Reinraumtechnik

Reinraumtechnik
Ein Reinraum für die Produktion von Mikrosystemen. Die gelbe Beleuchtung verhindert die ungewollte Belichtung von Fotolacken für die Fotolithografie.
Reinraum im Bau für die Mikroelektronikproduktion vor der Installation der Fertigungsgeräte. Die Reinraum-Rasterdecke mit Filter-Ventilatoreinheiten überspannt hier ca. 6000 Quadratmeter und erzeugt eine Reinraumklasse von ca. ISO 3.
Eingangsbereich eines Reinraums
Reinraumkabine für die Präzisionsmesstechnik

Ein Rein- oder Reinstraum ist ein Raum, in dem die Konzentration luftgetragener Teilchen so gering wie nötig gehalten wird.

Rein- und Reinsträume werden für spezielle Fertigungsverfahren – vor allem in der Halbleiterfertigung – benötigt, wo in gewöhnlicher Umgebungsluft befindliche Partikel die Strukturierung integrierter Schaltkreise im Bereich von Bruchteilen eines Mikrometers stören würden. Weitere Anwendungen von Reinräumen oder Reinraumtechnik finden sich in der Optik- und Lasertechnologie, der Luft- und Raumfahrttechnik, den Biowissenschaften und der medizinischen Forschung und Behandlung, der Forschung und keimfreien Produktion von Lebensmitteln und Arzneimitteln und in der Nanotechnologie.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vermutlich hatte die Medizin zuerst die Notwendigkeit einer kontrollierten Umgebung erkannt und den klassischen Operationssaal in Krankenhäusern entwickelt. Früher gab es branchentypisch angepasste und regional unterschiedliche Forderungen und Standards für Reinräume, die mittlerweile der einheitliche Standard ISO 14644 ablöste.

Funktionsweise

Ein Reinraum wird so konstruiert, dass die Anzahl luftgetragener Teilchen, die in den Raum eingebracht werden oder dort entstehen, so gering wie möglich ist. Je nach Verwendung wird nur die Partikelanzahl oder auch die Anzahl der Keime überwacht, wie dies beispielsweise bei der Herstellung pharmazeutischer Produkte nötig ist. Andere Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Druck werden in der Regel ebenfalls konstant gehalten, um jederzeit vergleichbare Bedingungen zu schaffen.

Um die geforderten Bedingungen herzustellen, werden diverse Verfahren angewendet, um zu verhindern, dass unerwünschte Partikel in die Luft gelangen können und um bereits in der Luft befindliche Partikel wieder zu entfernen.

Da in der Regel der Mensch die größte Quelle für Partikel und andere Verschmutzungen ist, helfen eine angepasste Arbeitskleidung, spezielle Arbeitsmittel und Werkzeuge, sowie die entsprechende Arbeitstechnik, die spezifizierte Reinraumklasse einzuhalten. So gibt es beispielsweise spezielles fusselfreies Reinraumpapier, Arbeitskleidung, Kopfhauben und Überzieher für die Schuhe.

Für Reinsträume, wie sie in der Mikroelektronik Verwendung finden, gibt es mehrere hierarchische Bereiche mit entsprechender Reinraumklasse. So umgibt den Reinstraum (Klasse 10 und besser), in dem mit Substraten gearbeitet wird, ein abgetrennter Bereich mit den benötigten Anlagen zur Beschichtung und Strukturierung. Benötigte Pumpen für die Vakuumtechnik befinden sich meist in einem darunterliegenden Stockwerk.

Der Reinstraumzugang erfolgt meist über eine Folge verschiedener Reinraumbereiche mit fallender Reinraumklasse. Zwischen diesen Bereichen erfolgt in der Regel ein Kleidungswechsel. Um Verschmutzungen von Gegenständen, die mit dem Fußboden in Berührung kommen (z. B. Schuhsohlen), zu minimieren, befinden sich an den jeweiligen Zugängen spezielle klebrige Fußmatten. Der Zugang zum Reinstraum selbst folgt zusätzlich über Personal- und Materialschleusen, in denen wiederum starke Luftströmungen und Filtersyteme vorhandene Partikel aufwirbeln und absaugen, so dass keine zusätzliche Verunreinigung von außerhalb eingetragen wird.

In einigen Reinräumen wie Operationssälen müssen sich die Mitarbeiter und Besucher vorher einer Reinigung unterziehen oder zumindest Schutzkleidung anlegen.

Materialien, die in Reinräumen eingesetzten werden, müssen über abriebfeste Oberflächen verfügen. Aufgestellte Anlagen und Geräte dürfen die laminare Luftströmung nur minimal stören. Teile und Maschinen, die in den Reinraum gebracht werden sollen, müssen vorher gereinigt werden. Ein Reinraum wird im Regelfall mit Überdruck (Überdruckbelüftung) beaufschlagt. In Sonderfällen werden Reinräume auch mit Unterdruck betrieben, was verhindert, dass z. B. gefährliche Substanzen oder Krankheitserreger nach außen dringen können.

Auch sogenannte Laminar-Flow-Einheiten können bedingt staub- und partikelarme Arbeitsplätze schaffen, in denen ein gereinigter, vertikaler oder horizontaler Luftstrom sowie Vorhänge dafür sorgen, dass die Partikelkonzentrationen in der Luft und damit die Partikelablagerungen auf dem Produkt reduziert werden.

Die verwendeten Verfahren und Anlagenarten der Klimatechnik sollen sicherstellen, dass Verunreinigungen sofort aus der Luft entfernt werden. Dazu wird eine turbulenzarme Verdrängungsströmung (Laminarströmung, engl. laminar flow) genutzt. Zusammen mit einer in der Regel mehrstufigen Filterung und großem Luftdurchsatz soll die Reinheit der Luft sichergestellt werden.

Strömungsprinzipien für Reinräume

Es wird grundsätzlich zwischen einer turbulenten Verdünnungsströmung und einer turbulenzarmen Verdrängungsströmung unterschieden:

  • Bei der turbulenten Verdünnungs- oder Mischströmung wird die gefilterte Reinluft turbulent (verwirbelnd) in den Reinraum eingeführt und erzeugt eine stetige Verdünnung der Partikelkonzentration. Die geforderte Reinraumklasse wird dann bei reinraumgerechtem Verhalten des Personals aufrechterhalten. Hier ist besonders darauf zu achten, dass Partikel erzeugende Objekte und Vorgänge im Reinraum minimiert werden.
  • Bei der turbulenzarmen Verdrängungsströmung, die auch „laminar flow“ genannt wird, strömt die Reinluft turbulenzarm und in der Regel vertikal in den Reinraum und bewirkt, dass die sensiblen Arbeitsbereiche und Maschinen möglichst gering kontaminiert werden. Die Luft entweicht dann auf der gegenüberliegenden Fläche, in der Regel durch den perforierten Doppelboden, aus dem Raum und wird zur wiederholten Filterung zum Umluftgerät zurück geführt.
Strömungsprinzip „turbulenter Reinraum“
Strömungsprinzip „Laminarströmungs-Reinraum“

Reinraumklassen

Abhängigkeit der zulässigen Teilchenkonzentration von der Teilchengröße für verschiedene Reinraumklassen. Gr. Ziffern: ISO, kl. Ziffern: STD209.

Um einen Reinraum betreiben zu können, müssen nach dem Bau und während des Betriebs Partikelmessungen durchgeführt werden. Aufgrund dieser Messungen kann eine Klassifizierung der Reinheit des Raumes nach einer Norm vollzogen werden. Beispielsweise dürfen bei Klasse 100 (ISO 5) max. 100 Partikel von max. 0,5 µm Durchmesser pro Kubikfuß (3,5 Partikel pro Liter) enthalten sein.

Branchenabhängige Reinraumdefinitionen
Branche Hauptkontamination Hauptnorm
Halbleitertechnik Partikel US Federal Standard 209E, abgelöst durch ISO 14644-1 und ISO 14644-2[1]
Raumfahrttechnik Partikel ECSS-Q-ST-70-01
Lebensmitteltechnik Mikroorganismen VDI 2083
Pharmazie Keimzahl (KB) EG-GMP Annex 1
Reinraumklassen nach ISO 14644-1
  Partikel je m³
Klasse 0,1 µm 0,2 µm 0,3 µm 0,5 µm 1,0 µm 5,0 µm
ISO 1 10 2        
ISO 2 100 24 10 4    
ISO 3 1.000 237 102 35 8  
ISO 4 10.000 2.370 1.020 352 83  
ISO 5 100.000 23.700 10.200 3.520 832 29
ISO 6 1.000.000 237.000 102.000 35.200 8.320 293
ISO 7       352.000 83.200 2.930
ISO 8       3.520.000 832.000 29.300
ISO 9       35.200.000 8.320.000 293.000
Reinraumklassen nach US FED STD 209E
  Partikel je ft³
Klasse 0,1 µm 0,2 µm 0,3 µm 0,5 µm 5,0 µm
1 35 7 3 1  
10 350 75 30 10  
100   750 300 100  
1.000       1.000 7
10.000       10.000 70
100.000       100.000 700
Hinweis:
US FED STD 209E ist seit dem 29. November 2001 nicht mehr gültig.[1]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Notice of Cancellation der GSA vom 29. November 2001, wiedergegeben auf der IEST-Website, Zuletzt geprüft: 2008-06-23

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