Reggiopädagogik

Reggiopädagogik

Die Reggio-Pädagogik ist ein pädagogisches Handlungskonzept.

Formal gesehen ist es ein Gesamtkonzept von Ideen und Praxisstrukturen, wie es in den jetzt 33 kommunalen Krippen und Kindergärten der norditalienischen Stadt Reggio nell’Emilia seit den späten 1960er Jahren entwickelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Informationen zur Reggio-Pädagogik

Es ist ein aus der pädagogischen Praxis kommendes, erfahrungsoffenes und experimentelles Konzept, das aber den Kenntnisstand der neueren Lern-, Entwicklungs- und Sozialisationstheorie zum Beispiel Piagets, Bruners oder Watzlawicks integriert. Wichtigster Inspirator des Konzepts war der 1994 verstorbene langjährige Leiter des Koordinationsbüros der kommunalen Kitas in Reggio und Lego-Preis-Träger, Loris Malaguzzi.

Grundsätzliche Orientierungspunkte der Reggio-Pädagogik sind ein humanistisches Menschenbild und eine demokratische Gesellschaftsvorstellung. Letztere drückt sich in dem Verzicht auf Hierarchieebenen im Kita-Personal in der gemeinsamen Kita-Leitung durch Erzieherinnen und Eltern sowie in der Interpretation der Kita als kultureller Kristallisationspunkt im Stadtteil aus.

Das Bild vom Kind

Das Bild vom Kind wird geprägt von der Überzeugung, dass Kinder über ein großes Maß an Kompetenzen verfügen und interessiert sind, diese zu erweitern. Sie zeichnen sich dabei durch Energie und Kreativität sowie durch eine eigene Kultur aus, in der Realitätssinn und Fantasie eng miteinander verbunden sind. Kinder lernen durch alltägliche Erfahrungen, durch Erkunden, Experimentieren und vor allem auch dadurch, dass sie ihre Entdeckungen, Erlebnisse, Empfindungen und Deutungen mit "hundert Sprachen" zum Ausdruck bringen; zum Beispiel mit Worten, Bildern oder darstellendem Spiel.

Die Rolle der Erzieherin

Die Rolle der Erzieherin entfernt sich in der Reggio-Pädagogik sehr deutlich von der traditionellen Anleitungsfunktion. Die Erzieherin ist Begleiterin und Dialogpartnerin der Kinder. Sie schafft eine Atmosphäre des Wohlbefindens, hört den Kindern zu und beobachtet sie, stützt durch ihr eigenes Interesse und ihre aktive Begleitung die „Forschungsprozesse“ der Kinder, stellt Ressourcen für die Aktivitäten der Kinder bereit und gibt ihnen Impulse, kommuniziert und reflektiert im Team die Erfahrungen in der Arbeit mit den Kindern und ist Beratungspartnerin für die Eltern.

Das Raumkonzept der Reggio-Pädagogik

Die Räume der Einrichtungen werden als „dritter Erzieher“ betrachtet, wobei "Raum als dritter Erzieher" eine oft zitierte, reggianische Aussage ist, die unterschiedlich interpretiert werden kann. Die Räume kommunizieren zwischen drinnen und draußen, sie geben Geborgenheit (Gruppenräume mit Rückzugszonen) und offerieren zugleich Herausforderungen zum Aktiv-werden (Atelier, Piazza als Begegnungsort)(ist bsw. eine Interpretationsform) . Gestaltungs- und Erkundungsmedien werden offen präsentiert und können von Kindern und Erzieherinnen nach Bedarf ergänzt werden. Besonders charakteristisch sind Spiegel verschiedener Form, Verkleidungszonen, Schattentheater, Briefkästen, Projektoren und Leuchttische. Sie provozieren Kinder, sich auch in ihrer körperlichen Identität wahrzunehmen und zu akzeptieren, andere Rollen auszuprobieren, mit anderen zu kommunizieren und die dingliche Welt mit den in ihr wirkenden (u.a. ästhetischen) Strukturen zu erkunden.

Projekte und Projektarbeit - das Herzstück der Reggio Pädagogik

Die Projekte und Projektarbeit gelten als das Herzstück der Reggio Pädagogik. Sie basieren auf dem Interesse der Kinder; zwar werden sie von Erzieherinnen angeregt und erweitert, jedoch nicht gesteuert. Der Ausgangspunkt der Projekte und Projektarbeit sind die Beobachtungen der Kinder. Ein zentrales Element der reggianischen Projektpraxis ist die Dokumentation der Handlungsprozesse durch großflächige Wanddokumentationen („sprechende Wände“) und/oder vervielfältigte Heftdokumentationen (siehe unten).

Aus Spielhandlungen oder Gesprächen entwickeln sich oft Projekte. Sie basieren auf dem authentischen Interesse der Kinder, das zwar von Erwachsenen durch Impulse stimuliert, akzentuiert und erweitert, aber nicht gesteuert wird. Ein Projekt kann daher von ganz unterschiedlicher Zeitdauer sein (von zwei Stunden bis zu einem Jahr!). Auch die Zahl der Projektteilnehmer hängt allein von der Interessenbindung der Beteiligten ab.

Dabei sollen sich fünf charakteristische Punkte für die reggianische Projektkonzeption herausstellen:

  1. Das optimistische Bild vom Kind, das sich aktiv mit sich, seiner gegenständlichen und sozialen Umwelt auseinandersetzt.
  2. Ein Lernbegriff, der Lernen als forschendes und entdeckendes Lernen versteht.
  3. Die Rolle der Erzieherin, die Erwachsene als Begleiterin
  4. Die Gewinnung von Projektinhalten aus dem Alltag zur Eingebundenheit in den Alltag der Einrichtung und ihrem sozialen Umfeld.
  5. Die sinnliche und gegenständliche Dokumentation des Projektprozesses, der Ergebnisse und der Projektauswertung.

Diese fünf Punkte bestimmen im wesentlichen die Praxis der Reggio Pädagogik.

Lernen und bilden

Der Kindergarten soll ein Ort sein, wo Kinder forschen, hinterfragen und Dinge prüfen können. Lernen lässt sich in der Reggio Pädagogik durch folgende Gegensatzpaare beschreiben:

  • Intrinsische statt extrinsische Motivation
  • Entdeckung statt Darbietung
  • Lebens- / Problemorientiert statt Systematik
  • Erfahrung statt Verbalisierung
  • Verstehen statt Erinnern
  • Lernmethoden statt Inhalte
  • Prozess statt Produkt

Man will den Kindern einen sinnlichen Zugang zur Welt eröffnen. Durch die bildhafte und gestalterische Darbietung soll die Wahrnehmung geschärft und die Weltaneignung sinnlicher gestaltet werden. Man erhofft sich einen verantwortungsvolleren Umgang mit Wissen und eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit.

Die besondere Rolle der Dokumentation

Bestandteile der Dokumentationen sind Kinderarbeiten, Kinderäußerungen, Videoaufnahmen, Fotos, die den Handlungsprozess darstellen, Überschriften und ggf. kurze Kommentare. Die Projektdokumentation verleiht dem Handlungsprozess Struktur und vermittelt den Kindern Wertschätzung, Rückmeldung sowie Anlässe zum Sich-Erinnern. Auch für Erzieherinnen und Eltern stellen Dokumentationen Informationsquellen über Denken, Ziele, Können und Entwicklung der Kinder dar.

Zu den verschiedenen Formen der Dokumentationen gehört einerseits die Dokumentationsmappe, in der sich die gesamte Lern- und Entwicklungsgeschichte eines jeden Kindes befindet. Andererseits geschieht die Dokumentation in der Form der so genannten "sprechenden Wände": Bilder, Fotos und Bastelarbeiten sowie Fotos von einzelnen Phasen der Projektarbeit werden an den Wänden angebracht. Diese für alle sichtbaren Dokumentation an den Wänden bringt den Kindern Wertschätzung und Achtung für ihr Tun sowie das Gefühl für ihre Fähigkeit. Den Eltern und Erzieherinnen geben sie einen Einblick in die Entwicklung und die Vorlieben jedes Kindes.

Die Ziele der Reggio-Pädagogik

Das zentrale Ziel ist die Lernfreude der Kinder zu erhalten, zu fördern und nicht die Speicherung von fertigem Wissen. Weitere Ziele nach Malaguzzi sind;

  • Identitätsaufbau
  • Potenzialentfaltung
  • Erweiterung der Fähigkeiten
  • Erweiterung der Fertigkeiten
  • Wissensaneignung lernen
  • sensible, reflektierende Persönlichkeit
  • Empathie für Situationen/Bedürfnisse Anderer
  • Sorgfalt im Umgang mit Material
  • Verantwortungsbewusstsein
  • demokratiesches Bewusstsein, das durch
    • Partizipation,
    • Solidarität und
    • soziale Gerechtigkeit, eingeübt werden soll

Außerdem, gehört die Einbeziehung von Kindern mit Behinderung, zu den Zielen der Reggio-Pädagogik.

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