Rajōmon

Rajōmon

Rajōmon (jap. 羅城門, auch: Raseimon, dt. „Festungstor“) war das Tor, das sich am südlichen Ende der Hauptstraße Suzaku-ōji der alten, nach chinesischem Muster gebauten Hauptstädte Japans Heijō-kyō (Nara) und Heian-kyō (Kyōto) befand. Am nördlichen Ende als Portal zum kaiserlichen Palast befand sich das Suzakumon. Für die Hauptstadt Fujiwara-kyō (Kashiwara) ist das entsprechende Rajōmon im Gegensatz zum Suzakumon noch nicht entdeckt.

Inhaltsverzeichnis

Aussprache

Rajōmon und Raseimon sind On-Lesungen der Schriftzeichen: Rajōmon ist die ältere Go-on (Wu-Lesung) aus dem 5./6. Jahrhundert und Raseimon die spätere Kan-on (Han-Lesung).[1]

Der -Dramatiker Kanze Nobumitsu verwendete die Schreibweise 羅生門, in der das Zeichen für Burg durch das für Leben ersetzt ist, das ebenfalls sei, aber auch shō gesprochen wird, und führte damit die Lesung Rashōmon ein.[2]

Rajōmon von Heian-kyō

Modell des Rajōmon von Heian-kyō

Geschichte

Während der Heian-Zeit war ein großer Teil des damaligen Kyōto als Stadtfestung ausgebaut. Rajō bezeichnet den äußersten Befestigungsring, wobei „Rajōmon“ (34° 58′ 46″ N, 135° 44′ 33″ O34.979361135.742611) den Hauptzugang zum befestigten Stadtgebiet markierte. Das Tor wurde 789 erbaut und hatte für die damalige Zeit mit 32 m Breite, 9 m Tiefe und 21 m Höhe enorme Ausmaße. Vier Kilometer nördlich am anderen Ende der Hauptstraße befand sich das Suzakumon mit gleichem Aussehen und Abmessungen.[1] Das Tor stand auf einem stark befestigten Steinfundament, das Dach war mit einem Firstbalken versehen.

Da die Tiefe im Gegensatz zur Höhe und Breite zu knapp bemessen war, stürzte es am 11. September 816 (traditionell: Kōnin 7/8/16)[Anm. 1] durch Windeinwirkung ein, wurde danach aber wieder aufgebaut. Am 20. September 980 (traditionell: Tengen 3/7/9)[Anm. 1] stürzte es erneut ein, wurde dieses Mal aber nicht wieder aufgebaut. Das Tor verlor bereits wenige Jahrzehnte zuvor seine Bedeutung als Repräsentationsbau, als mit dem Untergang von Balhae und Silla auch deren Gesandtschaften ausblieben.[1]

Fujiwara no Michinaga benutzte im Jahre 1023 Steine des Tores zum Bau des buddhistischen Tempels Hōjō-ji.

In der japanischen Literatur

Rajōmon no Oni in Toriyama Sekiens Konjaku Hyakki Shūi

Das Tor steht in japanischer Literatur symbolisch für einen Ort, an dem sich zwielichtige Gestalten und Verbrecher verstecken oder aufhalten oder wo Leichen und ungewollte Babys abgelegt werden. Es ist zudem ein Symbol für moralischen Zerfall, eine wirtschaftlich ruinierte Zivilisation oder endzeitliche Stimmung, wie sie der japanischen Geschichtsschreibung zufolge am Ende der Heian-Zeit geherrscht hat. Die symbolische Bedeutung wurde in der Literatur immer wieder aufgegriffen. Einer anderen Legende zufolge soll das Tor von einem Oni namens Ibaraki Dōji (茨木童子) bewohnt gewesen sein, der die schönsten Mädchen entführt und in den Türmen des Tors schlechte Dinge mit ihnen tut. Der Held Minamoto no Yorimitsu (944-1021) soll das üble Treiben beendet und dem Kaiser den Kopf des Monsters gebracht haben.[3]

Weltweit bekannt wurde das Tor durch den Film Rashomon – Das Lustwäldchen von Akira Kurosawa aus dem Jahre 1950, welcher auf zwei kurzen Geschichten von Ryunosuke Akutagawa basiert und das Thema aufgreift. Der Film verbindet mit dem Begriff zudem eine weitere Vorstellung, die seit den 1950ern von der europäischen Literatur, Filmschaffenden und der westlichen Psychologie aufgegriffen wurde und mit der ursprünglich japanischen Symbolik nichts zu tun hat. Es handelt sich um das Phänomen, dass Augenzeugen ein und desselben Vorgangs höchst unterschiedliche, aber in sich stringente und schlüssige Berichte abgeben können, die alle wahr sein könnten, obwohl sie sich gegenseitig widersprechen. Aufgrund subjektiv unterschiedlicher Wahrnehmung entstehen verschiedene Berichte, zwischen denen sich später kaum noch „der Richtige“ herausfinden lässt. (psych. Rashomon-Effekt).

Rajōmon heute

Gedenkstein an der Stelle des zerstörten Rajōmon

Von dem Tor sind heute keinerlei Reste erhalten, sogar das Fundament ist bis auf den letzten Stein entfernt worden. Die Stadt ist seither mehrere Male umgebaut worden und auch die Straßen verlaufen anders. An der Stelle, wo das Tor früher stand, steht heute ein Gedenkstein. Eine hölzerne Tafel in japanischer und englischer Sprache erklärt die historische und literarische Bedeutung des Ortes, der heute an der Kujō-Straße, im Westen der Nationalstraße 1, nahe dem Tempel Tō-ji liegt. Auf dem Grundriss des Tores befindet sich heute ein Kinderspielplatz. Eine nahe Bushaltestelle trägt den Namen Rajōmon.

Die Rekonstruktion des Tores ist derzeit nicht geplant. Ihre Umsetzung gilt als überaus schwierig bis unmöglich, weil es keine authentischen Hinweise auf die Architektur des Tores gibt.

Rajōmon in Heijō-kyō

Das Rajōmon von Nara stand 4 km südlich vom Suzakumon. Die beiden Steinfundamente wurden zwischen 1969 und 1972 gefunden. Basierend auf diesen Steinfundamenten war das Tor 41,5 m breit.

Einige der Fundamentsteine wurden im 16. Jahrhundert von Toyotomi Hidenaga bei der Erweiterung seines Schlosses in Kōriyama benutzt.[4]

Anmerkungen

  1. a b Umrechnung des traditionellen japanischen Mondkalendardatums mit NengoCalc nach Reinhard Zöllner: Japanische Zeitrechnung. Iudicium Verlag, München 2003

Quellen

  1. a b c Stadt Kyōto: Geschichte des Rajōmon (Japanisch)
  2. Akira Kurosawa, Rashomon: Akira Kurosawa, Director, S. 114-115. Rutgers University Press, 1987
  3. http://www.kabuki21.com/ibaraki.php
  4. 奈良歴史漫歩 No.025 平城京羅城門と来世墓の鳥居. In: ブックハウス. Abgerufen am 10. April 2007 (japanisch).

Weblinks


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