den Kreuzzügen verloren, aber diese Aussage versucht wohl nur die Tatsache zu erklären, dass er einäugig (monoculus) war.

Literatur

  • Jean-Luc Dejean: Les comtes de Toulouse. 1979, 1988, ISBN 2-213-02188-0

Weblinks



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