- Ravenseiche
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Standort der Femeiche in Nordrhein-Westfalen
Die Femeiche (früher Rabenseiche, Ravenseiche oder Erler Eiche genannt) in Erle im nordrhein-westfälischen Kreis Borken, zwischen Raesfeld und Schermbeck gelegen, ist eine der ältesten Eichen in Deutschland. Die Stieleiche (Quercus robur) steht in der Nähe der Pfarrkirche. Das Alter wird auf 850 bis 1500 Jahre geschätzt. Unter der Eiche wurden nachweislich bis zum 16. Jahrhundert Femegerichte abgehalten. Sie gilt als der älteste und bekannteste Gerichtsbaum in Mitteleuropa[1] und ist seit über 100 Jahren als Naturdenkmal eingetragen.[2] Sie ist gezeichnet durch Blitzeinschläge, Stürme, Einflüsse des Menschen und ihr hohes Alter. Der Stamm ist seit etwa 250 Jahren hohl[3] und besteht aus drei dünnen Schalen. Die Stammhülle, die von Stangen zusammengehalten wird, umschließt einen Hohlraum mit einem Durchmesser von beinahe drei Metern.[4]
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Der Stamm der Eiche ist völlig ausgehöhlt und bis auf drei Stammteile, die sich in etwa vier Meter Höhe vereinen, zerstört. Die Stammteile stecken etwa einen Meter tief im Boden.[5] Die Eiche ist entgegen der Hauptwindrichtung stark nach Südwesten geneigt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Eiche in jungen Jahren in diese Richtung, bedrängt durch größere Bäume, dem Sonnenlicht entgegenstrebte.[6] Durch den schrägen Wuchs wurden die Saftflussbahnen am Wurzelhals auf der geneigten Seite zugedrückt, so dass etwa ein Drittel des Stammumfangs abstarb.[7]
Die einstmals vorhandenen großen Äste sind nur noch in Ansätzen zu erkennen. Weil sie überlang und kopflastig geworden waren, brachen sie vor Jahrhunderten durch Sturm und Blitzschlag heraus. Von dem immer morscher gewordenen tragenden Stamm brachen weitere Äste ab. Der Reststamm bildet eine Sekundärkrone, die von mehreren, teilweise auf Steinplatten ruhenden Holzstangen gestützt wird, ohne die der Baum umstürzen würde. [8]
Die tief angesetzte, einseitig ausladende Sekundärkrone besteht aus mehreren verzweigten Ästen. Sie ist im Sommer gut belaubt und hat einen guten Blüten- und Fruchtansatz.[9] Der Baum war im Jahre 2005 elf Meter hoch und hatte einen Kronendurchmesser von acht Metern.[10] Der Stamm besteht nur noch aus den äußeren Teilen des Splintholzes mit Kambium, Bast und Rinde, die zum Teil nach innen eingerollt ist. Die Eicheln wurden erstmals 2007 für einen Aktion des Heimatvereins zusammen mit der Garten-AG, einem freiwilligen Schulfach, der Silvesterschule Erle eingesammelt und im Bauerngarten des Heimathauses ausgepflanzt. Der Erler Heimatverein bot am Osterwochenende 2009 erstmals Triebe aus diesen Eicheln für einen guten Zweck zum Verkauf an.[11]
Naturdenkmal
Die Eiche ist mit der Bezeichnung Femeiche und der Nummer I.J. 1 als Naturdenkmal 1. Juli 1996 aufgrund einer Verordnung des Kreises Borken für den Schutz von Naturdenkmalen im Innenbereich der Städte bei der Unteren Landschaftsbehörde (ULB) gelistet, die auch für die Pflege- oder Entwicklungsmaßnahmen zuständig ist.[12] Die Errichtung baulicher Anlagen, Abgrabungen und Aufschüttungen in der Umgebung sind untersagt. Die Eiche erhält dadurch den größtmöglichen Schutz.[13] Die Eiche kam im Jahre 1975 durch die kommunale Neugliederung zum Kreis Borken. Zuvor gehörte sie zum Amt Dorsten im Kreis Recklinghausen, wo sie seit 12. April 1954 in der Naturdenkmalliste geführt wurde.[14] Erstmals geschützt wurde die Eiche etwa im Jahre 1900.[2] Mit der Pius-Eiche, die am 16. Juni 1871 gepflanzt wurde, ist in Erle seit dem Jahre 1996 ein weiterer Baum als Naturdenkmal eingetragen.[15]
Stammumfang
1989 betrug der Umfang des Stammes, in einem Meter Höhe gemessen, zwölf Meter.[16] Die Eiche liegt mit diesen Maßen nach dem Deutschen Baumarchiv, dem der Stammumfang in einem Meter Höhe als wichtigstes Auswahlkriterium dient, über dem unteren Grenzwert der national bedeutsamen Bäume (NBB).[16] Vollständig erhalten, hätte der Stamm einen Umfang von etwa 14 Metern.[10] Damit handelt es sich um die dickste Eiche in Deutschland, noch vor der Ringeiche in Ivenack. Nur die einstmals stärkste Eiche der Welt, die Dagobertseiche im hessischen Dagobertshausen, deren letzte Reste um 1900 verschwanden, hatte im Jahre 1840 mit 14,86 Metern, auf einem Meter Höhe gemessen, einen größeren Umfang.[17] Der Durchmesser des Stammes in Brusthöhe wurde im Jahre 1892 mit etwa 4,5[10] und der Umfang des Stammes in Mannshöhe im Jahre 1902 mit 12,5 Metern angegeben.[16] Im Jahre 1927 betrug er 14 Meter.[4]
Alter
Die Altersschätzungen der Eiche bewegen sich zwischen 850 und 1500 Jahren. Damit wäre sie die älteste Eiche in Deutschland.[18] Da das älteste Holz aus dem Zentrum des Stammes fehlt, ist weder eine Jahresringzählung[19] noch eine Radiokohlenstoffdatierung[20] möglich. Das Alter der Eiche kann deshalb nur anhand des Stammumfangs und der geschichtlichen Überlieferungen grob geschätzt werden. Dadurch, dass die Hauptkrone der Eiche fehlt und sich eine vollständige Sekundärkrone gebildet hat, ist das Alter höher anzusetzen. Das Deutsche Baumarchiv schätzte das Alter der Eiche im Jahr 2008 auf 850 Jahre.[16] Diese Angabe basiert auf einem jährlichen Umfangszuwachs bei alten Eichen von etwa 1,8 Zentimetern[21], der sich anhand langjähriger Untersuchungen von Stammumfängen und dem rekonstruierten Stammumfang der Femeiche von 14 Metern ergab. Jahresringzählungen bei bis zu 450-jährigen Eichen der Region ergaben jährliche Umfangszuwächse von 1,5 bis 1,7 Zentimetern.[22] Anhand dieser Werte wäre die Eiche etwa 800 bis 900 Jahre alt.
Andere Altersangaben liegen zwischen 1000[23][24], 1300[10] und 1500 Jahren[25][26][27]. Diese Schätzungen basieren überwiegend auf der geschichtlichen Überlieferung. Böckenhoff schrieb im Jahre 1966: „Da man Freistühle an ausgezeichnete Stellen setzte, sie alsdann nicht mehr verrückte, müßte die Eiche, als man den Stuhl aufstellte, wohl zur Karls des Großen, schon ein mächtiger Baum gewesen sein. Demnach wäre sie heute etwa 1500 Jahre alt.“[28] Ein Grund für das hohe Alter der Eiche könnte sein, dass sie als erste in der Region ihre Blätter entfaltet. Der Eichenwickler, ein Laubschädling, konnte ihr bisher nichts anhaben, da er sich erst nach dem Austrieb der übrigen Eichen entwickelt.[4]
Standort
Erle liegt am Rande des Westmünsterlands, auf der Schwelle vom fränkischen Rheinland zum sächsischen Hamaland, in einer typischen Heidelandschaft innerhalb des Naturparks Hohe Mark, drei Kilometer südöstlich von Raesfeld an der Bundesstraße 224 zwischen den Städten Borken und Dorsten. Es handelt sich um ein altes Sachsenland, in dem sich die alten Bräuche lange erhalten haben.[29] Das Ruhrgebiet ist südlich etwa 15 Kilometer entfernt. Die Eiche steht südwestlich der Ortsmitte am Rande eines Neubaugebietes direkt neben dem ältesten erhaltenen Haus von Erle, dem alten Pastorat, auf etwa 60 Meter Höhe über Normalnull. Die Femeiche kann man nicht direkt mit dem Auto erreichen. Am Rande des grünen Kerns von Erle, der aus der historischen Allee mit über 200 Jahre alten Kastanien, dem neuen und alten Pastorat und dem Femeplatz besteht, gibt es genügend Parkplätze. Zu Fuß gelangt man von dort nach wenigen hundert Metern zu dem Naturdenkmal. Die Eiche ist mit einem Lattenzaun geschützt. Innerhalb der Umzäunung ist der Boden mit grobem Kies bedeckt, damit Wasser und Luft in das Erdreich eindringen können.
Geschichte
Die Eiche gehörte vermutlich zu einer germanischen Kultstätte, was die geographischen Namen der Umgebung nahelegen. Der alte Name Rabens-, beziehungsweise Ravenseiche und der Name der Gegend Aßenkamp deuten auf eine Verbindung zur germanischen Mythologie hin. Der Rabe ist das Symbol des germanischen Toten- und Kriegsgottes Odin und die Asen waren ein germanisches Göttergeschlecht. So wird vermutet, dass die Eiche schon zu germanischer Zeit als Gerichtsstätte (Thing) benutzt wurde.[30] Es ist allerdings nicht gesichert, ob es sich tatsächlich um die heutige Femeiche handelte oder ob an gleicher Stelle eine Vorgängereiche stand. Nach einer Sage saß Gott Odin selbst als Richter unter der Eiche, seine beiden Raben, Hugin und Munin, hockten in den Zweigen des Baumes. Sie blickten in alle Himmelsrichtungen und berichteten Odin, was rundherum geschah.[6] Die Eiche war vermutlich schon vor der Christianisierung in der Zeit Karls des Großen (747 bis 814) so mächtig, dass sie nicht von den Missionaren gefällt wurde. Sie errichteten in der Nähe des Baumes eine Kirche.[30]
Femegerichte
Unter der Eiche tagte der Freistuhl, das Erler Femgericht, „den vryen Stoel tum Aßenkampe“, welcher am Ende des Mittelalters seine größte Macht ausübte. Es wurde ein Freistuhl, eine große Steinplatte, aufgestellt, von dem aus die freien Grafen mit sechs Schöffen nach dem Recht Kaiser Karls des Großen Gericht über Schwerverbrechen wie Mord, Raub, Brandstiftung und Meineid hielten; ein Schuldspruch zog stets den Tod am Strang nach sich. Das Gericht unterstand bis zum Jahre 1335 dem Stuhlherrn von Heiden und war für das Gebiet der Kirchspiele Erle, Raesfeld, Alt-Schermbeck und die nördlich von Lippe liegenden Dorstener Stadtteile Rhade und Holsterhausen zuständig. Im Jahre 1335 verpfändete der Stuhlherr seine Freigrafschaft dem Grafen von Cleve. 1375 war der Burgherr der Burg Raesfeld Inhaber der Freigrafschaft.[31]
Überliefert ist, dass 1441 der Freigraf Bernt de Duiker unter der Eiche Gert von Diepenbrock und zwei seiner Knechte wegen Schöffenmord verfemte und sie in Abwesenheit für vogelfrei erklärte.[32] Der Bericht über die Gerichtsverhandlung ist die älteste schriftliche Nachweis der Eiche. In einem Schreiben mit der Nummer XXXVIII im Stadtarchiv von Bocholt aus dem Jahre 1441 heißt es: „Bernd die Ducker, Freigraf zu Heiden verfehmt den Gerd Deipenbroik und dessen Knechte, und fordert alle Freischöpfen des H. R. Reichs auf, dieselben an den ersten Baum aufzuhängen, weil Sie zwei Freischöpfen ermordet hatten.“[33] Dort ist auch die Rede von „Vrygenstole tor Ravenseick“ und „Vryenstoel ten Hassenkampe by Erler“.[34]
Im Jahre 1442 wurden die Befugnisse der Femegerichte durch den Reichstag stark eingeschränkt, so dass sie an Bedeutung verloren. Unter der Eiche wurde bis zum Jahre 1589 Femegericht abgehalten.[35] Im 16. Jahrhundert musste das Femegericht mit dem Erstarken der Landeshoheit des Fürstbischofs von Münster einen Großteil seiner Zuständigkeiten abgeben und wurde Ende des 18. Jahrhunderts aufgelöst.[31] Die Steinplatte des Freistuhls wurde an der Brücke bei Dorsten als Denkmal aufgestellt; 1945 warfen englische Soldaten sie in den Fluss.[36]
Geschichtliche Überlieferungen
Die Hauptkrone der Eiche brach vermutlich im 17. Jahrhundert heraus[6]; im Laufe der Jahrhunderte bildete sich die heutige Krone. Durch das Fehlen des Mittelstammes drang Wasser ein, so dass Pilze das Holz zersetzten und sich die Höhlung bildete. In der Pfarrchronik von Erle ist überliefert, dass die Enten des Pfarrers de Weldige ihre Eier in die hohle Eiche legten, die von einem Buben des Nachbarhofs herausgeholt wurden, da der Pfarrer dafür zu dick war.[6] Nachdem der Baum von Pilz befallen war, ließ der Pfarrer dem kranken Baum um das Jahre 1750 mit scharfem Gerät zu Leibe rücken und das morsche Mittelstück herauskratzen, um ihm das Überleben zu sichern. Es entstand ein schmaler, mannshoher Eingang.[6] In der Pfarrchronik von Erle steht:[37]
„Um 1750 war die Höhlung noch unbedeutend; wir hören um diese Zeit, daß es dem kleinen Sohne des benachbarten Zellers Tellmann große Mühe kostete hineinzukriechen, um die Eier herauszuholen, die des Pastors Enten dort zu legen pflegten. Pastor de Weldige soll dann den Baum haben aushöhlen und einen Eingang zu demselben haben machen lassen.“
– Pfarrchronik Erle
In der Dorfchronik von Erle wird über mehrere Begebenheiten in der hohlen Eiche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berichtet. Landrat Devens heftete am 5. Juli 1814 im Innern der Eiche dem damals 81-jährigen Pastor Lohede den Roten Adlerorden an.[38] Der Kronprinz von Preußen, der spätere König Friedrich Wilhelm IV., ließ am 26. September 1819 während eines Manövers in der Erler Heide 36 voll ausgerüstete Infanteristen in der Eiche aufstellen, so groß war die entstandene Höhlung.[38] Vorher nahmen der Kronprinz und seine Generäle von Haacke und von Thielemann in der Eiche an einem gedeckten Tische ihr Frühstück ein. Wenn der Bischof von Münster zur Firmung in Erle weilte, wurde die Eiche festlich geschmückt und darin ein Umtrunk eingenommen. Am 1. Juni 1832 wurde der Bischof Kaspar Maximilian Droste zu Vischering nach der Firmung unter Gesang zur festlich geschmückten Eiche geleitet und erfrischte sich dort mit einem Glase Wein.[38] Ein weiteres Mal wurde der Bischof Kaspar Maximilian Droste zu Vischering am 16. Juli 1842 feierlichst empfangen, nachdem er in der Gemeinde Raesfeld am Tage vorher 150 Kinder gefirmt hatte.[38] Auch soll der Bischof Johann Georg Müller am 11. Juli 1851 bei einer Firmung mit seinem Hofkaplan den Landdechanten von Droste-Senden und neun Geistliche an einem runden Tisch in der Eiche zwei Stunden lang bewirtet haben.[38] Damals fanden auch Festlichkeiten wie Hochzeiten und Firmungen in und unter der Eiche statt.[39]
Sicherungsmaßnahmen
In einem Brief vom 11. November 1892 des Königlichen Landrats und Geheimen Regierungsrats des Kreisausschusses Recklinghausen an den Pfarrer Karthaus von Erle bei Dorsten ist die Rede von einer Sanierung:[40]
„Es besteht die Absicht, die auf Grund und Boden der Pastorat Erle stehende uralte Eiche, möglichst zu erhalten, welcher Zweck dadurch erreicht werden kann, wenn die Eiche bezw. die Rest derselben möglichst bald ausreichend gestützt, mit eisernen Riemen umgeben bezw. die Aeste mit Draht befestigt werden & der Baum selbst mit einem Gitter umgeben wird. Der Alterthumsverein wird evtl. die Arbeiten ausführen lassen und solche leiten, während die nicht unerheblichen Kosten theils vom Kreisausschuss hierselbst getragen werden sollen. Indem ich Euer Hochwürden hiervon ergebenst Mittheilung mache knüpfe ich die Bitte daran, auch Ihrerseits Sich für die Sache interessiren und zur Durchführung derselben beitragen zu wollen. In erster Linie bitte ich mich baldgefälligst davon in Kenntnis zu setzen, dass Sie zu der Ausführung fraglicher Arbeiten die Genehmigung ertheilen, welch' letztere ausdrücklich zu ertheilen erforderlich ist, weil der Baum Eigenthum der Pastorat ist. Natürlich werde ich die Herren, welche sich mit der Ausführung befassen, ersuchen, sich vor Inangriffnahme der Arbeiten mit Ihnen ins Einvernehmen zu setzen.“
– Königlicher Landrath, Geheimen Regierungsrath des Kreisausschuss Recklinghausen: 11. November 1892
Im Jahre 1892 wurde diese Maßnahmen ausgeführt. Die Eiche wurde mit mehreren Balken gestützt, um einem möglichen Umfallen entgegenzuwirken. Gleichzeitig wurden zwei Eisenringe angebracht, um die Stammteile zusammenzuhalten.[6] Die Arbeiten wurden von Buerbaum, Gartenarchitekt in Düsseldorf, gemeinsam mit dem Forstmeister Joly durchgeführt.[41] Im Jahre 1897 sangen der Überlieferung nach 40 Mitglieder des Forstvereins im Hohlraum der Eiche ein Lied.[9] Im Jahre 1927 kam es zu einem Wipfelbruch, wobei sich die Höhe des Baumes, die vorher 18 Meter betrug, reduzierte.[4]
Sanierung
Bevor der Baumpfleger Michael Maurer im Jahre 1965 die Eiche aufwendig sanierte, berichtete er im Heimatkalender der Gemeinde Erle über den allgemeinen Zustand des Baumes:
„Diese Eiche steht in Erle, in der Weme, nahe der Bundesstraße 224 von Borken nach Dorsten; 14 Meter mißt ihr Umfang, die lichte Weite der Stammröhre beträgt rund 2,85 Meter. Noch immer wächst und grünt der Baum, trotz alldem was ihm in einem Jahrtausend widerfahren ist. Blitz, Stürme und die ‚menschliche Hand‘; nichts konnte ihn zerschmettern, zerstören. Er ist aber schwer angeschlagen, man könnte fast sagen, ‚gebeugt vom Alter‘. Gut gemeinte, menschliche Hilfen haben ihn nahezu an den Rand des Ruins gebracht. […] Von den einstigen großen Ästen sind nur mehr die Ansätze zu erkennen. Was an Laubträgern vorhanden ist, ist Neuwuchs. […] Die Stammröhre – beidseitig offen – steht schief. Die Stützen tragen sie. Die Rinden-, Holzwände sind so dünn geworden, daß zu befürchten ist, sie können die wiederaufgebaute Krone nicht mehr tragen. Die holzzerstörenden Pilze sitzen wie eine Haut auf dem gesunden Holz, in das sie ihre Wurzelspitzen treiben, unter dem scheinbar harten, schon durchfressenen, sichtbaren Holz. Die abwehrkräftigen Stoffe im Saft – in den Blättern erzeugt – können nur mehr in sehr beschränkten Maß zu den Stammwänden gelangen. Die Ringe schnüren die Saftstrombahn ab, immer ‚schwächer‘ wird der Baum.“
– Michael Maurer: Die Femeiche in Erle – Ein Vorschlag für ihre Erhaltung.[8]
Ziel der Sanierung war, dass der Jahreszuwachs außen den Holzabgang im Inneren des Stammes überstieg, so dass die Stammschalen nicht dünner wurden. Der letzte verbliebene Eisenring, der inzwischen eingewachsen war und den Saftfluss im Stamme verhindert hatte, wurde entfernt. Um den Saftfluss an den Bereichen der ehemals tief eingewachsenen Eisenringe zu fördern, wurde die Zellschicht der Rinde eingeschnitten und im Stamm das gesamte morsche und pilzbefallene Holz entfernt, der Rest abgedexelt, geglättet und mit pilztötenden Mitteln behandelt. Es blieben drei Fragmente übrig, die sich in vier Meter Höhe vereinigten. Sämtliches dürre Holz im oberen Teil des Baumes wurde entfernt, die Schnittflächen wurden mit Lackbalsam überzogen. Die Holzstützen aus dem Jahre 1892 wurden durch sechs neue ersetzt, um die Sekundärkrone vor dem Abbrechen zu schützen. Zusätzlich wurden die Stammteile durch Gewindestäbe mit Überrohren verbunden. Abschließend wurde alles rindenlose Holz mit einer wasserabweisenden Masse geschützt. Über die Bearbeitung und der Präparierung des Holzes schrieb Maurer im Vorfeld der Sanierung:
„Gleichzeitig ging das Abarbeiten des harten, vom Pilz zerstörten Holzes an den Stammwänden vor sich. Erst wenn die ‚Pilzhaut‘ freigelegt ist, können wir diese mit verschiedenen, pilztötenden Mitteln – verwendet je nach Holzstärke – vom Pilz befreien, für später fast unbefallbar machen. Ungefähr 24 qm sind so zu behandeln.“
– Die Femeiche in Erle – Ein Vorschlag für ihre Erhaltung.[8]
Der festgetretene Boden um die Eiche wurde bis in 40 Zentimeter Tiefe ausgehoben und durch neue Erde, Humus und Baumfutter, einen Spezialdünger mit Langzeitwirkung, ersetzt. Darüber wurde eine Kiesschicht zur besseren Belüftung und Bewässerung angebracht. Um der Bodenverdichtung entgegenzuwirken, wurden Bohrungen bis in vier Meter Tiefe zum Schwemmkies im Untergrund durchgeführt. Das Betreten des Wurzelbereiches wurde untersagt, um zu vermeiden, dass der Boden erneut verdichtet wird. Vorgesehen war zunächst ein über die Krone hinausragender zentraler Stahlmast inmitten des Stammes, an den ein Teil der Eiche gehängt werden sollte. Da durch die Behandlung des Stammes die Stammwandungen zu dünn geworden waren, wurde jedoch erneut auf Holzstützen zurückgegriffen. Die Sanierungskosten, die der Landkreis Recklinghausen übernahm, beliefen sich auf etwa 20.000 Deutsche Mark. Spendengelder gingen unter anderem von der Diözese Münster, vom Naturschutz, vom Waldbauernverband und von Privatleuten ein. [26][42][43]
Weitere Maßnahmen
Ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Schutz angebrachter Zaun wurde während der Sanierung 1965 entfernt. In den Jahren 1986 und 1987 wurde der Stamm erneut behandelt[35], wobei der Kies mit speicherfähigem Lavagranulat ausgetauscht wurde. Im April 1994 wurde zum Schutz des Baumes eine neue Umzäunung errichtet[2], um Kletterversuche und Beschädigungen der Äste und Zweige zu unterbinden. Dieser Maßnahme ging im Jahre 1993 eine Unterschriftenaktion voraus, bei der Jugendliche 2000 Unterschriften für einen besseren Schutz der Eiche gesammelt hatten.[35] Durch die Einzäunung erholte sie sich. Die Krone reicht jetzt teilweise wieder bis zum Boden. Bei einem Sturm im Mai 2000 erlitt die Eiche einige Schäden. Die Krone musste zurückgeschnitten werden. Zusätzlich wurden drei neue Stützen angebracht, um die Krone zu tragen.[44] Zur Erinnerung an die Femegerichte unter der Eiche wurde im Sommer 2006 außerhalb des Zaunes ein Gerichtstisch aus Granit mit einem Henkersseil und einem Schwert aufgestellt.[39] Im Jahre 2008 wurden die Zaunpfosten aus dem Jahre 1994, die am Boden abgefault waren, durch neue Holzpfosten auf Edelstahlstützen ersetzt. Die Kosten von etwa 2800 Euro trug der Kreis. [45] Im gleichen Jahr erfolgte eine Kronenpflege mit dem Ziel, die Krone der Tragkraft des Stammes anzupassen. Bei dieser Maßnahme wurden auch die Stahlbänder der Stützen gelockert, damit sie nicht in den Stamm einwachsen.[46]
Hörbuch
Seit dem Jahre 2009 gibt es ein interaktives Hörbuch mit dem Titel Die Femeiche aus dem Genre Mysterythriller, das von der Gemeinde Erle und der Femeiche handelt. Das Buch stammt von den Autoren Daniel Stenmans und Michael Hübbeker, Sprecher des Hörbuchs ist die deutsche Synchronstimme des Schauspielers Bruce Willis, Manfred Lehmann. Das Hörbuch zeigt jedoch als Titelbild die Abbildung einer anderen Eiche und hat mit der realen Geschichte der Femeiche und des Dorfes nichts zu tun. [47]
Siehe auch
Literatur
- Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5.
- Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9.
- Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3.
- Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich: Bäume die Geschichten erzählen. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2005, ISBN 3-405-16767-1.
- Christian Pakenham: Bäume: Die 72 größten und ältesten Bäume der Welt. Christian Verlag, München 2005, ISBN 3-88472-673-0.
- Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Cornelia Ahlering Verlag, Buchholz 2000, ISBN 3-926600-05-5.
- Norbert Stuff: Die Femeiche in Raesfeld-Erle: nach über 1000 Jahren vital wie ein junger Baum. Westmünsterland 2000.
- Gerd Buskamp: Erle: Erinnerungen unter der Femeiche. Sankt Augustin 2000 (Kleerbaum.de ; Stand: 11. April 2009).
- Hans Joachim Fröhlich: Wege zu alten Bäumen, Band 4, Nordrhein-Westfalen. WDV-Wirtschaftsdienst, Frankfurt 1992, ISBN 3-926181-18-4.
- ADAC Verlag (Hrsg.): Der Große ADAC Natur-Reiseführer Deutschland. ADAC Verlag, Turnhout/Belgien 1991, ISBN 3-87003-390-8.
- Hartwig Goerss: Unsere Baum-Veteranen. Landbuch, Hannover 1981, ISBN 3-7842-0247-0.
- Aloys Bernatzky: Baum und Mensch – Mit Beiträgen von Michael Maurer. Waltemar Kramer, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7829-1045-1.
- Jos. Böckenhoff: Die alte Eiche und der Freistuhl zu Erle bei Dorsten. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1966.
- Michael Maurer: Die Femeiche in Erle – Ein Vorschlag für ihre Erhaltung. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1965.
- F., E. Zentgraf, u. a. Boerner: Nr. 58: Jahrbuch 1953/1954. In: Mitteilungen der deutschen dendrologischen Gesellschaft. Darmstadt Selbstverlag der deutschen dendrologischen Gesellschaft, 1953/1954.
- Joseph Niesert: Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche aus vaterländischen Archiven. gedruckt mit Coppenrathschen Schriften, Münster 1823 (Google Books).
Einzelnachweise
- ↑ Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich: Bäume die Geschichten erzählen. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2005, ISBN 3-405-16767-1, S. 20.
- ↑ a b c Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 113.
- ↑ Gerd Buskamp: Erle: Erinnerungen unter der Femeiche – Kindheitsgeschichten. 2000. Abgerufen am 11. April 2009. (Textauszug Pfarrchronik Erle)
- ↑ a b c d Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9, S. 37.
- ↑ Michael Maurer: Die Femeiche in Erle – Ein Vorschlag für ihre Erhaltung. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1965, S. 19.
- ↑ a b c d e f Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlagsgesellschaft, München 2007, ISBN 978-3-8354-0183-9, S. 36.
- ↑ Aloys Bernatzky: Baum und Mensch – Mit Beiträgen von Michael Maurer. Waltemar Kramer, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7829-1045-1, S. 156.
- ↑ a b c Michael Maurer: Die Femeiche in Erle – Ein Vorschlag für ihre Erhaltung. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1965, S. 18.
- ↑ a b Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 130.
- ↑ a b c d Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 110.
- ↑ Manuela Kantert: Baby-Bäume machen eine gute Figur. Münsterschte Zeitung, 5. April 2009. Abgerufen am 14. April 2009.
- ↑ Naturdenkmal Femeiche. In: Geodatenantlas des Kreises Borken. Untere Landschaftsbehörde Kreis Borken. Abgerufen am 17. April 2009.
- ↑ Natur- und Landschaftsschutzgebiete: Grundinformation. Westmünsterland: Kreis Borken. Abgerufen am 1. Mai 2009.
- ↑ Alle Angaben stammen von der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Borken.
- ↑ Heimatverein Erle stellt Geschichtsstationen auf. Heimatverein Erle, 29. Januar 2005. Abgerufen am 15. April 2009.
- ↑ a b c d Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5, S. 174.
- ↑ Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ullrich: Bäume die Geschichten erzählen. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2005, ISBN 3-405-16767-1, S. 38.
- ↑ Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5.
- ↑ Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 22.
- ↑ Michel Brunner: Bedeutende Linden: 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt Verlag AG, Bern/Stuttgart/Wien 2007, ISBN 978-3-258-07248-7, S. 316.
- ↑ Bernd Ullrich, Stefan Kühn, Uwe Kühn: Unsere 500 ältesten Bäume: Exklusiv aus dem Deutschen Baumarchiv. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München 2009, ISBN 978-3-8354-0376-5, S. 105 (Genannt wird eine Altersangabe von 600 bis 850 Jahren, wobei die 600 Jahre von Bernd Ullrich stammen und die 850 Jahre vom Deutschen Baumarchiv.).
- ↑ Angabe stammt von der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Borken.
- ↑ Hans Joachim Fröhlich: Alte liebenswerte Bäume in Deutschland. Buchholz, Ahlering 2000, ISBN 3-926600-05-5, S. 499.
- ↑ Hans Joachim Fröhlich: Band 4, Nordrhein-Westfalen. In: Wege zu alten Bäumen. WDV-Wirtschaftsdienst, Frankfurt 1992, ISBN 3-926181-18-4, S. 59.
- ↑ Hartwig Goerss: Unsere Baumveteranen. Landbuch, Hannover 1981, ISBN 3-7842-0247-0, S. 140.
- ↑ a b Aloys Bernatzky: Baum und Mensch – Mit Beiträgen von Michael Maurer. Waltemar Kramer, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7829-1045-1, S. 155.
- ↑ Jos. Böckenhoff: Die alte Eiche und der Freistuhl zu Erle bei Dorsten. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1966, S. 26.
- ↑ Jos. Böckenhoff: Die alte Eiche und der Freistuhl zu Erle bei Dorsten. In: Heimatbund Herrlichkeit Lembeck und Stadt Dorsten e.V. (Hrsg.): Heimatkalender. 1966, S. 26.
- ↑ Aloys Bernatzky: Baum und Mensch – Mit Beiträgen von Michael Maurer. Waltemar Kramer, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7829-1045-1, S. 154.
- ↑ a b Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 110–111.
- ↑ a b Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Langewiesche K.R., Heiligenhaus 2005, ISBN 3-7845-4520-3, S. 114.
- ↑ Chronik/Gemeinde Raesfeld. Gemeinde Raesfeld, 4. April 2007. Abgerufen am 17. April 2009.
- ↑ Joseph Niesert: Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche aus vaterländischen Archiven. gedruckt mit Coppenrathschen Schriften, Münster 1823, S. 96 (Google Books).
- ↑ Joseph Niesert: Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche aus vaterländischen Archiven. gedruckt mit Coppenrathschen Schriften, Münster 1823, S. 98 (Google Books).
- ↑ a b c 1000jährige Femeiche in Raesfeld. Muensterland.de. Abgerufen am 7. April 2009.
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Weblinks
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51.7454722222226.8620472222222Koordinaten: 51° 44′ 44″ N, 6° 51′ 43″ O
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