Realschulzweig

Realschulzweig

Realschule ist der Name für diverse Schultypen in Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein, in Österreich historisch beziehungsweise als modernerer Schulversuch.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Die Realschule ist eine weiterführende Schule und ein Bildungsgang im gegliederten Schulsystem Deutschlands, der „Schülerinnen und Schülern eine erweiterte allgemeine Bildung[1] vermittelt.

Bildungsgänge im deutschen Bildungssystem


Definition

Die Realschule – bis 1964 als Mittelschule geführt – ist eine allgemeinbildende weiterführende Schule im Rahmen des gegliederten Schulsystems. Sie umfasst die Klassen 5 bis 10 bzw. 7 bis 10 der Sekundarstufe I und wird mit der Mittleren Reife (Realschulabschluss/Fachoberschulreife) abgeschlossen. Laut Statistischem Bundesamt existierten im Schuljahr 2005/2006 2976 Realschulen (0,9 Prozent weniger als im Schuljahr zuvor) mit 1,32 Millionen Schülern (−2 Prozent im Vergleich zum vorherigen Schuljahr).

Bildungsauftrag und allgemeine Organisation

Nach den Maßgaben des Hamburger Abkommens der Kultusministerkonferenz (KMK) von 1964 zielt der Unterricht der Realschule auf die Vermittlung einer erweiterten Grundbildung. Bei erfolgreichem Abschluss berechtigt diese zur Aufnahme berufsqualifizierender Bildungsgänge, zum Eintritt in die mittlere Beamtenlaufbahn oder zum Besuch höherer Berufsfachschulen bzw. von Fachoberschulen oder der gymnasialen Oberstufe. Dementsprechend ist der Unterricht praxisbezogen, ohne aber auf Wissenschaftsorientierung zu verzichten. Einen breiten Raum nimmt die Thematik der Berufswahlvorbereitung ein, die auf Grund ihrer Komplexität nicht nur in einem, sondern in verschiedenen Unterrichtsfächern, zum Teil fächerübergreifend, bearbeitet wird.

Ab der 7. Klasse besteht für die Schüler die Möglichkeit, im Rahmen des sogenannten Wahlpflichtunterrichts zwischen unterschiedlichen fachlichen Profilen zu wählen. In der Regel bieten die Profile eine naturwissenschaftlich-technische oder wirtschafts- bzw. gesellschaftskundliche Grundbildung an oder ermöglichen das Erlernen einer zweiten Fremdsprache. Welche Richtungen oder Wahlmöglichkeiten angeboten werden, hängt vom jeweiligen Bundesland und gegebenenfalls auch von der einzelnen Schule selbst ab.

Um der Forderung nach der Vergleichbarkeit von Abschlüssen Rechnung zu tragen, verlangen etliche Bundesländer inzwischen verpflichtend eine an den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz orientierte schriftliche Realschulabschlussprüfung, die allerdings in einigen Bundesländern am Ende der 10. Klasse der Gymnasien nicht erwartet wird.

Ein Drittel der mittleren Bildungsabschlüsse wird im berufsbildenden System erworben. Hier liegen derzeit noch keine Bildungsstandards vor.

Länderspezifische Schwerpunkte

Baden-Württemberg und Bayern

In Baden-Württemberg besuchen rund ein Drittel der Schüler die Realschule von Klasse 5 bis 10. Ungefähr ein Drittel der Schüler besuchen im Anschluss ein berufliches Gymnasium und erwerben so das Abitur. Eine Besonderheit der baden-württembergischen Realschule sind die Fächerverbünde EWG (Erdkunde, Wirtschaftskunde, Gemeinschaftskunde) und NWA (naturwissenschaftliches Arbeiten: Physik, Biologie, Chemie). Am Ende der 6. Klasse muss im Wahlpflichtbereich eines der Fächer Technik, Mensch und Umwelt oder Französisch gewählt werden, welches dann ab der 7. Klasse jeweils mit drei Wochenstunden unterrichtet wird und als Kernfach für die Versetzung relevant ist. Neben den Realschulen gibt es in Baden-Württemberg außerdem Hauptschulen, die sich Werkrealschule nennen.

An bayerischen Realschulen umfasst die Wahlpflichtfächergruppe 3 den Fremdsprachenschwerpunkt Französisch, und sie kann, wenn entsprechende Lehrkräfte vorhanden sind, ergänzt werden im musisch-gestaltenden, hauswirtschaftlichen oder im sozialen Bereich.

Bundesländer mit integriertem Schulsystem

In vielen Bundesländern existieren Gesamtschulen. In der kooperativen Form sind die drei Schulformen Gymnasium, Realschule und Hauptschule unter dem Dach der Gesamtschule zu erkennen, in der integrierten Form nicht mehr. In beiden Arten von Gesamtschulen wird der mittlere Bildungsabschluss vergeben. In den sogenannten Gemeinschaftsschulen (in Schleswig-Holstein eingeführt) wird dieser Abschluss ebenfalls angeboten.

Bundesländer mit teilintegriertem Schulsystem

In vielen Bundesländern ist die Realschule als eigenständige Schulform entweder abgeschafft oder, wie in den neuen Bundesländern, gar nicht erst errichtet worden. Sie existiert jedoch weiterhin in Form eines teilintegrierten Bildungsganges, das heißt, die Bundesländer stellen durch ihr Schulsystem sicher, dass der mittlere Bildungsabschluss erworben werden kann.

Brandenburg legte 2005 alle Realschulen und Gesamtschulen ohne gymnasialer Oberstufe zur Oberschule zusammen.

Bremen fasste 2004 die Haupt- und Realschulen zur Sekundarschule zusammen. In dieser werden bis zur 6. Klasse alle Schüler gemeinsam unterrichtet. Ab der 7. Klasse findet dann in den Fächern Mathematik und Englisch eine kursbezogene Leistungsdifferenzierung statt, ab der 8. Klasse auch im Fach Deutsch. Ab der 9. Klasse werden die Schüler in abschlussbezogene Profilklassen (Haupt- bzw. Realschulprofilklassen) eingestuft.

Im Saarland wurde vor einigen Jahren die Realschule mit der Hauptschule zusammengelegt. Die neue Schulform ist nun die Erweiterte Realschule, in der die Schüler in den Klassen 5 und 6 gemeinsam lernen, ab der 7. Klasse dann aber in verschiedene Zweige aufgeteilt werden (Haupt- und Realschulzweig). Ähnliche Wege gingen Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz mit der Einrichtung Regionaler Schulen, Sachsen mit der Errichtung der Mittelschule, Sachsen-Anhalt mit der Zusammenlegung des Haupt- und Realschulbildungsganges in so genannten Sekundarschulen sowie Thüringen mit der Einführung der Regelschule.

Siehe auch: Polytechnische Oberschule (in der DDR).

Österreich

Der Begriff Realschule wird seit dem 18. Jahrhundert als Bezeichnung für eine berufsbezogene Schulart verwendet, wurde in der Politischen Schulverfassung 1805 erstmals gesetzlich verankert und als dreijährige Anstalt für Kaufleute, Kameralisten, Landwirte und „Künstler höherer Art“ definiert. 1849 wurde vorgesehen, eine allgemeinbildende, 6-klassige Realschule zu schaffen. Sie trat erst 1868 als Prototyp einer höheren Schule ohne Latein mit lebenden Fremdsprachen und Betonung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung in Konkurrenz zum Gymnasium. Zunächst waren Realschulen 7-klassig. 1927 erhielten sie eine zusätzliche 8. Klasse und somit wurde die Realschule ein dem Gymnasium gleichwertiger Schultyp, der seit 1962 als Realgymnasium, eine Alternative zum humanistischen Gymnasium, geführt wird.

Seit einiger Zeit gibt es in einigen Bundesländern (zum Beispiel in der Steiermark) auch den Schulversuch Realschule, als integrierter Teil einer Hauptschule. Sie dauert sechs Jahre und legt auf das Lernen von Fremdsprachen, Projektunterricht, Vermittlung von EDV-Kenntnissen und intensive Berufsvorbereitung einen großen Wert.

Siehe auch: Bildungssystem in Österreich

Schweiz

Die Realschule ist in der Schweiz eine Oberstufenschule (Deutschland: Hauptschule). In den meisten Kantonen ist die Realschule die Oberstufenschule für schulisch schwächere bis durchschnittliche Schüler, nachdem sie die Grundstufe, die fünf bis sechs Jahre dauernde Primarschule (Deutschland: Grundschule) besucht haben. Zusätzlich zur Uneinheitlichen Bezeichnung der Leistungsstufen über die Kantone hinweg hat sich diese auch mit der Zeit verändert. Was etwa im 19. Jahrhundert als Realschule bezeichnet wurde, entspricht oft der heutigen Sekundarstufe, also der Schule mit den höheren Anforderungen.

Das Absolvieren einer Matura und meistens auch das Besuchen weiterführender Schulen bleibt Realschülern verwehrt. Dazu wird meistens der Besuch einer Sekundarschule oder einer Bezirksschule vorausgesetzt. Die Absolventen sind meistens gezwungen, eine Berufslehre oder eine Anlehre zu beginnen.

Siehe auch: Schweizer Bildungssystem

Fürstentum Liechtenstein

Die Realschule ist im Fürstentum Liechtenstein eine Sekundarschule (Schweiz: Oberstufenschule). Die Realschule in Liechtenstein ist die Schule für Schüler auf höherem Niveau.

Nach Absolvieren der Realschule ist ein Weiterstudium generell möglich.

Siehe auch: Bildungssystem in Liechtenstein

Schweden

In Schweden gab es von 1905 bis 1972 die Schulform Realschule („Realskola“). Sie wurde durch die „Enhetsskola“ abgelöst, die der Gesamtschule/Gemeinschaftsschule im deutschsprachigen Raum vergleichbar ist.

Geschichte der realen Bildung

Johann Amos Comenius

Die Wurzeln der realen (von lat. res = „Sache, Gegenstand“ abgeleiteten) Bildung finden sich bereits im frühen Mittelalter: Walahfrid Strabo (808–849), Benedektinerabt auf der Insel Reichenau, schrieb in seinem Gartengedicht (Hortulus), wie die Erfahrung durch der eigenen Hände Arbeit („propriis palmis“) vergrößert werden kann.

Weitere frühe Ansätze der realen Bildung finden sich bei den Humanisten Erasmus von Rotterdam (1469–1536), Georgius Agricola (1494-1555), Thomas Morus (1478–1535) und Juan Luis Vives (1492–1540), die neben die „Sprachbemeisterung“ die „Sachbemeisterung“ setzten.

Doch die am Wort (Gottes) orientierte evangelische Lateinschule der Reformationszeit schnitt diese Bestrebungen ab. Der Adel sah jedoch seine Ziele der Erziehung und Bildung mit den gelehrten Schulen nicht erfüllt und entwickelte die standesspezifischen Ritterakademien. Sie öffneten den Weg zur neuzeitlich realen Bildung.

Parallel dazu standen die Bemühungen einzelner Pädagogen um die reale Bildung. Wolfgang Ratke (Ratichius) (1571–1635) forderte die Einführung der Muttersprache in den Unterricht und die Ablösung vom Latein. Johann Amos Comenius (1592–1670) baute darauf die Forderung, die Worte nur in Verbindung mit den Sachen zu lehren. In der „Trivialschule“ des Johannes Raue (1610–1679) wurden Realien bereits in Fächern wie Geometrie, Stenographie und Biologie etc. gelehrt. Für Johann Joachim Becher (1635–1682) hatte die Schule die Aufgabe, über Erziehung und Lehre ein geordnetes Staatsgefüge zu schaffen. Sein Ideal war der handwerklich gebildete Gelehrte, der „nützlich gelehrte“ Wissenschaftler.

Im 18. Jahrhundert erstarkte mit dem Bürgertum der Ruf nach den realbildenden Schulen. Die bisherigen Schulen wurden vom Zeitalter der Aufklärung infragegestellt. Zunächst blieb die Vermittlung realer Bildungsinhalte noch die Aufgabe einzelner Pädagogen:

Für den Pietisten August Hermann Francke (1663–1727) war der Realismus auch methodisch geprägt. Die Natur zeige die Größe und Allmacht Gottes. Praktische Unterweisungen hatten primär das Ziel, zum Unterhalt seiner Franckeschen Anstalten in Halle (Saale) beizutragen. 1698 gründete Francke in Halle die nach ihm benannten Franckesche Stiftungen, eine bis heute bestehende soziale Einrichtung.

Johann Julius Hecker, Denkmal in Berlin

Der Hallenser Pastor Christoph Semler (1669–1740) gründete 1707 seine „Mathematische und Mechanische Realschule“ mit der Idee, den Unterricht zu veranschaulichen und Techniken zu schulen, die für das spätere Leben und dem Beruf notwendig erschienen. Nach einem Misserfolg gründete er sie 1738 noch einmal. Der zweite Versuch endete zwei Jahre später mit Semlers Tod. Semlers Schule trug als erste den Namen „Realschule“, blieb jedoch während ihres Bestehens lediglich eine Ergänzungsschule zur „Teutschen Schule“.

Aus der Teutschen Schule heraus, deren Verbalismus er kritisierte, entwickelte der reformorientierte pietistische Theologe Johann Julius Hecker (1707–1768) ein Fachklassensystem (angelehnt an die von Joh. Gottfried Groß geschaffene differenzierte Stoffverteilung je nach Berufswunsch der Schüler) in seiner „Ökonomisch-Mathematischen Realschule“ in Berlin von 1747. Hecker gilt als Gründer der ursprünglichen praxisorientierten Realschule, für die er einen Schulgarten anlegen ließ und der er 1748 das erste preußische Lehrerseminar angliederte.

Zwar war die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts gegen Realschulen gerichtet, doch bereits 1832 wurden Abschlüsse der Realschule in Preußen als Berechtigung zu mittleren Laufbahnen anerkannt. Vor allem berechtigte der Abschluss zum einjährigen Militärdienst statt drei Jahren. Daher hieß die Mittlere Reife auch das Einjährige. Damit schob sich diese Schulform rechtlich zwischen Gymnasium und Volksschule. Die wenigen Einrichtungen konnten den Bildungsbedarf des Bürgertums aber nicht befriedigen. So entstanden neue Bürgerschulen, daneben unter Zusetzung des Fachs Latein die Höhere Bürgerschule. Aus ihr entwickelte sich 1859 die zum höheren Bildungswesen gehörende Realschule 1. Ordnung (aus der 1882 das Realgymnasium erwuchs). Die Bürgerschule wurde zur lateinlosen Realschule 2. Ordnung, die eine Mittelschule blieb. Die ebenfalls lateinlose Oberrealschule, die jedoch zu den höheren Schulen zu zählen ist, entstand in den 1870er Jahren aus den Gewerbeschulen. Das Abitur beider neuer Schulformen wurde 1900 den humanistischen Gymnasien gleichgestellt.

Der Weg zu den heutigen Realschulen verlief jedoch anders: Aus dem Gemisch von mittelbildenden Schulen (höhere Töchter- und Knabenschulen, Stadtschulen, Bürgerschulen und Rektoratsschulen) erwuchs 1872 eine eigenständige Mittelschule. Über drei Neuordnungen in Preußen hinweg hielt sie sich und wurde nach 1945 als eigene Schulform wieder eingerichtet. Je nach Bundesland wurden die Mittelschulen früher oder später in Realschulen umbenannt, weil die Elternschaft den Namen „Mittelschule“ herabsetzend empfand.

Siehe auch

Literatur

  • Rekus, Jürgen (Hg.) (1999): Die Realschule: Alltag, Reform, Geschichte, Theorie. Weinheim, München: Juventa.
  • Saldern, Matthias von (2002): Bildungsgang Realschule. Baltmannsweiler: Schneider Verlag.

Einzelnachweise

  1. KMK-Vereinbarung über Schularten und Bildungsgänge, 2006

Weblinks

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Nordrhein-Westfalen
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Schleswig-Holstein
Thüringen

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