Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi

Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi
Graf Coudenhove-Kalergi

Richard Nicolaus Graf (bis 1919) Coudenhove-Kalergi (* 16. November 1894 in Tokio; † 27. Juli 1972 in Schruns, Österreich) war ein österreichischer Schriftsteller, Politiker und Gründer der Paneuropa-Bewegung.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Familie

Coudenhove-Kalergi war der Sohn des k. u. k. Botschafters in Japan Heinrich Graf von Coudenhove-Kalergi und seiner japanischen Frau Mitsu Aoyama (1874-1941), die einer Kaufmannsfamilie entstammte. Väterlicherseits hatten die brabantischen Coudenhoves den Adelstitel für die Teilnahme am Kreuzzug 1099 erhalten und konnten lückenlos zurückblicken auf den am 3. März 1259 verstorbenen Vorfahren Gerolf.
Coudenhove-Kalergi wurde in Tokio geboren, wuchs in Österreich auf, war in Frankreich zu Hause und hatte die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Als er ein Jahr alt war, übersiedelten seine Eltern nach Ronsperg in Böhmen. Er wurde von Privatlehrern erzogen und von seinem Vater, der 18 Sprachen beherrschte, in Russisch und Ungarisch unterrichtet. Später kam er ans Theresianum in Wien und studierte dann an der Alma Mater Rudolphina Philosophie und Geschichte. 1916 promovierte er zum Doktor der Philosophie.[1]

1915 heiratete Coudenhove-Kalergi die österreichische Schauspielerin Ida Roland Klausner, die 1951 starb. Während des Zweiten Weltkrieges emigrierte er in die Schweiz und in die USA. 1952 heiratete er die Schweizerin Alexandra Gräfin von Tiele, geb. Bally, eine Arzttochter aus Solothurn, die nach kurzer Ehe verstarb. 1969 heiratete er die Österreicherin Melanie Benatzky Hoffmann, die Witwe des Komponisten Ralph Benatzky.

Die Schwester Kalergis Ida Friederike Görres ist als Schriftstellerin bekannt, die Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi ist seine Nichte.

Beruflicher Werdegang

Richard Nicolaus Coudenhove-Kalergi entwickelte die visionäre „Pan-Europa“-Idee, die zum Thema seines Lebens wurde. Sein Vorschlag, ein Paneuropa zu schaffen, erregte 1922, als Kalergi gerade 28 Jahre alt war, internationales Aufsehen. Der von ihm vorgeschlagene europäische Staatenbund sollte als ein politischer und wirtschaftlicher Zweckverband einen erneuten Weltkrieg verhindern.

Im Jahr 1923 gründete Coudenhove-Kalergi die Paneuropa-Union, die älteste europäische Einigungsbewegung, der unter anderem Albert Einstein, Thomas Mann, Aristide Briand, Otto von Habsburg und Konrad Adenauer angehörten. Coudenhove-Kalergi war damit Vordenker der heutigen europäischen Idee und des europäischen Selbstverständnisses und der europäischen Identität. Prinzipien eines Europa im Sinne Kalergi waren Freiheit, Frieden, Wohlstand und Kultur, die noch heute das Selbstverständnis Europas kennzeichnen. Er sah das vereinte Europa in wirtschaftlicher, aber auch kultureller und politischer Hinsicht als Gegengewicht zu den USA, Russland und Asien.

In einer Zeit des grassierenden Nationalismus nach dem Ersten Weltkrieg waren seine Ideen sehr bemerkenswert. Coudenhove-Kalergi forderte Frankreich und Deutschland auf, ihre Streitigkeiten beizulegen und sich stattdessen auf ihre Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Den skandinavischen Staaten dachte er die Rolle zu, für eine Einigung Europas die Initiative ergreifen und als Vermittler zwischen den verfeindeten europäischen Staaten zu fungieren.

Seit 1922 war Coudenhove-Kalergi Mitglied der Wiener Freimaurerloge Humanitas.[2], die sich in erster Linie karitativen Aufgaben widmete, für soziale Reformen einsetzte und die pazifistische Bewegung für ein besseres Verständnis zwischen den Völkern unterstützte.[3]

Die Paneuropa-Union wurde im nationalsozialistischen Deutschland verboten. Kalergi musste 1938 vor den Nationalsozialisten flüchten und emigrierte über die Schweiz in die USA. Dort lehrte er von 1942 bis 1946 an der New York Universität Geschichte, zunächst als Lehrbeauftragter (Lecturer), ab 1944 als Professor. In Europa fanden seine Ideen mit dem heranrückenden Zweiten Weltkrieg kaum noch Beachtung.

Erst nach dem Krieg erlebte seine Paneuropa-Idee eine Renaissance. Winston Churchill hielt 1946 in Zürich eine von Kalergi geschriebene Rede, in der er die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ anregte und dabei die zentralen Forderungen der Paneuropa-Idee aufnahm.

1947 gründete Coudenhove-Kalergi die Europäische Parlamentarier-Union (EPU), die die Parlamentarier der einzelnen europäischen Parlamente in einer Europa-Versammlung zusammen führen sollte. Die EPU behauptete zunächst ihre Eigenständigkeit gegenüber Fusionsangeboten anderer Organisationen, welche die Einigung Europas anstrebten. Erst 1952 schloss sie sich der Europäischen Bewegung an. Coudenhove-Kalergi wurde Ehrenpräsident dieser Bewegung.

Am 18. Mai 1950 erhielt Kalergi als Erster den internationalen Karlspreis der Stadt Aachen in Würdigung seiner Lebensarbeit für ein geeintes Europa.

Kurze Zeit später unterbreitete er dem Europarat einen Entwurf für eine Europäische Flagge, der aber wegen der Verwendung des christlichen Symbols des Kreuzes nicht konsensfähig war.[4] 1955 schlug er Beethovens Vertonung von Schillers Ode an die Freude als neue Europäische Hymne vor.[5] Seit 1972 ist die Melodie offizielle Hymne des Europarats und seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union.

Werke

  • Pan-Europa (1923, Neuauflage 1982)
  • Praktischer Idealismus (1925)
  • Kampf um Paneuropa (3 Bände, 1925-28)
  • Die Europäische Nation (1953)
  • Ein Leben für Europa (1966) Lebenserinnerungen
  • Weltmacht Europa (1971)

Literatur

  • Vanessa Conze (2004): Richard Coudenhove-Kalergi: umstrittener Visionär Europas. ISBN 3-7881-0156-3.
  • Anita Ziegerhofer-Prettenthaler (2004): Botschafter Europas. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren. ISBN 3-205-77217-2
  • Ulrich Wyrwa: Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und die Paneuropa-Bewegung in den zwanziger Jahren. In: Historische Zeitschrift 283 (2006), H.1, S. 103–122.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Große Österreicher, Ueberreuter, Hrsg. und Autor Thomas Chorherr
  2. Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon. studien-verlag.at, Seite 158
  3. Robert A. Minder: Freimaurer Politiker Lexikon. studien-verlag.at, Seite 156
  4. The European Flag, Memorandum presented to the Council of Europe by Richard Coudenhove-Kalergi, President of the Pan-European Movement, Secretary General of the European Parliamentary Union. Gstaad: 27 July 1950. Archives historiques du Conseil de l'Europe - Historical archives of the Council of Europe, Strasbourg. (Flashplayer erforderlich)
  5. Briefwechsel zwischen Richard Coudenhove-Kalergi und Paul M. G. Lévy, dem Direktor des Pressedienstes beim Europarat vom August und September 1955. European anthem, Documents, Council of Europe, Library and Archives, 19.09.2005. Weblink abgerufen 4. Februar 2009 (Flashplayer erforderlich)

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