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Lenka Reinerová (* 17. Mai 1916 in Prag; † 27. Juni 2008 ebenda) war eine deutsch- und tschechischsprachige Schriftstellerin und Journalistin tschechischer Staatsangehörigkeit. Reinerová war die letzte Vertreterin der deutschsprachigen Literatur in Prag. Zu ihren Freunden zählten im Prag der Zwischenkriegszeit die Autoren Egon Erwin Kisch, Max Brod und Franz Werfel.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Lenka Reinerová wuchs in einer mehrsprachigen jüdischen Familie als Tochter eines tschechischen Eisenwarenhändlers und einer Deutschböhmin auf.[1] Reinerová arbeitete als Journalistin unter anderem bei der Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, die in der Herausgeberschaft von F.C. Weiskopf und Hermann Leupold bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag unter dem Namen Volks-Illustrierte erschien.
Als im März 1939 Prag durch deutsche Truppen besetzt wurde, war sie gerade bei Freunden in Bukarest und ging von dort ins Exil nach Paris. Sie wurde verhaftet. Sechs Monate in Einzelhaft im Pariser Frauengefängnis La Petite Roquette folgten. Danach wurde sie im Frauenlager Rieucros (Südfrankreich, Vichy-Zone) interniert, konnte schließlich über Casablanca nach Mexiko entkommen. Auf dem gleichen Schiff wie sie befand sich der deutsche Schriftsteller Gustav Regler, der ebenfalls auf der Reise nach Mexiko war. Sie blieben in den folgenden Jahren miteinander in Verbindung. In Mexiko lernte Reinerová das Maler-Ehepaar Frida Kahlo und Diego Rivera kennen. Im Jahr 1945 kehrte sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Arzt Theodor Balk, nach Europa zurück, zunächst nach Belgrad, wo 1946 ihre Tochter Anna geboren wurde, und erst 1948 nach Prag. Sie wurde während der stalinistischen Säuberungen rund um den Slánský-Prozess inhaftiert, jedoch 1964 rehabilitiert. Sie war Chefredakteurin der Zeitschrift Im Herzen Europas. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 wurde sie jedoch aus der KP ausgeschlossen und zudem für mehrere Jahre mit Publikationsverbot belegt. Sie verlor ihre Verlagsarbeit und war bis 1989 vor allem als Simultandolmetscherin tätig. Seit 1989 erschienen zahlreiche Erinnerungsbücher und Erzählungen.
Reinerová war Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Sie lebte in Prag und sprach bis zuletzt das typische Prager-Deutsch, was den Verleger Klaus Wagenbach dazu veranlasste zu sagen: „Wenn Sie wissen wollen, wie Kafka gesprochen hat, hören Sie Reinerová zu.“ Anlässlich der Verleihung des Schillerrings 1999 meinte sie dazu selber:
- "Den Schillerring habe ich bekommen, als Erste sogar. Ich bin mir doch dessen bewusst, ich schreibe doch ein Prager Deutsch, ich schreibe ja kein Deutsches Deutsch. Das freut mich natürlich, dass dieses Prager Deutsch anerkannt wird. Das ist schön."[2]
2004 gründete sie zusammen mit František Černý und Kurt Krolop das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren. Im Jahr 2001 wurde ihr die Verdienstmedaille I. Ranges durch den damaligen Präsidenten Václav Havel verliehen, 2006 erhielt Lenka Reinerová das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
Anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wurde am 25. Januar 2008 im Deutschen Bundestag eine von ihr verfasste bewegende Rede zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus vorgetragen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte sie selbst nicht mehr erscheinen.
Ehrungen
- 1999 Schiller-Ring der Deutschen Schillerstiftung
- 2001 Tschechische Verdienstmedaille I. Ranges
- 2002 Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatstadt Prag
- 2003 Goethe-Medaille
- 2006 Großes Bundesverdienstkreuz
Werke
- Grenze geschlossen. Verlag Neues Leben, Berlin 1958
- Ein für allemal. VEB Verlag Neues Leben, Berlin 1962
- Der Ausflug zum Schwanensee. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1983
- Es begann in der Melantrichgasse. Erinnerungen an Weiskopf, Kisch, Uhse und die Seghers. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1985; Neuausgabe 2006, ISBN 978-3-7466-2204-0
- Die Premiere. Erinnerungen an einen denkwürdigen Theaterabend und andere Begebenheiten. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1989, ISBN 3-351-01180-6
- Das Traumcafé einer Pragerin. Erzählungen. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-7466-1168-7
- Mandelduft. Erzählungen. Aufbau-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-351-02838-5
- auch als CD, gelesen zusammen mit Danuta Görnandt. Der Audio Verlag, Berlin 2005, ISBN 3898135187 (Aufnahme des RBB)
- Zu Hause in Prag – manchmal auch anderswo. Erzählungen. Aufbau-Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-351-02387-1
- Alle Farben der Sonne und der Nacht. Aufbau-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-351-02969-1
- Närrisches Prag. Ein Bekenntnis. Aufbau-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-351-03040-1
- Ich hatte die Vision einer gerechteren Ordnung. In: Martin Doerry (Hrsg.): Nirgendwo und überall zu Haus. Gespräche mit Überlebenden des Holocaust. DVA, München 2006, ISBN 3421042071 (auch als CD) S. 194–203
- Das Geheimnis der nächsten Minuten. Aufbau-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-351-03204-3
- Corinna Schlicht: Lenka Reinerová. Das erzählerische Werk. Oberhausen: Karl Maria Laufen, 2003 (= Autoren im Kontext - Duisburger Studienbögen 4),ISBN-13: 9783874681957,ISBN-10: 3874681955.
Weblinks
- Literatur von und über Lenka Reinerová im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- »Ich habe es trotzdem überlebt«, Informationsstelle Lateinamerika e. V., Juni 1997, Interview
- „Kisch hat uns alle inspiriert“, Der Spiegel, 30. September 2002, Nr. 40, S. 192, Interview (als PDF)
- „… dass ich vielleicht doch etwas hinterlasse“, tagesschau, 28. Juni 2008, mit Audio-Datei
- „Mir fehlt der Ehrgeiz, etwas zu erfinden“, Berliner Zeitung, 28. Juni 2008
- Video: „Die Grande Dame der tschechischen Literatur ist tot“, RBB, 6. Juli 2008, 4:10 Min., Filmtext
Einzelnachweise
- ↑ „Lenka Reinerova starb mit 92 Jahren“, dpa / Tagesspiegel, 27. Juni 2008
- ↑ Český rozhlas 7 - Radio Praha: Goethemedaille an Lenka Reinerova
Personendaten NAME Reinerová, Lenka KURZBESCHREIBUNG deutsch-tschechische Schriftstellerin und Journalistin GEBURTSDATUM 17. Mai 1916 GEBURTSORT Prag STERBEDATUM 27. Juni 2008 STERBEORT Prag
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